Source: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Es gilt das gesprochene Wort!
Heute ist der 29. Oktober. Das ist ein besonderer Tag. Denn der 29. Oktober vor 96 Jahren ist in die Geschichte eingegangen – als „Black Tuesday“.
Am „Black Tuesday“ brach der Dow Jones um fast 12 Prozent ein. Die Tage Ende Oktober 1929 markierten den Auftakt der Weltwirtschaftskrise.
Geschichte wiederholt sich nicht. Heute haben wir es nicht mit kreditfinanzierter Spekulation am Aktienmarkt zu tun, angetrieben von überschwänglichem Optimismus. Unsere Risikosituation heute ist anders.
Der 29. Oktober ist dennoch ein guter Tag, uns zu fragen: Sind die deutschen Versicherer gewappnet für die Zukunft?
Für eine Zukunft, geprägt von geopolitischer Unsicherheit und potenziell großer Volatilität an den Kapitalmärkten.
Für eine Zukunft, in der Technologie immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbs- und auch Risikofaktor wird.
Und für eine Zukunft, in der für die Unternehmen der Branche ein angemessener Kundennutzen genauso wichtig ist, wie eine gute Solvabilität.
Sind sie dafür gewappnet?
Herzlich willkommen zur Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht!
Wir setzen uns für ein stabiles und faires Finanzsystem ein. Für ein Finanzsystem, dem Menschen und Unternehmen vertrauen können. Ein Finanzsystem, das zukunftsfähig ist.
Das wird deutlich, wenn Sie sich unsere strategischen Ziele für die Jahre 2026 bis 2029 ansehen. Dazu gehören natürlich Aspekte der Stabilität und der Resilienz, aber auch klar zukunftsgerichtete Perspektiven.
Zum Beispiel: Wir fördern Transparenz und Kundennutzen. Wir stehen dem Einsatz von innovativen Technologien und Geschäftsmodellen, die Kundinnen und Kunden nutzen, positiv gegenüber. Und wir setzen uns für Komplexitätsreduktion und mehr Proportionalität ein.
Das sind Ziele der BaFin. Und wichtige Faktoren für die Zukunftsfähigkeit des Finanzsektors.
Zukunftsfähigkeit sichern, das ist natürlich in erster Linie Aufgabe der Unternehmen. Sie müssen Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die wirtschaftlichen Erfolg und Mehrwert für Kundinnen und Kunden versprechen.
Als Aufsicht erwarten wir, dass die Unternehmen neue Entwicklungen aktiv aufgreifen.
Dass sie nicht an alten Zöpfen festhalten, weil die eben schon immer dagewesen sind. Es ist uns wichtig, dass sie diese alten Zöpfe regelmäßig ansehen. Und zwar kritisch. Und dass sie sie abschneiden, wenn das erforderlich ist. Wir wollen eine innovations- und zukunftsfähige Branche.
Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren wichtige Themen angepackt. Sie haben Veränderungen vorgenommen, die wirtschaftlich notwendig waren. Sie haben neue Produkte auf den Markt gebracht und Einsatzgebiete für innovative Technologien ausgelotet. Aber reicht das in puncto Zukunftsfähigkeit?
Ich meine, nein. Als Aufseherinnen und Aufseher sehen wir jeden Tag, bei welchen Themen die Branche noch zulegen muss. Drei davon möchte ich heute ansprechen. Konkret: das Risikomanagement der Kapitalanlagen, den Umgang mit Künstlicher Intelligenz und den Kundennutzen.
Schauen wir zunächst auf die Kapitalanlagen. Vor allem auf die sogenannten Alternativen Anlagen. Also etwa Private Equity, Private Debt und Immobilien. Dazu haben wir in den vergangenen Monaten ausgewählte Versicherer befragt. Denn diese Anlageklassen stellen besondere Anforderungen an das Risikomanagement. Anforderungen, die sich deutlich von denen der etablierten Anlageformen wie Fixed Income unterscheiden. Wir haben daher geschaut: Wie leiten Versicherer ihre strategische Asset Allocation her? Und wie gestalten sie ihr Limitsystem?
