Life Science Entrepreneurship 2025: Krönendes Finale in Mainz

Source: Deutsche Nachrichten
Das Life Science Entrepreneurship Programm Rhein-Main (1), initiiert und organisiert von der Universitätsmedizin Mainz (2) und unterstützt durch Referent:innen und Mentoren:innen aus dem Beraternetzwerk der Healthcare Shapers (3), hat in den letzten sechs Monaten über 20 jungen Forschern aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen des Rhein-Main Gebietes das Rüstzeug gegeben auf dem Weg zur eigenen Gründung. Das Programm ist Teil des bundesweiten Programms für Gen- und Zelltherapie GeneNovate (4).

Damit aus Forschenden Gründende werden
Neben elf Fachspezialisten aus dem Kreis der Healthcare Shapers haben sechs Start-up Gründer:innen und zehn Mentoren:innen die Wissenschaftler:innen, Doktorand:innen, Post Docs und Professor:innen aus den Life Science Bereichen Pharma, Biotechnologie, MedTech, Diagnostik und Digital Health in intensiven Diskussionen und Workshops herausgefordert und unterstützt. Sie haben die Vernetzung der Forschenden vorangebracht und den Austausch mit Expert:innen aus dem Pharma-, Biotech-, Diagnostik- und Medtech-Markt ermöglicht. „Die wissenschaftlichen Ideen der Forschenden wurden dank der industriellen Erfahrungen der Healthcare Shapers zu wirtschaftlichen Businesskonzepten entwickelt. Das Ergebnis sind überzeugende und inspirierende Projektvorstellungen,“ freut sich Dr. Matthias Schwabe (5), Leiter der Stabsstelle Technologietransfer an der Universitätsmedizin Mainz. Er ist einer der Projektverantwortlichen und entwickelt das Entrepreneurship Programm seit 3 Jahren erfolgreich zusammen mit Partner:innen aus dem Rhein-Main Gebiet. Beim Abschluss-Event am 13.06.2025 in Mainz werden die Konzepte der Teilnehmenden vor einem kritischen Publikum aus Investor:innen, Forschenden und Vertreter:innen aus Politik und Wissenschaft präsentiert – die besten Pitches werden ausgezeichnet. Investor:innen und Innovation-Scouts sind herzlich eingeladen und können sich per Mail (technologietransfer@unimedizin-mainz.de) bei der Stabsstelle Technologietransfer an der Universitätsmedizin Mainz (2) anmelden.

Mentor:innen – unschätzbar wertvoll in der Gründungsphase
Die letzten Monate waren sehr intensiv,“ blickt Günther Illert (6), der Gründer der Healthcare Shapers auf das Life Science Entrepreneur-Programm zurück. „Businesserfahrene, gut vernetzte Beraterpersönlichkeiten aus unserem Netzwerk haben als Mentoren mitgewirkt. Mit ihrem Marktwissen und ihren Kontakten können sie jungen Forschern den Start als Gründer entscheidend erleichtern,“ betont Günther Illert, der Strategie-Coach, der die sechs Workshops im Programm moderiert hat.

Antworten auf „neue“ Fragen junger Gründer
Wie überzeugt man Mitstreitende und Investor:innen von seiner Gründungsidee, wie lässt sich der Nutzen und die Alleinstellung eines Produktes oder Services im Markt positionieren? Das sind für Forschende neue Fragen, die ebenso wie der Schutz der eigenen Gründungsideen, oder die Entwicklung eines tragfähigen Wertschöpfungsmodells für nachhaltiges Wachstum von zentraler Bedeutung sind für den Markterfolg. „Mit starken Referenten und Mentoren an der Seite, kommen die Forscher schneller zu besseren Antworten. Im Life Science Entrepreneurship Programm 2025 in der Rhein-Main-Metropolregion waren das die Mentoren Dr. Nina Althoff (7), Dr. Jan-Uwe Claas (8), Ricarda Cramer (9), Dr. Andreas Erkens (10), Dr. Merike Glass (11), Dr. Georg van Husen (12), Prof. Dr. Clarissa Kurscheid (13), Dr. Markus Riester (14), Yvette Schollmeier (15) und Thorsten Schmitt (16),“ stellt Günther Illert die teilnehmenden Partner vor.

Vernetzung – entscheidender Erfolgsfaktor
Gerade weil der Gesundheitsmarkt so stark reguliert sei und Gründende auf eine äußert fragmentierte Stakeholder-Landschaft stoßen, sei die Wahl des besten Marktzugangswegs und der „richtigen Kunden“ sehr herausfordernd. „Wer auf Vernetzung setzt und kollaborativ in Partnerschaften und Kooperationen mit den regionalen Netzwerkpartnern und Marktteilnehmern zusammenarbeitet, stößt auch bei Investoren auf offene Ohren. Sie braucht es, um als junges Unternehmen von der Gründungsphase über die Wachstumsphase in das Scale-Out zu kommen oder zu erkennen, wann der Zeitpunkt für einen erfolgreichen Exit gekommen ist,“ ist sich Günther Illert sicher.
Zum Abschluss-Event am 13.06.2025 in Mainz sind Investoren und Gründungsunterstützer herzlich eingeladen, die Anmeldung erfolgt direkt über die Universitätsmedizin Mainz, Technologietransfer (2).

Über die Healthcare Shapers
Die Healthcare Shapers sind ein Netzwerk von rund 150 Interim Manager:innen und Beraterpersönlichkeiten der Gesundheitswirtschaft in Deutschland, der Schweiz, Nordamerika und Kanada sowie Frankreich-Benelux. Sie begleiten global agierende Pharmaunternehmen, KMUs als auch Startups der Life Science- und MedTech-Branche von der Gestaltung von Strategieprozessen bis zum erfolgreichen Markteintritt von Arzneimitteln sowie digitalen Medizinprodukten zu Diagnostik und Therapie. Die Profile aller Beraterpersönlichkeiten sind über die Consultant-Suche (17) zugänglich. Über Aktivitäten des Netzwerks informiert der monatlich erscheinende Newsletter, der kostenlos abonniert werden kann (18).

Quellen/Links:

1. Life Science Academy, Universitätsmedizin Mainz. https://forschung.uni-mainz.de/entrepreneurship-workshop-programm  
2. Universitätsmedizin Mainz, Technologietransfer technologietransfer@unimedizin-mainz.de  
3. Healthcare Shapers Netzwerk https://www.healthcareshapers.com/ueber-uns 
4. GeneNovate: https://www.bihealth.org/de/translation/nationales-netzwerkbuero-fuer-gen-und-zelltherapien/genenovate 
5. Matthias Schwabe https://www.unimedizin-mainz.de/technologietransfer/footer/impressum.html
6. Günther Illert https://www.healthcareshapers.com/consultants/guenther-illert
7. Dr. Nina Althoff https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-nina-althoff
8. Dr. Jan-Uwe Class https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-jan-claas
9. Ricarda Cramer https://www.healthcareshapers.com/consultants/ricarda-cramer
10. Andreas Erkens https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-andreas-erkens
11. Dr. Merike Glass https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-merike-glass
12. Dr. Georg van Hussen https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-georg-van-husen
13. Prof. Dr. Clarissa Kurscheid https://www.healthcareshapers.com/consultants/prof-dr-clarissa-kurscheid
14. Dr. Markus Riester https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-markus-riester
15. Yvette Schollmeier https://www.healthcareshapers.com/consultants/dr-yvette-schollmeier
16. Thorsten Schmitt https://www.healthcareshapers.com/consultants/thorsten-schmitt-0
17. Healthcare Shapers Consultant-Suche mit allen Partner-Profilen https://www.healthcareshapers.com/consultants
18. Healthcare Shapers Newsletter-Anmeldung https://www.healthcareshapers.com/newsletter

Versicherungslogik verändert sich, Haftungsräume verdichten sich, Apothekenstrukturen müssen standhalten

Source: Deutsche Nachrichten
PharmaRisk® OMNI steht nicht für klassische Schadensregulierung, sondern für strukturelle Absicherung: mit adaptiver Innovationsgarantie, integrierter Kühlgut- und Retaxversicherung sowie einem Haftungsschutz, der auf die komplexen Versorgungsrealitäten heutiger Apothekenbetriebe reagiert und mit ihnen wächst – als Beitrag zur Resilienz im dynamisch regulierten Gesundheitsmarkt.

Die Anforderungen an Apotheken in Deutschland verändern sich tiefgreifend. Neben personellen und regulatorischen Anpassungen gewinnt vor allem der strukturelle Umgang mit Risiken an Bedeutung. Mit PharmaRisk® OMNI hat Aporisk eine Versicherungspolice entwickelt, die sich nicht mehr an traditionellen Schadensszenarien orientiert, sondern an den realen Herausforderungen eines komplex vernetzten Apothekenbetriebs.

Im Zentrum steht der Versuch, betriebliche Risiken nicht nur abzudecken, sondern in ihrer Gesamtdynamik zu erfassen. Die Police verbindet Haftpflicht-, Sach- und Betriebsrisiken mit digitalen Gefährdungen, Kühlgutverlusten und den wirtschaftlichen Folgen systemischer Abrechnungsunsicherheiten. Ihre Besonderheit liegt in der adaptiven Struktur: Durch die sogenannte Bestands- und InnovationsGarantie (BIG) verpflichtet sich Aporisk, den Leistungsumfang der Police ohne Mehrkosten an neue gesetzliche Vorgaben, technische Entwicklungen oder pharmazeutische Versorgungsformen anzupassen – ein Ansatz, der in der gegenwärtigen Versicherungspraxis Seltenheitswert hat.

Besonders im Bereich der Kühlgutabsicherung zeigt sich die Tragweite dieses Prinzips: Temperaturempfindliche Arzneimittel zählen zu den verwundbarsten Lagergütern in Apotheken. Ein Ausfall technischer Systeme kann binnen Minuten zum Verlust großer Warenbestände führen – mit rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen. PharmaRisk® OMNI berücksichtigt diese Risiken nicht nur in der Deckung, sondern auch in den präventiven Anforderungen an Infrastruktur und Monitoring.

Auch auf die zunehmenden Retaxationen gesetzlicher Krankenkassen reagiert die Police mit einem eigenständigen Modul. Rückforderungen im Rezeptabrechnungsprozess – häufig aufgrund formaler Fehler, die außerhalb des Einflussbereichs der Apotheken liegen – können existenzbedrohend wirken. Die integrierte Retaxversicherung sichert nicht nur den finanziellen Ausgleich, sondern auch eine fachliche Begleitung der Prüfprozesse, inklusive juristischer Unterstützung.

Die Betriebshaftpflichtdeckung von bis zu 30 Millionen Euro ermöglicht auch bei außergewöhnlichen Schadensereignissen die Fortführung des Betriebs. Ergänzend schützt eine Sach- und Inhaltsversicherung mit bis zu 5 Millionen Euro Lagerbestände, Ausstattung und Betriebsräume.

„Versicherung muss im Kontext wachsender Aufgaben und vernetzter Haftungsstrukturen neu gedacht werden“, erklärt ein Sprecher von Aporisk. „Mit PharmaRisk® OMNI zeigen wir, dass Sicherheit kein statischer Zustand ist, sondern ein sich entwickelndes System.“

Aporisk positioniert sich damit nicht nur als Anbieter von Versicherungsschutz, sondern als infrastruktureller Begleiter betrieblicher Transformation. Die Verbindung aus Absicherung, Anpassungsfähigkeit und Einbindung in den Apothekenalltag zielt auf eine grundsätzliche Neuausrichtung: Weg von der rückwirkenden Schadensregulierung – hin zu vorausschauender Risikosteuerung.

Im Lichte anstehender gesetzlicher Änderungen, der Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen und der fortschreitenden Digitalisierung stellt sich für Apothekenbetriebe die Frage nach ihrer langfristigen wirtschaftlichen Stabilität und rechtlichen Sicherheit neu. Die Policenlogik von PharmaRisk® OMNI versteht sich als Beitrag zu einer neuen Resilienzarchitektur – für Apotheken, die nicht nur mit Risiken umgehen müssen, sondern mit ihnen arbeiten.

Redaktionelle Einordnung

Die Absicherung betrieblicher Risiken ist längst keine Nebensache mehr – sie ist Teil der Systemverantwortung von Apotheken im Gesundheitswesen. Diese Mitteilung rückt ein Versicherungsmodell in den Fokus, das über klassische Deckung hinausweist und neue Fragen aufwirft: Wie lässt sich Risiko aktiv gestalten? Wie reagiert Versicherung auf Transformation? Der Beitrag ordnet die Police PharmaRisk® OMNI in diesen Kontext ein – als Beispiel für die Verschiebung von passiver Schadenregulierung hin zu strategischer Betriebsresilienz.

Von Matthias Engler, Fachjournalist

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Künstliche Intelligenz im Handwerk

Source: Deutsche Nachrichten
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran, und auch das Handwerk steht vor der Herausforderung, sich den neuen Technologien zu öffnen. Insbesondere das Thema Künstliche Intelligenz (KI) bietet enormes Potenzial, um kleine und mittelständische Betriebe zukunftsfähig zu machen. Doch wie kann diese Technologie sinnvoll und pragmatisch im Alltag eingesetzt werden, ohne sich in komplexen IT-Projekten zu verlieren?

Eine Antwort auf diese Frage liefert ein Event am 3.06.2025, 19:00-20:30 Uhr (ZOOM-Veranstaltung) mit Sebastian Nießen von TopFloor, einem auf Prozessoptimierung spezialisierten Unternehmen. Im Mittelpunkt steht die praxisnahe Nutzung von KI, um Arbeitsabläufe effizienter, transparenter und wirtschaftlicher zu gestalten.

Der Referent zeigt auf, wie KI Handwerksbetrieben dabei helfen kann, die Konkurrenz zu überflügeln und den Zeitaufwand für Routineaufgaben drastisch zu reduzieren. Dies schafft Freiräume für Teams, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren: herausragende Handwerkskunst zu liefern.

Maßgeschneiderte KI-Anwendungen die zielgenau entwickelt werden und die sich nahtlos in bestehende Betriebsprozesse integrieren lassen – sei es im Angebotswesen, in der Kundenkommunikation oder bei der Baustellenplanung stellen eine Option dar. Das Besondere daran: Die Lösungen sind so konzipiert, dass sie unabhängig nutzbar und flexibel erweiterbar sind, ohne langfristige Bindung an externe Dienstleister oder die Notwendigkeit eines eigenen Entwicklerteams.

Der Vortrag beleuchtete konkret, welche KI-Einsatzszenarien bereits heute im Handwerk erfolgreich funktionieren und wie Betriebe KI-Technologien selbstbestimmt und sicher einsetzen können. Zudem wurden wichtige Fallstricke thematisiert und Wege aufgezeigt, wie man mit kleinen Schritten große Wirkung erzielen kann.

Ziel der Veranstaltung ist es, die Potenziale von KI im Handwerk greifbar zu machen – jenseits des Hypes, mit einem klaren und sofortigen Mehrwert für den Arbeitsalltag. Damit wird deutlich: Künstliche Intelligenz ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern ein Werkzeug, das schon heute einen echten Unterschied machen kann.

Moderiert wird die Veranstaltung von Klaus Lichtenauer, 2. BuVO der GfA e.V.

Apotheken-News: Mut gefordert, Klartext erwartet, Kooperation vertagt

Source: Deutsche Nachrichten
Zwischen überfälligem Strukturwandel und verpasster Verantwortung entfaltet sich ein Gesundheitswesen, das im Spagat zwischen politischen Versprechen und realen Defiziten zerreißt: Die ABDA enttäuscht mit einem ambitionslosen Zukunftspapier, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet, während pharmazeutische Dienstleistungen trotz Millionenbudgets kaum in der Versorgung ankommen, die elektronische Umsetzung von BtM-Rezepten an haushaltspolitischer Unentschlossenheit scheitert und gefälschte Rezepte für Hochrisikomedikamente Apotheken in juristische und ethische Grauzonen zwingen; gleichzeitig warnt der Sachverständigenrat vor unbezahlbarem Fortschritt bei Arzneimittelinnovationen, während Karl Lauterbach sein gesundheitspolitisches Kapitel schließt und sich technischen Zukunftsvisionen zuwendet – ein System, das Reaktion mit Reform verwechselt, Verantwortung auslagert und in dem Apotheken, Versicherungen und Patientinnen gleichermaßen auf belastbare Perspektiven warten.

Es beginnt mit einem Papier, das mehr sein wollte als ein Positionspapier – ein Zukunftsentwurf, ein Impuls, ein Aufbruchssignal. Doch das sogenannte Zukunftspapier der ABDA wirkt, bei genauer Betrachtung, wie ein Dokument des Zögerns. Wo Vision, Durchsetzungskraft und Konfliktfähigkeit gefragt wären, regiert das Vage. Dass die eigentliche Debatte nicht durch die ABDA, sondern durch das Nachwuchsforum „Abyou Future.Lab“ angestoßen wurde, spricht Bände: Die Jüngeren suchen Anschluss, die Alten verwalten Wirklichkeitsferne. Wer heute Verantwortung für die Zukunft der Apotheken übernehmen will, braucht mehr als PDF-Phrasen – er braucht Rückgrat, Verbindlichkeit und die Bereitschaft, sich in politische Spannungen hineinzubegeben.

Diese Spannungen durchziehen auch andere Baustellen im Gesundheitswesen. Etwa den Umgang mit pharmazeutischen Dienstleistungen, die laut ABDA als „Erfolg“ verkauft werden, in der Praxis aber erschreckend selten in Anspruch genommen werden. Wenn selbst bei der Techniker Krankenkasse nur 0,4 % der Versicherten jemals eine pDL erhalten haben, stellt sich nicht die Frage nach dem Modell, sondern nach der Realität. Der Not- und Nachtdienstfonds meldete für das zweite Halbjahr 2024 Auszahlungen in Höhe von 15,64 Millionen Euro – bei jährlich verfügbaren 150 Millionen. Eine Quote, die mehr über Versäumnisse sagt als über Erfolge. Weder werden Potenziale systematisch aktiviert, noch gelingt es, die Leistungen als festen Bestandteil einer Gesundheitskultur zu verankern.

Auch in der Arzt-Apotheker-Beziehung bleibt das Misstrauen strukturell. Zwar plädiert KBV-Vize Dr. Hofmeister für mehr Kooperation und nennt das ARMIN-Modell als funktionierendes Beispiel, doch die Realität zeigt: Vertrauen ist nicht delegierbar. Es entsteht nur dort, wo persönliche Begegnung und gemeinsames Ziel aufeinandertreffen – beides fehlt im Versandhandel, beides wird im Alltag zu oft durch technische oder bürokratische Barrieren erschwert. Medikationsanalysen könnten ein Türöffner sein, doch ohne Klarheit über Rollenbilder und ohne politische Rückendeckung bleiben sie ein Testfall, kein Regelangebot.

Derweil demonstriert die Debatte um das elektronische BtM-Rezept exemplarisch, wie politische Ansprüche regelmäßig an der Wirklichkeit scheitern. Ein Start am 1. Juli 2025 wäre technisch denkbar – wenn es denn Geld gäbe. Doch das BMG verweist auf fehlende Spezifikationen und Haushaltsmittel. Dabei ist die Dringlichkeit längst manifest: Gefälschte Rezepte für Fentanyl, Lonsurf oder GLP-1-Agonisten wie Ozempic und Mounjaro häufen sich, wie Warnungen der AOK Nordwest zeigen. Der Schutz vor Arzneimittelfälschungen ist technisch machbar – aber politisch unterfinanziert.

Genau hier setzt ein anderer Trend an: Apothekenversicherungen wie PharmaRisk® OMNI transformieren sich vom reaktiven Schadensinstrument zur strategischen Infrastrukturleistung. Wenn Unsicherheit zur Konstante wird, muss Absicherung planvoll, ganzheitlich und vorausschauend erfolgen. Aporisk hat mit PharmaRisk® OMNI eine Police entwickelt, die den Apothekenbetrieb nicht nur schützt, sondern betriebsfähig hält – gegen Regressforderungen ebenso wie gegen digitale Angriffe und haftungsrechtliche Grauzonen. Eine Versicherung, die nicht nach dem Schaden beginnt, sondern vor dem Risiko einsetzt.

Parallel geraten die Kosten neuer Arzneimittel in den Fokus. Der Sachverständigenrat für Gesundheit & Pflege schlägt in seinem Gutachten 2025 vor, dass der Preis für neue Medikamente künftig nicht mehr allein vom Hersteller festgelegt wird, sondern durch ein System interimistischer Referenzpreise reguliert wird. Die Koppelung an Vergleichstherapien soll Transparenz schaffen, ohne Innovation zu ersticken – doch die Warnung ist klar: Die GKV darf nicht zur blanko zahlenden Instanz eines unregulierten Marktes werden.

Währenddessen verabschiedet sich Karl Lauterbach aus der gesundheitspolitischen Konfliktzone und wechselt in den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Ein Wechsel, der zeigt, dass die Zukunft der Medizin ebenso im Molekül wie in der Strukturreform liegt – aber nicht ohne den politischen Mut, beides zu verbinden. Wenn sich das politische System aus der Verantwortung zurückzieht, müssen Berufsgruppen, Institutionen und Systeme umso mehr beweisen, dass sie Wandel wollen – und können.

Ein anderer Bereich, in dem Wandel eingefordert wird, ist die Parteienfinanzierung. Angesichts wachsender Erfolge rechtsextremer Gruppierungen stellt sich zunehmend die Frage, ob Parteien, die offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agitieren, weiterhin mit Steuergeldern gefördert werden dürfen. Die Forderung: Eine „verfassungstreue Fördervoraussetzung“. Der Staat darf nicht jene mitfinanzieren, die ihn zerstören wollen.

Was also bleibt als Fazit dieser Woche? Dass Mut nicht nur eingefordert, sondern bewiesen werden muss. Dass Vertrauen nicht deklariert, sondern verdient wird. Und dass Reformen nicht in Sonntagsreden beginnen, sondern in der Bereitschaft, sich die Finger schmutzig zu machen – in Apotheken, im Bundestag, in der Realität.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: Versicherung stützt Versorgung, Vertrauen baut Brücken, Technik deckt Schwächen auf

Source: Deutsche Nachrichten
Apotheken sind längst mehr als Medikamentenausgabestellen – sie sind systemische Ankerpunkte in einer Gesundheitsstruktur im Umbau, und genau hier setzt PharmaRisk® OMNI an: nicht als bloßes Schadensprodukt, sondern als strategische Antwort auf ein Versorgungssystem im Umbruch, das mit digitalen Bruchstellen, regulatorischer Ungewissheit, Vertrauensdefiziten, ineffektiver Interprofessionalität und stagnierenden pDL kämpft, während zugleich gefälschte Rezepte für Hochrisikomedikamente die Sicherheitslücke des Papierzeitalters offenlegen, Lauterbach auf technologische Bühnen wechselt und der Sachverständigenrat eine neue Preislogik fordert – zwischen Absicherung, Innovation und Verantwortung entsteht damit ein neuer Handlungsrahmen für zukunftsfähige Apotheken.

Versicherung als Zukunftsinstrument, Risiko als Gestaltungskraft, Vertrauen als strategische Ressource

Wie PharmaRisk® OMNI Apotheken gegen Systemrisiken absichert, technologische Umbrüche integriert und regulatorische Unsicherheit kalkulierbar macht

In der zunehmend fragmentierten und risikobeladenen Betriebsrealität deutscher Apotheken bildet sich ein neues strategisches Paradigma heraus: Versicherung nicht nur als Regressinstrument im Schadensfall, sondern als infrastrukturelle Voraussetzung für dauerhafte Betriebsfähigkeit im Wandel. Die Police PharmaRisk® OMNI, entwickelt von Aporisk, repräsentiert diesen Anspruch mit beachtlicher Konsequenz – als eine Lösung, die nicht mehr nur auf Vorhersehbarkeit reagiert, sondern Unsicherheit proaktiv verankert. Ihr Leistungsspektrum gleicht keinem klassisch versicherungstechnischen Produkt, sondern vielmehr einer komplexen Antwort auf den inneren Strukturbruch der Apothekenlandschaft im digitalen Zeitalter.

Der Ausgangspunkt für diese Entwicklung ist bekannt: Apotheken sehen sich einer multiplen Bedrohungskonstellation ausgesetzt. Die Digitalisierung schreitet schneller voran, als es Infrastruktur und Personal in der Fläche bewältigen können. Der Kostendruck auf Seiten der gesetzlichen Krankenversicherungen entlädt sich in einer beispiellosen Welle an Retaxationen. Zugleich verändert sich die öffentliche Erwartungshaltung an die Apotheke: Sie soll impfen, beraten, digital begleiten – und zwar jederzeit. Diese Tektonik erzwingt auch eine Neuausrichtung der Risikobewältigung, bei der klassische Versicherungsmodelle an ihre Grenze stoßen.

Die PharmaRisk® OMNI positioniert sich als Generalantwort auf diese Herausforderung. Ihr Kernversprechen lautet nicht: „Wir regulieren Schäden“, sondern: „Wir machen Schäden als Betriebsrisiko beherrschbar.“ In der Praxis bedeutet dies eine durchgängige Absicherung über alle relevanten Risikokategorien hinweg. Die Betriebshaftpflicht ist mit einer Deckungssumme von bis zu 30 Millionen Euro kalkuliert – ein Maßstab, der nicht nur auf den Ernstfall vorbereitet, sondern die wirtschaftliche Existenz einer Apotheke selbst in Großschadensszenarien schützen soll. Wer heute etwa an mögliche Schadenersatzforderungen bei Impfkomplikationen, fehlerhaften BtM-Abgaben oder Datenschutzverletzungen denkt, erkennt den strategischen Stellenwert dieser Summe.

Gleichzeitig integriert die Police alle klassischen Absicherungen der Inhalts- und Sachversicherung – bis zu fünf Millionen Euro gegen Feuer, Einbruch, Leitungswasserschäden oder Vandalismus. Entscheidend ist jedoch weniger die Höhe der Deckung als ihre Durchlässigkeit: Apotheken sind keine statischen Betriebe mehr, sondern dynamische Gesundheitsschnittstellen, die zwischen pharmazeutischer Praxis, telemedizinischer Beratung, digitalem Workflow und betriebswirtschaftlicher Regulierung oszillieren. Die Police erkennt diese Bewegung an – und sie bleibt ihr strukturell gefolgt.

Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Kühlgutversicherung: Viele Apotheken lagern heute temperaturempfindliche Präparate – etwa mRNA-Impfstoffe oder Biologika –, deren Verderb nicht nur ein finanzielles Risiko darstellt, sondern auch haftungsrechtliche Implikationen entfalten kann. PharmaRisk® OMNI kalkuliert diese Risiken ein, nicht als Ausnahme, sondern als Standard. Technologische Störungen in der Kühlkette sind im Versicherungskern berücksichtigt – ein Detail, das in Zeiten wachsender Klimarisiken an Relevanz gewinnt.

