Apotheken-News: Arzneimittel als Ware, Versorgung als Kollateralschaden

Source: Deutsche Nachrichten
Ein Prozess mit Sprengkraft erschüttert die Grundlagen der Arzneimittelversorgung in Deutschland: Vor dem Bundesgerichtshof prallt die Logik des freien Marktes auf die Prinzipien des Gemeinwohls. DocMorris, einstiger Pionier des Versandhandels, fordert unter Berufung auf europarechtliche Freiheiten das Ende der deutschen Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente. Im Gerichtssaal wird die Versorgung zur Nebensache, der Wettbewerb zum Leitbild. Doch was bedeutet das für die Apotheken vor Ort, für Nacht- und Notdienste, Rezepturen und Medikationsmanagement? Während die Richter primär juristisch abwägen, spitzt sich die wirtschaftliche Lage in der Branche weiter zu. Die Entscheidung in Karlsruhe könnte den Markt nicht nur verändern, sondern erschüttern. Apothekeninhaber sind gut beraten, nicht nur auf ein Urteil zu warten – sondern sich auf dessen Folgen vorzubereiten.

In einem Verfahren von außergewöhnlicher Tragweite verhandelte der Bundesgerichtshof über die rechtliche Zulässigkeit der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Kontext grenzüberschreitender Versandapotheken. Klägerin war DocMorris – das Unternehmen, das bereits 2016 mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs die deutsche Preisbindung auf europäischer Ebene erstmals ins Wanken brachte. Doch was damals in Luxemburg entschieden wurde, erreicht nun seinen juristischen Kulminationspunkt in Karlsruhe. Der BGH muss klären, ob das deutsche Preisrecht auch dann Bestand hat, wenn sich ausländische Anbieter unter dem Deckmantel der Warenverkehrsfreiheit systematisch vom Preisregime abkoppeln. Die Antwort könnte den Apothekenmarkt in seinen Grundfesten erschüttern.

Im Gerichtssaal präsentierte sich das Verfahren als ein Konflikt zwischen normativem Gesundheitsverständnis und wirtschaftsliberaler Marktlogik. Die Vertreter von DocMorris argumentierten mit freiem Wettbewerb, Effizienzgewinnen und Konsumentenwohl, während sich die Gegenseite auf die systemrelevante Rolle der inhabergeführten Präsenzapotheken berief. Der Anwalt der Versandapotheke brachte vier Stapel Akten in den Saal – Symbol und Strategie zugleich: Masse statt Maß, Formalismus statt Versorgung. Dass dabei die strukturelle Verantwortung der Apotheken für Nacht- und Notdienste, Rezeptur, Akutversorgung oder Medikationsmanagement kaum gewürdigt wurde, lässt tief blicken. Die Richter hielten sich in ihrer Befragung auffallend zurück, stellten wenige Fragen zur praktischen Versorgungslage und schienen primär an juristischer Abwägung zwischen Markt- und Versorgungsinteresse interessiert.

Für die Apothekerschaft war das Verfahren ein Weckruf. Der Eindruck, dass ein Gericht über Systemfragen entscheidet, ohne deren realökonomische Auswirkungen vollständig zu erfassen, befeuert die Sorge vor einer Entkopplung zwischen Rechtsprechung und Versorgungspraxis. Die Preisbindung, so zeigen Stellungnahmen von Experten, ist nicht bloß eine Marktregel, sondern eine strukturtragende Säule für die Gleichpreisigkeit, die die Apothekenvergütung stabilisiert, Quersubventionierung ermöglicht und Wettbewerbsverzerrung zugunsten global agierender Versandriesen verhindert. Ihre Erosion würde zu einem ruinösen Preiskampf führen, der besonders Apotheken im ländlichen Raum massiv unter Druck setzen würde – mit dominoartigen Auswirkungen auf die Versorgung, die Ausbildungslandschaft, den Bereitschaftsdienst und letztlich die Patientensicherheit.

Der BGH muss sich in diesem Verfahren auch mit der Frage beschäftigen, ob nationale Gemeinwohlinteressen über europarechtliche Wettbewerbsfreiheiten gestellt werden dürfen – eine juristisch heikle Gratwanderung, die politisch längst entschieden sein sollte. Während sich Ministerien, Verbände und Fachöffentlichkeit auf flankierende Reformen vorbereiten, droht das Gericht, Fakten zu schaffen, bevor eine sachlich abgestimmte Systemkorrektur möglich ist. Dass dies mitten in einer Phase erfolgt, in der Apotheken ohnehin durch Fixhonorarstagnation, Lieferengpässe und gesetzliche Überregulierung geschwächt sind, macht das Risiko noch akuter.

Apothekeninhaberinnen und -inhaber stehen nun vor der strategischen Pflicht zur Vorbereitung auf eine denkbare Preisfreigabe. Das umfasst nicht nur betriebswirtschaftliche Szenarienrechnungen und die Ausweitung patientenorientierter Leistungen, sondern vor allem auch juristische Prävention. Spezialisierte Rechtsschutzversicherungen gegen neue Wettbewerbsrisiken, Absicherung gegen Umsatzausfälle, Cyberangriffe und strukturelle Benachteiligung sind keine Kür mehr, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Die strategisch kluge Positionierung in dieser Phase bedeutet, nicht nur auf das Urteil zu warten, sondern auf das Urteil vorbereitet zu sein.

Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten verkündet – doch der Schaden für das Vertrauen in die Systemstabilität ist bereits eingetreten. Die Apothekerschaft wurde Zeuge eines Verfahrens, das weniger auf das Funktionieren der Versorgung als auf die abstrakte Normierung wirtschaftlicher Freiheit fokussiert war. Was jetzt zählt, ist nicht das Ende dieses Prozesses, sondern der Beginn einer strategischen Selbstbehauptung.

Kommentar:

Das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof zur Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist kein ordinärer Rechtsstreit. Es ist ein Systemverfahren – mit offenen Flanken, verdeckten Risiken und weitreichenden Folgen. Was als juristische Abwägung erscheint, ist in Wahrheit ein Angriff auf die Struktur der solidarischen Versorgung. Wenn Arzneimittel zur Marktware degradiert werden, verliert das Gesundheitssystem seine Ordnungsfunktion. Die Preisbindung ist kein historisches Relikt, sondern ein Fundament: Sie gleicht Ungleichheiten aus, stabilisiert Erstattungslogiken und schützt vor einer Monopolisierung des Zugangs zu essenziellen Therapien.

DocMorris stellt mit seiner Klage das Prinzip infrage, dass Versorgung nicht nach Rabattlogik funktionieren darf. Und der BGH prüft diese Frage, ohne die volle Tragweite der Versorgungspraxis zu reflektieren. Das ist mehr als ein juristisches Defizit – es ist ein politisches Versagen. Die Apothekerschaft steht damit erneut allein in der Verantwortung, ein Versorgungssystem zu verteidigen, das in der juristischen Debatte zunehmend zur Nebensache wird. Apotheken sind keine Marktteilnehmer wie jeder andere. Sie sind Gesundheitsakteure mit Verpflichtung, nicht bloß mit Funktion.

Statt auf ein günstiges Urteil zu hoffen, müssen Apotheken jetzt handeln: Versicherungen anpassen, wirtschaftliche Resilienz stärken, politische Sichtbarkeit herstellen. Wer die Risiken der Preisfreigabe unterschätzt, wird nicht durch Rechtsschutz geschützt, sondern durch eigenes Handeln. Die Politik hat sich aus dieser Auseinandersetzung zurückgezogen. Was bleibt, ist die Verantwortung derer, die den Versorgungskern repräsentieren. Ob die Gleichpreisigkeit bleibt, entscheidet der BGH. Ob die Versorgung bleibt, entscheiden die Apotheken selbst.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Werbemarkt, Medienstruktur, Objektivitätsfrage

Source: Deutsche Nachrichten
Die Grenze zwischen redaktioneller Unabhängigkeit und wirtschaftlichem Kalkül verschwimmt in einer Medienlandschaft, die sich immer stärker über Anzeigen finanziert. Wer zahlt, prägt mit – oft subtil, aber wirksam. In Zeiten sinkender Vertriebserlöse und wachsender digitaler Konkurrenz greifen viele Medienhäuser auf neue Werbeformen zurück, die redaktionelle Inhalte kaum noch von wirtschaftlich motivierter Kommunikation trennen lassen. Sichtbarkeit wird so zur Ware, Objektivität zur Verhandlungsmasse. Was das für das Vertrauen in Medien bedeutet, ist längst spürbar: Leserinnen und Leser können immer seltener unterscheiden, ob ein Beitrag der Information oder der Imagepflege dient. Für Apothekenbetreiberinnen und -betreiber ist diese Entwicklung nicht abstrakt. Werbepartner, die gleichzeitig Versandapotheken oder digitale Gesundheitsplattformen promoten, stellen ein strategisches Risiko dar. Wer seine Sichtbarkeit nicht schützt, verliert nicht nur Deutungshoheit, sondern auch Kundennähe. Es braucht neue Kriterien in der Mediaplanung – nicht aus Prinzip, sondern aus unternehmerischer Notwendigkeit. Wer heute Verantwortung für eine Apotheke trägt, muss auch Verantwortung für ihre öffentliche Darstellung übernehmen – präzise, bewusst und mit Blick auf langfristiges Vertrauen.

In einer zunehmend ökonomisierten Medienlandschaft stellt sich die Frage nach der journalistischen Objektivität neu. Die Finanzierung durch Werbung, einst als pragmatischer Pfeiler privatwirtschaftlicher Presse verstanden, entwickelt sich unter den Bedingungen digitaler Konkurrenz und schrumpfender Vertriebserlöse zur strukturellen Herausforderung. Redaktionen geraten unter wachsenden Druck, Inhalte nicht mehr ausschließlich nach Relevanz, sondern nach Finanzierbarkeit zu priorisieren. Dabei verwischt die Trennlinie zwischen redaktioneller Berichterstattung und kommerzieller Kommunikation zusehends – mit Folgen, die nicht nur das Verhältnis zwischen Medien und Publikum, sondern auch das Selbstverständnis des Journalismus erschüttern.

Traditionell galt die Trennung von Redaktion und Werbung als unantastbares Prinzip. Doch die Realität sieht oft anders aus. Werbetreibende üben über native Formate, Themenpartnerschaften oder Platzierungsabsprachen zunehmend Einfluss auf Inhalte aus. Gleichzeitig steigt der ökonomische Druck auf Verlage, Anzeigenkunden nicht zu verlieren. In dieser Konstellation wird das redaktionelle Urteilsvermögen zum Risiko – denn wer kritisiert, verliert. Damit steht weniger die bewusste Manipulation als vielmehr die strukturelle Anpassung im Zentrum der Debatte: Medieninhalte werden vorsichtiger, unkonkreter, wirtschaftsfreundlicher – nicht aus Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit.

Besonders kritisch wird diese Entwicklung, wenn sich wirtschaftliche Abhängigkeit mit thematischer Nähe verbindet. Wenn Unternehmen, Konzerne oder Plattformen mit hoher öffentlicher Relevanz zugleich zu Hauptanzeigenkunden werden, drohen Interessenkonflikte, die weder transparent gemacht noch durch interne Kontrollmechanismen aufgelöst werden. Der mediale Diskurs verengt sich: Kritische Perspektiven erhalten weniger Raum, unbequeme Akteure verschwinden aus dem Fokus. Statt einer pluralistischen Öffentlichkeit entsteht ein Markt der Deutung, in dem Sichtbarkeit mit Budget korreliert.

Diese Dynamik betrifft nicht nur klassische Printtitel, sondern zieht sich durch alle medialen Formate – ob Onlineportale, Radiostationen oder TV-Magazine. Besonders anfällig sind kleinere, lokal verwurzelte Medienhäuser, die in wirtschaftlich ausgedünnten Regionen um das Überleben kämpfen. Wenn dort Plattformanbieter oder aggressive Handelsunternehmen mit hohen Reichweitenzielen investieren, droht eine subtile Verschiebung: Lokale Berichterstattung wird zur PR-Bühne, redaktionelle Distanz zur Illusion.

Das Vertrauen der Rezipienten in die Objektivität der Medien ist dadurch nicht nur angekratzt, sondern gefährdet. In Umfragen zur Medienglaubwürdigkeit geben viele Leser an, nicht mehr sicher unterscheiden zu können, ob ein Beitrag journalistisch motiviert oder wirtschaftlich gesteuert sei. Diese Wahrnehmung hat Folgen: Wer Medien als parteiisch empfindet, verliert das Vertrauen in deren Funktion als vierte Gewalt. Demokratische Öffentlichkeit jedoch braucht Orte, an denen auch unbequeme Wahrheiten Platz haben – unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der Betroffenen.

Für Apothekenbetreiber hat diese Entwicklung direkte Auswirkungen. Wer sich in der Öffentlichkeit positionieren will, muss zunehmend darauf achten, in welchen medialen Kontexten seine Botschaft erscheint. Eine Anzeige in einem Format, das gleichzeitig Versandapotheken oder branchenfremde Plattformen bewirbt, kann dem eigenen Anspruch auf pharmazeutische Unabhängigkeit widersprechen. Deshalb gilt es, Mediaplanung nicht nur als Werbefrage, sondern als Bestandteil der strategischen Standortführung zu begreifen. Wer seine Sichtbarkeit nicht schützt, läuft Gefahr, vereinnahmt zu werden – und verliert im Zweifel das Vertrauen seiner eigenen Kundschaft.