Unsere Abfrage hat gezeigt:
Es sind vor allem kleinere Unternehmen, die hohe Anteile alternativer Kapitalanlagen in ihren Portfolios haben. Vor allem Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Und genau bei diesen kleineren Versicherern haben sich Risiken auch eher realisiert. Sie mussten zum Beispiel Immobilieninvestments abschreiben. In Einzelfällen kann das gravierende Konsequenzen haben. Bis hin zu Leistungskürzungen.
Wir haben auch gesehen: Liquidität ist ein kritischer Faktor. Vor allem für Unternehmen mit erheblichen stillen Lasten im Anleiheportfolio und geringem Neugeschäft oder laufendem Run-off. Wer in so einer Situation zusätzlich noch einen hohen Anteil illiquider Kapitalanlagen hält, kann in Schwierigkeiten kommen. Vor allem, wenn umgeschichtet werden muss.
Zukunftsfähige Unternehmen brauchen daher ein angemessenes Risikomanagement der Kapitalanlagen für alle ihre Asset-Klassen.
Sie sollten nur in Anlagen investieren, die sie auch wirklich verstehen. Und sich nicht allein auf die Expertise von Dritten verlassen. Vor allem, wenn sie Anlagen indirekt halten. Etwa über Fonds.
Unsere Erfahrung in der Aufsicht zeigt: Kommunikation spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle. Vor allem der enge Austausch zwischen Portfolio- und Risikomanagement. Es muss klar definiert sein, wer wann welche Informationen in welcher Granularität braucht. Und welche Stakeholder wann einzubinden sind. Also etwa das Risiko-Komitee, der Vorstand oder der Aufsichtsrat.
Auch die Limit-Systeme sind teilweise nicht granular genug. Insbesondere bei der Überwachung des Adressenausfallrisikos. Wir sehen: Auch Solvency-II-Unternehmen leiten Limit-Systeme immer noch aus der Anlageverordnung ab. Das überrascht uns, denn die EIOPA-Leitlinien zum Risikomanagement sehen ja vor, dass diese Unternehmen jeweils einen sogenannten Internen Anlagekatalog aufzustellen haben.
Diese Themen sprechen wir in der Aufsicht an. Etwa bei Aufsichtsgesprächen. Oder bei örtlichen Prüfungen.
Und bei manchen Unternehmen hat das auch schon zu Veränderungen geführt. Ich kann Ihnen heute sagen: Wir bleiben bei diesem Thema am Ball. Denn Alternatives werden eine relevante Anlageklasse bleiben.
Auch wenn beispielsweise klassische Anleihen wieder ein besseres Risiko-Rendite-Profil bieten. Wir werden die Erkenntnisse aus unserer Abfrage nutzen, um bei einigen Unternehmen nächstes Jahr vertieft hinzuschauen. Und wir planen dann auch eine Neuauflage unserer Kapitalanlage-Abfrage. Denn ein leistungsstarkes Risikomanagement der Kapitalanlagen ist für eine zukunftsfähige Versicherungsbranche ganz entscheidend.
Wir wollen zukunftsfähige Versicherer. Und das heißt auch: Versicherer, die die Möglichkeiten innovativer Technologien ergreifen, für sich und damit auch für ihre Versicherten. Und das besser heute als morgen. Das bedeutet vor allem auch: die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz zu nutzen.
Ich weiß: KI ist für Versicherer nicht neu. Viele nutzen sie schon seit einigen Jahren.
Dabei geht es derzeit geht es vor allem um mehr Effizienz. Zum Beispiel durch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen. Wir möchten die Versicherer daher ermutigen: Nutzen Sie die Chancen von KI auch über die reine Prozessoptimierung hinaus. Zum Beispiel in der Außenkommunikation. Im Wissensmanagement. Oder auch in Kontrollfunktionen wie der Compliance. Hier kann sie helfen, Betrug besser zu erkennen. Und sogar in der Revision kann die KI unterstützen, Und die Analyse großer Datenmengen erleichtern. Ergreifen Sie solche Chancen – aber behalten Sie die Risiken im Blick.