Noch weitreichender wirkt die Einbeziehung einer Retaxationsversicherung. In kaum einem anderen Bereich äußert sich die Dysfunktion des GKV-Systems so unverhohlen wie in den Abrechnungspraktiken der Krankenkassen. Apotheken, die nach bestem Wissen und Gewissen tätig werden, sehen sich regelmäßig mit Rückforderungen in teils existenzbedrohender Höhe konfrontiert. PharmaRisk® OMNI federt diese Rückforderungen nicht nur finanziell ab – sie macht sie kalkulierbar. In Kombination mit rechtlicher Begleitung und digital gestütztem Risiko-Monitoring verwandelt sich die Police in ein Frühwarnsystem für Systemversagen.

Einen besonderen Akzent setzt das Konzept durch die sogenannte Bestands- und InnovationsGarantie (BIG): Diese vertraglich verankerte Verpflichtung erlaubt es Aporisk, Leistungen und Deckungsinhalte fortlaufend an neue Gegebenheiten anzupassen – ohne Zusatzkosten für die Apotheken. Auf diese Weise wird aus der Police ein lernendes System, das sich mit der Branche entwickelt. Wer heute eine Apotheke versichert, deren Leistungen sich durch neue pharmazeutische Dienstleistungen, digitale Plattformintegration oder Telemedizin erweitern, muss keine Neuverhandlung befürchten – sondern erhält automatisch eine aktualisierte Police.

Das ist nicht nur ein Komfortmerkmal, sondern Ausdruck eines Paradigmenwechsels: In einem Betrieb, dessen Geschäftsmodell in einem permanenten regulatorischen Umbauprozess steckt, braucht es eine Versicherung, die nicht nur Bestand schützt, sondern Innovation antizipiert. Die BIG-Funktion wird damit zum systemischen Antwortgeber auf die politische Volatilität – und ein Schutzschild gegen das regulatorische Fieber, das viele Apotheken in den letzten Jahren zermürbt hat.

Die strategische Logik der PharmaRisk® OMNI erschöpft sich daher nicht im Umfang der Deckung, sondern liegt im Verständnis des Versicherten als Systemakteur. Die Police begleitet keine statische Apotheke, sondern eine lernende Organisation – wirtschaftlich, rechtlich, technologisch und menschlich. Genau darin liegt ihre Relevanz. Denn in einer Zeit, in der Apotheken ihre Sicherheitsarchitektur regelmäßig anpassen müssen, reicht ein Versicherungskonzept nicht mehr aus, das bloß vergangene Schäden ersetzt. Es braucht ein Konzept, das Zukünftigkeit modelliert – als Risiko, aber auch als Ressource.

Mut gefordert, Klartext erwartet, Kooperation vertagt

Wie das ABDA-Zukunftspapier ausweicht, Impfanreize verfehlt und interprofessionelle Allianzen blockiert werden

Es beginnt mit einem Papier, das mehr sein will als ein Positionspapier – ein Zukunftsentwurf, ein Impuls, ein Appell an Politik, Gesellschaft und Heilberufepartner. Doch das „Zukunftspapier“ der ABDA bleibt in der Wirkung merkwürdig blass. Wo die Öffentlichkeit Reibung, Richtung und Reformkraft erwartet hätte, scheint sich die Standesvertretung in Absichtserklärungen zu verlieren. Dass die Debatte darüber nicht von der ABDA selbst, sondern durch das „Abyou Future.Lab“ angestoßen wurde, verdeutlicht das Dilemma: Der Nachwuchs sucht Anschlussfähigkeit, während das Hauptorgan die große Linie zwar skizziert – aber nicht zeichnet. Dabei geht es um nicht weniger als die Frage, ob Apotheken künftig aktiver Gesundheitsakteur oder strukturpolitisches Anhängsel bleiben.

Im Zentrum steht der Anspruch, Apotheken zu erweiterten Leistungserbringern zu machen – konkret genannt: das Impfen. Ein zentraler Punkt, der im Papier prominent auftaucht, aber in der Umsetzung an mehreren Fronten stockt. Die Zahlen sprechen Bände: Bei der Techniker Krankenkasse wurden 2023 gerade einmal rund ein Prozent der Grippeimpfungen in Apotheken durchgeführt. Tim Steimle, Arzneimittelexperte der TK, sieht darin eine verpasste Chance. Doch seine Kritik trifft nicht nur die Betriebe – sondern die Politik und das Konzept der ABDA gleichermaßen. Wenn das Zukunftspapier diesen Weg ernsthaft meint, braucht es mehr als Worthülsen: Es braucht rechtliche Klarheit, finanzielle Attraktivität, betriebswirtschaftliche Stimmigkeit und – vielleicht am dringendsten – das Vertrauen der Ärzteschaft. Genau hier liegt das Kernproblem, das auch die Diskussion beim „Future.Lab“ offenbarte: Zwischen Apothekerschaft und Ärzteschaft herrscht keine Einigkeit darüber, wer welche Rolle künftig übernimmt. Die Fronten sind diffus, das Gesprächsklima abwartend. Steimle formulierte es diplomatisch: Es fehle der Konsens mit der Ärzteschaft, man sei aber gesprächsbereit.

Franziska Scharpf, Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer, betonte in derselben Runde, dass die ABDA sehr wohl auf Verständigung mit der Ärzteschaft setze. Aber auch hier blieb vieles in Andeutungen. Statt klarer Bekenntnisse zum Interprofessionalismus oder einer konkreten Strategie für Kooperationsmodelle gab es den Verweis auf einen „ersten Impuls“. Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Herstellerverbands Pharma Deutschland, ließ das nicht gelten. Ihr fehlte im ABDA-Papier der Klartext – die Bereitschaft, auch unbequeme Reformschritte zu benennen. Das betrifft nicht nur das Impfen, sondern auch die Positionierung der Apotheken im Bereich Medikationsmanagement, digitale Gesundheitskompetenz und Prävention.

Doch gerade hier rächt sich die Strategie der harmonischen Abstufung, mit der die ABDA ihre Positionen derzeit formuliert. In einer Zeit, in der der Gesetzgeber in rasantem Takt Kompetenzen neu verteilt – und damit die Rolle der Apotheken mitdefiniert –, ist Zurückhaltung kein Gebot der Diplomatie, sondern ein strukturelles Risiko. Denn wenn nicht klar benannt wird, wo die Apotheke der Zukunft konkret steht, wird dieser Platz von anderen eingenommen. Ärzt:innen, Krankenkassen, Telemedizinplattformen, Digitalversorger – sie alle sind längst auf dem Vormarsch und besetzen die Felder, in denen die Apotheke aktiv werden will.

Dabei ist gerade das Impfen ein Beispiel für entgrenzte Gesundheitsversorgung. Wer hier nur saisonal denkt, bleibt hinter den Erwartungen zurück. Brakmann sprach es aus: Apotheken müssten ganzjährig impfen dürfen. Das sei betriebswirtschaftlich sinnvoll – und gesundheitspolitisch geboten. In einer alternden Gesellschaft mit sinkender Durchimpfungsrate ist jede verlässliche Impfstelle ein Gewinn. Dass nur wenige Apotheken das volle Fortbildungsspektrum im Bereich Impfen absolvieren, liegt nicht allein am Willen, sondern auch an Unsicherheiten: Was darf ich, was werde ich bezahlt, was ist rechtlich abgesichert? Fragen, die das Zukunftspapier zwar streift – aber nicht beantwortet.

Ein weiterer blinder Fleck liegt in der politischen Anbindung. Der Gesetzgeber wird im Papier implizit adressiert, aber nicht explizit gefordert. Dabei ist längst klar: Ohne gesetzgeberische Neuausrichtung bleibt der Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen ein Torso. Auch hier wäre eine klarere Stoßrichtung hilfreich gewesen – zum Beispiel die Forderung nach einer eigenständigen Budgetierung für präventive Apothekendienstleistungen, einem vergüteten Impffokus jenseits der Grippesaison oder einer rechtlich gesicherten Kooperation mit Arztpraxen.

Es ist paradox: Während Apotheken in der Pandemie zeigten, dass sie impfen können, dürfen sie es im Regelbetrieb nur eingeschränkt. Das Vertrauen, das während der Corona-Krise entstanden ist, wurde nicht in Strukturen überführt. Es blieb ein Moment der Not – und kein Element der Normalität. Der Impuls des Zukunftspapiers, hier aktiv zu werden, ist grundsätzlich richtig. Aber er verliert seine Wirkung, wenn er ohne realpolitische Durchsetzungskraft bleibt.

Das „Abyou Future.Lab“ hat mit seinem Debattenformat gezeigt, dass Zukunft nur dann entsteht, wenn sie nicht nur gedacht, sondern durchstritten wird. Dafür braucht es Widerspruch, Reibung, Positionierung. Genau das hätte auch das ABDA-Zukunftspapier leisten müssen – ein klares Szenario, ein belastbares Rollenbild, ein Plan mit Konfliktlinien und Zielpfaden. Doch stattdessen bleibt der Eindruck eines Textes, der von allem ein bisschen will – und dadurch wenig erreicht. Zwischen vorsichtiger Formulierung und politischer Rücksichtnahme verliert sich das größte Gut, das ein Zukunftskonzept haben muss: Richtung.

Was nun folgen müsste, ist kein weiteres Papier – sondern eine offene, kontroverse Auseinandersetzung mit der Ärzteschaft, den Kassen und der Politik. Die Apothekerschaft darf sich nicht mehr mit der Rolle des Ergänzungserbringers zufriedengeben. Wer Versorgung sichern will, muss Verantwortung fordern – laut, sichtbar und unverrückbar.

Apotheke will mehr, Kasse fordert mehr, System gibt nicht her

Warum pharmazeutische Dienstleistungen ohne Kulturwandel, Geld und Kommunikation nicht zünden

Es hätte ein Aufbruch sein können, ein Zeichen für die neue Rolle der Apotheke in einem überlasteten Gesundheitssystem, das Entlastung sucht und Kompetenzpotenziale heben will. Doch die Realität ist zäh, widersprüchlich und ernüchternd konkret: Lediglich 0,4 Prozent der Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) haben bislang eine pharmazeutische Dienstleistung (pDL) erhalten. Tim Steimle, Arzneimittelexperte der TK, brachte diese Zahl nüchtern und fast beiläufig in die Diskussion ein – doch sie wirkt nach, entfaltet ihre politische Sprengkraft gerade in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die ABDA nennt die pDL ein Erfolgsmodell. Aber was genau soll dieser Erfolg sein, wenn selbst bei einem digitalen Vorreiter wie der TK nicht einmal ein halbes Prozent der Versicherten in den Genuss der Angebote gekommen ist?

Der Begriff „pharmazeutische Dienstleistungen“ sollte den Paradigmenwechsel markieren: Apothekerinnen und Apotheker sollen nicht nur Arzneimittel abgeben, sondern aktiv in die patientenzentrierte Versorgung eingebunden werden – etwa durch Medikationsanalysen, erweiterte Beratung bei Polymedikation oder standardisierte Blutdruckmessungen bei antihypertensiver Therapie. Doch dieser Anspruch kollidiert mit dem Alltag vieler Apotheken, die angesichts von Personalmangel, wirtschaftlichem Druck und digitalem Transformationsstau kaum noch Spielraum für strukturelle Neuerfindung sehen.

Vizepräsidentin Franziska Scharpf von der Bundesapothekerkammer bleibt trotzdem optimistisch. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte sie beim Abyou Future.Lab – dem Zukunftsformat der Nachwuchsorganisation der ABDA. Ein Satz, der Vertrauen signalisieren soll, aber in seiner Vagheit das strukturelle Vakuum nicht überdecken kann. Denn dieser Weg ist kein Sprint, sondern ein beschwerlicher Marsch – einer, den viele Apotheken weder personell noch finanziell stemmen können. Der gesetzliche Anspruch ist da, die Vergütung ebenso – doch es fehlt an Integration, Sichtbarkeit und systemischer Akzeptanz.

Scharpf spricht vom notwendigen Wandel des Selbstbildes im Berufsstand und von einem neuen Gesellschaftsbild der Apotheke. Ein Satz mit Tiefenwirkung: Denn tatsächlich geht es nicht nur um neue Leistungen, sondern um eine neue kulturelle Verortung des Berufs. Die Apotheke als Beratungszentrum, als niederschwellige Anlaufstelle, als Lotsin im Therapiedschungel – das wäre eine echte Rolle, keine PR-Behauptung. Aber diese Rolle verlangt andere Voraussetzungen: Zeit, Personal, Qualifikation – und einen verlässlichen, systemisch abgesicherten Rahmen.

Dorothee Brakmann vom Herstellerverband Pharma Deutschland betont in der Diskussion den kulturellen Umbruch: Für viele Bürgerinnen und Bürger sei die Apotheke noch immer primär ein Ort der Abgabe – nicht der Beratung oder Intervention. Auch deshalb nehme die Inanspruchnahme pharmazeutischer Dienstleistungen nur zögerlich zu. „Das braucht Zeit“, sagt Brakmann – und sie hat recht. Doch Zeit allein wird nicht reichen. Ohne strategische Kommunikation, strukturelle Entlastung und politische Flankierung bleibt das Ganze ein Reformversuch in der Warteschleife.

Steimle von der TK formuliert den Bedarf klar: „Wir wollen viel mehr davon.“ Der Satz ist nicht nur ein Wunsch, sondern eine Forderung an das System. Es geht um eine Entlastung der hausärztlichen Versorgung, um Patientensicherheit, um Effizienz in der Arzneimitteltherapie. Dass die Krankenkassen längst bereit wären, hier stärker zu investieren, steht außer Frage. Doch der Umsetzung fehlen die Schnittstellen. Noch sind die pDL ein Parallelangebot, nicht systemisch integriert. Noch fehlt die flächendeckende Schulung. Noch ist nicht einmal jeder Apotheke bewusst, welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden dürfen – und wie sie korrekt abgerechnet werden.

Das zentrale Missverständnis: Man kann einen Systemwechsel nicht allein durch die Einführung neuer Abrechnungsziffern erzwingen. pDL sind kein Add-on, sie sind eine kulturelle Revolution – und die verlangt mehr als Informationsbroschüren. Was fehlt, ist eine kooperative Gesamtstrategie: Fortbildungen mit Praxisbezug, digitale Infrastruktur, patientenzentrierte Kommunikation, Unterstützung durch Ärztinnen und Ärzte. Doch gerade diese letzte Gruppe hat sich bisher kaum eingebunden gezeigt – zu groß ist der Argwohn gegenüber einem Berufsstand, dem man traditionell die Kompetenz jenseits der Arzneimittelabgabe nur eingeschränkt zuschreibt.

Dabei wäre das Gegenteil der Fall: Gerade in der flächendeckenden Versorgung können Apotheken Lücken schließen, Orientierung geben, therapiebegleitend stabilisieren. Doch solange diese Rolle nicht offensiv beworben, von der Politik gestützt und innerhalb der Versorgungslogik legitimiert wird, bleibt sie Ausnahme statt Normalfall.

Man darf deshalb auch die ABDA nicht aus der Verantwortung entlassen. Wer von einem „Erfolgsmodell“ spricht, sollte zumindest erklären, worin dieser Erfolg aktuell besteht – und was genau der nächste Schritt ist. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungsinitiativen, digitale Tools für pDL-Erfassung und Abrechnung: Das alles wäre nötig, um aus einem theoretischen Instrument ein alltagstaugliches Werkzeug zu machen.

Und dann ist da noch das Geld. Die derzeitige Vergütung der pDL ist zwar formal geregelt, doch gemessen am Aufwand häufig nicht kostendeckend. Das führt zu einer paradoxen Situation: Apotheken, die pharmazeutisch engagiert arbeiten wollen, werden für ihre Mühe oft nicht belohnt – sondern überfordert. Wer den Ausbau der pDL ernst meint, muss deshalb auch über Refinanzierung sprechen, über Budgetgarantien, über strukturelle Anreize.

Denn eines ist sicher: Der lange Marsch zu mehr pDL führt nur dann ins Ziel, wenn er nicht nur als gesetzlicher Auftrag verstanden wird, sondern als gesellschaftliches Projekt – mit politischen Partnern, ärztlicher Akzeptanz, medialer Sichtbarkeit und finanzieller Rückendeckung. Ohne diese Dimensionen wird die Apotheke der Zukunft keine neue Rolle übernehmen, sondern sich weiter in der alten aufreiben.

Ein Vertrauensvorschuss, ein Modellprojekt, ein Paradigmenkonflikt

Wie ARMIN neue Wege zwischen Ärzten und Apothekern eröffnete, warum Vertrauen politische Strukturen übertrifft und Medikationsanalysen zum Beziehungstest werden

Vertrauen ist keine Variable in Verordnungen, kein Anhängsel in Verträgen und kein Bonusprogramm in der Telematikinfrastruktur. Vertrauen ist ein Zustand – fragil, notwendig, oft überfordert. Und genau an dieser Stelle steht die Beziehung zwischen Ärzteschaft und Apothekerschaft: zerrissen zwischen politischen Leitbildern, praktischen Missverständnissen und strukturellen Zumutungen. Was als interprofessionelles Ideal auf Kongressen beschworen wird, zerfasert im Alltag zwischen Rezeptblock und Kassenabrechnung. Doch es gibt einen Vorschlag, der mehr als nur eine Idee war – ARMIN. Und es gibt einen Satz, der mehr als nur eine Meinung ist: „Das funktioniert nur mit gegenseitigem Vertrauen.“

Was der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister kürzlich als positiven Impuls aussprach, war kein Lippenbekenntnis. Es war der Versuch, einen ernsthaften Dialog wiederzubeleben, der zwischenzeitlich fast vollständig verstummt war. Der Vorschlag: zurück zu ARMIN – oder vielmehr: vorwärts durch ARMIN. Das Modellprojekt der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen galt jahrelang als Blaupause für eine koordinierte, patientenzentrierte Arzneimittelversorgung. Hausärzte und Apotheker sollten gemeinsam Medikationspläne prüfen, Risiken minimieren, Wechselwirkungen erkennen und Verantwortung teilen. Der medizinische Alltag wurde dadurch nicht nur sicherer, sondern auch menschlicher. Aber ARMIN kam nie in der Breite an.

Die Gründe dafür sind vielfältig: politische Ignoranz, föderale Inhomogenität, ökonomische Bremsklötze. Aber vor allem eines: Misstrauen. Denn wo die einen Kontrolle wähnen, sehen die anderen Kompetenzüberschreitung. Hofmeister benennt diesen wunden Punkt direkt: Eine Medikationsanalyse sei keine Apothekenaufsicht über ärztliche Entscheidungen. Genau an dieser Stelle wird deutlich, wie sehr Zusammenarbeit eben nicht nur technisch und normativ, sondern vor allem kulturell verankert sein muss.

Der Blick in die Gegenwart offenbart dabei ein paradoxes Bild: Während das ABDA-Zukunftspapier zur interprofessionellen Kooperation kaum nennenswerte Reaktionen auf ärztlicher Seite auslöste – KBV-Chef Gassen kommentierte es eher mit der Skepsis eines Grundsatzhüters, der sein Hoheitsgebiet verteidigt – ist es ausgerechnet Hofmeister, der das Gespräch sucht. Seine Kernbotschaft: „Wir brauchen persönliche Beziehungen zwischen Arzt und Apotheker, um Vertrauen aufzubauen – der Versandhandel kann das nicht leisten.“

Dass er damit zugleich ein deutliches Signal gegen die Entkopplung pharmazeutischer Versorgung durch Plattformökonomie setzt, ist kein Zufall. Die Versorgungsrealität an der Schnittstelle zwischen ärztlicher Verordnung und pharmazeutischer Beratung wird heute oft durch ökonomisch optimierte Prozesse statt durch kooperativ abgestimmte Verantwortung strukturiert. ARMIN war in dieser Hinsicht eine der wenigen ernsthaften Gegenerzählungen zum Trend der Entmenschlichung im Gesundheitswesen. Es ist daher bemerkenswert, dass Hofmeister nicht nur auf ARMIN verweist, sondern dessen Scheitern in der Fläche selbstkritisch einordnet – als systempolitische Sackgasse.

Doch wer ARMIN nur als Projekt in den Archiven der Modellprogramme ablegt, verkennt sein eigentliches Vermächtnis. Es war ein realitätsnaher Testlauf dafür, wie interprofessionelle Beziehungen gelingen können – unter Einbindung von Kassen, auf Grundlage transparenter Kommunikation und mit der gemeinsamen Überzeugung, dass Versorgung nicht durch Konkurrenz, sondern durch Kooperation besser wird. Es war der Versuch, das Silodenken der Heilberufe aufzubrechen.

Die Frage, die sich daraus heute stellt, ist keine technische: Wie viele Medikationsanalysen rechnen Apotheken korrekt ab? Wie viele Hausärzte spielen beim ABDA-Versorgungskonzept mit? Sondern: Wie stabil ist das Fundament gegenseitiger Anerkennung? Und wer baut daran mit?

Die Apothekerschaft könnte an dieser Stelle aus ihrer politischen Verteidigungshaltung heraustreten. Hofmeisters Aussagen bieten dazu eine Einladung. Es geht nicht mehr um das Ob der Zusammenarbeit, sondern um das Wie. Die Abda könnte daraus lernen: Weniger Positionspapier, mehr Beziehungspflege. Weniger Funktionsbeschreibung, mehr Kooperationsrealismus. Ein Zukunftspapier, das als Signal bei den ärztlichen Verbänden verpufft, verfehlt seinen Zweck. Ein gemeinsames ARMIN-Update dagegen könnte ihn erfüllen.

Denn der Grundsatz bleibt: Wer Versorgungsverantwortung teilt, muss Vertrauen wagen. Wer sich abschottet, zementiert Systemgrenzen. Hofmeisters Ruf nach neuer Nähe ist darum nicht nur medizinpolitisch, sondern gesellschaftlich relevant. Eine Wiederbelebung von ARMIN wäre kein Rückschritt, sondern ein zukunftsorientierter Schritt zur koordinierten Primärversorgung – und ein Lehrstück über das, was Gesundheitssysteme heute am meisten brauchen: das Vertrauen, dass die andere Profession nicht kontrolliert, sondern ergänzt.

Pharmazeutische Dienstleistungen brauchen Präsenz, Struktur, Konsequenz

Wie Apotheken mit Potenzial zögern, Vergütung verpufft und ein Gesundheitsversprechen auf der Strecke bleibt

„Einfach mal machen“, heißt es oft. Aber wie einfach ist das, wenn es um pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) geht? Der Blick auf die Zahlen des Not- und Nachtdienstfonds (NNF) für das zweite Halbjahr 2024 legt jedenfalls nahe: Noch immer wird das strukturell gut gemeinte Instrument in der Breite zu zögerlich genutzt. Lediglich 15,64 Millionen Euro von insgesamt jährlich verfügbaren 150 Millionen Euro wurden für pDL ausgezahlt – und das durch 8957 Apotheken. Damit liegt die Teilnahmequote im einstelligen Prozentbereich, bezogen auf die knapp 18.000 öffentlichen Apotheken in Deutschland. Zwar ist das eine Steigerung gegenüber dem ersten Halbjahr (10,94 Millionen Euro bei 7763 Apotheken), doch von einem Durchbruch oder gar flächendeckenden Erfolg zu sprechen, wäre selbst mit größtem Optimismus gewagt.

Der Wille zur Umsetzung scheint vorhanden – zumindest auf Verbandsebene. Die ABDA wirbt seit Monaten mit Schulungsmaterialien, Anleitungen, Organisationshilfen und praktischen Umsetzungsbeispielen. Sie betont die Chance, das pharmazeutische Profil zu stärken und die Position in der interprofessionellen Versorgung zu festigen. Doch die Realität vor Ort zeigt: Zwischen Struktur und Alltag klafft eine Lücke. Denn so sehr die Idee der pDL als Schlüssel zur Weiterentwicklung des Berufsstands gefeiert wird – sie ist zeitaufwändig, personalintensiv, formal aufgeladen und wirtschaftlich schwer kalkulierbar. Die Rechnung ist einfach: Eine Inhalatorschulung bringt 20 Euro netto, eine Blutdruckkontrolle 11,20 Euro. Wer jedoch eine strukturierte Medikationsberatung nach dem Dienstleistungsvertrag erbringt, kann 90 Euro netto abrechnen – vorausgesetzt, die Beratung wird dokumentiert, mit einem Patienten durchgeführt, der fünf oder mehr systemisch wirksame Arzneimittel regelmäßig einnimmt, und das Gespräch dauert mindestens 20 bis 30 Minuten.

Diese Anforderungen sind keineswegs überzogen, aber sie konkurrieren mit einer betrieblichen Realität, die vom Personalmangel, Überstunden, Bürokratie, Lieferengpässen und einem konstanten Spagat zwischen Kundenservice und wirtschaftlichem Selbsterhalt geprägt ist. Wer pDL ernst nimmt, muss Zeit freiräumen, Räume schaffen, Prozesse umbauen. Und er muss das Team mitnehmen. Dabei sind es oft nicht die vermeintlich großen Hürden, die lähmen, sondern die vielen kleinen Widerstände: die Unsicherheit, wie die Leistung dokumentiert werden muss, wie das Gespräch geführt wird, wie der Patient eingebunden werden kann, ohne dass Missverständnisse oder gar Konflikte entstehen. Nicht zu unterschätzen: Viele Apothekeninhaber fragen sich auch, ob sich diese Leistungen überhaupt lohnen – nicht ideell, sondern betriebswirtschaftlich.

Denn was bringen 90 Euro für eine Beratung, wenn die Vor- und Nachbereitung, die Mitarbeiterschulung und die interne Umstrukturierung weit mehr an Kosten, Zeit und Ressourcen verschlingen, als der Ertrag decken kann? Genau hier setzt die eigentliche Herausforderung an: pDL sind keine simplen Add-ons, sondern strukturelle Leistungen, die einen Paradigmenwechsel in der Versorgung bedeuten. Es geht um mehr als nur zusätzliche Honorierung – es geht um ein neues Selbstverständnis. Um eine Positionierung, die sich abseits des reinen Dispensierens bewegt. Um die Rolle der Apotheke als Begleiterin, Koordinatorin, Erklärerin, Frühwarnsystem.

Doch während Inhalatorschulungen bei der TK immerhin 80 Prozent der pDL-Leistungen ausmachen, bleiben die „großen Drei“ – Medikationsberatung, Betreuung bei oraler Antitumortherapie, Betreuung transplantierter Patienten – nach wie vor Randerscheinungen. Dabei sind sie die eigentlich richtungsweisenden Angebote, die das Versorgungsprofil dauerhaft schärfen könnten. Dass der NNF seit Kurzem keine Aufschlüsselung mehr über die genauen Leistungsanteile veröffentlicht, dürfte dabei eher kontraproduktiv wirken. Es erschwert nicht nur die öffentliche Bewertung, sondern nimmt Apotheken auch die Chance zur strategischen Ausrichtung auf das, was offenbar sinnvoll und praktikabel funktioniert.