Die Lösung liegt nicht in der Dämonisierung des Anzeigenmarkts, sondern in der Schärfung der redaktionellen Unabhängigkeit. Es braucht klare Transparenzregeln, sichtbare Trennungslinien und ein publizistisches Ethos, das auch unter ökonomischem Druck Bestand hat. Der professionelle Journalismus kann ökonomische Rahmenbedingungen nicht ignorieren – aber er darf sich von ihnen nicht entkernen lassen. Wer journalistische Inhalte mit struktureller Autonomie sichern will, muss sie auch institutionell verteidigen: durch interne Ethikgremien, durch offen kommunizierte Leitlinien und durch einen Redaktionsalltag, in dem ökonomischer Einfluss nicht die journalistische Entscheidung ersetzt.

Die objektive Berichterstattung ist kein romantisches Ideal, sondern ein elementares Fundament funktionierender Öffentlichkeit. Dass dieses Fundament erodiert, wenn Werbung zur Steuerungsgröße redaktioneller Entscheidungen wird, ist kein Vorwurf – sondern eine Feststellung, die medienpolitische Aufmerksamkeit verdient.

Kommentar:

Objektivität gilt als Kernwert des Journalismus – doch ihre Bedingungen sind fragiler, als viele glauben. Die Realität zeigt: Redaktionen stehen nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Spannungsfeld zwischen publizistischem Anspruch und ökonomischer Praxis. Dabei ist es nicht der offene Eingriff, sondern die stille Gewöhnung, die das Vertrauen untergräbt. Wenn Anzeigenbudgets zum Maßstab werden, verlieren Inhalte an Unabhängigkeit, bevor die Leserschaft es merkt.

Der Grundmechanismus ist so simpel wie folgenreich: Wer bezahlt, wird gesehen. Diese Logik ist dem Werbemarkt inhärent, aber sie wird zum Problem, wenn sie redaktionelle Entscheidungen überlagert. Der Anspruch, werbefinanziert und zugleich unabhängig zu sein, ist kein Widerspruch – solange die Kontrolle funktioniert. Doch Kontrolle kostet: Haltung, Personal, Struktur. Und an genau diesen Punkten wird heute gespart.

Der Journalismus verlagert sich dabei von einer prüfenden Instanz zu einer anbietenden Plattform. Statt Themen zu setzen, wird Resonanz kalkuliert. Statt Klartext zu schreiben, wird Kontroverse gemieden. Die Werbetauglichkeit wird zum unsichtbaren Filter – nicht durch Zensur, sondern durch Vermeidung.

Besonders perfide wirkt das bei sogenannten Kooperationsmodellen: Wenn Werbekunden gleichzeitig Themenpartner werden, wenn redaktionelle Inhalte in Abstimmung mit Anzeigenabteilungen entstehen, dann kippt das System. Nicht abrupt, sondern schleichend. Und genau darin liegt die Gefahr: Die Leserschaft bemerkt es oft zu spät – oder gar nicht.

Die Frage ist deshalb nicht, ob Medien von Werbung beeinflusst werden. Die Frage ist, wie transparent sie damit umgehen, wie klar sie trennen, wie konsequent sie interne Unabhängigkeit sichern. Objektivität ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Und dieser Prozess ist nur glaubwürdig, wenn er nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet.

Deshalb braucht es institutionelle Sicherungen: Redaktionsstatute, Ethikregeln, öffentlich sichtbare Trennungslinien. Medienhäuser, die auf diese Weise ihre Glaubwürdigkeit schützen, werden auch unter wirtschaftlichem Druck bestehen können. Denn das Vertrauen der Öffentlichkeit lässt sich nicht mit Werbebannern kaufen – aber es lässt sich leicht

Von Engin Günder, Fachjournalist

Arzneimittel ohne Wirkung, Kleidung ohne Sicherheit, Staat ohne Kontrolle

Source: Deutsche Nachrichten
Gefälschte Medikamente, toxische Markenartikel und mangelnde Marktaufsicht bedrohen nicht nur einzelne Konsumenten, sondern gefährden inzwischen ganze Versorgungsstrukturen. Was als Einzelfall einer dubiosen Abnehmspritze beginnt, reicht in Wahrheit weit hinein in systemische Schwachstellen unseres Sicherheits- und Kontrollapparats. Arzneimittel mit falschem Wirkstoff oder gar ohne medizinischen Nutzen, Kindertextilien mit hormonell aktiven Farbstoffen und Onlineplattformen als blinde Verteiler riskanter Produkte: Der deutsche Verbraucherschutz wird untergraben, während Behörden zwischen Kompetenzfragen, Sparzwängen und digitalem Rückstand aufgerieben werden. Besonders prekär ist die Lage für vulnerable Gruppen, die aus Kostennot oder Verzweiflung auf vermeintliche Alternativen zurückgreifen. Die stille Ausbreitung gefälschter Ware ist Ausdruck eines strukturellen Rückzugs staatlicher Verantwortung – und stellt die Glaubwürdigkeit der Institutionen infrage.

Deutschland steht an der Schwelle zu einem unterschätzten Gesundheitsrisiko, das weit über Einzelfälle hinausreicht. Gefälschte Arzneimittel und toxisch belastete Markenprodukte durchdringen systematisch die Konsumkette und bedrohen die Integrität öffentlicher Versorgung. Während die Fälschung rezeptpflichtiger Medikamente einst Randerscheinung war, hat sie sich längst zu einem strukturellen Problem entwickelt. Ob Abnehmspritzen mit riskanter Dosierung, Krebsmedikamente ohne Wirkstoff oder Potenzmittel mit gefährlichen Beimengungen – die Ware wirkt oft authentisch, ist es aber nicht. Sie stammt aus illegalen Produktionsstätten, häufig in Asien, wird ohne Qualitätskontrollen verpackt und erreicht über digitale Marktplätze und Postlogistik direkt deutsche Haushalte.

Besonders dramatisch ist das Ausmaß der Täuschung im Onlinehandel. Viele Konsumenten kaufen unbewusst gefälschte Produkte, weil sie auf Plattformen wie Amazon, eBay oder dubiosen Shops mit echten Produkten vermischt werden. Die Identität der Anbieter bleibt oft verschleiert, Reklamationen ins Leere laufend. Selbst Prüfzeichen oder CE-Kennzeichnungen werden professionell imitiert. Die zuständigen Aufsichtsbehörden reagieren meist nur punktuell, zu spät oder gar nicht. Sie sind unterbesetzt, rechtlich ausgebremst und technologisch überfordert. So entwickelt sich der vermeintlich liberale Handel zu einer Grauzone, in der der gesundheitliche Schaden letztlich auf die Schwächsten trifft.

Parallel zur Arzneimittelproblematik breitet sich auch bei Bekleidung eine stille Vergiftungswelle aus. Gefälschte Markenartikel, insbesondere bei Kinderkleidung, Sport- und Unterwäsche, enthalten häufig Substanzen mit krebserregendem, hormonstörendem oder allergieauslösendem Potenzial. Sie werden billig hergestellt, mit verbotenen Färbemitteln behandelt und in Verkehr gebracht, ohne jemals einen staatlichen Prüfblick zu passieren. Wer denkt, ein günstiger Markenpulli sei ein Glücksgriff, trägt in Wahrheit ein Risiko auf der Haut. Die gesundheitlichen Folgeschäden sind vielfach belegt, doch die Durchgriffsmöglichkeiten fehlen. Der Versandhandel verstärkt das Problem, weil keine zentrale Erfassung oder Zertifizierungspflicht besteht.

Insgesamt zeigt sich ein doppelter Kontrollverlust: Der medizinische Bereich wird von Fälschungen unterlaufen, der Konsumgütermarkt von toxischen Imitaten durchzogen. Beide Entwicklungen eint eine erschütternde Tatsache: Der Staat verliert zunehmend die Fähigkeit, seine Schutzfunktion auszuüben. Diese Entwicklung ist nicht Folge individueller Nachlässigkeit, sondern struktureller Rückzugsbewegungen. Wenn ausgerechnet in der Arzneimittelversorgung und im Textilkontakt – also dort, wo Körper und Gesundheit unmittelbar betroffen sind – keine Kontrolle mehr besteht, steht mehr als Verbrauchersicherheit auf dem Spiel: Es geht um institutionelle Glaubwürdigkeit.

Kommentar:

Was wie ein Randthema digitaler Produktpiraterie klingt, ist in Wahrheit ein Indikator für das Erodieren staatlicher Souveränität im Schutz des Öffentlichen. Gefälschte Medikamente, belastete Textilien und ein nahezu unkontrollierter Onlinehandel sind Symptome eines Markts, in dem Ware sich schneller bewegt als Verantwortung. Der deutsche Staat steht nicht am Rand dieser Entwicklung, sondern im Zentrum seiner Untätigkeit. Wenn Behörden ihre Kapazitäten auf kosmetische Kontrollaktionen konzentrieren, statt sich tiefenstrukturellen Reformen zu stellen, wird aus Überforderung eine Form staatlich sanktionierter Passivität.

Die Konsequenz daraus ist eine stille Verlagerung des Risikos. Nicht mehr der Anbieter haftet, sondern der Käufer trägt das volle Risiko. Die Plattform verweist auf Drittanbieter, der Drittanbieter auf den Versanddienstleister – und niemand übernimmt Verantwortung für die Wirksamkeit, Sicherheit oder Herkunft eines Produktes. Diese Delegation von Verantwortung ist der toxische Kern der globalisierten Konsumordnung. Der Mensch als Käufer wird entkoppelt von seiner Rolle als geschütztes Subjekt – und zu einem kalkulierten Faktor in einer riskanten Gleichung.

In einer solchen Ordnung verlieren Kontrollinstanzen nicht nur ihre Effizienz, sondern ihre Existenzberechtigung. Denn der Sinn staatlicher Institutionen liegt nicht darin, Missstände zu dokumentieren, sondern sie zu verhindern. Ein Gesundheitswesen, das es zulässt, dass Menschen Placebos statt Medikamente erhalten, hat sich selbst entkernt. Eine Marktaufsicht, die giftige Kleidung zulässt, weil sie im Drittstaat versendet wurde, gibt ihre Legitimation auf. Wer Vertrauen verspielt, bekommt es nicht durch Informationskampagnen zurück – sondern nur durch wirksame, nachvollziehbare und konsequent umgesetzte Kontrolle.

Das Problem ist nicht der illegale Markt allein. Es ist das Fehlen einer politischen Antwort, die über punktuelle Warnungen hinausgeht. Es braucht grenzüberschreitende Aufsicht, rechtsverbindliche Standards für Plattformen, strafrechtliche Konsequenzen für systematische Täuschung und einen staatlichen Wille zur digitalen Rückeroberung des Marktes. Ansonsten wird aus dem Ausnahmefall ein struktureller Normalzustand – mit allen Folgen für Gesundheit, Vertrauen und Demokratie.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Neuerscheinung: Praxishandbuch „Die neue TRGS 520“

Source: Deutsche Nachrichten
Die aktualisierte TRGS 520 bringt wesentliche Neuerungen für das Abfallmanagement, insbesondere beim Umgang mit gefährlichen Abfällen in Sammelstellen und Zwischenlagern. Das neue Fachbuch „Die neue TRGS 520“, ab sofort im Verlag Heinrich Vogel erhältlich, bietet praxisnahe Hilfestellungen und klare Anleitungen zur Umsetzung der überarbeiteten Regelungen.

Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) geben praxisgerechte Empfehlungen zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und spiegeln den aktuellen Stand der Technik wider. Die überarbeitete TRGS 520 definiert detaillierte Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Sammelstellen für Kleinmengen gefährlicher Abfälle. Besonderes Augenmerk liegt auf der Qualifikation des Fachpersonals sowie dem Fachkundenachweis gemäß Anlage 3 der TRGS 520.

Das Praxishandbuch „Die neue TRGS 520“ bietet:

  • Verständliche Erläuterungen der aktuellen Änderungen
  • Klare Handlungsempfehlungen für die praktische Umsetzung
  • Ein umfassendes Nachschlagewerk für Fachkräfte im Abfallmanagement

Die Autoren bringen langjährige Erfahrung im Gefahrstoff- und Abfallrecht mit und interpretieren die neuen Regelungen auf verständliche Weise. Das Buch dient sowohl als Unterstützung für die Ausbildung als auch als wertvolle Informationsquelle für den beruflichen Alltag.

Die neue TRGS 520
Praxishandbuch für den Alltag der kommunalen und industriellen
Schadstoffsammlung
21,0 x 27,9 cm, 120 Seiten
1. Auflage 2025
Bestell-Nr.: 23038
Preis: € 27,50 (€ 29,43 inkl. MwSt.

Schatten des Kremls, Präsident unter Verdacht, Macht in der Grauzone

Source: Deutsche Nachrichten
Donald Trumps zweite Amtszeit beginnt nicht auf einem sauberen Blatt, sondern auf einem Geflecht aus Altlasten, geopolitischer Ambivalenz und verdrängter Aufarbeitung. Mit dem Wiedereinzug ins Weiße Haus kehren jene Schatten zurück, die sich schon während seiner ersten Amtszeit bedrohlich auf das demokratische Selbstverständnis der USA gelegt hatten: mutmaßliche Verbindungen nach Moskau, verschwiegene Absprachen im Wahlkampf, ein Netz aus Loyalitäten, das sich nicht am Verfassungsauftrag, sondern an strategischem Eigennutz orientiert. Was einst als politischer Ausnahmefall galt, wirkt heute wie die neue Normalität: ein Präsident, dessen politische Methodik der Verschleierung, der Machtsicherung und der internationalen Unkalkulierbarkeit folgt. In den Schaltzentralen der amerikanischen Sicherheitsarchitektur herrscht Verunsicherung, während in Europa die Sorge vor einer transatlantischen Entkopplung wächst. Zugleich verschärft der Kreml seine Einflussoperationen, gestärkt durch Trumps demonstrative Dialogbereitschaft und seine strategische Gleichgültigkeit gegenüber westlicher Kritik. Die politische Landschaft Amerikas hat sich verschoben, doch der Blick auf die Vergangenheit bleibt verstellt. Es ist diese Mischung aus institutioneller Immunität, medialer Polarisierung und geopolitischer Selbstvergessenheit, die Trumps zweite Amtszeit zu einem besonders riskanten Kapitel amerikanischer Geschichte macht.