Denn KI-Modelle bringen neue Risiken mit sich. Und sie können bestehende Risiken verstärken. Wer in Unternehmen Verantwortung trägt, muss sich daher überlegen: Wie verändert sich unsere Risikolandschaft, wenn KI eine immer wichtigere Rolle spielt?
Sich mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen, das bedeutet zurzeit auch, sich intensiv mit der europäischen KI-Verordnung auseinanderzusetzen.
Und mit ihren Auswirkungen. Vor allem in Hinblick auf das Thema Hochrisiko-Anwendungen. Viele von Ihnen machen das auch.
Dennoch ist einiges immer noch unklar. Zum Beispiel der genaue Umfang von Hochrisiko-Anwendungen. Was zählt genau dazu? Auf jeden Fall Systeme zur Preis- und Risikoberechnung bei Kranken- und Lebensversicherungen. Aber sonst? Entscheidend wird die konkrete Auslegung sein.
Wir versuchen, diese Auslegung mitzugestalten. In verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien. Dabei orientieren wir uns am Prinzip der Proportionalität. Uns ist es wichtig, dass wir eine verhältnismäßige Auslegung der KI-Verordnung erreichen. Und dazu gehört für uns eine pragmatische Definition von KI– und Hochrisiko-KI-Anwendungen. Besonders wichtig ist uns, dass normale statistische Verfahren nicht als Hochrisiko-KI klassifiziert werden. Ich denke, das ist in unser aller Interesse.
Wir werden sehr wahrscheinlich als Marktüberwachungsbehörde für den Finanzsektor zuständig sein. Dabei setzen wir uns dafür ein, die Einführung der KI-Verordnung für die Branche möglichst effizient zu gestalten. Also auch Widersprüche und Doppelungen zwischen verschiedenen Regelwerken zu verhindern. Zum Beispiel zwischen der KI-Verordnung und DORA.
Gleichzeitig erwarten wir von den Unternehmen eine vorausschauende Implementierung der KI-Verordnung. Und dass sie konstruktiv und transparent mit uns zusammenarbeiten. Schließlich haben wir alle dasselbe Ziel: dass die Versicherer durch faire und sichere KI-Modelle den Nutzen, den sie für ihre Kundinnen und Kunden erzielen, steigern können. Und natürlich auch ihre Effizienz.
Die Einbettung der KI-Anwendungen in das Governance-System muss generell zur Struktur, zur Größe und zum Aufbau des Unternehmens passen. Für manche Unternehmen kann es sinnvoll sein, eine eigene KI-Strategie zu entwickeln. Für andere kann es mehr Sinn machen, diese Themen in bestehende Strategien zu integrieren.
Als Aufsicht beschäftigen wir uns natürlich auch mit Anwendungen, die keine Hochrisiko-KI gemäß der KI-Verordnung sind. Die Verordnung hat ja vor allem die Grundrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Blick. Versicherer müssen jedoch noch weitere Risiken managen. Zum Beispiel Solvenz- oder Reputationsrisiken. Diese Risiken muss ihr Modellrisikomanagement auch adressieren.
Die Versicherer brauchen daher für ihre Modelle eine angemessene Governance und ein angemessenes Risikomanagement über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Datenaufbereitung und Entwicklung, über die Validierung und die Inbetriebnahme bis hin zur Überwachung und Instandhaltung. Dabei müssen sie Transparenz, Erklärbarkeit und Verbraucherschutz gewährleisten.
Das gilt für alle Modelle, und zwar proportional zum Risikogehalt der Anwendung bzw. des Prozesses, in dem das jeweilige Modell eingesetzt wird. Und abhängig davon, wie stark diese Modelle relevante Entscheidungen des Unternehmens beeinflussen.