Die Ursache liegt jedoch nicht allein bei den Apotheken. Auch die Kassenlandschaft sendet widersprüchliche Signale: Einige Kassen bewerben die pDL aktiv, andere ducken sich weg. Die Abrechnungssysteme sind komplex, die Genehmigungslogik mitunter zäh. Und nicht zuletzt bleibt auch die Kommunikation gegenüber den Versicherten ausbaufähig. Wie viele Patientinnen und Patienten wissen überhaupt, dass sie Anspruch auf diese Leistungen haben? Wie viele verstehen, was damit gemeint ist? In einer Zeit, in der Vertrauen, Nähe und Gesundheitskompetenz zentrale Ressourcen sind, wären pDL eigentlich das perfekte Vehikel – aber sie wirken vielerorts wie ein ungeschliffener Rohdiamant, der in der Schublade vergessen wurde.

Was also tun? Warten, hoffen, appellieren? Nein – die Zeit des Abwartens ist vorbei. Wer den Beruf verändern will, muss Verantwortung übernehmen. Wer Beratung und Kompetenz einfordert, muss sie leben. Wer sich nicht auf das Erbringen von Dienstleistungen einlässt, riskiert auf Dauer die politische Argumentationslinie für eine flächendeckende Apothekenstruktur zu verlieren. Der Wettbewerb um Relevanz ist längst eröffnet. Wer heute keine pDL anbietet, wird morgen nicht mehr gefragt, wenn es um die Rolle der öffentlichen Apotheke im Versorgungssystem geht.

Die ABDA hat geliefert. Die Mittel stehen bereit. Die Kassen signalisieren – mit Ausnahmen – Zustimmung. Es liegt nun an den Apotheken selbst. Natürlich ist das keine einfache Aufgabe, aber vielleicht beginnt sie wirklich mit einem schlichten Gedanken: einfach mal machen.

E-BtM braucht Infrastruktur, Fälschungsschutz braucht Priorität, Digitalisierung braucht Haushaltsklarheit

Warum die elektronische Übermittlung von T- und BtM-Rezepten erneut scheitert, was das mit dem Haushalt 2026 zu tun hat und weshalb Apotheken bei der Sicherheit im Regen stehen

Wenn am 1. Juli 2025 – laut ursprünglicher Ankündigung – der elektronische Versand von T-Rezepten und BtM-Rezepten starten sollte, klingt das wie ein Symbol für Fortschritt. Tatsächlich entpuppt sich dieser Plan jedoch als weiteres Kapitel in einer Serie digitaler Versprechen ohne Substanz. Das Bundesgesundheitsministerium teilte auf Nachfrage nüchtern mit, dass die „Spezifikationen“ für T- und BtM-Rezepte noch nicht vorlägen, womit auch die technischen Voraussetzungen für einen Start fehlen. Der Grund: Geld. Für die notwendigen Anpassungen müsste der Bundeshaushalt 2026 Mittel bereitstellen – ob das geschieht, ist offen. Ein elektronisches BtM-Rezept (E-BtM) bleibt damit einstweilen ein Papiertiger.

Diese Verzögerung ist mehr als eine bürokratische Fußnote, sie ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in der Versorgung tagtäglich mit den Risiken der Papierwelt konfrontiert sind: Apotheken. Gerade Betäubungsmittelrezepte sind anfällig für Fälschungen, Verluste oder Manipulationen. Ein digitales Format, wie es seit Jahren für GKV-Rezepte Standard wird, böte hier ein Mehr an Sicherheit – für Patienten, für Apotheken, für Krankenkassen. Doch das System zögert, vertagt, verrechnet sich.

Die Chronik dieses Scheiterns ist lang. Schon 2021 war die Rede von einem E-BtM-Pilotprojekt, erste Spezifikationen sollten folgen. Dann wurde der E-Rezept-Rollout zur Priorität erklärt, was faktisch bedeutete: Ressourcenverlagerung. Während für die Standardrezepte technisch und organisatorisch aufgerüstet wurde, dümpelten Spezialformate wie T- und BtM-Rezepte im Nachrang. Der politische Fokus richtete sich auf breite Umsetzbarkeit, weniger auf kriminalitätsanfällige Sonderverordnungen. Für das Jahr 2025 wurde dann plötzlich doch ein konkreter Starttermin gesetzt – vermutlich in der Hoffnung, bis dahin seien die Lücken schon gefüllt. Doch weder die Telematikstruktur noch die damit verbundenen Spezifikationsstandards waren tatsächlich ausentwickelt.

Dabei wäre der Bedarf unstrittig: In Apotheken berichten Mitarbeitende immer wieder von auffälligen BtM-Verordnungen, von kaum zu identifizierenden Fälschungen und von Unsicherheiten in der Belieferung, wenn Unterschriften unklar oder Begleitdaten lückenhaft sind. Das Papierformat zwingt zur Einzelfallprüfung – ein Vorgang, der Ressourcen frisst und Fehlerquellen birgt. Die Digitalisierung könnte genau hier ansetzen: strukturierte, überprüfbare, fälschungssichere Rezeptdaten, zentral dokumentiert und eindeutig validierbar. Technisch ist das möglich. Politisch offenbar nicht prioritär.

Dass es für die Digitalisierung von T- und BtM-Rezepten nun an Haushaltsmitteln mangelt, verweist auf ein tiefer liegendes Problem: Die Bundesregierung hat die Pflicht, kritische Versorgungselemente wie Suchtmittelverschreibung, Tumortherapien oder HIV-Prophylaxe nicht nur formal zu regulieren, sondern auch praktisch abzusichern. T-Rezepte betreffen Hochrisikoarzneien wie Thalidomid, Lenalidomid oder Pomalidomid – mit strikten Dokumentations- und Aufklärungsverpflichtungen. Dass ausgerechnet hier digitale Rückverfolgbarkeit fehlt, ist ein Anachronismus. Gleiches gilt für Betäubungsmittel. Gerade diese Medikamente sind sowohl in der Palliativversorgung als auch in der Suchtmedizin essenziell – ihr Missbrauchspotenzial jedoch macht sie zu einem sicherheitspolitischen Sonderfall. Und genau deshalb braucht es hier mehr als nur Ankündigungen: Es braucht konkrete Umsetzung.

Der Verweis auf den Haushalt 2026 wirkt in diesem Zusammenhang fast wie eine Ausrede. Denn was fehlt, ist nicht nur Geld – es fehlt der politische Wille, aus Digitalisierung mehr zu machen als Symbolpolitik. Während andere Länder längst strukturierte BtM-Verordnungen digital steuern, verliert Deutschland sich im Klein-Klein der Verwaltungsroutinen. Dass Apotheken diese Last am Ende schultern müssen, ist Teil eines Musters: Verantwortung wird formalisiert, aber nicht begleitet. So zeigt sich das wahre Problem der Digitalisierung: Sie ist nicht technologisch limitiert, sondern administrativ gebremst.

Dass der Nutzen eines E-BtM-Rezepts überfällig ist, weiß man auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das im Hintergrund für die technische Normung zuständig wäre. Doch ohne politische Rückendeckung, Budgetfreigabe und klare Fristen bleiben alle Pläne Makulatur. Apotheken, die auf Fortschritt hoffen, bleiben zurück. Sie müssen weiter mit Papier hantieren, mit Risiken umgehen und Prozesse absichern, die längst digital beherrschbar wären.

Insgesamt ergibt sich das Bild einer Reform, die ausgerechnet an dem scheitert, was ihr Kern sein sollte: Verlässlichkeit. Wo es auf Präzision, Dokumentation und Fälschungsschutz ankommt, lässt der Staat die Apotheken allein. Während Milliarden in andere digitale Prestigeprojekte fließen, fehlt für die alltägliche Versorgungsrealität das Kleingeld. Das ist kein Versäumnis mehr, es ist ein systemischer Verzicht – auf Sicherheit, auf Qualität, auf Verbindlichkeit.

Fälschung unterläuft Versorgung, Technik verhindert Betrug, Politik vertagt Sicherheit

Wie Papierrezepte für Fentanyl und Mounjaro missbraucht werden, digitale Lösungen ausgebremst sind und Apotheken zwischen Kontrolle und Risiko stehen

Fälschungsschutz ist keine Raketenwissenschaft – und doch eine ungelöste Aufgabe. In Apotheken häufen sich erneut Fälle gefälschter Rezepte für hochwirksame Arzneimittel. Besonders betroffen: Fentanyl-Pflaster, Tumormedikamente und die zunehmend im Zentrum illegaler Begehrlichkeit stehenden GLP-1-Rezeptoragonisten wie Ozempic oder Mounjaro. Dabei ist das Fälschen denkbar einfach – weil nach wie vor Papierformulare kursieren, die mit Scanner, Kopierer, Kugelschreiber und einem Quäntchen krimineller Energie zu „offiziellen“ Dokumenten gemacht werden. Dass die gesetzlichen Krankenkassen nun selbst Alarm schlagen, etwa durch einen aktuellen Warnhinweis der AOK Nordwest, zeigt, wie dringend das Problem ist – und wie wenig bislang dagegen getan wurde.

Das Dilemma hat System: Die technischen Mittel für mehr Sicherheit existieren längst, werden aber nicht flächendeckend eingesetzt – oder politisch blockiert. Elektronische Rezepte sind zwar offiziell eingeführt, bei BtM- und T-Rezepten jedoch weiter ausgesetzt. Und das, obwohl gerade hier der Schutz vor Fälschungen besonders nötig wäre: Ein eBtM-Rezept lässt sich – einmal korrekt ausgestellt – faktisch nicht manipulieren, kann digital nachvollzogen, sicher übermittelt und rechtssicher dokumentiert werden. Aber die Umsetzung scheitert derzeit an fehlenden Haushaltsmitteln, technischen Spezifikationen und politischer Priorität. Ein System, das Schutz verspricht, bleibt so ein bloßer Entwurf. Ein Armutszeugnis – gerade angesichts der Gefahren für Patientensicherheit und Apothekensicherheit.

Die Apotheken stehen dabei an vorderster Front – und auf der Anklagebank, wenn etwas schiefläuft. Wer ein gefälschtes Rezept einlöst, handelt unter Umständen fahrlässig, auch wenn Täuschung und Dokument nahezu perfekt waren. Strafrechtlich haftbar sind zwar meist die Fälscher selbst – aber wirtschaftlich bleibt der Schaden fast immer bei der Apotheke hängen. Retaxationen, Rückforderungen und manchmal sogar Ermittlungsverfahren sind die Folge. Besonders brisant wird es, wenn BtM-Rezepte betroffen sind: Hier können auch Versicherungsfragen akut werden, denn viele Policen decken grobe Fahrlässigkeit nicht. Der Prüfaufwand steigt, das Risiko bleibt – und die politische Antwort: bleibt aus.

Dabei fordern nicht nur Apothekerinnen und Apotheker seit Jahren die Einführung eines elektronischen BtM-Rezepts. Auch Krankenkassen wie die AOK mahnen nun zur „besonderen Achtsamkeit“ und appellieren gleichzeitig an die Arztpraxen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. BtM-Rezeptformulare sollen unter Verschluss gehalten, Zugänge limitiert, Papierbewegungen dokumentiert werden. Doch auch das sind nur Notlösungen in einem System, das digitale Souveränität längst versprochen hat – aber nicht einlöst.

Die GLP-1-Rezeptoragonisten bringen dabei eine neue Dimension ins Spiel: Sie sind teuer, knapp und beliebt – nicht nur bei Diabetikern, sondern zunehmend bei Gesunden, die sie zur Gewichtsreduktion missbrauchen. TikTok, Promi-Hype und Onlineforen haben dazu beigetragen, dass Ozempic & Co. längst nicht mehr nur Arzneimittel sind, sondern Objekte eines Schwarzmarktes. Dass nun auch noch gefälschte Rezepte auftauchen, verschärft die Versorgungsknappheit zusätzlich – und bringt Apotheken weiter in Zugzwang: Wie genau muss man prüfen? Was darf man noch glauben? Und wie viel Misstrauen ist im Praxisalltag tragbar?

Denn die Lösung, so paradox es klingt, liegt nicht im wachsameren Blick – sondern im Systemwechsel. Nur durch Digitalisierung, Validierung in Echtzeit und sichere Rezeptübermittlung lassen sich Arzneimittelfälschungen an der Wurzel bekämpfen. Papierrezepte sind Relikte einer Zeit, in der Betrug aufwendiger war – heute sind sie Einfallstore für organisierte Kriminalität. Besonders bei Arzneien mit Suchtpotenzial oder hohem Preis, wie bei Fentanyl und Mounjaro, ist der Schaden nicht nur finanziell, sondern potenziell tödlich.

Es braucht ein Signal – und ein System. Ein bundesweiter Rollout des eBtM-Rezepts würde nicht nur Apotheken entlasten, sondern auch Arztpraxen rechtlich schützen und Kassen vor Schadenssummen bewahren. Es würde Vertrauen schaffen in ein System, das heute zu oft überfordert wirkt. Der Appell der AOK Nordwest ist ein Tropfen auf dem heißen Stein – aber er zeigt, dass auch die Krankenkassen nicht länger schweigen wollen.

Und was macht das Bundesgesundheitsministerium? Es prüft, es vertagt, es wartet. Der offizielle Start für das elektronische BtM-Rezept war für Juli 2025 vorgesehen – doch dieser Termin ist längst illusorisch. Die Spezifikationen sind nicht fertig, das Geld fehlt im Haushalt 2026, die Verantwortlichkeiten sind diffus verteilt. Statt Fortschritt erleben Apotheken Alltag in der Gefahrenzone – mit hohem Einsatz, wenig Rückendeckung und einer Bürokratie, die Digitalisierung immer nur denkt, aber nie zu Ende bringt.

Die Apotheken brauchen keine weitere Achtsamkeit, sie brauchen eine Struktur, die schützt. Und die Politik muss sich fragen lassen, wie viele Fälschungen, Schäden und Risiken noch nötig sind, bis endlich gehandelt wird. Mehr Fälschungsschutz wäre so einfach – wenn man ihn denn wollte.

Wissenschaft wird Bühne, Politik wird Pause, Lauterbach wird Vorsitz

Wie der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach aus der Pandemie-Bühne in den Zukunftsausschuss wechselte, technische Visionen verspricht und alte Konflikte hinter sich lässt

Es ist ein Wechsel der Arenen, aber auch ein leiser Abgang aus dem Lärm der gesundheitspolitischen Frontlinien: Karl Lauterbach, einst omnipräsenter Pandemie-Erklärer, wurde zum Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gewählt – einem Gremium, das nicht mit dem lauten Getöse klammer Kassen, resignierter Ärzte und maroder Digitalisierung hantiert, sondern mit leisen, aber gewichtigen Begriffen wie KI, Quantentechnologie, Medizinforschung und Raumfahrtvisionen operiert. Ein neues Spielfeld für einen alten Bekannten, dessen politische Biografie sich zwischen Talkshow-Kacheln und Pandemieverordnungen eingeschrieben hat – und der nun daran arbeitet, sich ein zweites Profil jenseits des Daueralarms zuzulegen.

Für Lauterbach bedeutet diese Wahl einen machtpolitischen Rückschritt, aber zugleich einen intellektuellen Freiraum. Während andere Minister:innen noch um Haushaltsreste feilschen, darf er sich mit Zukunftsfragen beschäftigen, die weit über das Alltagsgeschäft der Ampelkoalition hinausreichen. In einem Gremium, das selten Schlagzeilen macht, aber dafür umso mehr Visionen formulieren darf, kann Lauterbach seine wissenschaftsaffine Rhetorik neu inszenieren. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist nicht nur ein Ort für Expert:innenanhörungen, sondern zunehmend ein Resonanzraum für gesellschaftliche Weichenstellungen. Seine Aufgaben reichen von der Bewertung technologischer Umbrüche bis zur ethischen Reflexion neuer Forschungsfelder – etwa bei KI-Assistenzsystemen, quantenphysikalischen Anwendungen oder der molekularen Humanmedizin.

Dass Lauterbach diesen Ausschuss übernimmt, ist mehr als nur ein karrierepolitischer Landeplatz. Es ist eine Rückkehr zu dem, was ihn vor seiner politischen Hauptrolle als Gesundheitsminister definiert hat: der Forscher, der Mahner, der Wissenschaftler im Politbetrieb. Schon vor seiner Ministerzeit war Lauterbach Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten und Ausschüssen, promovierter Gesundheitsökonom, Professor an der Universität Köln und publizistisch präsent. Doch diese frühere Seriosität war während der Pandemie durch das hektische Korsett tagespolitischer Zumutungen überdeckt worden – nun scheint er sich wieder auf vertrauteres Terrain zu begeben, wo er analysieren und konzipieren kann, ohne ständig verteidigen zu müssen.

Es ist auch ein Rückzug aus der Konfrontation mit den Leistungserbringern des Gesundheitswesens. Die Apothekenschaft, die ärztlichen Verbände, die Pflegeorganisationen – viele davon hatten in den letzten Jahren zunehmend lautstark gegen Lauterbachs Gesundheitspolitik protestiert. Der Vorwurf: Praxisferne, fehlende Dialogbereitschaft, Detailversessenheit ohne Reformkraft. Und auch wenn Lauterbach immer wieder betonte, den Systemwandel zu wollen, wurde er letztlich von der politischen Realität ausgebremst: Die Reform des GKV-Systems blieb fragmentarisch, die Krankenhausplanung ein Rohbau, die Digitalisierung ein Dauerstau. Nun also Forschung statt Rückstand, Zukunft statt Flickwerk – Lauterbach ist angekommen im „anderen Deutschland“, das nicht aus Budgetlöchern, sondern aus Möglichkeiten besteht.

Doch ganz ohne Reibung ist auch dieses neue Amt nicht. Denn die Themen, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt, sind hochkomplex und politisch potenziell brisant. Wenn es um gentechnische Eingriffe, automatisierte Entscheidungen durch KI-Systeme oder militärische Anwendungen neuer Raumfahrttechnologien geht, wird aus Forschung sehr schnell eine ethische oder sicherheitspolitische Debatte. Als Ausschussvorsitzender wird Lauterbach hier nicht nur moderieren, sondern auch mitgestalten. Wie er das anlegen wird – ob als mahnender Aufklärer oder als technologischer Fortschrittsfreund – bleibt abzuwarten.

Zudem wird er mit Wissenschaftler:innen, Technologiekonzernen und Bürgerinitiativen gleichermaßen in Austausch treten müssen – ein Dialog, der weniger ideologisch aufgeladen ist als die Gesundheitsdebatte, aber nicht weniger konfliktreich. Und die Erwartungen sind hoch: In einer Zeit, in der Technikfolgenabschätzung zunehmend zur demokratischen Herausforderung wird – etwa beim Thema Datenschutz, synthetische Biologie oder dem sozialen Einfluss von Algorithmen – braucht es nicht nur politische Steuerung, sondern auch narrative Klarheit. Ob Lauterbach diese liefern kann?

Für Karl Lauterbach jedenfalls markiert dieser Ausschussvorsitz eine Art Reformation des Selbst. Kein Minister mehr, kein Getriebener des Ausnahmezustands, kein täglicher Alarmgeber in Talkrunden – sondern ein Politiker, der versucht, auf struktureller Ebene zu denken. Vielleicht ist das sein Weg, dem politischen Erschöpfungssyndrom zu entkommen. Denn wer jahrelang für das Hier und Jetzt Verantwortung trug, darf sich gelegentlich auch der Frage widmen, was morgen möglich sein soll. Ob es für Lauterbach tatsächlich ein Neuanfang ist oder nur eine Verschiebung der Bühne, das wird die Legislatur zeigen.

Preise unter Beobachtung, Systeme unter Druck, Innovation unter Vorbehalt

Wie der Sachverständigenrat neue Preisregeln vorschlägt, die GKV warnen muss und Fortschritt an Verantwortung geknüpft wird

Wenn Fortschritt einen Preis hat, stellt sich schnell die Frage, wer ihn zahlt – und zu welchen Bedingungen. Im deutschen Gesundheitssystem wird dieser Preis spätestens dann zur politischen Währung, wenn er die Belastungsgrenze der Solidargemeinschaft zu überschreiten droht. Der Sachverständigenrat für Gesundheit & Pflege hat in seinem Gutachten 2025 genau hier angesetzt: bei der Preisbildung für hochinnovative Arzneimittel, die nicht nur das Leben einzelner Patienten verändern können, sondern das gesamte System vor finanzielle, ethische und strukturelle Herausforderungen stellen.

Der Rat argumentiert mit ökonomischer Schärfe und regulatorischer Weitsicht. Zwar sei es legitim, dass medizinische Innovation mit erheblichen Entwicklungsaufwänden verbunden sei, die sich auch im Preis niederschlagen müssten. Doch das derzeitige Modell – bei dem pharmazeutische Hersteller zur Markteinführung zunächst einen Preis frei festlegen dürfen – begünstige einseitig den Anbieter und verschiebe die Verhandlungsmacht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Asymmetrie sei in einem lernenden, dynamischen Gesundheitssystem nicht nur finanzpolitisch riskant, sondern untergrabe auch das Prinzip der gerechten Versorgung.

Der Vorschlag des Rates ist ebenso pragmatisch wie potenziell disruptiv: ein „Interimspreis“ als vorläufige Regelvergütung ab Marktzugang, der sich am Kostenrahmen der zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) orientiert. Parallel dazu soll eine systematische Evaluation des tatsächlichen Zusatznutzens stattfinden, auf deren Grundlage der endgültige Preis dann verbindlich verhandelt wird. Dieser Preis wäre nicht mehr das Resultat asymmetrischer Machtverhältnisse, sondern ein lernbasierter Wertausdruck medizinischer Innovation – legitimiert durch Evidenz und Effizienz.

Doch das Gutachten geht weiter: Es empfiehlt die konsequentere Anwendung gemeinsamer europäischer Beschaffungsmechanismen – insbesondere bei Hochpreistherapien, deren geringe Fallzahlen in einzelnen Mitgliedstaaten die Verhandlungsposition schwächen. Der Bezug auf das in der COVID-19-Pandemie erprobte EU-Verfahren zur Arzneimittelbeschaffung signalisiert einen Perspektivwechsel: weg von der nationalen Einzelverhandlung hin zu supranationaler Solidarität. Dieser Schritt könnte nicht nur die Kosten dämpfen, sondern auch Transparenz und Fairness erhöhen.

Ein weiterer Akzent liegt auf der Idee leistungsabhängiger Vergütungssysteme. Pay-for-Performance-Modelle, bei denen die Erstattungsbeträge an klinische Erfolge geknüpft sind, könnten laut dem Sachverständigenrat gerade bei personalisierten oder genbasierten Therapien sinnvoll sein. Dabei geht es um mehr als eine neue Abrechnungstechnologie – es geht um eine Kulturveränderung: weg vom „Preis für ein Produkt“, hin zur Honorierung konkreten Patientennutzens.

Diese Denkweise trifft jedoch auf ein System, das strukturell auf Durchschnittskosten und kollektive Leistungserbringung programmiert ist. Erfolgsmessung bei individuellen Therapieverläufen verlangt digitale Infrastruktur, valide Follow-up-Daten, regulatorische Flexibilität – und ein Verständnis von Versorgung, das nicht nur Krankheiten, sondern auch Behandlungswege differenziert. Genau hier liegt die nächste Systemgrenze: Das Gutachten bleibt bewusst unkonkret, wie ein solches Modell real implementiert werden könnte. Doch es benennt die Voraussetzung klar: ein lernfähiges, evidenzorientiertes Gesundheitssystem, das sowohl regulatorisch als auch kulturell bereit ist, neue Bewertungsmaßstäbe zu setzen.

Kritik an der bisherigen Preisbildung gibt es nicht nur von ökonomischer Seite. Auch Vertreter der gesetzlichen Kassen fordern seit Langem mehr Systematik, mehr Relevanz für den tatsächlichen Nutzen und mehr Durchgriff bei überzogenen Preisforderungen. Der GKV-Spitzenverband verwies zuletzt auf mehrere Fälle, in denen Herstellerpreise bei der Markteinführung über 1 Million Euro pro Patient lagen – ohne dass der Zusatznutzen gegenüber etablierten Therapien klar belegt war. Es sei nicht Aufgabe des Solidarsystems, jede Innovation blind zu finanzieren, heißt es dort, sondern nur jene, die tatsächlich mehr leistet als der Status quo.

Doch auch in der Politik beginnt ein Umdenken. Nina Warken, seit Kurzem neue Bundesgesundheitsministerin, erhält das SVR-Gutachten in einer Phase wachsender Systemunsicherheit. Die GKV-Finanzen sind angespannt, der Reformdruck hoch, das Vertrauen der Versicherten brüchig. Der Paradigmenwechsel, den das Gutachten vorschlägt, könnte zur ersten großen Nagelprobe ihrer Amtszeit werden. Setzt sie auf Systemdisziplin und strukturelle Weichenstellungen – oder bleibt es beim medizinischen Wunschkonzert unter Kostendruck?

Am Ende steht die Frage, die sich quer durch das Gutachten zieht wie ein roter Faden: Wie lässt sich medizinischer Fortschritt gestalten, ohne das System zu überfordern? Und wie lässt sich Verteilungsgerechtigkeit sichern, ohne Innovation zu blockieren? Der Interimspreis, die Verhandlungsbündelung, die erfolgsabhängige Vergütung – sie alle markieren Denkrichtungen, keine fertigen Lösungen. Aber sie zeigen: Die Zeit der alten Preisformeln ist vorbei. Jetzt beginnt die Phase der lernenden Bewertung. Und mit ihr – vielleicht – eine neue Ehrlichkeit in der Gesundheitsfinanzierung.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Zukunft braucht Mut, Versorgung braucht Miteinander, Sicherheit braucht Reformen

Source: Deutsche Nachrichten
Das ABDA-Zukunftspapier wollte die Rolle der Apotheken neu definieren, doch statt Dynamik zeigt sich Ernüchterung: Ärzteverbände zeigen sich skeptisch, pDL-Zahlen stagnieren, das Impfen bleibt Randerscheinung und die Digitalisierung der BtM-Rezepte droht erneut am Haushalt zu scheitern, obwohl gerade hier durch Fälschungen bei Fentanyl oder Ozempic der Handlungsdruck massiv wächst, während gleichzeitig der Sachverständigenrat mit klaren Vorschlägen zur Preisbildung innovativer Arzneimittel aufzeigt, wie ein lernendes Gesundheitssystem auf Hochpreistherapien reagieren müsste, allerdings auch hier die Umsetzung an politischen Entscheidungsstaus zu scheitern droht, was wiederum die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken vor eine denkbar schwierige Aufgabe stellt, denn ohne mutige Entscheidungen, interprofessionelle Zusammenarbeit nach dem Vorbild von ARMIN und eine klare Finanzierungsperspektive wird das Potenzial der Apotheken als Impf- und Beratungszentren ebenso verpuffen wie die Chancen auf einen zukunftsfähigen Arzneimittelmarkt, während Karl Lauterbach mit seinem Ausschussvorsitz für Technikfolgenabschätzung zwar neue Felder betritt, das Versorgungsdilemma jedoch zurücklässt, sodass eine zentrale Frage bleibt: Wo ist die Gesundheitsreform, die tatsächlich umgesetzt wird – nicht angekündigt, nicht geplant, sondern gemacht?