Donald Trumps zweite Amtszeit beginnt unter dem dichten Nebel alter Affären, geopolitischer Widersprüche und verdrängter Verantwortlichkeiten. Schon während seiner ersten Amtszeit häuften sich Hinweise auf strategische Nähe zum Kreml: Wahlkampfkontakte zu russischen Akteuren, ungewöhnliche Sympathiebekundungen für Wladimir Putin, wiederholte Infragestellungen amerikanischer Geheimdienste sowie direkte Eingriffe in Ermittlungen zur Aufklärung dieser Vorgänge. Nun, da Trump erneut im Oval Office sitzt, ist aus politischem Verdacht ein systemischer Verdunklungsmechanismus geworden. Die Frage, ob der Präsident der Vereinigten Staaten eine eigenständige Figur westlicher Politik oder ein instrumentalisierter Katalysator autoritärer Interessen ist, wird kaum noch gestellt – aus politischer Lähmung oder bewusster Verdrängung.

Die Anzeichen für eine tiefere Einflussstruktur bleiben unverändert präsent. Trumps erneute Personalentscheidungen setzen auf Loyalität statt auf Expertise. Schlüsselposten in Justiz, Nachrichtendiensten und Außenpolitik sind mit Personen besetzt, die schon in der ersten Amtszeit durch Vertuschung, Abwiegelung oder direkte Unterbindung von Aufklärungsvorgängen aufgefallen sind. Der Sicherheitsapparat zeigt sich innerlich geschwächt, international isoliert und strategisch verunsichert. Die NATO ist nicht länger ein Bündnis mit verbindlicher Priorität, sondern ein rhetorischer Spielball präsidentieller Launen. Trumps zweite Amtszeit beginnt mit einem außenpolitischen Schwebezustand, der geopolitischen Gegnern weit mehr Spielraum verschafft als Bündnispartnern Sicherheit bietet.

Gleichzeitig wird die Innenpolitik zur Bühne subtiler Destabilisierung. Die systematische Delegitimierung von Medien, der Umbau unabhängiger Behörden und die selektive Strafverfolgung politischer Gegner erzeugen ein Klima kontrollierter Unordnung. Die amerikanische Demokratie verliert ihre institutionelle Selbstgewissheit – nicht durch Umsturz, sondern durch schleichende Relativierung. Die Vergangenheit – insbesondere die Russlandermittlungen – wird nicht aufgearbeitet, sondern zur Verschwörungstheorie umgedeutet. Es ist eine politische Technik der Revanche: Alles, was Trump einst geschwächt hat, wird in seiner zweiten Amtszeit zur Zielscheibe erklärt. Gleichzeitig bleibt das wichtigste Kapitel ungeklärt: die tiefere Verbindung zwischen Trumps Agenda und den strategischen Zielen des Kreml.

Dass diese Verbindung mehr als ein narratives Konstrukt ist, zeigt sich in der globalen Dynamik. Während europäische Demokratien mit wachsender Sorge auf die amerikanische Außenpolitik blicken, demonstriert Russland militärische und propagandistische Stärke. Die Gleichzeitigkeit von westlichem Rückzug und östlicher Expansion ist kein Zufall, sondern Teil einer globalen Machtverschiebung, die auch durch Desinformation, hybride Kriegsführung und gezielte Einflussnahme auf nationale Institutionen gesteuert wird. Trump agiert in diesem Kontext nicht als Bollwerk demokratischer Souveränität, sondern als Katalysator politischer Auflösung. Seine Sprache, seine Symbolik, seine Politik – sie alle verweisen weniger auf demokratische Traditionen als auf autoritäre Spiegelbilder.

Die strukturelle Gefahr besteht dabei nicht nur im Verhalten des Präsidenten, sondern in der Bereitschaft seiner Partei und seiner Anhänger, diese Gefährdung zu normalisieren. Die politische Kultur der USA ist in einem Zustand tiefgreifender Erosion angekommen. Institutionen schützen sich nicht mehr gegen Machtmissbrauch – sie arrangieren sich mit ihm. Die Kontrollmechanismen, die einst als Bollwerk gegen fremde Einflussnahme galten, werden unter Trump zur Kulisse. Was als Skandal begann, endet als Geschäftsgrundlage einer zweiten Präsidentschaft.

Die Akte Trump ist deshalb nicht abgeschlossen, sondern politisch institutionalisiert. Ihre juristische Dimension wurde von exekutiver Macht verdrängt, ihre sicherheitspolitische Tragweite durch innenpolitische Polarisierung überlagert. Der Schatten des Kreml ist kein Symbol mehr, sondern eine faktische Ungewissheit, die das Weiße Haus durchdringt – im Verhalten, im Personal, in den Entscheidungen. Die Vereinigten Staaten steuern unter Trump nicht auf eine autoritäre Zukunft zu – sie befinden sich bereits in einem demokratisch bemäntelten Ausnahmezustand, dessen geopolitisches Epizentrum längst nicht mehr ausschließlich in Washington liegt.

Kommentar:

Donald Trumps zweite Amtszeit markiert den Übergang von der Affäre zur Methode. Was in seiner ersten Präsidentschaft noch als irritierendes Nebengeräusch erschien – seine Nähe zu Russland, seine demonstrative Verachtung demokratischer Gepflogenheiten, seine sture Ablehnung institutioneller Kontrolle – wird nun zur strukturellen Grundlage seines Regierungshandelns. Der Kreml ist nicht länger nur eine außenpolitische Projektionsfläche, sondern ein ständiger Schatten, der sich in Gesten, Entscheidungen und Allianzen dieser Präsidentschaft spiegelt. Die Frage, ob Trump bewusst im Interesse Russlands handelt, verliert angesichts der Realität politischer Folgen an Bedeutung. Was zählt, ist der Schaden, der entsteht: außenpolitisch durch strategische Destabilisierung westlicher Bündnisse, innenpolitisch durch institutionelle Desorientierung und kulturelle Spaltung.

Die amerikanische Demokratie ist nicht in einem spektakulären Akt aus den Angeln gehoben worden, sondern durch eine Kette stiller Umdeutungen: Ermittlungen werden zur Hexenjagd erklärt, Verfassungsgrenzen zur Verhandlungsmasse, Widerspruch zur Illoyalität. Der politische Diskurs ist unter Trump kein Forum der Auseinandersetzung, sondern ein Instrument der Machtsicherung. Dabei verschwimmen die Linien zwischen Innen- und Außenpolitik auf gefährliche Weise. Wenn ein US-Präsident außenpolitische Gegner hofiert und gleichzeitig innenpolitische Kritiker bekämpft, entsteht ein Vakuum der demokratischen Orientierung. In diesem Vakuum operieren Akteure wie der Kreml besonders effektiv. Die Frage ist also nicht mehr, ob es Einfluss gibt – sondern wie tief er bereits reicht.

Die Rolle der Republikanischen Partei in diesem Prozess ist besonders fatal. Sie hat aus parteipolitischem Opportunismus eine gefährliche Verharmlosung betrieben. Anstatt die Russlandverbindungen als fundamentale Bedrohung der nationalen Integrität zu benennen, hat sie sie relativiert, verspottet und schließlich aus der Debatte gedrängt. Was bleibt, ist ein Präsident, der sich nicht rechtfertigen muss, weil niemand mehr fragt. Und eine Öffentlichkeit, die ihre Empörung verloren hat, weil sie zu lange gezwungen wurde, zwischen Lüge und Lüge zu wählen. In dieser moralischen Erschöpfung liegt der eigentliche Triumph des Autoritären – nicht in der Gewalt, sondern in der Resignation.

Es ist höchste Zeit, die sogenannten Altlasten wieder in den politischen Fokus zu rücken. Nicht als Rückblick, sondern als notwendige Bedingung für zukünftige Glaubwürdigkeit. Eine Demokratie, die bereit ist, Fragen nach fremder Einflussnahme auf ihren Präsidenten unbeantwortet zu lassen, gibt sich selbst preis. Die Akte Trump ist kein Skandal der Vergangenheit, sondern ein fortbestehender Test der Gegenwart. Wer sich ihr verweigert, verliert nicht nur historische Orientierung, sondern auch strategische Souveränität.

Trumps zweite Amtszeit steht nicht nur im Zeichen eines Mannes, der das Weiße Haus regiert. Sie steht im Zeichen eines Systems, das bereit ist, sich mit geopolitischer Unklarheit, rechtlicher Immunität und politischer Amnesie zu arrangieren. Der Preis dafür ist hoch – nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für die gesamte westliche Ordnung, die sich bisher auf die Stabilität amerikanischer Institutionen verlassen hat. Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten im Schatten des Kremls regiert, fällt dieser Schatten auf uns alle.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: Zöliakie, Ausschüsse, Apotheken

Source: Deutsche Nachrichten
Wachsende Werbemacht bedroht redaktionelle Unabhängigkeit, während sich die AfD über parlamentarische Ausschüsse systematisch Einfluss sichert. Gleichzeitig geraten Apotheken durch bürokratische Lasten, mangelhafte Ausbildungsstrukturen und neue Haftungsurteile unter Druck. Digitale Überflutung dominiert den Alltag der Jugend, glutenfreie Ernährung verliert ihre diagnostische Schärfe, und Delgocitinib stellt etablierte Therapien infrage. Wo die Politik in Warteschleifen verharrt, setzen Apotheken auf Innovationsprojekte und strategische Absicherung – etwa mit der Beste-Leistungs-Garantie, die im Schadensfall marktweit für Gerechtigkeit sorgt. Was nach Einzelthemen klingt, verweist auf ein zentrales Muster: die Erosion von Verlässlichkeit in demokratischen, medizinischen und wirtschaftlichen Systemen.

Werbedruck, Medienloyalität, Standortrisiko

Wenn redaktionelle Unabhängigkeit schwindet, ist strategische Mediaplanung überlebenswichtig

Die wirtschaftlichen Fundamente der Medienbranche befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Während journalistische Leitlinien auf Neutralität, Unabhängigkeit und Integrität fußen, bröckelt dieses Fundament unter der Last ökonomischer Realitäten. Anzeigenkunden entwickeln sich zunehmend zu inoffiziellen Taktgebern redaktioneller Prioritäten. Die Folge ist ein unmerklicher, aber folgenreicher Einflussverlust des Journalismus – und ein wachsendes Misstrauen in der Öffentlichkeit gegenüber der Unabhängigkeit der Medien.

Gerade im Gesundheitsbereich zeigt sich diese Entwicklung in besonderer Schärfe. Werbeanzeigen von Plattformanbietern, Arzneimittelhändlern oder digitalen Gesundheitsdiensten treten in unmittelbare Konkurrenz zu Vor-Ort-Apotheken. Wenn diese Werbung in redaktionellen Formaten eingebettet wird oder mit scheinbar neutralen Gesundheitsinhalten korrespondiert, entsteht ein verzerrtes Bild: Vertrauenswürdigkeit wird zur Handelsware, Sichtbarkeit zum Spielball ökonomischer Interessen. Für Apotheken, die sich täglich in einem überregulierten und margenschwachen Markt behaupten müssen, bedeutet dies ein zusätzliches Risiko: Der öffentliche Eindruck wird nicht mehr von Kompetenz, sondern von Medienpräsenz dominiert.

Hinzu kommt, dass Medienhäuser mit rückläufigen Auflagen und Werbeeinnahmen immer häufiger auf hybride Geschäftsmodelle setzen. Themenpartnerschaften, Content-Marketing, gesponserte Gesundheitsseiten – all diese Instrumente verschieben die Grenze zwischen Information und Einfluss. In dieser Grauzone verliert das journalistische Urteil seine Eigenständigkeit. Sichtbar wird dies etwa an kritischen Themen, die nur noch am Rand verhandelt oder ganz vermieden werden. Gesundheitsversorgung, Medikamentensicherheit, Versorgungsgerechtigkeit – all dies tritt zurück, wenn wirtschaftliche Rücksichtnahme die redaktionelle Linie vorgibt.

Für Apothekenbetriebe ergibt sich daraus ein doppelter Handlungsauftrag: Sie müssen sich einerseits als kritische Beobachter dieser Medienrealität verstehen – andererseits aber auch als aktive Gestalter ihrer eigenen Kommunikationsstrategie. Das bedeutet: Anzeigenbudgets gehören nicht in beliebige Hände. Wer Werbung schaltet, muss prüfen, wie der publizistische Rahmen beschaffen ist. Wird in derselben Ausgabe auch für Versandapotheken oder gesundheitsökonomisch fragwürdige Produkte geworben, droht ein Reputationsschaden durch bloße Nachbarschaft.

Noch schwerer wiegt, dass viele Apothekerinnen und Apotheker keinen Überblick über die redaktionellen Verbindungen ihrer Medienpartner haben. Wer seine Sichtbarkeit fremdgesteuert zulässt, gibt Kontrolle ab – über Inhalte, über Deutungsmacht, über Vertrauen. Die Folge ist eine Verwässerung der eigenen Position im öffentlichen Diskurs. Um dem entgegenzuwirken, braucht es institutionelle Standards: Kriterienkataloge für Mediaplanung, interne Verantwortungsträger für Kommunikationsethik, klare Trennlinien zwischen Werbung und Beratung.

Redaktionelle Integrität ist kein Luxus, sondern ein Schutzgut – für die Medien und für die, die auf faire Sichtbarkeit angewiesen sind. Apotheken gehören dazu. Wer heute im Schatten ökonomisch gelenkter Berichterstattung bestehen will, braucht mehr als Fachwissen. Er braucht ein strategisches Verständnis für mediale Macht – und die Bereitschaft, diese Verantwortung nicht auszulagern.