Wenn wir über Zukunftsfähigkeit sprechen, dann geht es natürlich auch um die Frage: Schaffen die Produkte der Versicherer einen angemessenen Nutzen für Kundinnen und Kunden?
Denn eines ist klar: Wer nur seine kurzfristigen Geschäftsinteressen im Blick hat, der handelt nicht zukunftsfähig.
Ich habe im vergangenen Jahr an dieser Stelle gesagt: „Der Kundennutzen bleibt auch im Jahr 2025 absolut relevant. Wir werden die Wohlverhaltensaufsicht bei den Anbietern von kapitalbildenden Lebensversicherungen fortführen.“ Und das haben wir getan.
Die Wohlverhaltensaufsicht nimmt weiter an Fahrt auf. Und sie wirkt. Unsere aktuelle Abfrage bei Anbietern von Versicherungsanlageprodukten hat ein sehr erfreuliches Ergebnis gezeigt: Bei fondsgebundenen Produkten gegen laufenden Beitrag gab es eine signifikante Verbesserung bei den Effektivkosten. Vor allem beim teuersten Viertel und im Median des Marktes. Das hat unsere Abfrage in diesem Jahr gezeigt. Teilweise sanken die Effektivkosten um mehr als 40 Basispunkte im Vergleich zum Jahr 2021.
Wahrscheinlich hat unsere Aufsicht dazu beigetragen, dass Unternehmen mittlerweile Produkte mit preiswerteren Fonds vertreiben. Wir werden hier weiter dranbleiben.
Außerdem beschäftigen wir uns mit dem Kundennutzen in der Rentenbezugszeit. Die meisten kapitalbildenden Lebensversicherungen sind aufgeschobene Rentenversicherungen. Die Versicherten können nach dem Ende der Ansparphase also eine lebenslange Rente beziehen. Kritische Stimmen wenden oft ein: Die garantierten Renten sind viel zu niedrig! Und: Die Versicherten müssen sehr alt werden, damit sie ihr eingesetztes Kapital wieder herauskriegen.
Natürlich sind kapitalbildende Lebensversicherungen, die unterschiedliche biometrische Risiken wie Tod oder Langlebigkeit absichern, keine Sparbücher. Und losgelöst von solchen Diskussionen sind auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben klar. Die Versicherer müssen für die ferne Zukunft garantierte Leistungen sehr vorsichtig kalkulieren. Damit sie ihre Garantieversprechen auch dauerhaft einhalten können. Allerdings dürfen hohe Sicherheitsmargen nicht einseitig zu Lasten der Versicherungsnehmer gehen. Die Versicherer müssen daher mindestens 90 Prozent der Risikoüberschüsse, die durch Sicherheitsmargen entstehen, für die Überschussbeteiligung verwenden.
Aber: Damit gelingt es nicht immer, einen angemessenen Kundennutzen sicherzustellen.
Weil diese Vorgaben nur auf Ebene des Gesamtbestandes gelten. Etwaige Risikoverluste in einzelnen Teilbeständen können nämlich mit Gewinnen in anderen Teilbeständen verrechnet werden.
Deshalb haben wir auch erhoben, wie hoch die Überschussbeteiligung im Rentenbezug bei den im Jahr 2024 verkauften Produkten ist. Und welchen Anteil der Risikoüberschussanteil ausmacht.
Das Ergebnis hat uns nicht gefallen: Mehr als die Hälfte der Lebensversicherer hat derzeit auch bei neueren, auskömmlich kalkulierten Produkten keine Risikoüberschussbeteiligung deklariert. Den Ursachen werden wir noch näher auf den Grund gehen.
Wir schauen uns in der Wohlverhaltensaufsicht nicht nur die Lebensversicherung an. Wir richten unseren Fokus nun auch auf andere Sparten. Als Nächstes auf die Schaden- und Unfallversicherung.
Auch hier gilt: Jedes neu entwickelte oder wesentlich geänderte Versicherungsprodukt muss ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen. Also einen angemessenen Kundennutzen bieten.