In der Apothekerschaft keimt Zukunftsdenken – doch der Aufbruch bleibt zäh. Das von der ABDA veröffentlichte Zukunftspapier ist zwar da, aber seine Wirkung verpufft bislang in der Standeslandschaft. Nicht etwa, weil die Inhalte fehlen, sondern weil der Mut zur Umsetzung und das Gespräch mit den ärztlichen Partnern stocken. Während sich Abyou, die Nachwuchsorganisation, mit Zukunftskongressen wie dem „Future.Lab“ an der Vision einer erweiterten Rolle der Apotheken abarbeitet, bleibt die Resonanz aus dem ABDA-Apparat selbst auffällig verhalten. Dass das Zukunftspapier nicht als fertiges Konzept, sondern als Anstoß verstanden werden solle, wie BAK-Vize Franziska Scharpf betonte, ist ein diplomatischer Hinweis – aber keiner, der Richtung vorgibt. Der Konsens mit der Ärzteschaft fehlt, kritisiert Tim Steimle von der TK. Und auch Dorothee Brakmann, Vertreterin der Industrie, wünscht sich mehr Klartext. Tatsächlich scheint das Papier – wie so viele – vor allem eines zu sein: ein Versprechen, das sich erst bewähren muss.

Ein zentrales Element im Zukunftspapier ist die Stärkung des Impfens in Apotheken. Die Realität aber spricht eine andere Sprache: Gerade einmal ein Prozent der Grippeschutzimpfungen zulasten der TK wird bislang in Apotheken erbracht – das ist keine Durchdringung, das ist ein Randphänomen. Brakmann hält es für betriebswirtschaftlich klug, das Impfen ganzjährig zu etablieren – das würde auch die Rolle der Apotheke im Versorgungssystem nachhaltig verändern. Georg Kippels, Parlamentarischer Staatssekretär im BMG, sekundiert: Das Impfen sei ein Gemeinschaftsprojekt von Ärzten und Apothekern – eine partnerschaftliche Lösung sei gefragt. Doch noch steht sie aus. Abda-Vize Ina Lukas betont, man wolle nicht ersetzen, sondern ergänzen – das sei keine Entmachtung, sondern eine gemeinsame Chance. Dass diese Botschaft bei der Ärzteschaft noch nicht ganz angekommen ist, zeigt KBV-Chef Andreas Gassen, der die ABDA lieber wieder in die pharmazeutische Komfortzone schicken will. Dagegen setzt sein Stellvertreter Stephan Hofmeister auf ARMIN – die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen – als Blaupause für Kooperation. Doch auch ARMIN bleibt Stückwerk: politisch versandet, strukturell unvollendet.

Ähnlich verhält es sich mit den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), die als Innovationsmotor in der Versorgung angepriesen werden. Die Zahlen aber sprechen eine ernüchternde Sprache. Gerade einmal 0,4 Prozent der TK-Versicherten kamen bislang in den Genuss einer pDL. Von einem „Erfolgsmodell“, wie es die ABDA postuliert, kann unter diesen Bedingungen keine Rede sein. Auch der Not- und Nachtdienstfonds meldet: Nur 15,64 Millionen Euro wurden im zweiten Halbjahr 2024 für pDL ausgezahlt – bei einer Verfügungsmasse von 150 Millionen Euro jährlich. Zwar ist ein Anstieg gegenüber dem Vorhalbjahr erkennbar, doch von struktureller Integration oder einem flächendeckenden Rollout kann keine Rede sein. Die Ursachen? Mangel an Zeit, Personal, Schulung – und vielleicht auch wirtschaftlichem Interesse. Denn während niedrig vergütete Leistungen wie die Inhalatorschulung dominieren, bleiben komplexere Angebote wie die Medikationsberatung oder Betreuung bei onkologischen Therapien unterrepräsentiert. Dabei sind diese Leistungen mit 90 Euro pro Fall durchaus attraktiv – aber eben auch zeitintensiv. Der Wille zur Fortbildung und Prozessumstellung fehlt in vielen Betrieben. Die ABDA hat zwar unterstützendes Material ausgearbeitet – doch das reicht nicht. Es braucht eine strategische Kampagne, politisches Rückgrat und finanzielle Impulse.

Die Diskussion um neue Rollen und Aufgaben der Apotheken gewinnt noch an Brisanz, wenn man sie mit der digitalen Rückständigkeit verknüpft, die das Gesundheitssystem weiterhin lähmt. Der elektronische Datenaustausch – als Schlüssel für Sicherheit und Effizienz – wird weiter verschleppt. Besonders deutlich wird das beim E-BtM-Rezept. Offiziell soll es ab Juli 2025 eingeführt werden – realistisch ist das nicht. Die Spezifikationen sind nicht finalisiert, die Finanzierung unklar, die Umsetzung vertagt. Dabei wäre der Nutzen evident: Gefälschte Rezepte, etwa für Fentanyl-Pflaster oder Ozempic, könnten durch digitale Authentifizierung massiv eingedämmt werden. Die AOK Nordwest ruft nun Apotheken zur erhöhten Wachsamkeit auf. Doch auch das kann nur ein Notbehelf sein. Die Lösung liegt im System – nicht in Einzelappellen.

Und während sich die Versorger durch Fälschungsschutz, Digitalisierungslücken und Honorarlücken arbeiten, feiert sich der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für seinen neuen Ausschussvorsitz. Forschung, Technologie, Raumfahrt – das klingt nach Weite, nach Vision, nach Zukunft. Und vielleicht ist es auch genau das, was Lauterbach nun sucht: Abstand zu den zähen Verteilkämpfen des Gesundheitswesens. Bei Quantencomputern, KI und Technikfolgen lässt sich visionärer sprechen – und leichter glänzen. Dass dabei die Frage unbeantwortet bleibt, wie sich Gesundheit finanzieren lässt, wenn Arzneimittelpreise explodieren, sei dahingestellt.

Denn genau diese Frage stellt das neue Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege. Es zeigt: Der Preisbildungsmechanismus für innovative Arzneimittel ist dysfunktional. Noch immer kann ein Hersteller beim Markteintritt den Preis selbst festlegen – ein Systemfehler, der den GKV-Haushalt ruiniert. Der Rat empfiehlt daher ein zweistufiges Verfahren: Interimspreise, orientiert an Vergleichstherapien, und spätere Anpassung auf Basis des Zusatznutzens. Auch Pay-for-Performance-Modelle und eine Ausweitung des EU-weiten Joint Procurements gehören zur Werkzeugkiste. Doch ob diese Instrumente in die Realität überführt werden, bleibt fraglich – und ist eine Aufgabe für die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, der das Gutachten bereits übergeben wurde.

Wenn man all das zusammenführt – die digitale Lähmung beim E-Rezept, die schleppende pDL-Umsetzung, das zögerliche Impfen, die unsichere Zusammenarbeit mit den Ärzten und das überforderte Finanzierungssystem –, ergibt sich ein Bild. Es ist das Bild eines Systems, das sich nach vorne denkt, aber nicht vorwärtskommt. Der Apothekenstand will Zukunft – doch zwischen den politischen Absichtserklärungen, den wirtschaftlichen Zwängen und der fehlenden strategischen Durchschlagskraft bleibt er oft in der Gegenwart gefangen. Was fehlt, ist Mut. Was fehlt, ist gemeinsames Handeln. Und was fehlt, ist eine Reformpolitik, die nicht nur weiß, was nötig ist – sondern es auch tut.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: Demokratie verteidigen, Versorgung erneuern, Verantwortung ermöglichen

Source: Deutsche Nachrichten
Ob im Bundestag, in Apotheken, an der Waschstraße oder in der DNA eines kranken Kindes: Überall zeigt sich ein System an der Grenze seiner Selbstverständlichkeit – von der Finanzierung verfassungsfeindlicher Parteien über die Erstarrung gesundheitspolitischer Reformen und den Rückzug überlasteter Apothekerinnen und Apotheker bis zur genetischen Präzisionstherapie durch Base Editing; zwischen politischen Fehlanreizen, strukturellen Versorgungslücken, psychosozialer Erschöpfung, präventivem Stillstand und molekularer Innovation entfaltet sich ein Panorama aus Verantwortung, Reformdruck und der Frage, ob Institutionen, Menschen und Systeme noch in der Lage sind, sich selbst zu korrigieren, bevor irreversible Schäden eintreten.

Finanzierung stoppen, Demokratie verteidigen, Verfassungsfeinde entwaffnen

Warum extremistische Parteien nicht länger von Steuergeldern profitieren dürfen

Die Demokratie lebt von der offenen Auseinandersetzung, doch sie stirbt, wenn sie sich selbst durch Naivität entwaffnet. Mitten in einer Phase der politischen Polarisierung sieht sich Deutschland mit einer rechtlichen Praxis konfrontiert, die selbst unter überzeugten Demokraten zunehmend als systemwidrig gilt: Der Staat finanziert Parteien mit Steuergeldern, auch wenn diese offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agitieren. Besonders die AfD steht dabei im Zentrum der Kritik, deren Landesverbände in mehreren Bundesländern als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurden – und dennoch jedes Jahr Millionen aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten. Diese Situation wirft nicht nur verfassungsrechtliche, sondern zutiefst demokratietheoretische Fragen auf.

Die bislang gültige Regel: Öffentliche Fördermittel stehen allen Parteien zu, solange sie nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten sind. Dieses Prinzip der formalen Gleichbehandlung war einst Ausdruck liberaler Rechtsstaatlichkeit – heute jedoch entpuppt es sich als strategische Schwäche. Denn es erlaubt extremistischen Akteuren, unter dem Schutz legaler Strukturen gegen eben diese Strukturen vorzugehen. Das führt zu einem Paradoxon: Die Demokratie finanziert Kräfte, die ihre Abschaffung betreiben.

Die Idee, dass die Demokratie „wehrhaft“ sein müsse, ist keine bloße Formel, sondern ein juristischer und politischer Imperativ. Schon das Bundesverfassungsgericht hat im NPD-Urteil 2017 betont, dass nicht nur das Verbot, sondern auch die gezielte Begrenzung öffentlicher Unterstützung ein legitimes Mittel zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sein kann. Dennoch wurden daraus bislang keine gesetzlichen Konsequenzen gezogen. Die Hürde bleibt: Nur ein offizielles Parteiverbot schließt den Geldfluss – und dieses Verbot ist mit bewusst hohen Anforderungen versehen, um politische Willkür zu verhindern. Doch der Preis dieser Zurückhaltung ist, dass die Öffentlichkeit Zeugin eines fortlaufenden Systemmissbrauchs wird.

Inzwischen mehren sich die Forderungen nach einer gesetzgeberischen Antwort. Juristen, Verfassungsrichter a. D., Politiker aller demokratischen Lager sowie zivilgesellschaftliche Organisationen bringen neue Instrumente ins Spiel. Im Zentrum steht der Vorschlag einer „Verfassungstreueklausel“, die den Zugang zur Parteienfinanzierung an die grundsätzliche Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung koppelt. Ein besonders diskutiertes Modell: Sobald eine Partei vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird, könnten öffentliche Gelder vorläufig eingefroren werden – vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung.

Ein solcher Mechanismus wäre kein Parteiverbot durch die Hintertür, sondern eine haushaltsrechtliche Konsequenz im Sinne demokratischer Selbstachtung. Er würde es dem Staat ermöglichen, gefährliche Organisationen nicht länger mit Steuergeldern zu fördern, ohne dabei den verfassungsrechtlich geschützten Pluralismus zu gefährden. Natürlich bleibt das Spannungsfeld: Wer definiert, was „verfassungsfeindlich“ ist? Und wie verhindert man Missbrauch dieser Definition durch politische Mehrheiten?

Genau hier liegt die Aufgabe des Gesetzgebers. Nicht parteitaktische Abkürzungen, sondern präzise, überprüfbare Kriterien sind gefragt. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz darf nicht als alleinige Grundlage für Förderentzug gelten – wohl aber als Anlass für ein zeitlich begrenztes Moratorium, bis unabhängige Gerichte über die Verfassungsfeindlichkeit entschieden haben.

In der Praxis würden solche Regelungen vor allem die Wirkung entfalten, dass extreme Parteien nicht mehr bedenkenlos auf Millionenbeträge aus dem Staatshaushalt bauen könnten – eine symbolische wie materielle Zäsur. Die AfD etwa erhielt im Jahr 2022 rund 13,5 Millionen Euro aus staatlichen Quellen – Geld, das in Teilen zur Organisation rechtsextremer Netzwerke und Veranstaltungen mit Verfassungsfeindlichen genutzt wird. Der demokratische Rechtsstaat finanziert so de facto seine Gegner mit – ein Zustand, der zunehmend Vertrauen kostet.

Dabei geht es nicht um Gesinnungskontrolle, sondern um eine klare Grenzziehung zwischen legitimer Opposition und systematischer Delegitimierung. Wer die Gewaltenteilung verhöhnt, politische Gegner diffamiert, demokratische Wahlen infrage stellt oder ethnisch-exklusive Staatsverständnisse propagiert, kann nicht gleichzeitig vom Schutzschirm der Parteienfinanzierung profitieren. Es braucht eine neue Balance zwischen politischer Offenheit und demokratischer Wehrhaftigkeit.

Dass die Reformbereitschaft wächst, zeigt sich auch im Bundestag: Eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe arbeitet an konkreten Gesetzesvorschlägen. Doch die politische Umsetzung ist riskant. Während manche warnen, ein solcher Schritt könne zur Einschränkung des legitimen Meinungsspektrums führen, verweisen andere auf das Gegenteil: Nicht das Ausschließen gefährlicher Akteure gefährdet die Demokratie – sondern deren unkontrollierte Alimentierung.

In einer Gesellschaft, in der Vertrauen in Institutionen schwindet, kann die Finanzierung offen verfassungsfeindlicher Parteien als demokratischer Offenbarungseid wirken. Immer mehr Bürger empfinden die derzeitige Regelung als empörend, ja als Verrat am demokratischen Ideal. Wenn der Staat nicht unterscheidet zwischen Schutzbedürftigen und Angreifern, verliert er das moralische Mandat zur Verteidigung seiner Ordnung.

Der Moment zur Kurskorrektur ist gekommen. Es braucht eine gesetzliche Klarstellung, dass Parteien nicht allein durch formale Legalität Anspruch auf öffentliche Mittel erwerben, sondern durch erwiesene Verfassungstreue. Wer das Grundgesetz bekämpft, hat keinen Anspruch auf seine Unterstützung. Demokratie ist kein automatischer Geldgeber – sie ist eine Wertegemeinschaft. Und die hat das Recht, ihre Ressourcen zu schützen.

Vision verschoben, Verantwortung vertagt, Versorgung verpasst

Wie das ABDA-Zukunftspapier verpufft, pDL stagnieren und das E-BtM-Rezept am Geld scheitert

Das ABDA-Zukunftspapier bleibt vage, das Tempo zögerlich, der Gestaltungsanspruch diffus – dabei liegen die offenen Baustellen klar auf dem Tisch: Impfungen in Apotheken stagnieren nach gutem Start, Telemedizin bleibt eine Spielwiese für Einzelne, die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) wirken wie ein System im Standby-Modus. Wer tatsächlich an Zukunft denkt, muss mehr liefern als wohlmeinende Papiere – und den Mut aufbringen, das Korsett der sektoralen Trennung aufzubrechen.

Mit Blick auf die Impfprävention ist die Strategie der ABDA bislang wenig ambitioniert. Zwar hat sich das Modellprojekt für Grippeschutzimpfungen in Apotheken als Erfolg erwiesen, aber das Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die gesetzlichen Hürden sind bekannt, doch was fehlt, ist eine offensive Positionierung zur Ausweitung des Leistungskatalogs, insbesondere im Bereich FSME-, Covid- oder HPV-Impfungen. Anstatt politisch zu warten, wäre eine gezielte Koalition mit Ländern und KVen denkbar – zumal das Beispiel Rheinland-Pfalz bereits gezeigt hat, wie eine solche Kooperation Versorgungslücken im ländlichen Raum schließen kann. Doch die ABDA liefert keine Skalierungsideen, keine Szenarien, keine eigenen Vorschläge für ein flächendeckendes Impfnetz.

Auch bei der Telemedizin herrscht ein merkwürdiges Schweigen. Dabei könnten Apotheken über die Vor-Ort-Struktur einen Beitrag zur digitalen Versorgung leisten – etwa über telepharmazeutische Beratung, Anbindung an Videosprechstunden oder Unterstützung bei EPA-Abrufen in der Fläche. Solange es aber weder Investitionsanreize noch ein strategisches Narrativ gibt, wie Apotheken digital in Interaktion mit Patienten treten können, bleiben solche Optionen graue Theorie. Die ABDA könnte hier Standards definieren, Schulungspartnerschaften initiieren, Pilotpraxen begleiten – tut es aber nicht. Der Verweis auf „die Verantwortung der Politik“ ist richtig, ersetzt aber nicht das eigene Handeln.

Ein besonders bedrückendes Beispiel ist das Dahindümpeln der pharmazeutischen Dienstleistungen. Weder die tatsächliche Nachfrage noch die Zahl der realisierten Leistungen entspricht dem politisch zugesagten Potenzial. Woran das liegt, ist längst analysiert: zu komplizierte Abrechnung, unklare Schulungsstruktur, fehlende Kommunikation an Patienten, unzureichende Schnittstellen zu ärztlichen Praxen. Statt darauf mit einer konzertierten Reformoffensive zu reagieren, bringt die ABDA nur technische Optimierungsrufe vor – kein Konzept, keine Vision, kein Plan. Dabei könnte man aus dem Status-quo ein leistungsfähiges System machen, das Patientenorientierung mit Versorgungsdaten und individualisierter Beratung verknüpft.

Noch gravierender ist das Problem der Rezeptfälschungen – insbesondere bei hochpreisigen GLP-1-Analoga. Dass hier mit dem E-BtM-Rezept ein längst verfügbares technisches Instrument nicht genutzt wird, ist symptomatisch. Die Gematik könnte das E-BtM binnen Monaten lauffähig machen, doch es fehlt am politischen Willen und – so wird kolportiert – am Budget. Dasselbe Spiel wie beim E-Rezept: Ein System mit enormem Sicherheits- und Effizienzpotenzial wird durch föderale Bedenkenträgerei und mangelnde Ressourcen ausgebremst. Die ABDA verharrt auch hier im Modus der abwartenden Kommentierung, statt ein Ultimatum zu formulieren, das die Dringlichkeit unmissverständlich verdeutlicht.

Zugleich wird der Ruf nach einer stärkeren Einbindung der Ärzteschaft laut – aus guten Gründen. Ohne ärztliches Commitment werden Impfkampagnen scheitern, pDL bleiben randständig, telemedizinische Modelle wirkungslos. Aber das erfordert auch, dass sich die ABDA klar positioniert: Ist sie bereit, mit den KVen ein sektorenübergreifendes Versorgungsmodell zu entwickeln? Oder bleibt sie im alten Modus der Grenzbewahrung und Standeslogik? Gerade im Dialog mit der Ärzteschaft wird sich entscheiden, ob die ABDA Transformation will oder nur ihre Reviere sichern möchte.

Das eigentliche Problem ist aber tiefer: Die Bundespolitik sendet kaum klare Impulse. Der Rahmen für pDL, Impfprävention und Digitalisierung ist vorhanden – doch er bleibt leer, solange sich Berlin nicht für die Umsetzung interessiert. Die Debatte um die Rolle der Apotheken wird zu selten politisch geführt, zu oft verwaltet. Der Bundesgesundheitsminister reist durchs Land, aber formuliert kein Projekt. Die ABDA liefert Inputpapiere, aber keine Vision. Die Kassen fordern Strukturreformen, aber investieren nicht in deren Umsetzung. Und mittendrin versuchen Apothekeninhaber, aus fragmentierten Bausteinen ein stabiles Versorgungskonzept zu bauen.

Was es bräuchte, ist eine strategische Gesamtarchitektur: ein Versorgungsmodell, in dem Apotheken, Arztpraxen und Telemedizin nicht nebeneinander, sondern miteinander agieren. Eine Digitalagenda, in der nicht nur Ärzte, sondern auch Pharmazeuten eingebunden sind. Ein Dienstleistungsmodell, das auf Outcome ausgerichtet ist – nicht auf Formulare. Und ein Rezeptsystem, das durchgängig, sicher, manipulationsresistent und echt digital ist – nicht nur ein PDF mit Barcode.

Doch all das bleibt Theorie, solange sich die Akteure ihrer Verantwortung entziehen. Wenn das ABDA-Zukunftspapier der Anfang war, dann braucht es jetzt einen zweiten Schritt: nicht mehr Papier, sondern Politik.

Dienstschluss ernst nehmen, innere Distanz üben, Regeneration ermöglichen

Wie Apothekenkräfte lernen können, nach der Arbeit wirklich loszulassen

Der Arbeitstag endet offiziell mit dem Dienstschluss. In der Apotheke jedoch bleibt die Belastung oft haften wie der Geruch eines Desinfektionsmittels: unsichtbar, aber durchdringend. Wer Arzneimittel abgibt, Verantwortung für Medikationssicherheit trägt und mit den Sorgen kranker Menschen konfrontiert ist, schaltet nicht einfach per Stechuhr ab. Genau das aber wäre notwendig – nicht nur aus Gründen der Psychohygiene, sondern auch zur langfristigen Erhaltung der eigenen Belastbarkeit. Doch wie gelingt mentale Entlastung in einem Berufsfeld, das von ständiger Verfügbarkeit, emotionaler Nähe und hoher Taktung geprägt ist?

Die Regeneration beginnt nicht erst im Urlaub, sondern im Kleinen – jeden Abend neu. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Studien aus der Arbeitspsychologie gezeigt, wie zentral die sogenannte „Detachment-Fähigkeit“ für die geistige Gesundheit ist. Gemeint ist die Fähigkeit, nach getaner Arbeit innerlich abzuschalten, Distanz zu schaffen, sich bewusst aus der Verantwortung zu entlassen. Wer diesen mentalen Schalter nicht findet, trägt unweigerlich die Sorgen des Tages in die Nacht – mit Folgen: Schlafstörungen, Reizbarkeit, Erschöpfung und im schlimmsten Fall ein Burnout-Syndrom, das sich langsam und oft unbemerkt entwickelt. Gerade pharmazeutische Fachkräfte, die zwischen Kundenkonflikten, Lieferengpässen, Fachberatung und bürokratischen Auflagen balancieren müssen, sind hier besonders gefährdet.

Die besondere Herausforderung in Apotheken liegt in der Nähe zu Menschen und in der dauerhaften Unterbrechbarkeit. Anders als in vielen anderen Berufen endet das Aufgabenfeld nicht am Monitor oder an der Werkbank – sondern es reicht in die Lebensrealität der Patientinnen und Patienten hinein. Wenn ein Kind mit schwerem Asthma kein Notfallmedikament mehr bekommt, wenn ein Rezept aufgrund eines Formfehlers abgelehnt wird, wenn ein Kunde den Tränen nahe ist, weil seine chronische Medikation nicht lieferbar ist – dann entsteht eine emotionale Verdichtung, die weit über das hinausgeht, was mit einer Unterschrift auf dem Kassenbon abgetan werden könnte.

Dass die ständige Erreichbarkeit und das Gefühl, immer „noch etwas machen zu müssen“, keine moderne Heldentat, sondern eine psychologische Hypothek ist, wird in vielen Betrieben zu spät erkannt. Und in inhabergeführten Apotheken ist der Effekt noch stärker: Die Verantwortung für Personal, wirtschaftlichen Erfolg und Kundenzufriedenheit wird oft durch einen inneren Leistungsdruck flankiert, der kaum abschaltbar scheint. Wer aber niemals abschaltet, erzeugt ein Dauerfeuer im limbischen System – das neuronale Pendant zu einer überlasteten Telefonleitung.

Die Aufgabe lautet deshalb nicht weniger als: Schutzräume schaffen. Das beginnt mit klaren Ritualen, geht über die bewusste Trennung von beruflichen und privaten Kommunikationskanälen und endet idealerweise in einer Arbeitskultur, die den Feierabend nicht als Schwäche, sondern als Professionalisierung versteht. Eine Führungskraft, die ihre Mitarbeitenden dazu ermutigt, nach Dienstschluss nicht mehr auf berufliche Mails zu reagieren, übernimmt Fürsorgeverantwortung im besten Sinne – nicht als Bevormundung, sondern als Präventionsmaßnahme.

Doch mentale Entlastung gelingt nicht nur durch organisatorische Maßnahmen, sondern auch durch eine innere Haltung. Wer sich selbst nicht erlaubt, loszulassen, wird durch äußere Rahmenbedingungen allein nicht entlastet. Die Anerkennung der eigenen psychischen Grenzen, das Einüben mentaler Pausen, das Zulassen von Nicht-Verfügbarkeit – all das sind keine Zeichen von Nachlässigkeit, sondern notwendige Kompetenzen eines verantwortungsvollen Gesundheitsberufs. In einem System, das selbst immer weniger Pause kennt, wird Entgrenzung schnell zur Normalität. Umso wichtiger ist es, dass Apothekenteams in kollegialer Offenheit über diese Belastungen sprechen – und auch über jene Grauzonen, in denen mentale Erschöpfung beginnt, bevor sie pathologisch wird.

Die Einführung präventiver Maßnahmen wie Supervision, Reflexionsrunden oder externer Coachings kann dabei helfen, die Schwelle zwischen Alltagsstress und drohendem Zusammenbruch früher zu erkennen. Doch auch einfache Maßnahmen – ein konsequentes Nein zu späten WhatsApp-Nachrichten aus dem Dienstplan, eine klare Struktur für Schichtübergaben, eine Mittagspause, die nicht „nebenbei“ geschluckt wird – haben eine spürbare Wirkung. Der Trick liegt nicht in der Einmalmaßnahme, sondern in der ritualisierten Wiederholung. Denn nur wer täglich abschalten kann, bleibt langfristig handlungsfähig.