In der Vorstellung vieler ist Journalismus ein Bollwerk gegen Einflussnahme. Doch wer genauer hinsieht, erkennt ein komplexes Spannungsfeld zwischen Ideal und ökonomischer Wirklichkeit. Anzeigen sind längst nicht mehr bloß Einnahmequelle – sie sind Währung, Hebel, Drohpotenzial. Wer zahlt, erwartet Wirkung. Und wer das verleugnet, verschleiert ein Grundproblem heutiger Medienkultur.

Gerade in Sektoren mit hohem gesellschaftlichem Vertrauen – wie der Gesundheitsversorgung – ist dieser Wandel besonders folgenschwer. Wenn Apotheken, die als niedrigschwellige Versorger eine Schlüsselrolle im Alltag vieler Menschen spielen, durch redaktionelle Nebensätze, durch fehlende Präsenz oder durch fragwürdige Kontextualisierung geschwächt werden, ist das keine redaktionelle Randnotiz. Es ist Standortpolitik.

Die Frage lautet daher nicht, ob Werbung Inhalte beeinflusst – sondern wie professionell Medien damit umgehen. Wer redaktionelle Unabhängigkeit als Marke versteht, muss diese gegen wirtschaftlichen Druck absichern. Das bedeutet: Redaktionen müssen nein sagen können – auch dann, wenn der Anzeigenkunde prominent ist. Es bedeutet auch: Mediennutzer müssen wissen, woran sie sind. Transparenz ist keine Kür. Sie ist Pflicht.

Für Apotheken stellt sich die Aufgabe anders, aber nicht minder dringlich. Sie müssen lernen, Medien nicht nur als Instrument, sondern als Risiko zu begreifen. Wer blind auf Reichweite setzt, ignoriert den Kontext. Wer bloße Sichtbarkeit mit Vertrauen verwechselt, hat die Lektion der letzten Jahre nicht verstanden. Die Gesundheitskommunikation der Zukunft braucht keine lauten Botschaften, sondern glaubwürdige Räume – Räume, die nur entstehen, wenn ökonomische Einflussnahme klar begrenzt wird.

Deshalb gilt: Wer Apothekenbetriebe führt, führt auch einen Kommunikationsraum. Er muss ihn pflegen, schützen, verteidigen – nicht nur gegen politische Eingriffe, sondern auch gegen marktgetriebene Verzerrung. Die Verteidigung der pharmazeutischen Objektivität beginnt nicht im Labor, sondern im Kopf. Und in der Zeitung von morgen.

Beste-Leistungs-Garantie sichert Apotheken ab

PharmaRisk zahlt, wenn andere mehr leisten – automatisch und ohne Beweispflicht

Die Absicherung betrieblicher Risiken ist für Apotheken längst keine Randfrage mehr, sondern ein zentraler Bestandteil der unternehmerischen Existenzsicherung. Lieferengpässe, chronischer Personalmangel, Digitalisierungslücken und ein massiver bürokratischer Druck lassen im Alltag kaum noch Raum für Unsicherheiten. In diesem angespannten Umfeld gewinnt ein Aspekt der betrieblichen Versicherung besondere Relevanz: die Beste-Leistungs-Garantie der PharmaRisk Apothekenversicherung. Sie verspricht nicht weniger als die bestmögliche Entschädigung im Schadensfall – unabhängig vom eigenen Bedingungswerk, orientiert am besten Leistungsangebot am Markt.

Konkret bedeutet das: Leistet ein anderer Versicherer bei vergleichbaren Schäden mehr, muss die eigene Versicherung nachziehen – automatisch, ohne Antrag, ohne Beweislastumkehr. Der Anspruch ist einklagbar, die Verpflichtung eindeutig. Für Apothekenbetreiber stellt dies eine substanzielle Entlastung dar, insbesondere bei Schäden, die betriebsbedingte Ausfälle nach sich ziehen. Ein Schaden an der Kühlkette oder in Laborräumen kann schnell zu massiven Ertragsverlusten führen – gerade dann, wenn das Alltagsgeschäft ohnehin unter Dauerstress steht.

Noch weiter reicht die Wirkung dieser Garantie in Kombination mit einer Allrisk-Deckung. Während klassische Versicherungen nur benannte Risiken wie Feuer oder Einbruch absichern, geht Allrisk von einem grundsätzlichen Versicherungsschutz aus – es sei denn, bestimmte Schäden sind explizit ausgeschlossen. Dieses Modell schafft einen sogenannten Restrisiko-Airbag für Apotheken: Versichert sind auch unvorhersehbare Schäden, etwa durch neuartige Cyberattacken, Bedienfehler oder technische Defekte an Spezialanlagen wie Impfstoff-Kühlschränken.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Tragweite: Kommt es durch eine Spannungsspitze im Stromnetz zu einem Ausfall des Kühlsystems, drohen erhebliche Verluste – nicht nur durch beschädigte Arzneimittel, sondern auch durch den Betriebsstillstand, notwendige Nachbeschaffungen und Dokumentationspflichten. In der klassischen Police ist ein solcher Fall häufig gar nicht abgedeckt oder nur sehr eingeschränkt. Mit der Kombination aus Allrisk und Beste-Leistungs-Garantie jedoch gilt: Sobald ein Wettbewerber solche Schäden übernimmt, muss auch PharmaRisk leisten.

Die Bedeutung dieser Struktur zeigt sich auch bei administrativen Schäden, etwa durch Datenverluste infolge menschlichen Versagens, oder bei Verunreinigungen in Herstellungsräumen, die eine vorübergehende Betriebsschließung erzwingen. Klassische Policen verweisen hier oft auf Ausschlüsse oder unklare Definitionen – ein Nährboden für Streitigkeiten. Die PharmaRisk-Variante dagegen schafft Klarheit: Wenn am Markt für vergleichbare Schäden geleistet wird, greift auch hier der volle Versicherungsschutz.

Diese doppelte Sicherheitsarchitektur entlastet Apotheken nicht nur im Schadenfall, sondern bereits in der Planung. Wer weiß, dass sämtliche relevanten Risiken abgedeckt sind – auch solche, die heute vielleicht noch unbekannt sind – kann sich besser auf das Kerngeschäft konzentrieren. Im Gegensatz dazu führen unklare Klauseln, Interpretationsspielräume und langwierige Regulierungen häufig zu zusätzlichem Druck in ohnehin überlasteten Betrieben.

Nicht zuletzt verschiebt das Modell auch die Machtbalance zwischen Versicherer und Versichertem. Wo bislang die Apotheke mit der Beweispflicht belastet war, kehrt sich das Verhältnis nun um: Die Verantwortung liegt beim Anbieter – ein Schritt zu mehr Fairness, Effizienz und Augenhöhe. Der Versicherer übernimmt dabei aktiv die Prüfung, ob am Markt bessere Leistungen geboten werden – und passt das eigene Verhalten entsprechend an.

Im Ergebnis entsteht ein Versicherungsschutz, der sich nicht mehr an Mindeststandards orientiert, sondern am jeweils besten verfügbaren Schutz. In einem Marktumfeld, das von Unsicherheiten geprägt ist, setzt die Kombination aus Allrisk und Beste-Leistungs-Garantie damit einen neuen Maßstab. Für Apotheken bedeutet das nicht nur einen Schutzschirm in der Krise – sondern ein strategisches Instrument zur Sicherung der eigenen Handlungsfähigkeit im Alltag.

Der traditionelle Versicherungsmarkt war lange geprägt von einem systemischen Ungleichgewicht: Die Anbieter diktierten die Bedingungen, die Versicherten blieben im Zweifel auf der Strecke. Für Apotheken, deren Betrieb nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesundheitspolitisch systemrelevant ist, konnte das fatale Folgen haben. Wer Versorgungssicherheit leisten soll, braucht selbst Sicherheit – und zwar garantiert.

Die Beste-Leistungs-Garantie stellt in diesem Kontext weit mehr dar als nur ein Vertragsdetail. Sie ist Ausdruck eines Perspektivwechsels: weg von einem defensiven, ausschlussorientierten Deckungsverständnis – hin zu einem kundenzentrierten Leistungsversprechen. Sie verlangt vom Versicherer, das beste Angebot am Markt nicht nur zu übertreffen, sondern im Zweifelsfall zu übernehmen. Das ist kein freiwilliger Kulanzmechanismus, sondern einklagbarer Vertragsbestandteil. Damit verändert sich das Machtgefüge im Versicherungswesen: weg von Willkür und Formulierungstricks, hin zu Fairness und Markttransparenz.

Diese Entwicklung ist nicht nur im Sinne der Apotheken, sondern auch ein Signal an die Branche insgesamt. Der Versicherungsmarkt muss sich an den Bedürfnissen seiner Kunden messen lassen – nicht an der Kunst der Ausschlussformulierung. Wer zahlt, muss sich darauf verlassen können, dass im Ernstfall das Bestmögliche geschieht – ohne Diskussion, ohne Ausflüchte, ohne Bürokratie.

Der zusätzliche Einsatz einer Allrisk-Deckung ist in dieser Kombination mehr als ein technisches Detail. Er sichert nicht nur kalkulierbare Risiken ab, sondern auch Unvorhersehbares – gerade das, was im Apothekenbetrieb tagtäglich passieren kann. Diese Verbindung ist keine Luxusvariante, sondern die einzig zeitgemäße Antwort auf eine zunehmend volatile Realität. In ihr liegt ein klares Bekenntnis: Wer Apotheken schützt, schützt die Versorgung – und muss selbst höchsten Standards genügen.

Demokratie auf Bewährung – wenn Ausschüsse kippen

Die AfD nutzt Strukturen des Systems, um es zu destabilisieren

Die AfD hat sich innerhalb weniger Jahre von einer randständigen Oppositionskraft zu einer Fraktion entwickelt, die immer stärker in institutionelle Machtbereiche vordringt. Der neue Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, der in der kommenden Woche konstituiert wird, bildet dabei ein besonders brisantes Beispiel. Mit insgesamt neun ordentlichen Mitgliedern stellt die AfD nun fast ein Viertel der 38 Sitze – eine Zunahme um fünf gegenüber der vergangenen Legislatur. Und es ist nicht allein die Zahl, die aufhorchen lässt, sondern die gezielte Auswahl der Personen.

Die Namen lesen sich wie ein Register der Zuspitzung: Martin Sichert, gesundheitspolitischer Koordinator der Fraktion, trat schon 2021 mit massiver Rhetorik gegen die Pandemiebekämpfung hervor. Christina Baum, Zahnärztin und Impfgegnerin, sprach im Gesundheitsausschuss einst von einer „Vergewaltigung des deutschen Volkes“. Kay-Uwe Ziegler ist rechtskräftig wegen Subventionsbetrugs verurteilt und versuchte sich mit einem selbstgebastelten Schild zum Ausschussvorsitzenden zu ernennen. Weitere Mitglieder bringen keine gesundheitspolitische Expertise mit, dafür aber ein klares ideologisches Profil.

Auffällig ist die Kombination aus agitatorischem Personal, fehlender Fachbindung und gezielter Inszenierung. Der Gesundheitsausschuss, traditionell ein sachlich arbeitendes Gremium für medizinische, ethische und sozialpolitische Fragestellungen, droht zur Bühne kalkulierter Polarisierung zu werden. Die AfD nutzt das Gremium nicht zur Mitgestaltung, sondern zur Provokation – mit dem Ziel, Vertrauen in gesundheitspolitische Prozesse zu untergraben.

Zugleich stellt sich die Frage, wie stabil die parlamentarischen Abläufe bleiben, wenn in zentralen Ausschüssen eine Partei Einfluss gewinnt, die das bestehende System offen infrage stellt. Die AfD testet nicht nur die Grenzen des Sagbaren, sondern auch die Belastbarkeit der Institutionen. Die Zunahme an Sitzen im Ausschuss erlaubt es ihr, Anträge gezielt zu blockieren, Anhörungen in ideologische Richtungen zu lenken oder Tagesordnungen zu beeinflussen.

Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer Strategie. Die Partei verfolgt das Ziel, möglichst viele Schaltstellen parlamentarischer Arbeit zu besetzen – nicht, um Verantwortung zu übernehmen, sondern um das System von innen heraus zu delegitimieren. Das betrifft nicht nur Gesundheitspolitik. Es betrifft das demokratische Fundament.

Die AfD will nicht nur gehört werden – sie will das System umformen, das sie verachtet. Die Beteiligung an Ausschüssen wie dem Gesundheitsausschuss dient dabei nicht der Mitwirkung, sondern der Aushöhlung. Was in dieser Legislaturperiode sichtbar wird, ist keine Marginalie, sondern ein Lackmustest für die wehrhafte Demokratie. Neun Mandate in einem der sensibelsten Gremien des Bundestags, verteilt auf Abgeordnete mit ideologischer Härte, juristischen Altlasten und teilweise bizarren politischen Biografien, markieren den Übergang von der Protestpartei zur institutionellen Besetzung.

Dabei bleibt das eigentliche Ziel der AfD unverändert: die Destabilisierung parlamentarischer Kultur. Sie nutzt das Recht auf Beteiligung nicht zur Lösung gesellschaftlicher Probleme, sondern zur Verschärfung des politischen Klimas. Der Gesundheitsausschuss, in dem es um Fragen wie Impfpflicht, Versorgungsgerechtigkeit oder ethische Standards geht, wird so zur Angriffsfläche einer Partei, die weder an Konsens noch an Verantwortung interessiert ist.