In der Schaden- und Unfallversicherung gilt die Tariffreiheit. Aber der Tariffreiheit sind durch die Wohlverhaltensaufsicht auch Grenzen gesetzt. Die Unternehmen sollten ihre Prämien risikogerecht nach versicherungsmathematischen Prinzipien kalkulieren.
Der Bezug zum Risiko ist auch relevant, wenn Schaden- und Unfallversicherer ihre Preise – neben der versicherungsmathematischen Prämienkalkulation – anhand weiterer Kriterien differenzieren. In Europa ist das Thema bereits auf der Agenda. Und auch wir haben dazu eine repräsentative Abfrage durchgeführt. Über das Ergebnis waren wir überrascht. Insbesondere über das Ausmaß, in dem Schaden- und Unfallversicherer ihre Prämien differenzieren.
Zum Beispiel gaben 85 Prozent der Versicherer an, dass sie bei ihren Kfz-Produkten Preisdifferenzierung betreiben. Die Hälfte davon in erheblichem Umfang. Und das bei Produkten, deren Prämienberechnung ohnehin schon auf sehr vielen Tarifmerkmalen beruht.
Bei unserer Untersuchung sind uns einige Preisdifferenzierungen aufgefallen, mit denen wir uns im Rahmen der Wohlverhaltensaufsicht näher auseinandersetzen werden.
Am häufigsten räumen Versicherer dem Vertrieb die Möglichkeit ein, Rabatte zu vergeben. Hier haben wir festgestellt: Die gewährten Rabattmöglichkeiten sind nicht immer risikobasiert. Und sie werden Kundinnen und Kunden gegenüber häufig nicht transparent kommuniziert.
Eine weitere aus aufsichtlicher Perspektive sehr kritische Preisdifferenzierung ist das sogenannte Price-Walking. Also wiederholte Prämienerhöhungen, die nicht mit dem versicherten Risiko oder den Kosten des Versicherers zusammenhängen. Wenn also zum Beispiel Kundinnen und Kunden alleine deswegen höhere Prämien zahlen, weil sie eine geringere Preissensitivität haben. Oder eine geringe Kündigungsneigung. Diese Art der Preisdifferenzierung kann besonders vulnerable Gruppen treffen. Etwa ältere Menschen. Oder Versicherte, die wenig digitalaffin sind. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat daher zurecht darauf hingewiesen, dass Price-Walking nicht mit den Grundsätzen der Wohlverhaltensaufsicht vereinbar ist.
Lassen Sie es mich klarstellen: Wir wollen die Deregulierung der Prämien in der Schaden- und Unfallversicherung nicht rückgängig machen. Denn risikobasierte und transparente Preisdifferenzierungen sind mit den Vorgaben der Wohlverhaltensaufsicht vereinbar. Uns geht es darum, Ausreißer zu identifizieren. Und gegen diese vorzugehen. Genauso wie bei den kapitalbildenden Lebensversicherungen.
Versicherungsprodukte, die angemessen bepreist sind und die einen angemessenen Kundennutzen bieten, sind nicht nur im Interesse der Kundinnen und Kunden. Sie sind auch im Interesse der Unternehmen. Davon bin ich überzeugt. Zukunftsfähige Versicherer wissen das. Und orientieren sich daran.
Wenn wir diese drei Themen – das Risikomanagement der Kapitalanlagen, Künstliche Intelligenz und Kundennutzen – einmal in Gänze betrachten, dann wird klar: Zukunftsfähige Versicherer brauchen eine starke Governance.
Eine starke Governance ist keine regulatorische Pflichtübung. Es geht nicht darum, Checklisten abzuhaken. Es geht nicht darum, nur zu überwachen, ob Prozesse formal korrekt ausgeführt werden. Es geht um einen adäquaten Rahmen für die strategische Steuerung des gesamten Unternehmens und seiner Geschäfte.