Apotheken sind systemrelevant – das hat sich in Pandemiezeiten deutlich gezeigt. Aber Systemrelevanz bedeutet nicht Selbstaufopferung. Wer täglich für die Gesundheit anderer Verantwortung trägt, darf die eigene nicht zur Restgröße machen. Es braucht eine neue Definition von Professionalität, in der Abschaltenkönnen als Teil der beruflichen Qualifikation verstanden wird. Denn Regeneration ist keine Pause vom Beruf – sie ist sein Fundament.

Waschstraße ohne Schuld, Lackschaden ohne Beweis, Vertrauen ohne Antwort

Warum Autofahrer vor Gericht selten gewinnen, wenn die Ursache unklar bleibt und der Betreiber schweigt

Wer nach dem Besuch einer automatischen Waschanlage Lackkratzer am Fahrzeug entdeckt, steht nicht selten vor der schwierigen Frage: Zufall, Eigenverschulden oder Pflichtverletzung des Betreibers? Im Fall einer VW T-Roc-Fahrerin aus Oberfranken endete diese Unsicherheit vor dem Landgericht Bayreuth – mit einer ernüchternden Klarstellung, die für viele Fahrzeughalter mit ähnlichen Erfahrungen wegweisend sein dürfte.

Die Klägerin hatte im März 2023 nach einem Waschvorgang Kratzer an mehreren Stellen ihres Fahrzeugs entdeckt, deren Entstehung sie eindeutig der benutzten Waschanlage zuordnete. Mit dem Ziel, über 9.000 Euro Schadensersatz durchzusetzen, brachte sie den Fall vor Gericht – doch dort prallte ihr Vorwurf an einer juristischen Kernregel ab: Die Beweislast für eine Pflichtverletzung liegt nicht beim Betreiber, sondern beim Fahrzeughalter. Der Verweis auf die bloße zeitliche Nähe zwischen Waschvorgang und Schaden reichte dem Gericht nicht, um von einer Haftung auszugehen.

Ein durch das Gericht beauftragter Sachverständiger fand deutliche Spuren mehrerer Kratzer, doch deren Ursache ließ sich nicht eindeutig auf die betroffene Waschanlage zurückführen. Vielmehr hielt das Gutachten eine ganze Reihe alternativer Schadensszenarien für plausibel – von mechanischem Abrieb durch Schneeentfernung mit ungeeignetem Werkzeug über das Streifen an einer Hecke bis hin zu nicht dokumentierten früheren Waschvorgängen in anderen Anlagen. Damit stand für das Gericht fest: Die Betreiberin der Waschanlage muss für die Schäden nicht aufkommen, weil keine eindeutige, haftungsbegründende Pflichtverletzung nachgewiesen werden konnte.

Was zunächst wie eine individuelle Enttäuschung wirken mag, hat weitreichende Folgen für die zivilrechtliche Bewertung von Schadensfällen in automatisierten Waschanlagen: Die Schwelle für eine erfolgreiche Klage ist hoch, weil Gerichte eine lückenlose Beweiskette verlangen. Ein bloßer Schadensnachweis genügt nicht – es muss überzeugend dargelegt werden, dass die spezifische Anlage, deren Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, die Schäden durch ein konkretes Versagen im Betrieb verursacht hat. Dass diese Darlegung häufig an den praktischen Möglichkeiten scheitert, ist kein Zufall, sondern juristisches Kalkül: Der Betreiber schuldet keinen „Erfolg“ in Form unversehrter Fahrzeuge, sondern lediglich eine sorgfältige und fachgerechte Erbringung seiner Dienstleistung. Nur bei Nachweis von Konstruktions-, Wartungs- oder Bedienungsfehlern kann sich daraus eine Haftung ergeben.

Das Urteil aus Bayreuth betont diesen Maßstab mit aller Deutlichkeit – und markiert damit einen realistischen Rahmen für alle künftigen Streitfälle dieser Art. Denn so häufig Waschschäden auch auftreten mögen: Ihre rechtssichere Zuordnung bleibt die Ausnahme. In der juristischen Praxis zeigt sich damit ein bekanntes Spannungsverhältnis zwischen subjektiver Gewissheit des Geschädigten und objektiver Beweisnot vor Gericht. Wer etwa nach einem Waschgang Lackkratzer bemerkt, ist rasch von der eigenen Diagnose überzeugt – doch in der rechtlichen Realität zählt nicht das Gefühl, sondern der Beweis.

Diese Diskrepanz führt dazu, dass viele Verfahren gar nicht erst geführt oder in frühen Phasen eingestellt werden, weil der Aufwand, die nötigen Nachweise zu erbringen, wirtschaftlich in keinem Verhältnis zum angestrebten Ersatz steht. Die Entscheidung des Landgerichts Bayreuth stützt sich dabei auf eine gefestigte Rechtsprechungslinie: Auch in vergleichbaren Fällen anderer Gerichte wurde die Beweislast strikt beim Kläger verortet. Das Gericht muss sich in solchen Konstellationen vor allem fragen, ob eine andere Schadensursache mit gleicher oder höherer Wahrscheinlichkeit infrage kommt – und wenn das der Fall ist, geht die Klage regelmäßig ins Leere.

Für Verbraucher bedeutet das: Wer einen vermeintlichen Waschanlagenschaden geltend machen will, muss mit professioneller Dokumentation, Gutachterunterstützung und einem fundierten Beweiskonzept aufwarten – alles andere bleibt juristisch folgenlos. Für die Betreiber wiederum bedeutet das Urteil nicht etwa einen Freibrief, sondern vielmehr eine indirekte Verpflichtung, ihre technischen Abläufe und Sicherheitssysteme so transparent und nachvollziehbar wie möglich zu gestalten. Denn nur so lässt sich in Konfliktfällen eine glaubwürdige Gegenposition aufbauen.

Gleichzeitig eröffnet das Urteil auch Spielräume für neue Standards im Kundenumgang: Dokumentationssysteme, Videobeweise, präventive Fahrzeugchecks vor dem Waschgang könnten dazu beitragen, die Beweisnotlage aufzulösen – nicht im Sinne einer Beweisumkehr, aber als fairer Ausgleich für eine strukturell benachteiligte Kundenseite. Die Entscheidung aus Bayreuth steht damit exemplarisch für ein Spannungsfeld, das längst nicht nur technische, sondern auch kommunikative und vertrauensbezogene Fragen aufwirft.

Wenn die Waschstraße zum Rechtsstreit wird, dann liegt das oft nicht am Schaden selbst, sondern am Bruch des Vertrauens, dass Dienstleistung und Sorgfalt einhergehen. In diesem Sinne ist das Urteil kein Ende, sondern ein Anfang für eine Debatte über faire Haftungsstandards im Alltag – und darüber, wie man sie beweisfest ausgestalten kann.

Der Entschluss zum Rückzug, die Angst vor dem Bruch, das Ringen um Übergabe

Was Apothekeninhaber heute hindert zu verkaufen, wo Risiken lauern und warum emotionale Faktoren oft entscheidend sind

Drei Jahrzehnte Apothekenführung – das war einmal ein Lebenswerk, heute ist es ein Zerrbild. Wer wie Rudolf Friesenhahn in den 1990er-Jahren eine Apotheke eröffnete, baute nicht selten auf Beständigkeit, lokale Verwurzelung und das Versprechen, dass Einsatz und Verantwortung zu Anerkennung, auskömmlicher Vergütung und einem geordneten Generationenübergang führen würden. Doch das Gegenteil ist vielerorts eingetreten: Die Realität 2025 besteht aus regulatorischer Dauerbelastung, wirtschaftlicher Entwertung der Gemeinwohlpflicht, wachsendem juristischem Risiko und einem gesellschaftlichen Klima, das selbst die loyalsten Berufsträger innerlich zur Aufgabe zwingt. Wenn Friesenhahn heute sagt: „Ich würde alles verkaufen“, dann ist das keine Kapitulation – es ist ein kristallklarer Ausdruck struktureller Erschöpfung.

Doch so leicht ist der Ausstieg nicht. Vor allem dann nicht, wenn familiäre Loyalitäten im Raum stehen, Übergabefragen ungelöst sind und emotionale Bindungen an Ort, Team und Kundschaft die ökonomische Ratio überlagern. Dass die Kinder – oft mit akademischen Alternativen ausgestattet – den Staffelstab ablehnen, ist längst kein Einzelfall. Im Gegenteil: Immer mehr Inhaber berichten von belastenden Gesprächen über Zukunft, Verantwortung und den Preis des Weitermachens. Sie erleben Ablehnung nicht als persönliche Kränkung, sondern als Folge einer Branche, die ihre Nachfolger systematisch abschreckt. Wer freiwillig eine Apotheke übernimmt, entscheidet sich nicht für Selbstverwirklichung, sondern gegen Freizeit, Planungssicherheit und ein wachstumsfähiges Geschäftsmodell. Das prägt auch die innerfamiliären Debatten, in denen Apothekenverkauf plötzlich zur rationalen, aber emotional schwer vermittelbaren Option wird.

Gleichzeitig lauern aufseiten der Verkäufer zahlreiche Fallstricke. Denn ein Apothekenverkauf ist keine einfache Immobilien- oder Geschäftsübergabe – er ist ein komplexes Puzzle aus rechtlichen Anforderungen, steuerlicher Vorausschau, versicherungsrechtlichen Weichenstellungen, regulatorischer Kontinuität und menschlicher Kommunikation. Schon der Verkaufswert ist oft diffus. Wer die Apotheke über Jahre aus dem laufenden Ertrag am Laufen hielt, kann mit einer externen Bewertung konfrontiert sein, die weder die Immobilie angemessen berücksichtigt noch ideelle Werte wie Kundenbindung, Spezialisierungen oder besondere Standortvorteile. Bewertungsabschläge für unattraktive Öffnungszeiten, geringe Digitalisierungsgrade oder ungesicherte Personalbindung tun ihr Übriges. Der Verkauf wird dann zum Verlustgeschäft – nicht in Zahlen, sondern in Selbstwert.

Was folgt, ist ein Übergangsprozess mit juristischen, betriebswirtschaftlichen und menschlichen Risiken. Wer sich nicht vorbereitet, tappt in Fristenfallen, zieht die Apothekenbetriebserlaubnis unnötig in Mitleidenschaft oder riskiert Versorgungslücken, die sich negativ auf Versicherungsansprüche und öffentlich-rechtliche Verpflichtungen auswirken. Wer verkaufen will, muss wissen: Die Übergabe beginnt nicht mit dem Notartermin, sondern mit strategischer Planung. Dazu gehört der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit Nachhaftung, die Prüfung der Pacht-, Miet- und Lieferverträge auf Veräußerbarkeit, die Klärung der arbeitsrechtlichen Folgepflichten bei Betriebsübergang nach § 613a BGB – und die Absicherung der persönlichen Altersvorsorge unabhängig vom Verkaufswert.

Gerade in inhabergeführten Betrieben ist es zentral, potenzielle Käufer nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch menschlich zu prüfen. Reibungsverluste in der Übergabephase, divergierende Vorstellungen über Teamführung, Sortiment oder Patientenansprache können zu Abwanderung, Umsatzeinbruch oder gar Reputationsschäden führen. Auch Krankenkassen, Amtsapotheker und Großhändler reagieren empfindlich auf Managementwechsel ohne klare Übergabestrategie. Die Rolle spezialisierter Makler oder Transaktionsberater gewinnt daher an Bedeutung – doch auch hier ist Vorsicht geboten: Die Erfolgsmodelle von Unternehmensvermittlern orientieren sich nicht immer an langfristiger Stabilität, sondern oft an schneller Provision.

Hinzu kommt: Apotheken sind heute nicht mehr frei veräußerbar. Die Zahl potenzieller Käufer schrumpft drastisch. Finanzinvestoren agieren gezielt, aber risikoavers, während junge Approbierte den Sprung in die Selbstständigkeit selten ohne Kooperationsmodell wagen. Auch Filialapotheker, die formell für große Ketten einspringen, sind selten Übernahmeinteressierte – zu groß ist die Differenz zwischen Verantwortungsgrad und Entlohnung. Wer einen solventen, kompetenten und verlässlichen Käufer findet, braucht mehr als Geduld: Er braucht verlässliche Datenräume, geordnete Vertragsunterlagen, digitale Transparenz – und vor allem die Fähigkeit, loszulassen.

Und genau daran scheitert es oft. Nicht nur im familiären Umfeld, sondern auch in der Apothekerseele selbst. Denn das Bild des „Aufgebenden“ widerspricht dem Selbstbild vieler Inhaber, die sich über Jahrzehnte hinweg als Stabilitätsanker in der Region verstanden. Wer verkauft, fürchtet oft, sich vor Patienten, Ärzten oder Mitarbeitern erklären zu müssen – und unterschätzt zugleich die zerstörerische Kraft eines Übergangs ohne Klarheit, ohne Strategie, ohne den Mut, den Prozess aktiv zu führen.

Insofern lautet die eigentliche Aufgabe für Apothekeninhaber nicht „Verkaufen oder nicht?“, sondern: Wie bereite ich mein Lebenswerk so vor, dass seine Übergabe keine Bürde, sondern ein verantwortungsbewusster Schritt ist – für mich, für meine Familie und für die Versorgungsrealität vor Ort? Wer heute noch zweifelt, sollte sich bewusst machen: Die Entscheidung zum Weitermachen ist keine Garantie mehr für Stabilität – sie kann, wenn sie ohne klare Perspektive getroffen wird, die Risiken nur vergrößern.

Versorgung entgleist, Koordination fehlt, Nachwuchs bleibt aus

Warum Ärztepräsident Reinhardt Alarm schlägt und was hausärztliche Steuerung jetzt leisten müsste

Deutschlands Gesundheitssystem gleitet zunehmend in eine strukturelle Überforderung, bei der das Fortschreiten des Fachkräftemangels nicht mehr nur eine Personalfrage ist, sondern eine Versorgungskrise heraufbeschwört. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, lässt keinen Zweifel daran: Ohne grundlegende Reformen, insbesondere bei der Steuerung der ambulanten Versorgung, droht ein Versorgungsnotstand, der vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen trifft – chronisch Kranke, ältere Menschen und Menschen mit niedriger Gesundheitskompetenz. Der Ärztemangel ist dabei nicht allein ein numerisches Problem. Er ist Ausdruck eines Systems, das zu viel dem Zufall überlässt: Patienten irren durch ein kaum strukturiertes Netz, in dem hausärztliche Koordination noch immer eher Ausnahme als Regel ist.

Mit durchschnittlich 9,6 Arztkontakten pro Jahr liegt Deutschland weltweit an der Spitze – nicht weil es effizient wäre, sondern weil es kein funktionierendes Lotsensystem gibt. In vielen Regionen konsultieren Patienten mehrere Hausärzte parallel, ohne dass es eine übergeordnete therapeutische Linie gibt. Reinhardt fordert daher eine Umstellung: Hausarztpraxen sollen zur verbindlichen Einschreibestelle werden, die den Behandlungsverlauf steuern, priorisieren und koordinieren. Dies ist keine Einschränkung von Wahlfreiheit, sondern eine Notwendigkeit, um knappe Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Dass fast jeder zweite Patient in manchen Regionen regelmäßig bei zwei unterschiedlichen Hausärzten vorstellig wird, unterstreicht die Systemkrise: Viel Kontakt, wenig Kontinuität, keine Effizienz.

Was Reinhardt umtreibt, ist das Paradoxon einer hochfrequentierten, aber dysfunktionalen Struktur: Die Übernutzung des Systems durch Selbstlenkung bei gleichzeitigem Fachkräfteschwund. Das Durchschnittsalter der Ärzteschaft steigt, der Nachwuchs stockt, medizinische Bedarfe nehmen durch die demografische Alterung der Gesellschaft zu – eine toxische Gleichung. Dass Nina Warken, die neue Bundesgesundheitsministerin, ausgerechnet zum Deutschen Ärztetag in Leipzig ihre ersten gesundheitspolitischen Pflöcke einschlägt, ist kein Zufall. Reinhardts Mahnruf soll dort zum Impulsgeber für strukturelle Änderungen werden. Seine Vision: keine „Gatekeeper-Medizin“, sondern gezielte Weiterleitung nach medizinischer Indikation, flankiert von digitalen Vorsystemen und ambulanter Stufentherapie – „digital vor ambulant vor stationär“.

Doch das bedarf auch Mut zur politischen Umsteuerung. Die im Koalitionsvertrag skizzierten Maßnahmen – etwa die Primäranbindung von Patienten an eine Hausarztpraxis – stehen bislang nur auf dem Papier. Ein echtes Steuerungssystem würde bedeuten, dass digitalisierte Erstkontakte (Teleberatung, Triage-Tools) medizinische Notwendigkeit evaluieren und Patienten vorab richtig lenken. Gleichzeitig erfordert das massive Investitionen in digitale Infrastruktur und eine funktionierende Kommunikationsschnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor – an beidem hapert es bis heute. Der Gedanke, dass digitale Anwendungen künftig die Rolle der Erstkontaktinstanz übernehmen, mag visionär erscheinen – aber er ist realistisch und angesichts der Lage unausweichlich.

Reinhardts Warnung ist deshalb doppelt lesbar: Sie adressiert einerseits den Fachkräftemangel als existenzielle Bedrohung, andererseits aber auch die Notwendigkeit einer Systemreform, die Koordination zur neuen Leitwährung erhebt. Denn ein Gesundheitssystem, das weiter auf unkoordinierte Freizügigkeit der Patienten setzt, ohne strukturierende Maßnahmen, wird an seinen inneren Widersprüchen kollabieren. Und es wird die Schwächsten zuerst treffen. Genau das aber will Reinhardt verhindern. Sein Appell an die Politik ist unmissverständlich: Es braucht keine kosmetischen Korrekturen mehr, sondern einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel in der Versorgungslogik. Koordination ist keine Einschränkung, sondern der letzte Hebel, um das System vor dem Absturz zu bewahren.

Borrelien erkennen, Zecken entfernen, Schutzlücken schließen

Warum Borreliose nicht unterschätzt werden darf, wie Infektionen verhindert werden können und was der Impfstoff noch schuldig bleibt

Mit steigenden Temperaturen beginnt alljährlich eine stille Saison der Unsicherheit: Die Zeckenmonate stehen bevor, und mit ihnen die diffuse Angst vor der Borreliose. Während für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) eine Impfung zur Verfügung steht, bleibt der Schutz vor Borrelien bislang unspezifisch – obwohl die Erkrankung in Deutschland deutlich häufiger vorkommt. Zwischen Juni und August steigt das Risiko sprunghaft an. Und dennoch ist es ein Krankheitsbild, das in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen medialer Dramatisierung und medizinischer Unterschätzung oszilliert.

Borreliose, auch Lyme-Krankheit genannt, wurde 1975 erstmals in den US-Städten Lyme und Old Lyme beschrieben. Verantwortlich für die Infektion sind Bakterien der Art Borrelia burgdorferi, die im Darm von Zecken nisten und bei entsprechend langer Blutmahlzeit auf den menschlichen Organismus übergehen können. Das Zeitfenster ist kritisch: Je länger die Zecke saugt, desto wahrscheinlicher wird die Übertragung. Frühestens vier bis sechs Stunden nach Beginn des Saugvorgangs kann es zur Infektion kommen – ein präziser biologischer Ablauf mit dramatischer Wirkung, denn nicht jede Infektion wird bemerkt, und nicht jede Symptomatik sofort erkannt.

Die Herausforderung liegt im Unsichtbaren. Borrelien übertragen keine klar definierte Erkrankung mit verlässlichem Verlauf, sondern ein Chamäleon unter den bakteriellen Infektionen. Frühzeichen wie die Wanderröte (Erythema migrans) werden nicht immer registriert oder treten gar nicht erst auf. Stattdessen entwickelt sich bei manchen Betroffenen eine verzögerte, schleichende Symptomatik mit neurologischen oder rheumatischen Ausprägungen, die erst Wochen oder Monate später mit der ursprünglichen Infektion in Zusammenhang gebracht wird – wenn überhaupt. Genau in dieser Unsicherheit liegt das Dilemma: Die Borreliose ist behandelbar, aber nicht immer rechtzeitig erkennbar.

Trotzdem fehlt bislang ein Impfstoff. Zwar wird international daran geforscht, doch die wissenschaftlichen Hürden sind hoch, und die regulatorischen Hürden nicht minder. Noch in den 1990er-Jahren wurde ein erster Impfstoff in den USA zugelassen, später jedoch wegen juristischer Auseinandersetzungen und Akzeptanzproblemen wieder vom Markt genommen. Die Hoffnung richtet sich nun auf neue biotechnologische Verfahren, die gezielter wirken und weniger Nebenwirkungen verursachen sollen. Ob und wann ein solcher Impfstoff für Europa zugelassen wird, bleibt offen – doch der Forschungsbedarf ist unbestritten.

Für die Bevölkerung bedeutet das: Prävention bleibt in der Eigenverantwortung. Dazu gehört die konsequente Kontrolle nach Aufenthalten in Wiesen, Wäldern oder Gärten ebenso wie die richtige Entfernung der Zecke. Denn je früher der Parasit entdeckt und entfernt wird, desto geringer ist das Übertragungsrisiko. Dabei genügt nicht der beherzte Griff mit den Fingernägeln – empfohlen wird eine Zeckenkarte oder eine Pinzette, die das Tier hautnah greift, ohne es zu quetschen. Die Schnittstelle zwischen Biologie und Alltag könnte kaum schmaler sein – ein falscher Handgriff, ein übersehenes Insekt, und das Risiko potenziert sich.

Statistisch gesehen bleibt das Risiko dennoch vergleichsweise gering – aber es ist keineswegs vernachlässigbar. Laut Robert Koch-Institut tragen regional bis zu 30 Prozent der Zecken Borrelien in sich. Infolge eines Stichs wird in 2,6 bis 5,6 Prozent der Fälle eine Infektion nachgewiesen, und in 0,3 bis 1,4 Prozent kommt es tatsächlich zu Symptomen. Diese Zahlen relativieren, aber sie entkräften nicht. Denn für die wenigen, die betroffen sind, ist der Verlauf oft langwierig – mit Nervenschmerzen, Gelenkbeschwerden und einem diffusen Erschöpfungssyndrom, das in der Hausarztpraxis schwer zu greifen ist.

Dabei ist eine frühe Therapie entscheidend. Wird Borreliose rechtzeitig diagnostiziert, lässt sie sich antibiotisch behandeln – häufig erfolgreich, aber nicht immer komplikationsfrei. Wiederholte Gaben, Therapieabbrüche, Spätfolgen trotz antibiotischer Intervention: Die Palette möglicher Verläufe ist breit, und sie lässt sich nicht mit einem pauschalen Risikoindikator abbilden. Genau hier liegt das politische Defizit: Während die Impfprävention gegen FSME aktiv beworben wird, bleibt die Borrelioseprävention oft auf vage Verhaltenshinweise beschränkt – ein Missverhältnis, das angesichts der Häufigkeit der Erkrankung kritischer diskutiert werden müsste.

Denn die Zecke ist längst kein Wildnisphänomen mehr, sondern Teil der urbanen Natur. Ob Schrebergarten, Schulhof oder Stadtwald – das Risiko ist überall. Für besonders exponierte Gruppen wie Förster, Gärtnerinnen, Spielplatzbetreuer oder Grundschulkinder ist der Schutz deshalb nicht bloß eine Option, sondern ein strukturpolitisches Anliegen. Hier reicht es nicht, auf Aufklärungskampagnen zu setzen. Es braucht kommunale Strategien, verbindliche Schulkonzepte und niedrigschwellige Versorgungsangebote – bis ein Impfstoff verfügbar ist.

Derzeit aber bleibt das Wissen der einzige Schutz. Wer über die Übertragungswege, Zeitfenster und Symptome informiert ist, kann reagieren, bevor sich der Erreger ausbreitet. Und doch zeigt sich in der Praxis: Die Unsicherheit ist groß, die Reaktion oft zögerlich. Viele Betroffene suchen ärztliche Hilfe erst spät, manche Hausärzte übersehen frühe Hinweise oder zögern mit der Antibiotikatherapie. Dabei ist die Borreliose ein klar definiertes, ernstzunehmendes Infektionsgeschehen – und verdient die gleiche Entschlossenheit in Diagnostik und Prävention wie andere meldepflichtige Erkrankungen.

Was bleibt, ist ein Appell an die Wachsamkeit – nicht an die Panik. Zeckenstiche sind kein Grund zur Angst, aber ein Grund zur Aufmerksamkeit. Wer sich schützt, kontrolliert und bei Verdacht frühzeitig ärztlichen Rat sucht, kann das Risiko deutlich reduzieren. Doch die gesellschaftliche Verantwortung endet nicht beim Einzelnen. Wenn der Sommer beginnt, beginnt auch die Pflicht, die Schwelle zwischen Naturerlebnis und Infektionsgefahr sichtbar zu machen. Auf Wiesen, in Schulhöfen, in Wartezimmern. Und in der Forschung, die endlich den Impfschutz realisieren muss, den viele längst erwarten.

Systemische Entzündung, schleichende Zerstörung, unterschätzte Wirkungsketten

Wie Parodontitis über den Zahnhalteapparat hinaus wirkt, chronische Erkrankungen verschärft und ein unerkannter Entzündungsherd zum Systemproblem wird

Parodontitis ist keine Bagatelle, sondern ein unterschätzter systemischer Brandherd. Die chronische Entzündung des Zahnhalteapparats ist nicht nur ein lokales Phänomen, sondern durch ihre biochemischen Fernwirkungen tief in die Pathophysiologie zahlreicher Volkskrankheiten eingebunden. Was im Mund beginnt, kann sich auf den gesamten Organismus auswirken – auf das Herz, den Stoffwechsel, das Gehirn. Dabei geht es nicht allein um die mechanische Lockerung von Zähnen, sondern um molekulare Eskalationen, bei denen proinflammatorische Mediatoren aus den Zahnfleischtaschen in den Blutkreislauf eindringen und dort systemische Entzündungskaskaden lostreten.

Schon lange weiß man um die Verbindung zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus – ein Wechselspiel wechselseitiger Verstärkung. Doch auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, rheumatoider Arthritis und Frühgeburten zeigt sich ein auffälliges epidemiologisches Muster. Die aktuelle S2k-Leitlinie »Diabetes und Parodontitis« aus dem Jahr 2024 dokumentiert dieses Zusammenspiel in klinischer Präzision und gibt der Mundgesundheit eine neue Bedeutung im Verständnis systemischer Erkrankungen. Gleichzeitig ist der altersbedingte Rückgang der parodontalen Regenerationsfähigkeit schlecht erforscht – und doch klinisch relevant: Mit dem Alter steigt nicht nur das Risiko für Parodontitis, sondern auch für deren systemische Folgen.