Diese Entwicklung ist gefährlich, weil sie sich legal vollzieht. Die Demokratie schützt auch ihre Gegner – und genau das weiß die AfD zu nutzen. Sie stellt sich als Vertreterin des Volkes dar, bedient sich populistischer Narrative und besetzt Gremien, deren Integrität sie systematisch untergräbt. Der neue Ausschuss wird deshalb nicht nur ein Ort gesundheitspolitischer Debatten sein, sondern ein Versuchsfeld demokratischer Abwehrmechanismen.

Wenn die übrigen Fraktionen, wenn Ausschussvorsitz, Präsidium und Öffentlichkeit nicht klar und entschieden auf Störungen reagieren, dann entsteht ein Präzedenzfall: Dass eine Partei, die das Grundgesetz nicht mitträgt, durch Ausschussarbeit öffentliche Meinung, Gesetzgebungsverfahren und institutionelles Vertrauen beschädigt. Die AfD ist in der Macht angekommen – nicht, weil sie Mehrheiten hat, sondern weil sie Räume besetzen kann. Ihre Beteiligung ist gefährlich, weil sie nicht regieren will, sondern delegitimieren.

Kinder absichern, Risiken übernehmen

BU-Antrag über Dritte kann Apotheker den Versicherungsschutz kosten

Ein Urteil mit weitreichenden Folgen für alle Apotheker, die ihre Kinder gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit absichern wollen: Ein OLG entschied, dass ein BU-Vertrag als nichtig gilt, wenn bei der Antragstellung durch Elternteile relevante Gesundheitsangaben weggelassen wurden. Selbst wenn der Versicherungsnehmer – in diesem Fall das Kind – von der Täuschung nichts wusste, trägt er oder sie die rechtlichen Folgen. Besonders brisant: Das Urteil stellt klar, dass auch Apotheker, die im familiären Vertrauen Anträge durch Eltern oder andere Angehörige ausfüllen lassen, im Ernstfall mit der vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers rechnen müssen.

Der konkrete Fall: Ein junger Mensch wird berufsunfähig, möchte Leistungen aus der zuvor abgeschlossenen BU-Versicherung beanspruchen. Doch der Versicherer lehnt ab. Grund: Bei Vertragsabschluss hatte der Vater den Antrag ausgefüllt und dabei relevante Vorerkrankungen des Kindes verschwiegen. Die Gerichte erkennen darin eine arglistige Täuschung, obwohl das Kind selbst die fehlerhaften Angaben weder gemacht noch initiiert hatte. Doch: Mit der Unterschrift unter dem Antrag wurde auch die Verantwortung für dessen Inhalt übernommen – eine Verantwortung, die juristisch nicht delegiert werden kann.

Für Apotheker, die als Eltern die Verantwortung für den Versicherungsschutz ihrer Kinder tragen, ist dieses Urteil ein deutliches Warnsignal. Es macht klar, dass Vorsorgeverträge nicht im Familienvertrauen, sondern in rechtlich überprüfbaren Fakten bestehen müssen. Jeder Antrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine juristisch relevante Erklärung. Wer diesen Antrag nicht vollständig selbst prüft, läuft Gefahr, dass er oder sie im Ernstfall ohne jegliche Leistungen dasteht – selbst bei medizinisch eindeutig anerkannter Berufsunfähigkeit.

Auch der Wunsch, Eltern als Helfer einzusetzen, entlastet nicht. Die Gerichte stellen auf die Zurechenbarkeit ab: Wer stellvertretend handelt oder den Antrag vorbereitet, wird rechtlich wie ein Vertreter behandelt. Apotheker, die sich auf diese familiäre Hilfe stützen, ohne nachzuprüfen, machen sich haftbar – und schaden letztlich den eigenen Kindern. Denn im Leistungsfall zählt nicht das Vertrauensverhältnis, sondern allein der objektive Inhalt des Antrags.

Für die Praxis heißt das: Apotheker sollten jeden BU-Vertrag für ihre Kinder wie ein sensibles Arzneimittel behandeln – mit doppelter Kontrolle, vollständiger Dokumentation und professioneller Vorsicht. Denn jede Unschärfe, jede Lücke, jedes falsche Kreuz kann zum Totalverlust des Versicherungsschutzes führen. Und wenn das Kind berufsunfähig wird, ist es zu spät, die Antragsangaben zu korrigieren.

Dieses Urteil mag für viele hart klingen – es ist jedoch Ausdruck einer Rechtsprechung, die immer konsequenter zwischen subjektivem Vertrauen und objektiver Verantwortung unterscheidet. Wer bei der Absicherung seiner Kinder auf elterliche Hilfe setzt, mag es gut meinen, trägt aber im juristischen Sinne das volle Risiko. Denn Versicherungsverträge, insbesondere im Bereich der Berufsunfähigkeit, verlangen nicht nur formale Richtigkeit, sondern auch absolute Wahrhaftigkeit – und diese kann nicht delegiert werden.

Für Apotheker ist diese Entscheidung doppelt relevant: Erstens, weil sie in einem Beruf arbeiten, in dem gesundheitliche Risiken real und Berufsunfähigkeit keine Theorie ist. Zweitens, weil sie durch ihre Rolle als Gesundheitsberufler in besonderem Maße für Sorgfalt und rechtliche Genauigkeit stehen. Diese Sorgfalt darf nicht an der Grenze des Privatlebens aufhören – erst recht nicht, wenn es um die Absicherung der eigenen Kinder geht.

Wer heute einen BU-Vertrag unterschreibt – ob für sich selbst oder für sein Kind – muss wissen, dass diese Unterschrift eine vollständige Haftungsübernahme bedeutet. Wer sich stattdessen auf Eltern, Ehepartner oder Bekannte verlässt, unterschreibt möglicherweise nicht nur einen Vertrag, sondern auch den künftigen Leistungsverzicht. Der Schutz für das Kind wird so zur Illusion. Das lässt sich vermeiden – durch Eigenverantwortung, rechtliche Klarheit und eine gesunde Portion Misstrauen gegenüber gut gemeinter Hilfe.

Was in Apotheken für Medikamente gilt, gilt auch für Versicherungen: Verantwortung endet nicht an der Tür zum Privaten. Sie beginnt mit der Unterschrift – und sie endet erst, wenn jede Angabe stimmt.

Heimnetzwerk, Präventionsberatung, Blutdruckerlebnis

Drei Apothekenprojekte setzen neue Maßstäbe in der Patientenversorgung

Trotz wirtschaftlicher Belastung und struktureller Herausforderungen leisten viele Apotheken mehr als nur Arzneimittelabgabe. Dass die Versorgung auch unter widrigen Bedingungen verbessert werden kann, zeigen die diesjährigen Preisträger des Deutschen Apotheken-Awards. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat beim Wirtschaftstreffen in Berlin am 14. Mai drei Projekte ausgezeichnet, die exemplarisch für das Engagement, die Kreativität und die Zukunftsfähigkeit der Vor-Ort-Apotheke stehen. Von Pflegevernetzung über ganzheitliche Prävention bis hin zur jugendnahen Blutdruckaufklärung – die ausgezeichneten Apotheken zeigen, dass sich pharmazeutische Versorgung längst zu einem gesellschaftlichen Ankerpunkt entwickelt hat.

Den ersten Platz erhält die Heegbach-Apotheke aus Erzhausen in Hessen. Apotheker Nojan Nejatian hat mit dem „Erzhäuser Gesundheits- und Pflegenetzwerk“ eine lokale Struktur geschaffen, die Pflegekräfte, Angehörige und medizinische Fachgruppen in einen aktiven Austausch bringt. Mit einem jährlichen Tag der Gesundheit und Pflege sowie kontinuierlichen Veranstaltungen bietet das Netzwerk praxisnahe Hilfe, fachliche Weiterbildung und emotionale Entlastung für eine Berufsgruppe, die oft zwischen Systemlücken agieren muss. Das Projekt zeigt exemplarisch, wie Apotheken als Koordinatoren zwischen Versorgungsebenen fungieren und Verantwortung für Gemeinwohl und Versorgungsqualität übernehmen.

Platz zwei geht nach Berlin. Die Medios-Apotheke von Anike Oleski wurde für ihre ganzheitliche Präventionsstrategie ausgezeichnet. Sie kombiniert evidenzbasierte Ernährungsberatung mit Lebensstilinterventionen und pharmazeutischer Aufklärung, wobei besonders auf sensible Lebensphasen geachtet wird – etwa Schwangerschaft, chronische Erkrankungen oder Altersveränderungen. Der niedrigschwellige Zugang zur Beratung, die Vernetzung mit Gesundheitsdienstleistern und das gezielte Coaching machen das Projekt zu einem übertragbaren Modell für andere urbane Apothekenstandorte.

Der dritte Preis wurde der Vital-Apotheke in Bad Saulgau (Baden-Württemberg) verliehen. Unter dem Motto „Bassd scho!“ entwickelt Apothekerin Tatjana Buck die Offizin zu einem Erlebnisort für junge Menschen mit Hypertonie. Mit lebensnaher Sprache, interaktiven Angeboten und aufsuchender Gesundheitsbildung wird eine Zielgruppe erreicht, die bisher kaum mit Prävention in Berührung kam. Die spielerisch angelegte Gesundheitswelt der Apotheke nimmt dabei Rücksicht auf die Alltagsrealität junger Menschen, ohne auf Präzision und Seriosität zu verzichten – ein mutiger Schritt, der neue Zielgruppen für Gesundheitsversorgung erschließt.

Alle drei Projekte demonstrieren, dass Apotheken nicht auf politische Reformen warten, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereits heute Versorgung sichern, Vernetzung ermöglichen und Präventionskultur fördern. Dass sich 36 Projekte aus ganz Deutschland beworben haben, unterstreicht das enorme kreative Potenzial in der Apothekerschaft. DAV-Vizevorsitzende Anke Rüdinger betont in ihrer Laudatio, wie wichtig diese Initiativen für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung sind – nicht als Ausnahme, sondern als Vorbild. Die dotierten Preise von insgesamt 7.000 Euro wirken angesichts der gesellschaftlichen Wirkung dieser Projekte fast nebensächlich. Entscheidend ist das Signal: Die Vor-Ort-Apotheke ist bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn man sie lässt.

Der Deutsche Apotheken-Award 2025 ist mehr als eine Preisverleihung – er ist ein politisches Signal. Während auf ministerialer Ebene um Fixhonorare und Lieferfristen gefeilscht wird, zeigen die ausgezeichneten Apotheken, dass Versorgung auch ohne Reformdekrete gelingen kann – vorausgesetzt, man lässt ihnen Gestaltungsspielraum. Was sich hier entfaltet, ist das Bild einer neuen Apothekengeneration: vernetzt, präventionsorientiert, auf Augenhöhe mit Patient und System. Die drei Projekte stehen exemplarisch für das, was Apotheken leisten könnten, wenn bürokratische Hürden, wirtschaftlicher Druck und politische Ignoranz sie nicht permanent ausbremsen würden.

Dass eine Apotheke zum Pflege-Netzwerk wird, eine andere zum Lebensstil-Coach und eine dritte zur Gesundheitswelt für junge Bluthochdruckpatienten – all das zeigt, dass der pharmazeutische Beruf im 21. Jahrhundert längst über das Dispensieren hinausgewachsen ist. Doch während die Preisträger Applaus erhalten, bleibt die strukturelle Wirklichkeit vieler Apotheken prekär: Unterfinanzierung, Personalmangel und Reformstau lassen kaum Raum für solche Projekte. Der DAV würdigt Engagement, das häufig gegen Widerstände entsteht – das sollte auch die Politik zur Kenntnis nehmen.

Gerade in einer Zeit, in der Versorgungslücken zunehmen, digitale Plattformen klassische Strukturen verdrängen und Gesundheitskompetenz ungleich verteilt ist, brauchen wir mehr dieser Orte, an denen Versorgung konkret wird. Die Heegbach-Apotheke, die Medios-Apotheke und die Vital-Apotheke leisten genau das – sie bauen Brücken in einer zersplitterten Versorgungslandschaft. Ihre Ideen gehören nicht nur gewürdigt, sondern in die Fläche gebracht. Apotheken könnten mehr leisten – wenn man sie ließe.

Warken unter Reformdruck, Beitragsschock im Anmarsch

Gesundheitsministerin muss liefern, Experten warnen vor teurem Stillstand

Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) steht am heutigen Donnerstag vor ihrer ersten großen Bewährungsprobe. Um 13:25 Uhr wird sie im Bundestag ihr Regierungsprogramm vorstellen – eine mit Spannung erwartete Rede, die nicht nur die politische Opposition, sondern auch die Verbände des Gesundheitswesens mit scharfem Blick verfolgen. Denn das System krankt längst nicht mehr nur an Symptomen, sondern an einem strukturellen Reformstau, der selbst innerhalb der Regierungskoalition für zunehmende Nervosität sorgt.

Bereits am Vortag hatten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in ihren Erklärungen tiefgreifende Veränderungen angekündigt. Die Einrichtung einer sogenannten Strukturreformkommission, deren Vorschläge erst bis Frühjahr 2027 vorliegen sollen, ist zwar Bestandteil des Koalitionsvertrags – doch die Geduld in der Branche wie im Parlament scheint erschöpft. Die Grünen, allen voran der gesundheitspolitische Sprecher Janosch Dahmen, kritisieren das Vorgehen scharf. Er warnt vor einer Verschleppung konkreter Maßnahmen und macht unmissverständlich klar, dass Deutschland keine weiteren Prüfaufträge brauche, sondern entschlossenes Regierungshandeln.