Eine starke Governance muss alles im Blick haben. Die Kapitalanlage. Den Umgang mit Technologien. Den Kundennutzen. Die Solvenz. Und noch vieles mehr. Damit nichts unter den Teppich gekehrt werden kann.
Eine gute Unternehmensführung ist die Basis für langfristige Widerstandsfähigkeit, für Wettbewerbsfähigkeit und für nachhaltiges Wachstum. Dazu gehört ein leistungsstarkes Risikomanagement. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und anhaltender geopolitischer Risiken.
Aber auch das ausgeklügeltste Risikomanagement-System kann nur effektiv funktionieren, wenn die Risikokultur das auch zulässt. Wenn die kollektiven Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen zum Umgang mit Risiken auf allen Ebenen des Unternehmens verantwortungsvolle Entscheidungen ermöglichen.
Unternehmen mit einer starken Risikokultur sind besser in der Lage, auf neue Risiken schnell zu reagieren. Und auch Defizite in ihrem Unternehmen aufzudecken und zu beseitigen. Findet Risikomanagement dagegen nur auf dem Papier statt, ist es unzureichend. Kultur und Prozesse – beides gehört zusammen.
Hier muss die Geschäftsleitung Verantwortung wahrnehmen. Es ist ihre Aufgabe, in ihrem Unternehmen für eine wirkungsvolle Governance zu sorgen. Und mit ihrem „Tone from the Top“ prägt sie auch die Risikokultur ganz entscheidend.
Wir werden ihr dabei über die Schulter schauen. Indem wir ausgewählte Bereiche der Governance-Organisation gezielt unter die Lupe nehmen. Nicht, um aufsichtliche Checklisten abzuarbeiten. Sondern prinzipienorientiert und proportional.
Mehr Prinzipienorientierung, das bedeutet allerdings auch, dass die unternehmensindividuelle Umsetzung und die Einschätzung der jeweiligen Aufseherin oder des jeweiligen Aufsehers wichtiger werden. Wir – Branche und Aufsicht – müssen uns also intensiver austauschen.
Mehr miteinander sprechen und diskutieren. Und das offen und vor allem auch rechtzeitig. Gerade auch angesichts der vielen Unsicherheiten, mit denen wir alle umgehen müssen.
Angesichts dieser vielen Risiken setzen wir in der Aufsicht für das neue Jahr daher klare Schwerpunkte.
Das Thema Governance bleibt auf unserer Agenda.
Wir werden die Wohlverhaltensaufsicht weiterführen und uns gezielt die sogenannten schwarzen Schafe am Markt anschauen. Außerdem wollen wir die verzögerte Leistungsbearbeitung in den Blick nehmen. Bei einigen Produkten im Bereich Schaden/Unfall und bei Pflegepflichtversicherungen.
Und natürlich beschäftigen wir uns weiter mit Künstlicher Intelligenz. Wir werden die Aufsicht über Hochrisiko-KI weiter vorbereiten. Und außerdem wollen wir schauen: Wie weit sind die Versicherer bei ihrer digitalen Transformation vorangekommen? Also: Verfolgen sie hierfür eine klare Strategie?
Managen sie die mit der digitalen Transformation einhergehenden Risiken auf angemessene Art und Weise? Und: Wie einheitlich bzw. wie heterogen ist die Lage in der Branche bei diesem Thema?
Und – last but not least – werden wir uns auch um aktuelle Regulierungsthemen kümmern. Konkret: um den Solvency-II-Review und um die IRRD. Beide Vorhaben müssen im nächsten Jahr in nationale Gesetze überführt werden. Damit sie ab Ende Januar 2027 angewandt werden können.
Lassen Sie uns heute gemeinsam diskutieren. Welche Prioritäten muss die gesamte Branche setzen, um den vielfältigen und komplexen Risiken zu begegnen, denen sie gegenübersteht? Und: Welche Chancen kann sie ergreifen? Damit die Branche auch künftig zukunftsfähig ist.
Ich freue mich darauf!