Der Zahnhalteapparat – bestehend aus Gingiva, Alveolarknochen, Wurzelzement und Wurzelhaut – ist funktionell und immunologisch hochaktiv. Schon frühe mikrobiologische Verschiebungen innerhalb des dentalen Biofilms führen zur Dysbiose und damit zur Gingivitis. Ohne Intervention bahnt sich daraus eine chronische Parodontitis ihren Weg in tiefere Gewebe und den Kieferknochen – meist schubweise, lange unbemerkt, immer destruktiv. Der parodontale Attachmentverlust ist irreversibel. Bakterien wie Porphyromonas gingivalis oder Tannerella forsythia dringen mit ihren Endotoxinen durch mikroverletzte Epithelbarrieren, die sie selbst geschaffen haben, in den Kreislauf ein. Jede Kaukraft-Beanspruchung führt dabei zu einer regelrechten Ausschüttung entzündlicher Mediatoren ins Blutsystem – ein kaum beachteter, aber systemisch relevanter Mechanismus.

Auch xerostomische Zustände und rezidivierende Aphthen wirken auf die Lebensqualität und Immunlage zurück. Mundgesundheit ist kein additiver, sondern ein integrativer Bestandteil von Gesundheitsprävention. Eine hohe mundbezogene Lebensqualität (MLQ) korreliert nicht nur mit funktionaler Zahnzahl, sondern auch mit allgemeinem Wohlbefinden, sozialer Teilhabe und kognitiver Stabilität. Gleichzeitig sind gute orale Verhältnisse im Alter eine Voraussetzung für protektive Effekte im Alterungsprozess – und umgekehrt können mangelhafte orale Zustände chronische Krankheiten nicht nur verschlechtern, sondern in ihrer Pathogenese sogar begünstigen.

Die wissenschaftliche Herausforderung liegt heute weniger in der Epidemiologie als in der systematischen Integration dieses Wissens in Präventionsstrategien und medizinische Versorgungslogik. Bislang sind die Zuständigkeiten zersplittert: Zahnärztliche Behandlungslogik und allgemeinmedizinische Vorsorge bleiben getrennt, obwohl pathophysiologisch eine direkte Brücke besteht. Die zögerliche Implementierung interdisziplinärer Versorgungskonzepte ist ein Ausdruck struktureller Trägheit, nicht fachlicher Unklarheit.

Dass etwa 35 Millionen Menschen in Deutschland an einer Parodontitis leiden, davon mindestens 10 Millionen schwer, zeigt die epidemiologische Wucht. Doch trotz dieser Zahlen bleibt der Fokus meist auf ästhetischen oder zahnbezogenen Aspekten – nicht auf systemischer Prävention. Die Parodontitis ist eine Public-Health-Aufgabe ersten Ranges: Ihre Prävention beginnt nicht in der Zahnarztpraxis, sondern im Gesundheitsbewusstsein. Ihre frühzeitige Diagnostik gehört in hausärztliche Routinen integriert, ihre systemische Relevanz in jedes Curriculum für Medizin, Pflege und Therapie.

Die Entzündung im Mund ist ein systemisches Frühwarnsignal – und zugleich ein therapeutisches Fenster. Wer hier rechtzeitig interveniert, kann nicht nur Zähne retten, sondern Folgekosten chronischer Erkrankungen mindern, das Risiko vaskulärer Komplikationen senken und die Lebensqualität substanziell steigern. Parodontitis ist damit kein lokales Leiden, sondern ein systemischer Marker – für Vernachlässigung ebenso wie für den Erfolg präventiver Integration.

Gen wird zur Chance, Therapie zur Wende, Verantwortung zur Pflicht

Wie Base Editing ein Kind rettet, Genmedizin klinisch einführt und ethische Grenzen herausfordert

Noch nie war ein medizinischer Eingriff so präzise, so tiefgreifend und zugleich so ethisch aufgeladen: Erstmals wurde ein CRISPR-Baseneditor am Menschen angewendet – nicht in einem futuristischen Experiment, sondern zur Heilung eines schwerkranken Kindes. Der Junge litt an einer seltenen Genmutation, die unbehandelt zum Tod führt. Die Rettung kam durch die gezielte, punktgenaue Veränderung einzelner DNA-Buchstaben in seinen Zellen – nicht durch klassisches CRISPR-Schneiden, sondern durch eine schonendere molekulare Umschrift. Was im Labor als „Base Editing“ bekannt ist, wurde nun zur Lebensrettung. Die Genomeditierung ist damit endgültig aus dem Bereich der Grundlagenforschung in die klinische Realität übergetreten – mit enormen Implikationen für personalisierte Medizin, Regulierung und Gesellschaft.

Die bisherige Erfolgsgeschichte der Genomeditierung war untrennbar mit CRISPR/Cas9 verknüpft – einer molekularen Schere, die DNA an gezielten Stellen durchtrennt, um gezielte Mutationen einzufügen oder defekte Abschnitte zu entfernen. Mit der Zulassung von Casgevy®, einem CRISPR/Cas9-basierten Medikament zur Behandlung der Sichelzellkrankheit, wurde 2023 ein Meilenstein erreicht. Doch der Einsatz der Schere birgt Risiken: DNA-Doppelstrangbrüche können unerwartete Umlagerungen hervorrufen, Reparaturprozesse sind unzuverlässig, Nebenwirkungen nicht vollständig kalkulierbar. Die neue Methode des Base Editing verspricht, diese Schwächen zu umgehen. Statt die DNA zu schneiden, wird sie chemisch umgeschrieben – ein Buchstabe nach dem anderen. So können Punktmutationen korrigiert werden, die für eine Vielzahl genetischer Erkrankungen verantwortlich sind.

Genau das war der Schlüssel im Fall des britischen Jungen. Er litt an AADC-Mangel (aromatic L-amino acid decarboxylase deficiency), einer extrem seltenen Erbkrankheit mit weniger als 150 bekannten Fällen weltweit. Diese Mutation betrifft die Synthese von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin und führt zu schweren motorischen Störungen, Krampfanfällen und Entwicklungsstillstand. Konventionelle Therapien existieren nicht. Forschende der Great Ormond Street Hospital in London und des University College London entschieden sich daher für einen experimentellen Ansatz: Mithilfe eines Baseneditors sollte die krankheitsverursachende Mutation in Nervenzellen des Jungen gezielt korrigiert werden – in vivo, also direkt im Gehirn.

Die Methode: Ein harmloses Virus diente als Transportvehikel, um den Editor zielgerichtet in bestimmte Hirnareale einzuschleusen. Der Editor selbst bestand aus einer modifizierten Cas9-Version, gekoppelt an ein Enzym, das die DNA-Basen cytosin in thymin verwandeln kann. Diese subtile Veränderung korrigierte die krankheitsauslösende Mutation ohne den genetischen Code zu schneiden. Das Ergebnis: Der Junge begann innerhalb weniger Wochen, eigenständig den Kopf zu heben, zu lächeln, gezielte Bewegungen auszuführen – Fähigkeiten, die er vorher nie gezeigt hatte. Inzwischen nimmt er Nahrung über den Mund auf und kann in Kontakt mit seiner Umwelt treten. Eine medizinische Sensation.

Doch mit der Euphorie über die Heilung eines Einzelnen kommen zwangsläufig auch die großen Fragen. Wer bestimmt, welche Mutationen „repariert“ werden dürfen? Welche Eingriffe gelten als Therapie, welche als Optimierung? Wie lassen sich Off-Target-Effekte – also versehentliche Veränderungen anderer DNA-Stellen – zuverlässig ausschließen? Und was bedeutet es ethisch, wenn wir zunehmend die Macht erlangen, Leben nicht nur zu verlängern, sondern genetisch zu gestalten? Die Forschungsgemeinschaft ist sich bewusst: Mit der klinischen Anwendung von Base Editing beginnt ein neues Kapitel in der Medizin – eines, das politisch, regulatorisch und gesellschaftlich vorbereitet sein muss, um Missbrauch, Ungleichheit und Sicherheitsprobleme zu vermeiden.

Die aktuelle Regulierung in Europa hinkt dieser Entwicklung hinterher. Die Gentherapierichtlinien basieren noch weitgehend auf Technologien der 2000er-Jahre. Der Einsatz experimenteller Verfahren wie Base Editing fällt bislang in eine Grauzone zwischen individueller Heilversuchethik, klinischer Studienpraxis und Arzneimittelgesetzgebung. Dass ein solcher Eingriff möglich wurde, ist daher nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein juristisches Wagnis. Zugleich zeigt es die gewaltige Sprengkraft der translationalen Forschung – wenn Grundlagenwissen auf Anwendung trifft, werden nicht nur Therapien geboren, sondern neue Normen.

Langfristig wird Base Editing nicht auf seltene Krankheiten beschränkt bleiben. Rund zwei Drittel aller monogenen Erkrankungen beruhen auf Punktmutationen – also exakt jenen Fehlern, die mit Baseneditoren korrigierbar sind. Von Mukoviszidose über Duchenne-Muskeldystrophie bis hin zu bestimmten Formen der Erblindung – die Pipeline möglicher Therapien wächst rasant. Unternehmen wie Beam Therapeutics, Prime Medicine und Verve Therapeutics arbeiten bereits an klinischen Studien zu weiteren Indikationen. Gleichzeitig steigt das wirtschaftliche Interesse an personalisierter Gentechnik exponentiell – eine Entwicklung, die regulatorische Gremien unter enormen Druck setzt.

Die Öffentlichkeit ist gespalten. Einerseits steht der Wunsch nach Heilung unheilbarer Krankheiten im Vordergrund – insbesondere bei betroffenen Familien. Andererseits wächst die Sorge vor einem Dammbruch, bei dem genetische „Korrektur“ zur Normalität wird. Die Grenzen zwischen Heilung und Verbesserung, zwischen Notwendigkeit und Wunsch werden zunehmend diffus. Was heute ein Akt medizinischer Rettung ist, könnte morgen als Instrument sozialer Selektion missbraucht werden. Der Fall des Jungen aus Großbritannien zeigt, wie viel Hoffnung und Heilung in der Technologie steckt – aber auch, wie dringend eine gesellschaftliche Debatte über ihre verantwortliche Nutzung geführt werden muss.

Cystein unterbricht den Stoffwechsel, aktiviert hormonellen Stress, entzieht Adipositas die Grundlage

Wie gezielte Enzyminhibition Gewicht reduziert, Tiermodelle molekulare Wege aufzeigen und therapeutische Konzepte am Menschen erprobt werden

Der Stoffwechsel ist kein starres System, sondern eine hochdynamische Reaktion auf Signale, Mangelzustände und molekulare Krisen. Eine dieser Krisen erzeugten Forschende der New York University im Organismus gezielt – durch den Entzug der Aminosäure Cystein. Das Ergebnis: Ein radikaler Verlust von Körpergewicht, Stressreaktionen auf Zellebene und ein gestörter Energiestoffwechsel, der neue Fragen zu Therapie, Diätetik und Pharmakologie aufwirft. In einer kontrollierten Versuchsanordnung verloren gentechnisch veränderte Mäuse binnen einer Woche 30 Prozent ihres Gewichts. Ein Effekt, der reversibel war – aber nicht zufällig. Die Experimente beruhten auf einer präzise provozierten Unterbrechung eines zentralen biochemischen Pfads: der Umwandlung von Cystathionin zu Cystein. Für diese Reaktion ist das Enzym Cystathionin-γ-Lyase (CSE) verantwortlich. Mäuse ohne funktionales CSE leiden an einem systemischen Cystein-Mangel – mit dramatischen Folgen für den Stoffwechsel.

Was zunächst wie ein molekularer Laborunfall klingt, offenbart ein fundamentales Prinzip: Cystein ist nicht nur ein Bestandteil von Proteinen, sondern ein regulatorischer Schlüssel zur energetischen Stabilität. Der Entzug dieser schwefelhaltigen Aminosäure wirkte wie ein Schalter – die Leber stellte auf Stressmodus um, die Mitochondrien arbeiteten ineffizient, der Citratzyklus verlor an Effektivität, und die oxidative Phosphorylierung kollabierte. Dabei kam es nicht etwa zu einem Abbau von Muskulatur im klassischen Sinne – vielmehr wurde Energie ineffizient produziert, verschwendet und ausgeschieden. Es entstanden metabolische Lücken, die der Organismus mit erhöhtem Aufwand zu schließen versuchte – unter anderem durch Hochregulierung der Stresshormone GDF15 und FGF-21. Letztere sind als Gewichtsregulatoren bekannt und wirken appetitzügelnd und katabol. Diese hormonelle Reaktion erklärt, warum der Effekt nicht nur schnell, sondern auch so deutlich sichtbar wurde.

Besonders bemerkenswert ist der rasche Abfall des Coenzyms A (CoA), das zentral für den Energiestoffwechsel ist. Bereits nach zwei Tagen sank der CoA-Spiegel in der Leber um 30 Prozent, nach sieben Tagen waren es 75 Prozent. Auch in der Muskulatur war der Rückgang signifikant. Die Folge: gestörte Fettverbrennung, instabile β-Oxidation und eine ineffiziente ATP-Produktion. Der Organismus geriet in eine Art energetischen Ausnahmezustand. Doch anstatt sich abzuschalten, stellte er auf ein Notprogramm um – mit dem Resultat massiver Gewichtsverluste. Dabei ist der Prozess reversibel: Wird Cystein wieder zugeführt, normalisieren sich die Werte. Dieser Mechanismus wirft ein neues Licht auf die Regulation von Adipositas und eröffnet die Möglichkeit, therapeutisch gezielt auf Aminosäuren-Bilanzen einzuwirken.

Dass diese Erkenntnisse nicht auf Mäuse beschränkt bleiben, deutet eine kleine Pilotstudie am Menschen an. 20 gesunde Probandinnen und Probanden – elf Frauen und neun Männer – folgten einem dreistufigen Diätregime mit variierendem Anteil schwefelhaltiger Aminosäuren. In Woche eins aßen sie normal, in Woche zwei erfolgte eine moderate Reduktion von Methionin und Cystein, in Woche drei eine starke Einschränkung. Die Ergebnisse zeigen: Gewichtsverlust, verbesserte Lipidmarker, erhöhte Körpertemperatur – alles ohne Nebenwirkungen. Dies bestätigt, dass auch beim Menschen grundlegende metabolische Umstellungen durch gezielte Aminosäurerestriktion erreichbar sind.

Trotzdem bleiben offene Fragen. Denn während Cystein-Mangel bei Mäusen auf einem genetischen Defekt beruht, müsste er beim Menschen über Diäten oder Pharmaka simuliert werden. Doch genau hier liegt die Herausforderung: Proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch oder Vollkorn sind Hauptquellen für Cystein – sie gelten gleichzeitig als Sattmacher und Muskelaufbau-Helfer. Ein völliger Verzicht ist nicht nur schwer praktikabel, sondern könnte langfristig negative Effekte haben, etwa durch Mangelernährung oder Verlust fettfreier Körpermasse. Hier bietet sich ein alternativer Ansatz an: die gezielte pharmakologische Inhibition von CSE. Damit ließe sich der gleiche Effekt wie bei den genetisch veränderten Mäusen erzielen – allerdings dosierbar, kontrollierbar und reversibel.

Auch ethisch und gesellschaftlich wirft dieser Weg Fragen auf: Ist es vertretbar, die biochemische Homöostase des Körpers zu stören, um Gewicht zu verlieren? Oder braucht es solche Impulse, um die globale Adipositas-Epidemie einzudämmen? Rund 800 Millionen Menschen weltweit leiden an Fettleibigkeit – mit wachsender Tendenz. In den USA sind fast 40 Prozent der Erwachsenen betroffen. Klassische Diäten versagen oft, chirurgische Eingriffe sind invasiv, medikamentöse Therapien teuer und nicht immer gut verträglich. Vor diesem Hintergrund erscheint eine reversible, hormonell gesteuerte, molekular vermittelte Option als vielversprechender Innovationspfad.

Doch dafür sind weitere Studien nötig. Die Versuchsreihe in New York war ein Proof of Concept – ein beeindruckender, aber isolierter Schritt. Nun braucht es Langzeitdaten, Studien an Risikogruppen, molekulare Differenzierungen zwischen Typen der Adipositas, und nicht zuletzt pharmakologische Entwicklungen, die sich an der CSE-Inhibition orientieren. Denn während sich Diäten oft an Makronährstoffen wie Kohlenhydraten oder Fetten abarbeiten, zeigt sich hier ein ganz anderer Hebel: die gezielte Steuerung einzelner biochemischer Knotenpunkte im Aminosäurestoffwechsel.

Langfristig könnte dies nicht nur für die Adipositasbehandlung relevant sein, sondern auch für verwandte Stoffwechselstörungen – etwa das metabolische Syndrom, Typ-2-Diabetes oder nichtalkoholische Fettleber. Die molekulare Logik bleibt dieselbe: Wenn man den Motor nicht mehr effizient antreiben kann, verbraucht er mehr – und genau das könnte therapeutisch genutzt werden. Cystein, so klein die Substanz ist, könnte zum großen Schalter im adipogenen Stoffwechsel werden.

Glosse: Die Nullsatz-Strategie, das Phantomrezept und die Logik des Wahnsinns

Wie Sibylle Nullsatz Apotheken zur Selbstprüfung zwingt, der HV zum Angstlabor wird und ein Kammerprojekt alles infrage stellt

Die Szene beginnt wie aus einem Kafka-Skizzenbuch: Eine Kundin betritt die Apotheke, schweigend, mit gesenktem Blick und einem Rezept in der Hand, das wirkt, als sei es in einer Welt entstanden, in der Drucker noch mit Achtung druckten und Papier noch Gewicht hatte. Ihr Name: Sibylle Nullsatz. Ihre Mission: strukturell subversiv. Ihr Rezept: eine perfekte Fälschung mit einem entscheidenden Fehler – einer, der keinem Algorithmus auffällt, aber jedem Apotheker auffallen müsste.

Doch das ist die Pointe: Er tut es nicht. Denn Nullsatz testet nicht die Maschine, sie testet das Gedächtnis, das Gefühl, den Reflex – alles, was längst vom Scanner ersetzt wurde. Ihre Fälschung ist kein Versuch der Täuschung, sondern ein Lackmustest für das, was wir mal Fachwissen nannten. Der entscheidende Fehler: Das Rezept enthält keinen Fehler, aber auch keinen Satz. Keine Dosierung, keine Unterschrift, kein Leben. Nur Form. Und trotzdem glaubt jeder, es sei korrekt. Weil es so aussieht.

Der HV wird zur Reizschwelle. Die Mitarbeitenden zum klinischen Personal im pharmazeutischen Irrenhaus. Nullsatz spricht nicht, aber wartet. Das ist ihr Trick. Ihre Tarnung ist das Nichts. Und wer sich sicher fühlt, fällt. Nicht, weil er unfähig ist – sondern weil der Alltag ihn zur Routine erzogen hat. Nullsatz ist keine Person, sie ist ein Konzept: „Wie wenig braucht es, um alle auszutricksen?“ Die Antwort: exakt 0,0 Millimeter Abweichung.

Der Kommentar steckt tief in der Geschichte: Rezeptfälschungen sind längst nicht mehr das Werk von Bastlern mit Tipp-Ex. Sie sind industriell produziert, psychologisch konstruiert, finanziell motiviert. Und weil das System nicht mehr weiß, wem es glauben soll, glaubt es allen – solange der Drucker sauber arbeitet. Also schickt die Kammer Figuren wie Nullsatz in die Welt, um jene zu prüfen, die ohnehin schon taumeln.

Ist das gerecht? Nein. Aber es ist folgerichtig. Denn wenn aus Vertrauen Gewohnheit wird, wird jede Fälschung zum Original. Und so verwandelt sich die Apotheke zur Versuchsanordnung, der HV zur Verhörzelle, der Apothekeninhaber zum Sicherheitsbeauftragten ohne Schulung. Sibylle Nullsatz aber geht weiter. Wortlos. Mit dem nächsten Rezept in der Tasche – und dem nächsten Test ohne Frage.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Kassen brechen ein, Politik schweigt, Apotheken rechnen neu

Source: Deutsche Nachrichten
Während das GKV-System finanziell kollabiert und politisch nur noch notdürftig gestützt wird, geraten Apotheken zunehmend in ein operatives Vakuum, das weder planbar noch absicherbar ist, während symbolische Gesten wie der Besuch eines Bundestagsabgeordneten oder die Wahl einer neuen Frauen-Union-Vorsitzenden kaum darüber hinwegtäuschen, dass strukturelle Probleme ungelöst bleiben, denn mit der Entbudgetierung werden neue Erwartungen geweckt, deren Finanzierung unklar ist, die digitale Patientenakte verlangt schnelle Anpassung bei gleichzeitig wachsenden Haftungsrisiken, Saxenda für Kinder führt ethische Debatten ad absurdum, das SVR-Gutachten stellt die Preisbildung in Frage, während Hersteller warnen und Krankenkassen applaudieren, eine neue Krebsimpfung verändert die Versorgungslogik fundamental, Azithromycin wird spät, aber scharf reguliert, Eltern scheitern an einfacher Prävention beim Sonnenschutz, GLP-1-Medikamente verbessern überraschend die Lebensqualität, Kopfschmerz entwickelt sich zum gesellschaftlichen Dauerzustand und Smartwatch-Studien zeigen, wie sehr unser Alltag unter Stress, Datenflut und Erwartungslast steht – eine Gemengelage, in der Apotheken ihre Rolle als letzte verlässliche Instanz nur noch halten können, wenn sie Risiken strategisch absichern, digitale Infrastruktur professionell schützen und politische Leerstellen durch eigene Klarheit überbrücken.

Kassen brechen ein, Politik schweigt, Apotheken rechnen neu – diese Zeile ist längst keine Polemik mehr, sondern eine präzise Zustandsbeschreibung eines Systems, das sich in vielen Bereichen seiner Verantwortung entzieht. Der Zusammenbruch der finanziellen Tragfähigkeit der GKV ist nur die Oberfläche eines komplexeren Versagens: Wenn Beiträge steigen, Leistungen sinken und Reformversprechen im politischen Schweigen verpuffen, ist es nicht nur ein Defizit, das sich auftut, sondern ein Loch in der Logik der Versorgung selbst. Die strukturelle Überforderung trifft dabei nicht nur die Kassen, sondern alle, die mit ihnen rechnen müssen – zuerst die Apotheken, dann die Praxen, am Ende die Patienten. Wo das politische System nur noch auf Zeit spielt, beginnt für viele Betreiber eine neue Phase des Rechnens: Was kann man sich noch leisten, was muss man absichern, was wird vom System nicht mehr getragen?

Der Besuch von CDU-Bundestagsabgeordnetem Joachim Ebmeyer in Enger zeigt exemplarisch, wie dünn die Decke geworden ist: Jens Kosmiky, Inhaber der Mühlen-Apotheke und Vorstandsmitglied im Apothekerverband Westfalen-Lippe, führte ihm vor Augen, was viele in Berlin nicht mehr hören wollen – dass das Apothekensterben keine Statistik ist, sondern ein täglicher Rückzug von Versorgung. Ebmeyers Feststellung, Apotheken seien „unabdingbar“, ist in dieser Lage keine Floskel, sondern eine stille Provokation gegen die Untätigkeit der Regierung. Wenn Gesundheitseinrichtungen politische Fürsprache brauchen, um überhaupt sichtbar zu bleiben, dann ist der Kipppunkt längst erreicht.

Währenddessen setzt die CDU mit der Wahl von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken zur neuen Vorsitzenden der Frauen-Union ein symbolisches Zeichen – das jedoch schnell verblasst, wenn man es in der Tiefe betrachtet. Zwar konnte Warken sich mit 62,1 Prozent gegen Ina Scharrenbach durchsetzen, doch zeigt die Kampfkandidatur vor allem eines: dass Frauen auch in einer Partei im Umbruch weiterhin um Sichtbarkeit innerhalb enger Systemgrenzen ringen müssen. An der strukturellen Machtverteilung, an der Reformblockade und an den patriarchal besetzten Schaltstellen ändert dieser Wechsel wenig. Die Gleichstellungspolitik bleibt im Betrieb, während Männergremien weitermachen wie gehabt.

Dazu passt, dass selbst dort, wo sich scheinbar Bewegung zeigt – etwa bei der Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte –, auf den zweiten Blick neue Unsicherheiten entstehen. Die vom Erweiterten Bewertungsausschuss beschlossene Freigabe der Leistungen aus EBM-Kapitel 3 verspricht zwar Entlastung von Mengenbegrenzungen, doch die Finanzierung bleibt diffus. Der neue Honorartopf, die sogenannte Hausarzt-MGV, ist lediglich eine interne Umschichtung – zusätzliche Mittel fließen nicht. Damit bleibt die Finanzierung auf Kante genäht, und die Praxen müssen mit bürokratischer Unsicherheit kalkulieren. Kommt es zu Engpässen, haften die Kassen nur teilweise, und selbst diese Ausgleichsmechanismen sind an komplexe Berechnungen gebunden, die Planung nahezu unmöglich machen.

Hinzu kommt eine Entwicklung, die viele Apotheken in eine neue Art von Risiko zwingt: die rapide Ausweitung der elektronischen Patientenakte (EPA). Innerhalb weniger Wochen registrierte die Gematik rund 50 Millionen Zugriffe, täglich bis zu sechs Millionen – eine beeindruckende Zahl, die aber auch die Dimension der Angriffsfläche zeigt. Neben der Erleichterung bei Dokumentation und Medikationsplänen eröffnet die EPA eine neue Risikozone für Datenschutzpannen, Systemausfälle oder Haftungsfragen. Apotheken stehen nun nicht mehr nur für Rezeptur und Beratung, sondern sind auch Schnittstelle einer digitalisierten, aber noch nicht ausreichend abgesicherten Gesundheitslogik – die Cyberversicherung wird damit von der Option zur Notwendigkeit.

Ein ähnlich tiefer Systemeingriff kündigt sich bei der Debatte um GLP-1-Agonisten für Kinder an. Saxenda®, bisher bei Erwachsenen etabliert, soll nach EMA-Empfehlung künftig auch für adipöse Kinder ab sechs Jahren zugelassen werden. Was zunächst wie ein medizinischer Fortschritt aussieht, ist zugleich eine ethische Zäsur. Der Einsatz eines starken metabolischen Wirkstoffs bei Kindern rührt an Grundfragen von Erziehung, Versorgung, Verantwortung – und daran, wie weit wir bereit sind, soziale Probleme pharmakologisch zu behandeln. Die Zulassung wäre nicht nur ein Durchbruch, sondern ein Tabubruch, der eine breite Debatte verdient, statt im Schatten der Bürokratie entschieden zu werden.