Der Druck ist real. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds hat ihre gesetzlich festgelegte Mindestgrenze unterschritten – ein Hilfszuschuss in Höhe von 800 Millionen Euro musste vorgezogen werden. Es ist eine symbolträchtige Notmaßnahme, die das strukturelle Defizit jedoch nicht behebt. In diesem Licht betrachtet wird Warkens Antrittsrede zu mehr als einer programmatischen Einordnung – sie wird zum Lackmustest für die politische Ernsthaftigkeit, mit der die neue Regierung ihre Ankündigungen umzusetzen gedenkt.

Finanzminister Klingbeil versuchte bereits am Mittwoch, die Bedeutung der bisherigen Reformen unter Ex-Minister Karl Lauterbach zu betonen. Die Krankenhausstrukturreform, Digitalisierungsinitiativen und neue Qualitätsvorgaben im Rettungswesen könnten Einsparungen bringen, so Klingbeil. Doch selbst er räumte ein, dass die Zeit knapp wird – und dass weitere Schritte folgen müssen, um den Sozialstaat nicht mit der „Kettensäge“ anzutasten, wie er sich ausdrückte.

Die Realität auf der Versorgungsebene spricht eine andere Sprache: Praxen und Pflegeeinrichtungen ächzen unter Bürokratie, Vergütungsdifferenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung lähmen Reformprozesse, während gleichzeitig Beitragserhöhungen für gesetzlich Versicherte im Herbst drohen. Experten bezweifeln längst, dass bis 2027 abgewartet werden kann. Die von der Ampelregierung eingeleiteten, aber vielfach nicht vollzogenen Reformpakete zur Notfallversorgung, Pflegekoordination und Steuerung über die hausärztliche Versorgung liegen ungenutzt auf dem Tisch.

Mit Nina Warken beginnt ein neuer Abschnitt – zumindest in der Theorie. Die politische Realität wird nun zeigen müssen, ob aus den wohlklingenden Ankündigungen ein Kurswechsel mit Substanz wird. Denn längst steht nicht nur die Beitragsstabilität auf dem Spiel, sondern die Legitimität des gesamten Systems solidarischer Gesundheitsfinanzierung.

Die gesundheitspolitische Lage in Deutschland lässt sich nicht länger mit Kommissionen vertagen. Wenn Nina Warken heute im Bundestag ihre Pläne vorstellt, muss sie mehr liefern als nur strategische Absichtserklärungen. Die Reserve des Gesundheitsfonds ist geplündert, Beitragserhöhungen sind programmiert, und die Reformprojekte der letzten Regierung liegen halb umgesetzt in den Schubladen. Die Bürgerinnen und Bürger, die Versicherer, die Kassenärztlichen Vereinigungen und auch die Apotheken vor Ort erwarten Klartext – nicht Zwischenberichte. Die politische Taktik, Verantwortung an Expertengremien zu delegieren, während sich der Reformstau verfestigt, ist gescheitert. Deutschland braucht keine Denkpausen, sondern Umsetzungsmut. Wenn Warken heute keine neuen Pflöcke einschlägt, wird sie nicht als Gestalterin, sondern als Verwalterin der Krise in Erinnerung bleiben.

Apothekerausbildung verliert den Anschluss

Die Approbationsordnung blockiert Fortschritt bei Praxisnähe und Digitalisierung

Die pharmazeutische Ausbildung in Deutschland steht vor einem tiefgreifenden Wandel, doch der Reformstau wächst. Die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift “Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz” widmet sich in einem umfangreichen Themenschwerpunkt dem Entwicklungsweg der Apothekerausbildung, ihren gegenwärtigen Defiziten und den Anforderungen an ein zukunftsfestes Curriculum. Die Debatte um eine Überarbeitung der Approbationsordnung für Apotheker zeigt seit Jahren die strukturellen Blockaden des Systems. Zu viele beteiligte Akteure, zu wenig Dynamik und nicht zuletzt ein politischer Sparmodus bremsen die Entwicklung aus.

Herausgegeben von Professor Dr. Ulrich Jaehde und Professor Dr. Peter Heisig analysiert das Themenheft die historische Entwicklung der Apothekerausbildung ebenso wie die europäische Vergleichsperspektive. Der Rückblick von Professor Dr. Axel Helmstädter zeigt, dass sich die pharmazeutische Lehre in Deutschland nur schleppend vom handwerklich geprägten Beruf zur akademischen Wissenschaft entwickelt hat. Andere europäische Staaten waren deutlich schneller, insbesondere bei der Integration klinischer und patientenzentrierter Inhalte. Deutschland verliert hier sichtbar den Anschluss.

Zentrale Kritikpunkte betreffen die starke Bindung an die veraltete Approbationsordnung, die eine Integration moderner Inhalte erheblich erschwert. Professor Dr. Anita Elaine Weidmann und Professor Dr. Freyja Jónsdóttir verdeutlichen dies anhand internationaler Curricula, die weitaus praxisorientierter und interprofessioneller ausgerichtet sind. Zugleich bleibt die naturwissenschaftliche Fundierung unbestritten eine zentrale Voraussetzung für pharmazeutische Kompetenz, wie Professor Dr. Bernd Clement betont. Eine Modernisierung darf diesen Kern nicht verwässern, sondern muss ihn ergänzen durch therapeutische, kommunikative und digitale Inhalte.

Professor Dr. Frank Dörje und sein Team legen praktikable Formate für patientenzentriertes Lernen vor, deren Implementierung bislang jedoch unvollständig bleibt. Jennifer Weber und Kollegen unterstreichen die Relevanz interprofessionellen Lernens mit Medizinstudierenden, das in Deutschland bislang eher randständig betrieben wird. Einen weiteren Innovationsschub verspricht der Einsatz digitaler Lernformen, wie Professor Dr. Christoph Ritter aus Greifswald schildert. Auch die Studierenden selbst, vertreten durch Elisabeth Jones und Nikita Vassiljev, fordern eine Reform, die sich an der Praxis und am Nationalen Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Pharmazie orientiert. Ohne strukturelle Veränderung droht eine Abkopplung vom internationalen Ausbildungsniveau.

Ein bereits 2017 verabschiedetes Perspektivpapier der Bundesapothekerkammer mit dem Titel “Apotheke 2030” versucht, bestehende Spielräume innerhalb der Approbationsordnung zu nutzen. Dr. Berit Winter stellt dieses Konzept vor und plädiert für eine konsequentere Umsetzung. Doch die zentralen Herausforderungen bleiben ungelöst. Wie gelingt nachhaltige Qualitätssicherung in einem dynamischen Umfeld? Dr. Konstanze Schäfer verweist auf das Prinzip des Continuing Professional Development, das in vielen EU-Staaten bereits verbindlich etabliert ist. In Deutschland fehlt eine solche Fortbildungspflicht bislang. Das Resultat ist ein Flickenteppich regionaler Angebote ohne verbindlichen Standard.

Länder wie die Schweiz, Frankreich oder das Vereinigte Königreich setzen auf strikte Revalidierungsverfahren, um Qualität und Aktualität der pharmazeutischen Kompetenz zu sichern. In Österreich ist die Fortbildungspflicht erst 2024 eingeführt worden. Ein Positionspapier verschiedener Fachgremien liegt dem Bundesgesundheitsministerium seit 2022 vor. Doch die politische Umsetzung stockt. Deutschland droht, den Anschluss an europäische Standards endgültig zu verlieren. Was fehlt, ist nicht Wissen oder Strategie, sondern der politische Wille zur Neugestaltung.

Der Reformstau in der pharmazeutischen Ausbildung zeigt exemplarisch, wie träge und widersprüchlich das deutsche Gesundheitswesen auf strukturelle Erneuerung reagiert. Während andere europäische Länder längst moderne Ausbildungswege geöffnet und verbindliche Fortbildungssysteme eingeführt haben, hält Deutschland an einem regulatorischen Konstrukt fest, das die Gegenwart nicht mehr abbildet.

Die Approbationsordnung steht dabei sinnbildlich für ein Ausbildungssystem, das Innovation verhindert, statt sie zu ermöglichen. Ihre starren Vorgaben lassen weder Raum für therapeutische Praxis noch für digitale Lehrformate oder echte Kooperation mit anderen Gesundheitsberufen. Wer heute Pharmazie studiert, lernt noch immer zu viel in Disziplinen und zu wenig in Versorgungsrealitäten.

Diese Schieflage hat Folgen. Sie entzieht angehenden Apothekerinnen und Apothekern die Chance, ihre Rolle im Versorgungssystem aktiv mitzugestalten. Gerade in Zeiten wachsender Erwartungen an pharmazeutische Beratung, Medikationsmanagement und Prävention kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, am alten Ausbildungsmodell festzuhalten.

Es ist nicht der Mangel an Ideen, der den Fortschritt blockiert. Es ist die politische Entscheidungslosigkeit, die längst vorliegenden Konzepte ignoriert, aussitzt oder zersetzt. Die Approbationsordnung muss deshalb nicht nur reformiert, sondern durch ein dynamisches Ausbildungskonzept ersetzt werden, das auf Kompetenzentwicklung, Praxisnähe und interprofessionelle Anschlussfähigkeit setzt.

Gleichzeitig darf Fortbildung nicht länger als freiwilliger Zusatz gelten. Wer Verantwortung in der Arzneimittelversorgung trägt, muss seine Qualifikation regelmäßig nachweisen – so wie es in anderen Ländern längst Standard ist. Dass Deutschland hier weiterhin ohne System agiert, ist ein Rückfall in überkommene Standeslogik.

Wer den Anschluss an europäische Ausbildungsstandards nicht verlieren will, braucht Mut zu Strukturveränderung. Eine moderne Pharmazie braucht kein Beharrungsvermögen, sondern ein neues Berufsverständnis – getragen von verlässlichen Regeln, echten Lernräumen und einer Politik, die Reform nicht nur predigt, sondern ermöglicht.

Tiktok statt Tageslicht

OECD warnt: Deutschlands Jugendliche verbringen fast sieben Stunden täglich am Bildschirm

Die digitale Durchdringung des Alltags von Kindern und Jugendlichen schreitet mit einer Geschwindigkeit voran, die zunehmend alarmiert – nicht nur Eltern, sondern auch internationale Organisationen. Eine neue Studie der OECD zeigt nun: Deutschlands Jugendliche zählen im weltweiten Vergleich zu den intensivsten Bildschirmnutzern. Bereits 15-Jährige verbringen durchschnittlich 48 Stunden pro Woche mit digitalen Medien – das entspricht fast sieben Stunden täglich. Die Inhalte reichen von Social Media und Streaming über Online-Gaming bis zu Lernplattformen. Besonders auffällig: Die Nutzung zu reinen Unterhaltungszwecken dominiert. Fast drei Viertel der deutschen Jugendlichen überschreiten werktags die Zwei-Stunden-Grenze, die laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als gesundheitlich unbedenklich gilt.

Die Studie beschreibt einen Trend, der sich schon vor der Pandemie abzeichnete, durch Lockdowns jedoch massiv beschleunigt wurde. In einer Zeit, in der Sportvereine, Musikschulen und Freizeitaktivitäten ausfielen, wurden Bildschirme zur Hauptquelle von Unterhaltung, Kommunikation und Zerstreuung. Was als Ausnahme begann, hat sich in vielen Familien dauerhaft verfestigt. Zwar zeigen einige Erhebungen, dass die Bildschirmzeit nach der Pandemie leicht zurückgegangen ist – wie etwa die Digitalstudie der Postbank –, doch das Ausgangsniveau bleibt hoch. Die OECD spricht in ihrer Analyse von einer „stabilen Dauerübernutzung“, insbesondere in wohlhabenden Staaten mit hoher Digitalverfügbarkeit.

Die Folgen dieser Entwicklung sind laut Studienlage vielschichtig. Sie reichen von körperlicher Inaktivität und Adipositas über Konzentrationsstörungen bis zu psychosozialen Problemen wie Vereinsamung, depressiven Verstimmungen oder einem verzerrten Körperbild, insbesondere bei exzessiver Social-Media-Nutzung. Auch wenn viele Studien nur Korrelationen, keine Kausalitäten belegen, warnen Fachleute vor einer verharmlosenden Haltung. Die Realität in deutschen Kinder- und Jugendzimmern widerspricht den Präventionsempfehlungen. Und sie widerspricht der Annahme, dass junge Menschen den Umgang mit digitalen Medien intuitiv und verantwortungsbewusst beherrschen würden.

Die OECD ruft zu einem grundlegenden Umdenken auf: Die Verantwortung dürfe nicht allein bei den Familien liegen. Schulen müssten systematisch Medienkompetenz vermitteln, die Politik dürfe sich nicht auf Appelle beschränken, sondern müsse verbindliche Strukturen schaffen – etwa durch verbindliche Bildschirmzeitgrenzen an Bildungseinrichtungen, gezielte Gesundheitskampagnen und Förderprogramme für analoge Freizeitangebote. Denn in der Bilanz steht nicht nur die Frage nach digitaler Nutzung, sondern nach der Resilienz einer Generation, die zunehmend in virtuellen Räumen lebt, während reale Räume verschwinden.

Die Daten der OECD legen den Finger in eine offene Wunde: Deutschland ist nicht nur digital rückständig in der Infrastruktur – es ist auch konzeptlos im Umgang mit digitaler Überflutung. Während Glasfaserkabel in manchen Regionen noch fehlen, sitzen Jugendliche bereits stundenlang in TikTok-Loops fest, werden durch Algorithmen gesteuert und erleben ihre Lebensrealität zunehmend durch Displays. Die Entwicklung wird beklagt, aber nicht gestaltet. Und das ist der eigentliche Skandal.

Statt eine ernsthafte gesellschaftliche Debatte zu führen, duckt sich die Politik weg. Eltern werden zu digitalen Türstehern erklärt, obwohl sie weder die Werkzeuge noch die Rückendeckung dafür haben. Schulen sollen Medienkompetenz vermitteln, bekommen aber weder Zeit noch Budget. Und Konzerne verdienen Milliarden mit dem Aufmerksamkeitskonsum Minderjähriger, ohne sich regulatorisch verantworten zu müssen. Diese Konstellation ist nicht tragfähig – und sie ist gefährlich.

Denn die Risiken sind real. Wer sich täglich sieben Stunden digitalen Reizen aussetzt, läuft Gefahr, die Fähigkeit zur Konzentration, zur sozialen Interaktion und zur Selbstwahrnehmung zu verlieren. Das ist kein Alarmismus, sondern empirisch gestützte Realität. Und doch bleibt die politische Antwort diffus: Appelle an die Vernunft, freiwillige Elternratgeber, vereinzelte Schulprojekte. Was fehlt, ist ein klarer Rahmen. Warum gibt es keine verbindlichen digitalen Ruhezeiten in Schulen? Warum keine Regulierung für manipulative Inhalte in sozialen Netzwerken? Warum kein staatlich geförderter Gegenentwurf zur digitalen Dauerbespielung?

Der öffentliche Raum für Kinder schrumpft, während der virtuelle wächst – aber ohne Schutz, ohne Orientierung, ohne Widerstand. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird diese Generation nicht nur digitalisiert, sondern entwirklicht. Eine Gesellschaft, die ihre Jüngsten dem Bildschirm überlässt, darf sich über deren Rückzug aus der Realität nicht wundern. Die OECD hat geliefert – jetzt wäre es an der Zeit, dass Deutschland antwortet.

Delgocitinib schlägt Alitretinoin bei chronischem Handekzem

Neue Studie zeigt bessere Wirkung und höhere Verträglichkeit der topischen Therapie

Ein paradigmatischer Wechsel in der Behandlung des schweren chronischen Handekzems kündigt sich an. Die Ergebnisse der kürzlich publizierten DELTA-FORCE-Studie im Fachjournal Lancet lassen keinen Zweifel: Die topische Anwendung von Delgocitinib wirkt signifikant besser als die systemische Therapie mit Alitretinoin – bei gleichzeitig deutlich geringerem Nebenwirkungsrisiko. Die randomisierte Studie, die rund 500 erwachsene Patientinnen und Patienten einbezog, verglich die zweimal täglich applizierte Delgocitinib-Creme mit der einmal täglich eingenommenen Alitretinoin-Kapsel. Bewertet wurde unter anderem die Veränderung des HECSI-Scores (Hand Eczema Severity Index) über einen Zeitraum von zwölf Wochen.

Das Ergebnis spricht eine klare Sprache: Unter Delgocitinib sank der mittlere HECSI-Wert um 67,6 Punkte, unter Alitretinoin lediglich um 51,5 Punkte – eine statistisch wie klinisch signifikante Differenz. Besonders bemerkenswert ist zudem die Nebenwirkungsbilanz: Nur 49 Prozent der Delgocitinib-Gruppe berichteten über unerwünschte Ereignisse, verglichen mit 76 Prozent unter Alitretinoin. Häufige Beschwerden wie Kopfschmerzen (4 gegenüber 32 Prozent) oder Übelkeit (

Wenn Eltern bei der BU-Absicherung ihrer Kinder betrügen

Source: Deutsche Nachrichten
Ein Versicherungsfall, der als Familiendrama begann, entwickelt sich zur juristischen Zäsur: Ein junger Mann beantragt Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Doch statt Anerkennung folgt Ablehnung. Der Grund: Der Vater hatte beim Antrag falsche Gesundheitsangaben gemacht. Das Oberlandesgericht erklärt die Police für unwirksam. Der Sohn, selbst nicht in den Täuschungsvorgang involviert, muss sich das Verhalten des Vaters zurechnen lassen. Was für viele nach bürokratischer Pedanterie klingt, ist juristisch ein Lehrstück über Delegation, Verantwortung und die Brisanz des Antragsprozesses. Die Rechtsprechung verschärft damit die Anforderungen an Versicherungsnehmer dramatisch: Wer unterschreibt, haftet für jeden Inhalt – selbst wenn andere die Felder ausgefüllt haben.

Ein Urteil mit Signalwirkung: Wer bei der Antragstellung zur Berufsunfähigkeitsversicherung nicht selbst für die Richtigkeit seiner Angaben sorgt, riskiert im Ernstfall den Verlust des Versicherungsschutzes – selbst dann, wenn eine andere Person den Antrag ausgefüllt hat. So geschehen in einem aktuellen Fall, der vor dem Oberlandesgericht verhandelt wurde und nun für Klarheit sorgt: Der Sohn, später berufsunfähig geworden, scheitert mit seiner Klage, weil sein Vater im Antrag falsche Gesundheitsangaben gemacht hatte.

Bereits das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Es sah eine arglistige Täuschung durch den Vater, der für seinen Sohn den Antrag bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung ausgefüllt hatte. Zwar unterschrieb der Sohn das Formular selbst, doch die Gesundheitsfragen – das zentrale Risikokriterium für die Prüfung der Versicherbarkeit – waren in mehreren Punkten unrichtig beantwortet. So wurden psychische Vorbelastungen und orthopädische Diagnosen verschwiegen, die im Fall einer korrekten Angabe zu einer Ablehnung oder zumindest zu einer Risikozuschlagsprüfung geführt hätten.

Der Versicherer focht den Vertrag später an und berief sich auf arglistige Täuschung gemäß § 123 BGB in Verbindung mit § 22 VVG. Das Oberlandesgericht bestätigte diesen Standpunkt und erklärte die Police für von Anfang an unwirksam. Der Knackpunkt: Der Vater habe als sogenannter Wissensvertreter gehandelt, also als Person, deren Wissen und Verhalten dem Versicherungsnehmer selbst zuzurechnen sei. Entscheidend sei nicht, ob der Sohn Kenntnis von der Täuschung hatte, sondern ob der Antrag unter Mitwirkung eines Dritten mit täuschender Absicht eingereicht wurde. Genau dies sei hier der Fall gewesen.

Besonders brisant ist die juristische Konstruktion des Wissensvertreters: Wer wie ein Stellvertreter bei Vertragsschluss handelt, kann dem Versicherungsnehmer rechtlich gleichgesetzt werden. Der Vater hatte sich nicht nur um die Formalitäten gekümmert, sondern auch um alle inhaltlichen Fragen – und damit den Versicherungsnehmer von der eigenständigen Verantwortung entlastet. Das Gericht sah hierin einen klaren Verstoß gegen die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Angabe gefahrerheblicher Umstände, die als Grundlage der Risikobewertung dienen.

Für den Kläger bedeutet das: Die Berufsunfähigkeit ist zwar medizinisch festgestellt, doch vertraglich bleibt er ohne Leistung. Der Versicherer wird durch das Urteil von der Zahlungspflicht befreit. Die juristische Konsequenz: Ein Versicherungsvertrag, der auf einer Täuschung beruht, entfaltet keine Wirksamkeit – selbst dann nicht, wenn die Täuschung nicht vom Versicherten selbst stammt.

Diese Entscheidung hat Tragweite. Sie betrifft nicht nur familiäre Konstellationen, sondern auch Fälle, in denen Versicherungsvermittler, Makler oder Dritte in den Antragsprozess eingebunden sind. Die Rechtsprechung macht deutlich: Wer unterschreibt, trägt die volle Verantwortung – unabhängig davon, ob die Angaben selbstständig gemacht oder durch Dritte beeinflusst wurden.

Kommentar:

Die Entscheidung ist ebenso konsequent wie unbequem. Sie verlagert die Haftung vollumfänglich auf den Versicherungsnehmer, auch wenn dieser lediglich auf die Hilfe eines nahestehenden Familienmitglieds vertraut hat. Doch Vertrauen ersetzt keine Rechtsprüfung. Die Gerichte setzen damit ein klares Zeichen: Bei der Beantragung komplexer Versicherungsprodukte gilt eine Null-Toleranz-Linie gegenüber inhaltlichen Lücken, selbst wenn sie nicht selbst verschuldet wurden. Diese Linie ist juristisch sauber, aber menschlich hart.

Versicherungsverträge, insbesondere zur Absicherung existenzieller Risiken wie der Berufsunfähigkeit, verlangen maximale Sorgfalt. Der Antrag ist kein bloßes Verwaltungsformular, sondern der Kern des Versicherungsverhältnisses. Wer ihn nicht selbst kontrolliert oder ausfüllt, nimmt in Kauf, dass fremde Fehler eigene Folgen entfalten. Gerade in familiären Kontexten, wo Hilfestellung oft gut gemeint, aber formal ungeschult erfolgt, liegt hier ein enormes Risiko.

Das Urteil hat damit nicht nur Einzelfallcharakter, sondern adressiert eine generelle Schwäche im System: Die Illusion, Versicherungsverträge seien eine Formalie, die sich im Familienkreis rasch erledigen lassen. Tatsächlich verlangt die Materie rechtliche Klarheit, medizinische Transparenz und eine ungeteilte Verantwortung für jede gemachte Angabe. Wer sich dessen nicht bewusst ist, verliert im Zweifel nicht nur den Versicherungsschutz, sondern auch die Basis für rechtliche Absicherung. Das ist das eigentliche Drama hinter dem Fall.

Gleichzeitig wirft das Urteil Fragen zur Beratungskultur in der Versicherungswirtschaft auf. Wenn selbst juristisch geschulte Antragsteller Schwierigkeiten haben, alle Klauseln und Fallstricke zu erkennen, wie realistisch ist dann die Erwartung an Laien, ein vollständig korrektes Antragsformular abzugeben? Der Gesetzgeber wäre gut beraten, neben der Aufklärungspflicht der Versicherer auch die formale Verantwortung bei Antragsprozessen zu prüfen. Andernfalls entsteht ein Ungleichgewicht zulasten der Versicherten, das dem Vertrauensprinzip der sozialen Marktwirtschaft widerspricht.

In einer Zeit wachsender Unsicherheit und zunehmender Eigenverantwortung für Vorsorgefragen darf das Vertrauen in Versicherungsprodukte nicht durch juristisch zulässige, aber lebenspraktisch unverhältnismäßige Konsequenzen zerstört werden. Ein rechtlicher Anspruch auf Leistung darf nicht allein an formale Perfektion geknüpft sein, wenn die Lebenswirklichkeit diese kaum gewährleisten kann. Genau hier liegt die Herausforderung für Politik, Rechtsprechung und Branche.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Wenn das Rad zurückkommt, das Geld aber nicht

Source: Deutsche Nachrichten
Ein Diebstahl ist gemeldet, der Versicherungsfall scheint eindeutig – doch das Fahrrad wird gefunden, und die Versicherung zahlt nicht. Dieser Fall aus dem Jahresbericht der Schlichtungsstelle offenbart, wie eng Versicherer die Anspruchslage definieren. Die Frau meldete den Diebstahl ihres hochwertigen E-Bikes pflichtgemäß, doch noch bevor eine Zahlung erfolgte, tauchte das Rad beschädigt, aber fahrbereit wieder auf. Der Versicherer verweigerte jede Zahlung mit der Begründung, ein bleibender Schaden sei nicht gegeben. Der Nutzungsausfall, der emotionale Stress, der materielle Verlust – all das blieb unberücksichtigt. Die Ombudsfrau konnte keine Einigung herbeiführen. Der Fall wirft Fragen auf: Was ist ein Schaden im Sinne der Versicherung, und wie viel Realität steckt in der Theorie des Versicherungsschutzes? Wer sich auf Verträge verlässt, braucht offenbar auch Glück.

Ein gestohlenes E-Bike, eine aufgebrachte Versicherte und ein verweigerter Schadensersatz: Was wie ein gewöhnlicher Versicherungsfall beginnt, entwickelt sich im Jahresbericht 2024 der Schlichtungsstelle zu einem exemplarischen Lehrstück über die Fallstricke vermeintlicher Sicherheit. Die Versicherungsnehmerin hatte das teure Fahrrad pflichtgemäß als gestohlen gemeldet. Wochenlang blieb es verschwunden. Erst nachdem sie die Entschädigung beantragt hatte, wurde das E-Bike bei der Polizei sichergestellt – beschädigt, aber fahrtüchtig. Für die Frau bedeutete das keine Rückkehr zur Normalität. Für den Versicherer war es der Grund, jede Zahlung zu verweigern.

Denn: Ein wiedergefundenes Objekt, so die Argumentation, stelle keinen endgültigen Schaden dar. Zwar war der Nutzungsausfall real, ebenso der Stress, die Unsicherheit und die vorübergehende Hilflosigkeit. Doch juristisch betrachtet galt der Diebstahl nicht mehr als dauerhafter Schaden im Sinne des Vertrags. Der Hausratversicherer lehnte ab, die Ombudsfrau wurde eingeschaltet, doch auch sie konnte keine Einigung herbeiführen. Der Fall blieb ungelöst – und zeigt, wie wenig Versicherten im Ernstfall bleibt, wenn Paragraphen die erlebte Realität entwerten.

Dabei stützt sich der Versicherer auf gängige Auslegungspraxis: Die meisten Hausratversicherungsverträge beinhalten keine Entschädigung für zeitweisen Entzug, wenn die versicherte Sache wieder in den Besitz der Versicherten übergeht – es sei denn, sie ist vollständig zerstört oder nicht mehr nutzbar. Das bedeutet in der Konsequenz: Die „Wiedererlangung“ wirkt leistungsvernichtend, selbst wenn sie Wochen später erfolgt, das Objekt beschädigt ist und die zwischenzeitlichen Einschränkungen erheblich waren. Die Realität des Nutzungsausfalls bleibt eine Leerstelle im Vertragsrecht.