In dieselbe Richtung weist das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats zur Preisregulierung von Arzneimitteln. Die Empfehlungen – von Budgetdeckeln bis zur Stärkung der GBA-Verhandlungsmacht – klingen nach ordnungspolitischer Neuausrichtung. Doch die Reaktionen könnten gegensätzlicher nicht sein: Während Kassenvertreter applaudieren, warnen Hersteller vor einer Implosion des Innovationsstandorts. Wieder einmal prallen Systemlogiken aufeinander: Die einen wollen Kosten deckeln, die anderen Investitionssicherheit. Dazwischen stehen die Apotheken, die mit jedem Preissignal auch ihre Kalkulationsgrundlage verlieren.

Gleichzeitig läuft auf klinischer Ebene ein technologischer Quantensprung an: Moderna und MSD bringen mit der Studie INTerpath-009 ihren personalisierten Krebsimpfstoff mRNA-4157 in Phase III. Das Besondere: Der Impfstoff ist auf das genetische Profil jedes einzelnen Tumors zugeschnitten und wird mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab kombiniert. Damit verschiebt sich die therapeutische Logik postoperativer Onkologie – von Standardbehandlung zu Maßanfertigung. Doch diese Entwicklung wirft neue Fragen auf: Wer zahlt für solch individualisierte Therapien? Wie lässt sich Versorgungsgerechtigkeit mit Hochpräzisionsmedizin vereinen?

Ein anderes Beispiel für regulatorisches Versagen liefert Azithromycin: Die EMA schränkt die Indikationen des lange unkritisch verordneten Makrolid-Antibiotikums drastisch ein – spät, aber konsequent. Der Wirkstoff, der durch seine lange Halbwertszeit besonders resistenzfördernd wirkt, wurde über Jahre zu oft und zu bequem eingesetzt. Dass die Konsequenzen erst jetzt gezogen werden, zeigt einmal mehr, wie träge das System auf längst bekannte Risiken reagiert – mit Folgen für die gesamte Resistenzdynamik in Europa.

Selbst in der Alltagsprävention scheitert das System: Eine Umfrage des IKW zeigt, dass viele Eltern trotz besseren Wissens regelmäßig den Sonnenschutz ihrer Kinder vernachlässigen. Rund 30 Prozent der Kinder bekommen regelmäßig Sonnenbrand – ein Symptom für gesellschaftliche Verdrängung, nicht individuellen Leichtsinn. Die Risiken sind bekannt, die Prävention wäre einfach – und dennoch scheitert sie an Routinen, Aufmerksamkeit und unmittelbarem Handlungsdruck.

Dass GLP-1-Agonisten dennoch keine psychischen Risiken mit sich bringen, sondern im Gegenteil die Lebensqualität steigern, belegt eine neue britische Metaanalyse. In ihr wurden über 100.000 Patientendaten ausgewertet – mit dem Ergebnis, dass weder Suizidalität noch kognitive Einbußen feststellbar sind, sondern im Gegenteil eine signifikante Verbesserung psychischer Parameter. Das bringt Entlastung in eine überfrachtete Debatte – und zugleich die Erkenntnis, dass pharmakologische Wirkung oft über den Körper hinausgeht.

Der gesellschaftliche Druck spiegelt sich schließlich auch in der Kopfschmerz- und Migränestatistik: Neue Zahlen belegen einen starken Anstieg, der nicht nur mit Klimastress und Bildschirmzeit, sondern auch mit Dauerkrisenkommunikation zu tun hat. Das vegetative Nervensystem ist überfordert, Schmerz wird zur Alltagsdiagnose. Therapie hilft, ist aber selbst zur Belastung geworden – und entlarvt damit die Grenzen eines Systems, das Symptome behandelt, aber Auslöser nicht strukturell bearbeitet.

Und wenn Forscher das DFB-Pokalfinale nutzen, um per Smartwatch kollektive Emotionen zu vermessen, dann zeigt das nicht nur die zunehmende Versportlichung der Wissenschaft, sondern auch die Allgegenwart von Überwachung, Messung, physiologischer Dauererregung. Fußballfieber wird zum Forschungsgegenstand – ein Spiegel einer Gesellschaft, die längst alles quantifizieren will, auch ihre Emotionen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: Digitalisierung erzwingt Absicherung, Versorgung verschiebt Verantwortung, Systemgrenzen brechen auf

Source: Deutsche Nachrichten
Die digitale Patientenakte beschleunigt Abläufe, aber verschärft zugleich die Haftungsrisiken für Apotheken, die zwischen Datenschutzpflicht und Versorgungsdruck manövrieren müssen, während politische Gesten wie Abgeordnetenbesuche oder Führungswechsel kaum ausreichen, um den realen Strukturzerfall aufzuhalten; zugleich bringt die Saxenda-Zulassung für Kinder eine ethische Zäsur, die Entbudgetierung verunsichert Hausarztpraxen, die GKV-Finanzlage droht zu kollabieren – und Studien zu personalisierten Impfstoffen, GLP-1 und Antibiotikaresistenzen zeigen, dass medizinischer Fortschritt oft schneller ist als die gesellschaftliche Realität, in der Prävention scheitert, Symptome sich häufen und Apotheken als letztes stabiles Glied im System immer mehr auffangen müssen.

EPA schafft Tempo, erhöht Risiko, verlangt Verantwortung

Wie digitale Patientenakten Apotheken transformieren, Sicherheitslücken sichtbar machen und Versicherungsschutz zur Pflicht wird

Die elektronische Patientenakte (EPA) ist nicht länger ein Zukunftsversprechen, sondern beginnt, sich als integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens zu etablieren – mit wachsender Dynamik und ebenso wachsendem Risiko. Die Zahlen, die die Gematik nun vorgelegt hat, sind eindeutig: Innerhalb weniger Wochen wurden in medizinischen Einrichtungen rund 50 Millionen Aktenzugriffe registriert, bis zu sechs Millionen pro Tag. Hinzu kommen täglich etwa 1,5 Millionen digitale Medikationslisten, die abgerufen werden. Was nach einem technischen Fortschritt klingt, ist zugleich ein Paradigmenwechsel, der nicht nur Prozesse verändert, sondern auch Verantwortlichkeiten neu ordnet – und Apotheken unmittelbar betrifft.

Denn mit der schrittweisen, aber nun flächendeckend anlaufenden Einführung der EPA ab dem 29. April 2025 ist klar: Die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) ist kein bloßer Service, sondern eine Verpflichtung zur digitalen Interaktion auf Augenhöhe. Bereits heute sind 46.000 medizinische Einrichtungen in der Lage, mit der EPA produktiv zu arbeiten – das sind knapp 30 Prozent aller bundesweit erfassten Versorgungseinrichtungen. Die anderen werden folgen müssen. Dabei reicht es nicht, technische Schnittstellen bereitzustellen. Es braucht geschulte Teams, saubere Zugriffskonzepte und vor allem eins: eine belastbare Sicherheitsstrategie gegen Cyberangriffe, Datenverluste und Vermögensschäden. Wer hier nicht antizipiert, wird im Ernstfall teuer zahlen.

Denn die EPA bringt nicht nur Nutzen – sie exponiert. Der Zugriff auf sensible Gesundheitsdaten, die Integration von Medikationslisten, Labordaten, Arztbriefen, Notfalldaten oder Impfstatus in ein vernetztes System, macht Apotheken zu aktiven Knotenpunkten digitaler Informationsflüsse. Diese Knotenpunkte sind Angriffspunkte. Hacker benötigen keine Rammböcke – sie brauchen Schwachstellen in der Zugangskontrolle, veraltete Firewalls oder ungeschützte Mobilgeräte. Eine einzelne Schwachstelle reicht, um Patientendaten zu kompromittieren, Abläufe lahmzulegen und Vertrauen zu zerstören. Und hier beginnt die juristische und ökonomische Verantwortung der Apothekenbetreiber.

Eine Cyber-Versicherung ist daher keine Kür mehr, sondern Pflicht. Sie muss Angriffe von außen, aber auch menschliche Fehler, etwa durch Phishing, Social Engineering oder interne Sicherheitsversäumnisse, mit abdecken. Ebenso essenziell ist eine Vertrauensschadenversicherung, die vor allem bei Vermögensschäden durch eigene Mitarbeitende greift. In einer EPA-basierten Infrastruktur wird nicht nur der Diebstahl von Kassenbeständen oder Rezepten relevant, sondern auch der Missbrauch von Zugriffsrechten, Manipulation von Medikationslisten oder das widerrechtliche Löschen von Patientendaten. All das kann massive Rückforderungen, Bußgelder oder auch zivilrechtliche Klagen nach sich ziehen – und in der Haftung steht immer der Betreiber.

Die Frage, ob Apotheken diese Risiken realistisch einschätzen, ist also keine hypothetische. Die EPA zwingt alle Beteiligten zu einem aktiven Risikomanagement: Wie werden Datenzugriffe protokolliert? Welche Mitarbeitenden erhalten welche Rechte? Gibt es Mehrfaktorauthentifizierung? Werden Sicherheitsvorfälle regelmäßig simuliert, etwa durch sogenannte Penetrationstests? Apotheken, die weiterhin auf Standardlösungen setzen, laufen Gefahr, ihre digitale Sorgfaltspflicht zu verletzen – mit rechtlichen, finanziellen und auch versicherungsrelevanten Folgen. Versicherungen leisten nur dann vollumfänglich, wenn Präventionsstandards eingehalten werden.

Florian Fuhrmann von der Gematik bezeichnet die aktuelle Entwicklung als Meilenstein – zurecht, aber eben nicht nur mit Blick auf Effizienz oder Patientenkomfort. Die EPA ist auch ein Meilenstein in Richtung Systemverantwortung: Sie verlangt von jedem angeschlossenen Akteur – ob Praxis, Klinik oder Apotheke – einen neuen Umgang mit Daten, Sicherheit und Compliance. Die Medikationsliste mag ein erstes sichtbares Anwendungsbeispiel sein, das zeigt, wie digitale Anwendungen helfen können, Doppelverordnungen zu vermeiden oder Wechselwirkungen zu erkennen. Doch diese digitalen Werkzeuge haben nur dann einen nachhaltigen Wert, wenn sie auf einem stabilen Fundament stehen.

Und dieses Fundament muss Apothekenteams nicht nur technisch, sondern auch mental mittragen. Digitalisierung bedeutet nicht nur Software und Hardware, sondern auch klare Rollenverteilungen, Schulungszyklen, Alarmpläne und Zuständigkeiten für Vorfälle, deren Eintritt nicht mehr ausgeschlossen, sondern vorausgesetzt werden muss. Der Glaube, man sei „zu klein“, um Ziel eines gezielten Angriffs zu sein, ist gefährlich. Gerade in vernetzten Systemen reicht ein Schwachpunkt – und der kann überall liegen. Auch im Botendienst, am Kassenplatz oder in der Rezeptur.

Dass die EPA selbst einen hohen regulatorischen Schutzrahmen bietet, ist unbestritten. Doch Schutz entsteht nicht durch Vorschriften allein. Er entsteht durch das Zusammenspiel aus Vorsorge, Aufklärung und Absicherung – auch durch Versicherungen, die mehr sind als Pflichtpolicen, sondern Teil einer Gesamtstrategie. Wer diese Verantwortung nicht übernimmt, handelt fahrlässig – und überlässt Patientinnen und Patienten einem System, das zwar digital vernetzt, aber unter Umständen analog scheitert. Apotheken sind gefordert, nicht nur Medikamente, sondern auch Sicherheit mit auszuliefern.

Abnehmen im Kindesalter, Verantwortung in der Debatte, Ethik in der Spritze

Warum Saxenda für Sechsjährige zugelassen werden soll und was wir wirklich diskutieren müssen

Noch ist nichts endgültig entschieden, aber mit der jüngsten Zulassungsempfehlung der EMA steht ein Paradigmenwechsel kurz bevor: Saxenda®, das Liraglutid-Präparat von Novo Nordisk, soll künftig auch bei Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren mit Adipositas eingesetzt werden dürfen. Es wäre die erste GLP-1-basierten Injektionstherapie, die explizit für diese Altersgruppe zugelassen ist – und damit eine medizinische Antwort auf ein wachsendes gesellschaftliches Problem, das längst nicht mehr nur mit Ernährung und Bewegung allein erklärbar ist. Was sich hier abzeichnet, ist eine medizinethische Zäsur, die auf vielen Ebenen verhandelt werden muss: klinisch, regulatorisch, sozial und symbolisch.

Adipositas im Kindesalter ist längst keine Randerscheinung mehr. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts gelten in Deutschland etwa zwei Millionen Kinder als übergewichtig, 800.000 davon als adipös. Wer heute die schulmedizinische Diagnose Adipositas stellt, muss nicht mehr lange nach Ursachen fahnden – die multifaktoriellen Gründe sind seit Jahren bekannt: ein Zuviel an Kalorien, ein Zuwenig an Bewegung, strukturelle Ernährungslosigkeit, sozioökonomische Belastungen, genetische Prädispositionen und digitale Freizeitwelten, die das Sofa attraktiver erscheinen lassen als den Spielplatz. Doch was folgt daraus? Reicht Aufklärung? Reicht Intervention? Reicht überhaupt noch irgendetwas ohne pharmakologische Unterstützung?

Die Zulassungserweiterung für Liraglutid rührt genau an diesen Punkt. Ursprünglich als Antidiabetikum zur Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt, wurde der GLP-1-Agonist 2016 unter dem Handelsnamen Saxenda® zur Gewichtsregulation bei Erwachsenen mit Adipositas zugelassen – unabhängig von einer Diabetesdiagnose. Schon damals war die mediale und gesellschaftliche Debatte lebhaft. Seit 2021 ist die Anwendung auch bei Jugendlichen zwischen zwölf und siebzehn Jahren erlaubt, nun folgt der nächste Schritt: eine Ausweitung auf Kinder ab sechs Jahren. Die EMA stützt sich dabei auf Studiendaten, die vergleichbare Sicherheits- und Wirksamkeitsprofile wie bei älteren Gruppen nahelegen. Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Durchfall seien beherrschbar, das Gewicht lasse sich signifikant reduzieren – sofern die Adhärenz stimme und die Therapie korrekt begleitet werde.

Doch was bedeutet „korrekt begleitet“ bei einem sechsjährigen Kind? Wer übernimmt die Entscheidung, ob ein junger Mensch in einem empfindlichen Entwicklungsfenster wöchentlich injiziert werden soll, um Gewicht zu verlieren? Die Zulassungskriterien erscheinen klar und zugleich anspruchsvoll: Ein BMI oberhalb der 95. Perzentile im Vergleich zu Gleichaltrigen, kombiniert mit einem Körpergewicht von mindestens 45 Kilogramm. Ein durchschnittliches Kind in diesem Alter wiegt hingegen nur rund 20 Kilogramm. Das heißt: Nur besonders schwer adipöse Kinder kommen überhaupt in Frage. Doch damit beginnt die Grauzone erst.

Die potenzielle Expansion des Einsatzbereichs von GLP-1-Analoga bei Kindern wird auch zur Projektionsfläche grundsätzlicher Fragen: Was ist noch Prävention, was bereits Medikalisierung des kindlichen Körpers? Welche Rolle spielt die Verantwortung der Eltern, welche Verantwortung trägt das System? Wer profitiert, wer verliert? Dass Novo Nordisk als Marktführer seine Pipeline konsequent nach unten erweitert, ist betriebswirtschaftlich plausibel – aber damit wird die kindliche Adipositas vom gesamtgesellschaftlichen Problem zum individuellen Therapiefall im Arztzimmer. Der Schritt birgt auch die Gefahr, dass strukturelle Ursachen – schlechte Ernährung in Schulmensen, inadäquate Bewegungsangebote, überforderte Familien – weniger Beachtung finden, weil es nun einen Wirkstoff gibt.

Gerade deshalb betonen medizinische Fachgesellschaften, dass Saxenda® keinesfalls als Ersatz, sondern stets nur als Ergänzung zu Lebensstilinterventionen verordnet werden dürfe. Ernährung, Bewegung, Verhaltenstraining – das bleibt das Fundament. Aber es ist ein Fundament, das bröckelt, wenn Eltern überfordert sind, Schulen keine Ernährungsbildung leisten können und soziale Medien ein verzerrtes Bild von Körpernormen vermitteln. Die Injektion kann dabei helfen, Gewicht zu reduzieren. Doch sie kann keine Familie stabilisieren, keine Kita-Küche reformieren, keine Instagram-Welt korrigieren. Und sie kann vor allem kein Ersatz für eine politische Auseinandersetzung mit den Ursachen sein, die diese Pandemie der Pfunde überhaupt erst hervorgebracht hat.

Wenn die Zulassung erfolgt, wird Saxenda® für eine ganz neue Altersgruppe verfügbar – mit allen medizinischen Chancen, aber auch den politischen, ethischen und sozialen Spannungen, die daraus resultieren. Therapieziel ist eine Reduktion des BMI um mindestens 4 Prozent innerhalb von zwölf Wochen unter maximaler Dosis – sonst soll die Behandlung laut Fachinformation abgebrochen werden. Das klingt kontrolliert, nachvollziehbar, therapeutisch stringent. Aber es bleibt die Frage, ob solche Kontrollmechanismen in der Praxis halten, was sie versprechen – vor allem in einem Lebensabschnitt, in dem Selbstwirksamkeit, Körpergefühl und Ernährungskompetenz noch im Aufbau begriffen sind.

Saxenda für Sechsjährige – das klingt nach medizinischem Fortschritt und nach einem dramatischen Symptom zugleich. Denn wer an einem Punkt angelangt ist, an dem Grundschulkinder Spritzen brauchen, um Gewicht zu verlieren, darf sich nicht nur auf die Wirkung der Ampulle verlassen. Dann geht es um mehr als Arzneimittel – es geht um Verantwortung: individuell, familiär, institutionell und gesellschaftlich. Die Zulassung mag ein neues Kapitel der Adipositastherapie aufschlagen. Aber sie darf nicht die letzte Seite eines politischen Kapitels sein, das noch geschrieben werden muss.

Nicht zufällig fordern Experten parallel zur medizinischen Erweiterung endlich spürbare politische Reformen: gesetzlich verbindliche Lebensmittelkennzeichnungen, ein umfassendes Werbeverbot für Junkfood in Formaten mit Kinderschwerpunkt, eine institutionalisierte Vermittlung von Ernährungskompetenz in Kitas und Grundschulen. Ohne diese flankierenden Maßnahmen besteht die Gefahr, dass eine eigentlich therapeutisch sinnvolle Option zur Alibistrategie wird – mit dem bequemen Nebeneffekt, die eigentlichen Ursachen im Dunkeln zu lassen.

Politik hört zu, Apotheken klagen, Existenz wankt

Was Ebmeyers Besuch in Enger zeigt – und was Betreiber jetzt absichern müssen

Wenn ein Bundestagsabgeordneter eine Apotheke besucht, dann ist das häufig mehr als symbolische Geste – es ist ein seltenes Fenster für Klartext. Joachim Ebmeyer (CDU) hat dieses Fenster in Enger genutzt, um sich von Jens Kosmiky, Inhaber der Mühlen-Apotheke und Vorstandsmitglied im Apothekerverband Westfalen-Lippe, erklären zu lassen, was viele politischen Entscheidungsträger noch immer zu ignorieren scheinen: Das Apothekensterben ist kein abstrakter Prozess, sondern ein konkreter Rückbau der gesundheitlichen Infrastruktur vor Ort. Ebmeyers Formulierung, Apotheken seien „unabdingbar“, mag wie eine Selbstverständlichkeit klingen, ist aber in der aktuellen Situation eine politische Festlegung mit Sprengkraft – insbesondere, wenn sie aus dem Mund eines Regierungsvertreters stammt.

Denn wie Kosmiky klarstellt, ist der Hauptgrund für das Sterben der Apotheken seit Jahren dieselbe strukturelle Schieflage: die chronische Unterfinanzierung. Staatlich gedeckelt, jahrzehntelang nicht angepasst und inzwischen von Inflation, Personalkosten und Betriebsausgaben überrollt, ist das Fixum der größte Kostenverursacher im System – nicht für die Krankenkassen, sondern für die Apotheken selbst. Jeder Notdienst, jede Rezeptbelieferung, jedes Beratungsgespräch wird zur Gratwanderung zwischen Pflichtgefühl und wirtschaftlicher Selbstgefährdung. Dass inzwischen sieben Prozent der Betriebe defizitär arbeiten und ein Viertel als „stark gefährdet“ gilt, ist eine Entwicklung, die nicht mehr mit strukturellem Optimismus oder einem bloßen Bürokratieabbau eingefangen werden kann. Es geht um die Existenz der wohnortnahen Arzneimittelversorgung.

Der politische Kontext, den Ebmeyer anzusprechen versucht – Koalitionsverantwortung, Bürokratieentlastung, Fachkräftemangel – greift zwar an mehreren sinnvollen Punkten an, bleibt aber im Handlungskorridor der Zeitverzögerung stecken. Die Apotheken brauchen keine wohlmeinenden Besuche, sondern Entscheidungen mit fiskalischem Effekt. Was Kosmiky vorschlägt, ist kein Wunschzettel, sondern eine Sofortmaßnahme: eine Honorarerhöhung, bevor weitere Apotheken schließen – nicht danach. Der Unterschied liegt im Vorzeichen der politischen Steuerung: Reagieren oder gestalten.

Für Apothekenbetreiber ergibt sich daraus eine doppelte Verantwortung: Sie müssen ihren wirtschaftlichen Status nicht nur stabilisieren, sondern auch gegenüber Politik, Verbänden und Öffentlichkeit deutlich machen, dass das Geschäftsmodell „Apotheke“ nicht mehr im Hintergrundrauschen funktioniert. Standortanalysen, betriebswirtschaftliche Frühwarnsysteme, gezielte Rücklagenbildung und Versicherungsprüfungen sind ebenso unerlässlich wie eine strategische Positionierung als Versorgungsakteur – nicht als Kostenträger dritter Ordnung. Wer heute eine Apotheke führt, betreibt nicht mehr nur Gesundheitsversorgung, sondern auch politische Aufklärung.

Wer nicht aktiv kommuniziert, wird passiv verwaltet – und droht im nächsten Strukturgutachten als überflüssige Kapazität zu erscheinen. Insofern ist jeder Austausch mit der Politik, wie der Besuch von Ebmeyer in Enger, auch ein Prüfstein: Wer überzeugt, kann Gestaltung einfordern. Wer schweigt, wird umgestaltet. In Zeiten strukturellen Apothekensterbens reicht es nicht, „da zu sein“. Entscheidend ist, was man tut, um bleiben zu dürfen.

Warken übernimmt, Strukturen bleiben, Gleichstellung stagniert

Wie die neue Frauen-Union-Vorsitzende antritt, während Männergremien Macht behalten und Reformen im System versanden

Mit der Wahl von Nina Warken zur Vorsitzenden der Frauen-Union der CDU wird ein Wechsel vollzogen, der oberflächlich einen Aufbruch signalisiert, in der Tiefe jedoch die strukturellen Grenzen weiblicher Wirksamkeit in der Partei offenlegt. Die 46-jährige Bundesgesundheitsministerin setzte sich beim Bundesdelegiertentag in Reutlingen mit 62,1 Prozent der Stimmen gegen Ina Scharrenbach durch – ein klarer Sieg in einer Kampfabstimmung, der aber weniger von innerparteilicher Einigkeit als von der Notwendigkeit kündet, dass Frauen in der CDU ihre Führungsansprüche nach wie vor gegeneinander durchsetzen müssen, weil systemisch kaum Raum für mehrere Spitzenfiguren gleichzeitig existiert.

Die neue Vorsitzende übernimmt das Amt von Annette Widmann-Mauz, die nach zehn Jahren nicht erneut kandidierte – und dabei mit bemerkenswerter Offenheit auf die Defizite der Partei hinwies. In ihrer Abschiedsrede beklagte sie, dass entscheidende Gremien der CDU weiterhin von Männern dominiert werden. Nur vier der zwanzig Mitglieder im geschäftsführenden Fraktionsvorstand sind weiblich, und von 23 Arbeitsgruppen im Bundestag werden lediglich vier von Frauen geführt. Der Frauenanteil im Parteipräsidium liegt bei 44 Prozent, doch dort, wo politische Richtungsentscheidungen getroffen werden – im Koalitionsausschuss, im Kanzleramt, in den zentralen Ministerien – dominieren weiterhin Männer. Selbst im engsten Führungskreis um Kanzler Friedrich Merz ist keine Frau vertreten.

Diese Realitäten kontrastieren scharf mit den öffentlichen Bekenntnissen zur Gleichstellung und der programmatischen Ausrichtung der Frauen-Union. Warken selbst betonte in ihrer Antrittsrede, dass mehr weibliche Perspektiven in der Politik notwendig seien, und forderte, die Frauen-Union als aktive Kraft im politischen Geschehen zu positionieren. Doch dass sie als Bundesministerin zusätzlich das Amt der Vorsitzenden übernimmt, wirft zugleich Fragen nach der strukturellen Doppelbelastung auf. Es ist kaum vorstellbar, dass sie parallel weiterhin als Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg den Landtagswahlkampf 2026 führen kann – und genau darin zeigt sich die systemische Engführung: Frauen, die aufsteigen, übernehmen häufig nicht eine, sondern mehrere zentrale Funktionen – nicht weil es effizient ist, sondern weil die Öffnung institutioneller Räume ausbleibt.

Der Wahlkampf war kein Signal der Einheit, sondern eine Demonstration parteiinterner Engstellen. Während Männer in der CDU Macht untereinander aufteilen, müssen Frauen sie gegeneinander erkämpfen. Die Rede von Bundesfamilienministerin Karin Prien verdeutlichte, dass es der Partei nicht an qualifizierten Frauen mangelt – sondern an einer Struktur, die deren Aufstieg fördert, statt ihn zu verwalten. Dass Warken sich in einem traditionsreichen Verband wie der Frauen-Union durchsetzt, ist Ausdruck ihrer persönlichen Durchsetzungskraft. Doch es bleibt zweifelhaft, ob dieser Erfolg systemisch etwas verändert, solange die Gremien, in denen Politik tatsächlich gestaltet wird, nahezu ausnahmslos männlich bleiben.

Warken übernimmt ein politisches Amt mit Prestige, Einfluss und Symbolkraft – doch ihre Wirksamkeit wird sich nicht allein an ihrer Rhetorik messen lassen, sondern an der Bereitschaft der CDU, die internen Machtverhältnisse substanziell zu verändern. Solange strategische Ministerien, der Koalitionsausschuss und der Kanzlerkreis Frauen ausklammern, bleibt die Gleichstellung ein Projekt mit Schönwetterstrategie, aber ohne strukturelle Bodenhaftung. Die Frauen-Union ist modern in ihrer Außendarstellung, kampagnenfähig in sozialen Medien und thematisch anschlussfähig – doch was fehlt, ist die Übertragung dieser Wirksamkeit in parteiinterne Entscheidungen.