Betrachtet man den Vorgang aus soziologischer Perspektive, offenbart sich eine strukturelle Asymmetrie: Versicherungsunternehmen agieren mit juristischer Durchsetzungskraft und klar definierten Leistungsgrenzen. Versicherte hingegen agieren aus einem Gefühl von Vertrauensschutz heraus – und stehen im Konfliktfall weitgehend unbewaffnet da. Selbst der Einschaltung der Ombudsfrau sind enge rechtliche Grenzen gesetzt: Ihre Empfehlungen sind nicht bindend, ihre Mittel begrenzt. So wird das Verfahren zur Farce, wenn Versicherer auf formale Rechtmäßigkeit pochen – ohne Rücksicht auf die individuelle Situation der Betroffenen.

Der Fall zeigt, dass es nicht nur auf die Versicherungspolice ankommt, sondern auf deren tatsächliche Auslegung. Wer glaubt, durch Vertragsabschluss umfassend geschützt zu sein, muss im Ernstfall erkennen, dass Versicherung nicht gleich Entschädigung bedeutet. Solange Rückgabe vor Regulierung eintritt, steht der Leistungsanspruch unter Vorbehalt – und der Kunde bleibt im Zweifel auf einem beschädigten Objekt und einem moralischen Schaden sitzen.

Kommentar:

Dieser Fall ist mehr als eine juristische Randnotiz. Er offenbart eine systemische Schwäche: Die Versicherungspraxis ignoriert oft die soziale Wirklichkeit des Schadens. Ein gestohlenes, später beschädigt wiederaufgefundenes E-Bike mag juristisch nicht „verloren“ sein, aber für den Versicherten bedeutet es dennoch eine reale Einschränkung. Der Wertverlust, die Reparatur, der Verlust von Sicherheit und Vertrauen – all das fällt durch das Raster eines Vertragswerks, das auf Objektivität getrimmt ist, aber in Wahrheit an Lebensrealität spart.

Dass die Ombudsstelle nicht helfen konnte, spricht Bände. Wenn selbst die Instanz zur Streitschlichtung scheitert, weil die rechtlichen Kriterien den menschlichen Aspekt ausschließen, muss man sich fragen, ob das Prinzip Versicherung überhaupt noch seinem Namen gerecht wird. Der Schutz ist nicht mehr selbstverständlich, sondern wird zum Kampf um Definitionen. Versicherte sind dabei regelmäßig im Nachteil: Sie verfügen weder über die juristische Durchsetzungskraft noch über das Interpretationsmonopol ihrer eigenen Verträge.

Was hier geschieht, ist eine Entkoppelung von Leistungsversprechen und Lebensrealität. Wenn Versicherer auf Rückgabe pochen, ohne die Bedingungen der Wiedererlangung – Beschädigung, Nutzungsausfall, psychischer Druck – angemessen zu bewerten, wird der Schutzbegriff ausgehöhlt. Der Vertrag verwandelt sich von einem Sicherheitsnetz in ein Regelwerk, das nur noch den Interessen des Anbieters dient.

Reformbedarf ist offensichtlich: Hausratversicherungen müssen angepasst werden, um temporäre Verluste und Nutzungsausfälle zu berücksichtigen. Pauschale Leistungskürzungen bei Rückgabe ignorieren die zentrale Lebensrealität mobiler Verbraucher. In einer Zeit, in der Fahrräder zentrale Alltagsmittel sind, darf ihr temporärer Verlust nicht wie eine belanglose Episode behandelt werden. Versicherungen müssen lernen, nicht nur juristisch, sondern auch lebenspraktisch zu denken.

Der Fall ist ein Weckruf. Nicht nur für Verbraucher, sondern auch für die Gesetzgeber. Denn solange Versicherungsbedingungen eine Welt regulieren, die mit dem Alltag ihrer Versicherten wenig zu tun hat, bleibt Schutz ein Versprechen ohne Substanz. Wer eine Versicherung abschließt, darf im Ernstfall nicht auf Definitionsfragen reduziert werden. Das Vertrauen in das System steht auf dem Spiel – und mit ihm die Legitimität des gesamten Modells privater Absicherung.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Professionell gefälscht, finanziell fatal

Source: Deutsche Nachrichten
Ein gefälschter Arztstempel, ein scheinbar korrektes Rezept und eine dramatische Szene in einer Apotheke – was früher als Ausnahme galt, wird heute zur strukturellen Bedrohung. Immer öfter berichten Apothekenteams von professionellen Fälschungen, bei denen weder Format noch Inhalt verdächtig erscheinen. Der aktuelle Fall eines flüchtenden Rezeptbetrügers mit einem Rezept für das teure Medikament Mounjaro wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie können Apotheken derartige Dokumente in Sekunden bewerten? Was, wenn eine Fälschung nicht erkannt wird? Und wer trägt am Ende die Verantwortung? Die Realität ist brutal: Wird das Rezept eingelöst, droht eine Retaxation durch die Krankenkasse. Wird es fälschlich abgelehnt, leidet die Versorgung – und das Verhältnis zu berechtigten Patienten. In diesem Spannungsfeld agieren Apotheken heute nahezu allein. Retax-Versicherungen sollen helfen, doch ihr Schutz greift nur unter engen Voraussetzungen. Was bleibt, ist Unsicherheit. Es braucht mehr als Aufmerksamkeit – es braucht Systemschutz, digitale Unterstützung, politische Rückendeckung und realistischen Versicherungsschutz.

Ein Vorfall in einer deutschen Apotheke bringt ein systemisches Problem ans Licht. Ein Mann legt ein Rezept für das Diabetesmedikament Mounjaro vor – hochpreisig, knapp, begehrt. Der Arztstempel wirkt korrekt, das Dokument vollständig. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt die Apothekenfachkraft Abweichungen: Der Abstand zum Rand stimmt nicht, das Papier ist minimal anders. Sie spricht den Kunden an – der flieht. Die Polizei wird eingeschaltet. Doch unabhängig vom Einzelfall zeigt sich: Die Täter agieren professionell. Sie nutzen hochwertige Drucke, gestohlene oder digital nachgebaute Stempel, authentisch wirkende Daten.

Solche Fälle häufen sich. Apotheken berichten immer häufiger von Fälschungen, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind – und oft mit Präparaten wie Mounjaro, Ozempic oder Medikinet zusammenhängen. Die Täter setzen auf die Unsicherheit der Situation: Hektik am HV-Tisch, begrenzte Prüfzeit, Angst vor Ablehnung echter Patienten. Der Schaden aber ist einseitig: Wird ein gefälschtes Rezept beliefert, retaxiert die Kasse – die Apotheke trägt den wirtschaftlichen Verlust. Je nach Präparat können das mehrere Tausend Euro sein.

Retax-Versicherungen sollen hier greifen – doch der Schutz ist trügerisch. Viele Policen zahlen nur bei nachgewiesener Fahrlässigkeit, dokumentiert durch ein schriftliches Eingeständnis des Mitarbeiters. Fehler aus Überlastung, Zeitdruck oder fehlendem technischen Prüfsystem bleiben oft unversichert. Zudem sind bestimmte Wirkstoffe und Konstellationen grundsätzlich vom Schutz ausgenommen. Das bedeutet: Selbst wer eine Police abgeschlossen hat, steht im Schadensfall unter Beweisdruck – oder geht leer aus.

Auch juristisch wird es heikel. Die Verantwortung für die Prüfung liegt allein bei der Apotheke. Ärztliche Verordnungen gelten zwar als vertrauenswürdig – doch dieses Vertrauen schützt nicht vor Retaxationen. Die Kassen nutzen das Instrument konsequent. In der Praxis führt das zu enormem Aufwand: Rückrufe, Nachfragen, Anzeigen, Dokumentation. Vieles davon geschieht zusätzlich zum ohnehin hohen Arbeitsdruck im Team.

Die Tätergruppen hingegen agieren arbeitsteilig. Sie kennen die Systemgrenzen, wissen um die Schwächen bei Stempelschutz und Rezeptprüfung. Einige Apotheken berichten sogar von gezielten Anrufen, in denen falsche Praxisdaten zur Verifizierung angeboten wurden – eine neue Stufe der Täuschung.

Die betroffenen Arztpraxen geraten ebenfalls in den Fokus. Wenn ein Stempel gefälscht oder gestohlen wurde, droht nicht nur ein Reputationsverlust. Auch hier braucht es neue Schutzkonzepte – von digitalen Signaturen bis zur Stempel-Authentifizierung durch zentrale Stellen.

Apotheken benötigen dringend ein anderes Umfeld. Die Verantwortung darf nicht länger einseitig auf sie abgeladen werden. Es braucht ein zentrales Frühwarnsystem für Rezeptbetrug, digitale Tools zur Echtheitsprüfung, klare Rückkanäle zu Praxen – und rechtssichere, bedingungsärmere Versicherungen. Denn wer täglich unter hohem Druck arbeitet, darf nicht auch noch die systemischen Versäumnisse allein ausgleichen müssen.

Kommentar:

Der Fall eines gefälschten Rezepts mit professionellem Arztstempel ist kein kurioser Einzelfall – sondern Ausdruck einer strukturellen Schieflage. Apotheken tragen im Alltag Verantwortung für die letzte Prüfung vor der Arzneimittelabgabe. Sie sollen Fälschungen erkennen, Patienten versorgen, wirtschaftliche Risiken tragen und gleichzeitig den Ruf ihrer Institution schützen – ohne digitale Unterstützung, ohne belastbare Rückversicherung, ohne Rückendeckung.

Die Täter wissen das. Sie nutzen Schwachstellen im System gezielt aus: die fehlende Echtzeit-Verifikation, die mangelnde Stempelkontrolle, die diffuse Haftungskette. In diesem Vakuum entsteht kriminelle Energie, deren Folgen nicht nur finanziell spürbar sind, sondern das Vertrauen in das Versorgungssystem beschädigen.

Der Versicherungsschutz ist dabei oft Illusion. Viele Policen wurden entworfen für eine andere Zeit – für formale Fehler, nicht für strategische Täuschung. Sie schützen kaum vor professionellem Betrug. Wer heute eine Retax-Versicherung abschließt, muss sehr genau prüfen, was tatsächlich gedeckt ist – und was nicht.

Es braucht endlich ein Umdenken. Apotheken müssen entlastet werden – technisch, juristisch und finanziell. Wenn ein gefälschtes Rezept zur Haftungsfalle wird, weil das System versagt, ist nicht die Apotheke das Problem. Sondern die Tatsache, dass sie im Zentrum eines Vertrauenssystems steht, das ihr selbst kein Vertrauen entgegenbringt. Diese Asymmetrie ist unhaltbar – und gefährlich.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Gemeinsam. Nachhaltig. Wachsen: TalentMore AG übernimmt Halion-Produktelinie der rocon Software Development GmbH

Source: Deutsche Nachrichten
Die TalentMore (TM) gibt die Übernahme der halion-Produktlinie von der rocon software development GmbH bekannt. Mit der Integration von halion erweitert TM ihr Lösungsportfolio im Recruiting und Onboarding und verfolgt das Ziel, den deutschen Mittelstand noch umfassender in der Digitalisierung zu unterstützen.

Die Talentmore AG, eine hundertprozentige Schwester der DPS Business Solutions GmbH aus München, gibt die Übernahme der Halion-Produktlinie von der rocon Software Development GmbH bekannt. Mit der Integration von Halion schärft die Talentmore ihr HR Lösungsportfolio und verfolgt das Ziel, die HR-Digitalisierung im deutschen Mittelstand zu forcieren.

„halion ergänzt unser Angebot perfekt und ermöglicht es uns, Unternehmen ein erweitertes Toolset für HR, Bewerbermanagement, interne Kommunikation und Talentbindung anzubieten“, sagt Thomas Kapp, Vorstand der TalentMore AG. „Wir freuen uns, die etablierte halion-Plattform künftig über Partner wie Personio und Sage zu vertreiben und so neue Vertriebskanäle zu erschließen. Weiterhin freuen wir uns auf neue Kollegen, die unter schwierigen Bedingungen halion zu den ersten Erfolgen geführt haben und mit denen wir nun die nächsten Schritte gemeinsam gehen“

Im nächsten Schritt wird TalentMore gezielt weitere Partnerschaften eingehen, um halion flächendeckend im Mittelstand zu etablieren. Interessierte Systemhäuser, HR-Dienstleister und Software-Partner sind eingeladen, sich dem Partnernetzwerk anzuschließen und gemeinsam die digitale Transformation voranzutreiben.

Kernpunkte der Übernahme und Wachstumsstrategie:

  • Produktintegration: halion wird nahtlos in das bestehende Portfolio eingegliedert.
  • Partnervertrieb: Kooperationen mit Personio und Sage garantieren Zugang zu tausenden mittelständischen Kunden. Diese Partnerschaften werden ausgebaut und steht nun auf solidem Fundament für die nächsten Jahrzehnte.
  • Partnerakquise: Aufbau eines flächendeckenden Netzwerks aus Resellern, Implementierungspartnern und Beratungsfirmen.
  • Standort: der Standort Saarbrücken und alle Mitarbeiter werden übernommen und gewährleisten allen Bestandskunden eine reibungslose Übergabe, die im Hintergrund abläuft und den operativen Ablauf nicht beeinflusst. Der Standort wird weiter ausgebaut

Über TalentMore AG

TalentMore entwickelt innovative Softwarelösungen rund um Recruiting und interne Kommunikation. Mit modularen Plattformen wie halion und Mee-Family richtet sich das Unternehmen gezielt an wachstums-orientierte Organisationen im deutschsprachigen Raum.

Über Halion

Halion ist eine Multi-Terminal-Schnittstelle für die Zeiterfassung in HR-Produkten von Herstellern wie Personio oder Sage. Die Middleware verbindet HR-Lösungen komfortabel sowie herstellerunabhängig mit physischen Terminals. Alternativ können Kunden eine Smartphone-App für die Zeitnahme nutzen.