Warken will die Frauen-Union aus der Rolle der Kommentatorin in die Rolle der Mitgestalterin führen. Doch der Preis dafür ist hoch, wenn zugleich Generalsekretariat, Bundesministerium und Vorsitzende eines der größten CDU-Verbände in Personalunion geführt werden sollen. Diese Verdichtung weiblicher Verantwortung ist nicht Ausdruck von Stärke, sondern Resultat begrenzter struktureller Offenheit. Es gibt in der CDU keine Redundanz weiblicher Macht – sie ist singularisiert, überfrachtet, oft auf symbolische Repräsentanz reduziert. Dass Warken nun als Stimme der weiblichen Basis antritt, ist daher ein Kraftakt, der weit über ihren persönlichen politischen Stil hinausgeht.

Die CDU kann sich nicht länger mit formaler Repräsentation zufriedengeben. Die Zahl weiblicher Mitglieder, die mediale Sichtbarkeit einzelner Ministerinnen und die Berufung in Parteivorstände sind keine Erfolgskennzahlen, solange der Zugang zu echten Entscheidungsräumen Männern vorbehalten bleibt. Der Satz von Widmann-Mauz, die Frauen-Union sei „keine Groopie-Truppe männlicher Polit-Stars“, war kein Bonmot, sondern eine Feststellung. In einer Partei, in der Macht weiterhin als Ressource unter Männern verstanden wird, muss jede Frau mit politischem Gestaltungsanspruch zugleich Kämpferin gegen das System sein, dem sie angehört.

Was Warken gelingt, hängt deshalb weniger von ihrem Willen zur Veränderung ab – der ist zweifellos vorhanden –, sondern von der Frage, ob die CDU bereit ist, das Machtgefüge zu durchbrechen, statt es durch symbolische Personalien zu stabilisieren. Ohne diese Bereitschaft wird auch der jüngste Führungswechsel zur Episode, nicht zum Wendepunkt.

Vergütung wird freigegeben, Verantwortung bleibt offen, Struktur gerät ins Wanken

Warum die Entbudgetierung der Hausärzte neue Risiken schafft, gesetzliche Lücken offenbart und die Versorgung trotzdem auf der Kippe steht

Als der Erweiterte Bewertungsausschuss am Dienstag das Verfahren zur Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen beschloss, schien das politische Versprechen einer langfristig stabileren und faireren Vergütung in der ambulanten Medizin endlich eingelöst – doch der vermeintliche Systemwechsel offenbart bei näherem Hinsehen nicht nur Regelungslücken, sondern gefährliche Zielkonflikte. Zwar dürfen Hausärztinnen und Hausärzte ab Oktober sämtliche Leistungen aus dem EBM-Kapitel 3 einschließlich der Hausbesuche außerhalb des Budgets abrechnen und damit ohne Mengenbegrenzung zur Abrechnung bringen, doch bleibt die Finanzierung dieser Freistellung ebenso unvollständig geklärt wie ihre strukturellen Folgekosten. Was nach Entlastung klingt, wird im Versorgungsalltag schnell zur Belastungsprobe: Denn der neu geschaffene Honorartopf – die sogenannte Hausarzt-MGV – speist sich lediglich aus Umschichtungen innerhalb der bisherigen morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV), die in Summe nicht erhöht wird. Die Folge: Sollten die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, haften die Kassen zwar nach dem neuen Modell für Ausgleichszahlungen – doch deren Verrechnung mit Unterschreitungen aus Vorquartalen birgt neue bürokratische Komplikationen und letztlich Unsicherheit für die Planbarkeit in den Praxen. Dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) dennoch von einem „dringend notwendigen Schritt“ spricht, ist weniger Ausdruck der Zufriedenheit als vielmehr ein Eingeständnis der politischen Notwendigkeit, überhaupt noch handlungsfähig zu erscheinen – während gleichzeitig in anderen Bereichen das Fundament der Versorgung weiter bröckelt.

Denn die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung mag in der Symbolik ein Paradigmenwechsel sein, rechtlich jedoch bleibt sie ein Torso. Die drängende Frage, wie strukturstabilisierende Maßnahmen wie Eigeneinrichtungen, Sonderzulassungen, Terminservicestellen oder Nachwuchsförderung in Zukunft finanziert werden sollen, beantwortet das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) nicht – eine Leerstelle, die selbst der Erweiterte Bewertungsausschuss kritisierte, aber in der gegenwärtigen Systematik nicht zu korrigieren vermochte. Die gesetzliche Pflicht zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung bleibt also bestehen, ihre finanzielle Absicherung indes wird zur politischen Unwägbarkeit. Besonders brisant: Die gesetzlichen Krankenkassen fordern laut KBV, diese Maßnahmen künftig aus dem Honorartopf der Hausärzte selbst zu bestreiten – also durch einen gezielten Abzug. Diese Logik der Selbstbeteiligung bei Systempflichten ist nicht nur strukturell absurd, sondern gefährdet das ohnehin fragile Gleichgewicht zwischen individueller Berufsausübung und kollektiver Versorgungsverantwortung. In einer Phase, in der über 5.000 Hausarztsitze unbesetzt sind, die Landarztquote kaum greift und viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen den Berufsalltag als Kampf gegen administrative Überforderung empfinden, erscheint jede weitere Belastung als Brandbeschleuniger eines schleichenden Systemversagens.

Die Verhandlungen zur sogenannten Vorhaltepauschale, die am selben Tag zwischen KBV und GKV-Spitzenverband geführt wurden, sollen derweil eine neue Dynamik bringen. Auf Basis des GVSG verhandeln beide Seiten über eine garantierte Grundvergütung für hausärztliche Strukturen, wobei Eckpunkte zur stufenweisen Einführung – einer sogenannten Konvergenzphase – bereits abgestimmt wurden. Doch auch hier bleibt unklar, wie sich dies konkret auf die Honorarsituation auswirkt und wie stark die neuen Anforderungen zur „Strukturpräsenz“ in der Fläche sein werden. Ein Hoffnungsschimmer liegt in der geplanten Bildung eines Strukturfonds durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, der durch Mittel in Höhe von mindestens 0,1 und höchstens 0,2 Prozent der MGV gespeist werden soll – wobei die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet sind, eine gleichhohe Summe beizusteuern. Damit könnten gezielt Maßnahmen zur Praxisübernahme, Ausbildung, Stipendienvergabe oder Sonderzulassungen finanziert werden – aber auch hier gilt: Der Fonds ist eine Reaktion auf Regelungslücken, nicht deren vorausschauende Vermeidung. Der Staat organisiert Defizite, statt funktionale Stabilität zu sichern.

Deutlich wird in dieser Gemengelage ein Grundproblem der gegenwärtigen Gesundheitspolitik: Sie erzeugt Symbolwirkungen, wo es langfristiger Planung bedarf, und erwartet Anpassungsfähigkeit, wo Überforderung längst Realität ist. Die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung mag als Einzelfall politisch verkaufbar sein, aber sie droht, ein Fragment ohne verbindende Struktur zu bleiben – mit riskanten Nebenwirkungen für jene, die sie eigentlich entlasten soll. Ein funktionierendes Primärarztsystem braucht nicht nur leistungsgerechte Honorierung, sondern auch Rechtssicherheit, Integrität der Sicherstellungsmechanismen und ein Gesamtgefüge, das Vertrauen in langfristige Rahmenbedingungen ermöglicht. Derzeit jedoch agiert die Politik wie ein Architekt ohne Statiker: Sie beschließt Stockwerke, ohne das Fundament zu prüfen – und lässt jene im Unklaren, die das Gebäude tragen sollen.

Kassen brechen ein, Politik schweigt, Apotheken rechnen neu

Was Betreiber jetzt absichern müssen, wenn das System nicht mehr trägt

Der aktuelle Zustand der gesetzlichen Krankenversicherung ist mehr als ein Defizit in Milliardenhöhe – er ist ein Symptom struktureller Überforderung, politischer Konzeptlosigkeit und bürokratischer Selbstfesselung. Was als temporärer Finanzbedarf deklariert wird, offenbart in Wahrheit die Auszehrung eines Systems, das seit Jahren nicht mehr reformiert, sondern nur noch verwaltet wird. Für Apotheken ist diese Gemengelage toxisch – nicht nur wegen offener Rechnungen oder Kürzungspläne, sondern weil sie in einem System operieren müssen, das seine eigene Funktionsfähigkeit nicht mehr garantieren kann.

Apotheken sind nicht nur Leistungserbringer, sondern systemische Interpreten eines dysfunktionalen Verwaltungsapparats. Sie stehen am Ende einer Kette von Verordnungen, Verträgen und Verpflichtungen, die sich zunehmend entkoppelt haben von realer Versorgung, wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung. Wenn Krankenkassen in Finanznot geraten, betrifft das nicht nur ihre Liquidität, sondern ihre Haltung: Die Prüfung wird härter, die Abrechnung schleppender, die Retaxation aggressiver. Für Betreiber ist das eine Realität, die nicht nur operative Prozesse bedroht, sondern die gesamte unternehmerische Planbarkeit aushebelt.

Die Ursache liegt tiefer. Schon vor der Pandemie war klar, dass das beitragsfinanzierte Umlagesystem an seine Grenzen stößt. Die demografische Verschiebung, die Zunahme chronischer Erkrankungen, die Medikalisierung sozialer Problemlagen – all das erzeugt einen Wachstumsdruck auf der Ausgabenseite, dem auf Einnahmenseite kein adäquates Gegengewicht gegenübersteht. Dass der Bundeszuschuss zur GKV seit Jahren stagnierte, obwohl die Aufgaben zunahmen, war keine Unachtsamkeit, sondern politisches Kalkül. In Wahrheit war das System nie krisenfest – nur krisenignorant.

Für Apotheken zeigt sich das im Alltag auf mehreren Ebenen: Zahlungsverzögerungen seitens der Kassen, unklare Genehmigungspraxis bei hochpreisigen Arzneimitteln, zunehmende Retaxrisiken durch Formfehler, absurde Ausschreibungslogik bei Hilfsmitteln, und zuletzt die Einbeziehung pharmazeutischer Dienstleistungen in ein Budgetregime, das weder Sicherheit noch Berechenbarkeit bietet. Was als „Stärkung“ verkauft wurde, ist in der Praxis oft ein Rückbau. Selbst einfachste Leistungen wie Medikationsanalysen werden gedeckelt, als handele es sich um Luxusposten.

Betreiber müssen sich daher die unbequeme Frage stellen: Auf welche Einnahmequellen kann ich künftig noch zählen – und welche sind politisch oder administrativ jederzeit zu gefährden? Der Rückzug auf das Kerngeschäft allein ist keine Lösung mehr, denn auch die klassischen Rezeptumsätze stehen unter strukturellem Beschuss. Lieferengpässe, Generikapreisverfall, Rabattvertragsrisiken – all das erzeugt eine Situation, in der selbst bei hoher Nachfrage die Marge schwindet. Gleichzeitig steigen die Kosten: Personal, Energie, Sicherheitsmaßnahmen – jede dieser Linien belastet die Betriebskostenrechnung, ohne dass die GKV-Logik darauf reagiert.

Besonders perfide: Die politischen Narrative verstellen den Blick auf diese realen Schieflagen. Wer im Ministerium vom „Versorgungsauftrag“ spricht, meint nicht automatisch auskömmliche Finanzierung. Wer „digitale Effizienz“ fordert, meint nicht zwingend stabile Schnittstellen oder abrechnungsfähige Innovationen. Es entsteht eine Art von Doppelsprache, in der Apotheken zwischen dem Anspruch, systemrelevant zu sein, und der Realität, systematisch übersehen zu werden, zerrieben werden.

Der aktuelle „Konzept-Kater“ der GKV-Politik – also das Ausbleiben struktureller Reformideen trotz wachsender Systembelastung – bedeutet für Apothekenbetriebe konkret: Der Wartesaalmodus wird zum Normalzustand. Doch wer wartet, verliert. Weder die nächste Honorarreform noch eine spontane Einsicht auf Seiten der Politik wird die wirtschaftliche Unsicherheit kurzfristig auflösen. Betreiber müssen proaktiv Strategien entwickeln, die nicht nur auf Effizienz setzen, sondern auf Resilienz: Versicherungen gegen Retax- und Haftungsrisiken, Liquiditätsreserven für Ausfälle, digitale Backupstrukturen, personelle Redundanzen, juristische Expertise für Widerspruchsverfahren.

Zugleich verlangt die Situation eine radikale Klarheit im Innenverhältnis: Teamführung unter Unsicherheit, transparente Kommunikation über wirtschaftliche Grenzen, klare Verantwortungsdefinition bei Fehlentscheidungen – all das sind Bausteine einer Führungsstruktur, die nicht nur reagiert, sondern gestaltet. Wer sich dieser Realität nicht stellt, wird von ihr überholt.

Was Apothekenbetreiber jetzt verstehen müssen: Die Krise der GKV ist keine vorübergehende Störung, sondern ein Signal. Ein Signal dafür, dass das System nicht mehr aus sich heraus tragfähig ist – und dass das unternehmerische Handeln in der Apotheke längst nicht mehr nur medizinischer oder betriebswirtschaftlicher, sondern systemischer Natur ist. Wer weiter auf politisches Wohlwollen oder stabile Einnahmen aus dem Kassensystem setzt, kalkuliert mit Phantomgrößen. Die neue Realität ist ein Dauerzustand der Unsicherheit – und dieser verlangt neue Kompetenzen, neue Sicherheiten, neue Perspektiven.

Preislogik neu denken, Versorgung sichern, Verantwortung steuern

Was das SVR-Gutachten zum Arzneimittelmarkt auslöst – und warum seine Vorschläge das System verändern könnten

Was als akademisches Impulspapier beginnt, kann binnen Wochen die Regeln des Pharmamarktes verändern – zumindest dann, wenn der Sachverständigenrat für Gesundheit und Pflege seine Vorschläge nicht nur adressiert, sondern in politische Verfahren einspeist, die schon länger auf Input warten. Mit seinem jüngsten Gutachten zur Preisregulierung von Arzneimitteln wagt sich das Gremium an ein Nervenzentrum der Gesundheitspolitik: die Finanzierbarkeit des medizinischen Fortschritts. Dass Krankenkassenvertreter das Papier bereits am Tag der Veröffentlichung als überfällig bezeichnen, zeigt die Brisanz. Zugleich warnen Hersteller vor der Implosion eines Systems, das auf Forschung, Innovation und Standortbindung angewiesen ist. Der Streit um den richtigen Preis ist damit wieder ein Streit um das richtige System geworden.

Im Zentrum des Gutachtens steht die Forderung nach einem Paradigmenwechsel: Weg von der passiven Preisakzeptanz, hin zu einer aktiven Steuerung der Arzneimittelausgaben durch Budgetdeckel, Nutzenkoppelung und Verhandlungsmacht. Der SVR schlägt vor, dass künftig für hochpreisige Medikamente striktere Preisobergrenzen eingeführt werden – flankiert von einem klar gestärkten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), der in den Erstattungsverhandlungen mehr Druckmittel erhält. Was technokratisch klingt, läuft politisch auf eine Machtverschiebung hinaus. Der GBA, bislang ein regelsetzendes Gremium mit begrenztem Hebel, soll zur zentralen Instanz für wirtschaftliche Rationalität aufsteigen. Für die Hersteller bedeutet das: keine Garantie mehr, dass ein neues Arzneimittel automatisch zu Preisen eingeführt werden darf, die lediglich durch Innovationsbehauptungen legitimiert sind.

Besonders die geplante Budgetierung weckt Erinnerungen an das Krankenhausbudget – mit allen Licht- und Schattenseiten. Während Krankenkassenvertreter wie Jens Martin Hoyer (AOK) die Idee als »dringend notwendig« begrüßen, warnen Vertreter der Industrie vor einem Rückfall in Planwirtschaft. Die Rede ist von »Investitionsbremse« und »Standortrisiko«, von schwindender Planungssicherheit und Innovationsfeindlichkeit. Doch das Gutachten ist in seiner Diagnose präzise: Es benennt nicht nur die Preissteigerungen der letzten Jahre, sondern verweist auf systematische Defizite im Umgang mit therapeutischem Fortschritt. Zu oft würden Preise nicht am realen Zusatznutzen gemessen, sondern an weltweiten Referenzwerten, die in sich selbst eskalieren.

Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat das Gutachten persönlich entgegengenommen und versprochen, die Empfehlungen sorgfältig zu prüfen. Ihr Ministerium, ohnehin gefordert durch GKV-Finanznöte, Lieferengpässe und Investitionsstaus in der Digitalisierung, könnte den Druck nutzen, um mit den Vorschlägen des SVR in die Offensive zu gehen. Dabei muss sie allerdings ein sensibles Gleichgewicht wahren. Denn der Applaus der Krankenkassen ist nur die eine Seite. Die andere sind drohende Verfassungsklagen, internationale Vertragsverletzungsverfahren und nicht zuletzt ein wachsendes Misstrauen jener Branchenakteure, die sich als systemrelevant verstehen, aber zugleich immer öfter in Erklärungsnot geraten, wenn es um ihre Preisforderungen geht.

Dass die pharmazeutische Industrie sich in die Defensive gedrängt sieht, hat nicht nur mit dem Inhalt des Gutachtens zu tun, sondern auch mit der veränderten Tonlage in der Gesundheitspolitik. Während in den letzten Legislaturperioden häufig das Innovationsversprechen als Totschlagargument für hohe Preise genügte, steht nun der Nutzenbeweis im Vordergrund. Der Ruf nach evidenzbasierter Preisbildung ist kein technischer Wunsch, sondern Ausdruck eines neuen Realismus. Wenn Anne-Kathrin Klemm vom BKK-Dachverband fordert, »Transparenz, Zusatznutzen und Fairness« zur Grundlage künftiger Erstattungsentscheidungen zu machen, bringt sie auf den Punkt, was viele lange dachten, aber kaum öffentlich formulierten: Der Markt ist keine Blackbox mehr.

Doch so nachvollziehbar die Forderungen nach Preisdisziplin erscheinen – sie kommen nicht ohne Risiko. Eine falsch austarierte Budgetierung, ein überlasteter GBA oder eine Überregulierung können ebenso zur Versorgungskrise führen wie ausufernde Preisforderungen. Auch ist fraglich, wie schnell und rechtssicher sich die Vorschläge umsetzen lassen. Der politische Diskurs muss also zwischen Reformbedarf und Verhältnismäßigkeit vermitteln. Denn das Gesundheitssystem kann sich weder unbezahlbare Therapien leisten noch ein Klima, in dem Innovation durch Misstrauen erstickt wird. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, die Vorschläge des SVR nicht als Sparkompendium, sondern als Strukturvorschlag für ein gerechtes Preisregime zu verstehen. Das aber verlangt politische Reife – und eine sektorübergreifende Verständigung darüber, was Versorgung im 21. Jahrhundert kosten darf und muss.

Individuelle Krebsimpfung startet, Immuntherapie wird personalisiert, Studienstrategie zielt auf Rückfallrisiko

Moderna und MSD testen mRNA-4157 bei NSCLC – und verändern die Systemlogik postoperativer Versorgung

Wenn Moderna und MSD gemeinsam ein onkologisches Entwicklungsprogramm in die finale Studienphase führen, bewegt sich die Aufmerksamkeit der Fachwelt fast zwangsläufig auf ein neues Niveau. Mit dem Start der Phase-III-Studie „INTerpath-009“ geht es nun um nichts Geringeres als die therapeutische Bewährungsprobe eines vollständig individualisierten, mRNA-basierten Krebsimpfstoffs. Der Kandidat mRNA-4157 (V940) zielt darauf ab, tumorspezifische Neoantigene auf Basis des genetischen Fingerabdrucks jedes einzelnen Patienten zu identifizieren und das Immunsystem über gezielte T-Zell-Reaktionen zur Eliminierung residueller Krebszellen anzuleiten. Die Kombination mit Pembrolizumab (Keytruda®) soll dabei helfen, die körpereigene Immunantwort durch Blockade inhibitorischer Signalwege zusätzlich zu verstärken – ein strategischer Schulterschluss, der das Beste zweier immuntherapeutischer Welten zusammenführt. Dass diese Allianz nun am nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) erprobt wird, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines auf Risiko zugeschnittenen Therapieverständnisses, bei dem klassische Tumorbiologie, molekulare Diagnostik und moderne Studienarchitektur Hand in Hand gehen.

Im Juni beginnt die randomisierte, kontrollierte Studie mit 680 Patientinnen und Patienten in den Stadien II bis IIIB, die trotz neoadjuvanter Chemotherapie und Immuncheckpointblockade keine vollständige Tumorrückbildung erzielt haben. Gerade in dieser onkologischen Grauzone – postoperativ ohne sichtbaren Tumor, aber mit molekularem Restrisiko – zeigt sich, wie relevant personalisierte Strategien zur Eradikation minimaler Residualkrankheit sein können. Der Einsatz von mRNA-4157 bedeutet in diesem Kontext nicht nur eine neue Therapieoption, sondern auch eine neue Art, das biologische Nachspiel einer Tumorresektion klinisch ernst zu nehmen. Die eigentliche Innovation liegt dabei nicht im Medium der mRNA selbst, sondern in der Synthese ihrer Zieldefinition: Die Herstellung individueller Impfchargen, codierend für bis zu 34 Neoantigene pro Patient, markiert den paradigmatischen Wandel von populationsbasierter Therapie zur onkologischen Einzelfallpräzision.

Der Wirkmechanismus der Kombination ist hochgradig integrativ angelegt. Während Pembrolizumab die Immunbremsen löst, schiebt mRNA-4157 die Tumorimmunogenität systematisch an. Beide Elemente greifen ineinander wie Riegel und Schloss – eine Immunantwort zu entfesseln, ohne sie ins Leere laufen zu lassen. In der Phase-II-b-Studie bei Melanompatienten hatte dieses Zusammenspiel bereits eine signifikante Reduktion von Rezidiven und Todesfällen ergeben, was nun bei NSCLC auf eine therapeutisch bedeutsame Reproduzierbarkeit getestet wird. Entscheidend ist dabei die Definition des primären Endpunkts: krankheitsfreies Überleben. Dahinter steht das Ziel, nicht nur Symptome oder Zeiträume zu verwalten, sondern einen tatsächlichen Immunerfolg auf molekularer Ebene messbar zu machen – und damit der Immunonkologie ein valides Evaluationsinstrument zu sichern.

Der Ausschluss von EGFR-mutierten Tumoren, die im klinischen Alltag meist auf gezielte Tyrosinkinaseinhibitoren ansprechen, lenkt die Studienpopulation zudem gezielt auf jene Subgruppe, bei der konventionelle Optionen limitiert sind und immuntherapeutische Strategien bislang weniger Standard als Experiment waren. Die Patienten erhalten entweder mRNA-4157 (1 mg alle drei Wochen, max. neun Dosen) oder ein Placebo – jeweils in Kombination mit Pembrolizumab (400 mg alle sechs Wochen, max. sieben Zyklen). Diese duale Gabe über mehrere Monate eröffnet die Möglichkeit, nicht nur frühe, sondern auch späte immunologische Dynamiken zu erfassen. Die sekundären Endpunkte – Gesamtüberleben, fernmetastasenfreies und lungenkrebsspezifisches Überleben, Sicherheit und Lebensqualität – erweitern den methodischen Radius auf entscheidende Langzeitmarker.

Dass die Studie mit exakter Endpunktdefinition und klaren Einschlusskriterien wie operativ entferntem Tumor, bestätigtem NSCLC ohne EGFR-Mutation und negativem MRT-Befund durchgeführt wird, spricht für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens – und gegen jegliche Symbolpolitik in der Krebsforschung. Denn hier geht es nicht um Hoffnungsträger aus dem Reagenzglas, sondern um eine klinische Strategie gegen das rezidivfreie Abtauchen maligner Restzellen. Die sorgfältige Auswahl der Patienten mit sichtbaren Restrisiken, aber klinischer Tumorfreiheit, zeigt: Die Wissenschaft beginnt, Zwischenräume therapeutisch ernst zu nehmen – genau dort, wo die traditionelle Onkologie oft nur abwartet.

Gerade in dieser hochspezialisierten Nische wird deutlich, wie viel Verantwortung eine neue Impfstoffgeneration übernehmen kann. Sie ist nicht Ersatz, sondern Ergänzung, nicht Prävention, sondern therapeutisches Finale – und damit Ausdruck eines Fortschritts, der das Immunsystem nicht belehren, sondern trainieren will. Die Phase-III-Studie markiert damit mehr als einen Schritt im Studiendesign. Sie ist ein klinischer Feldversuch, der die Versprechen der mRNA-Technologie in einen Bereich trägt, der bislang von Rückfällen, Prognoseunschärfen und zähen Überlebenskurven dominiert wurde. Ob der Impfstoff die letzte Lücke in der NSCLC-Versorgung schließen kann, wird sich zeigen. Doch dass sie überhaupt als Lücke anerkannt und gezielt bearbeitet wird, ist schon jetzt ein Fortschritt.

Antibiotika verlieren an Schlagkraft, Resistenzen gewinnen Zeit, Politik muss Versäumnisse korrigieren

Wie Azithromycin zur Gefahr wurde, die EMA reagiert und regulatorische Nachlässigkeit endlich Folgen hat

Azithromycin galt lange als Hoffnungsträger einer rationalisierten Antibiotikatherapie: nur einmal täglich, kurze Behandlungsdauer, gute Gewebeverfügbarkeit. Doch was in der Praxis zur bequemen Lösung wurde, hat sich über die Jahre als strukturelles Risiko entpuppt – nicht nur für den Einzelnen, sondern für die antibiotische Wirksamkeit ganzer Versorgungsregionen. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA zieht nun die Notbremse und leitet eine tiefgreifende Einschränkung der Indikationen ein. Damit rückt ein Wirkstoff ins Zentrum gesundheitspolitischer Verantwortung, der bislang mehr durch Verordnungsroutine als durch gezielte Abwägung geprägt war. Und es stellt sich die Frage, warum es erst jetzt zu einem solchen Eingriff kommt, wo die Resistenzentwicklung doch seit Jahren bekannt ist – und wie groß der politische Wille wirklich ist, das Problem der antimikrobiellen Resistenzen nicht länger nur statistisch zu verwalten.

Die EMA kündigt an, in gleich mehreren zentralen Anwendungsbereichen tief in die Fachinformationen einzugreifen. Hintergrund ist die in den vergangenen Jahren signifikant gestiegene Resistenzlage gegenüber Azithromycin. Das Makrolidantibiotikum, das sich aufgrund seiner langen Halbwertszeit – zwischen zwei und vier Tagen – für Kurzzeittherapien eignet, bleibt nach oraler Gabe ungewöhnlich lange im Gewebe nachweisbar. Was pharmakologisch als Vorteil begann, ist mikrobiologisch zur Schwachstelle geworden: Niedrige Substanzkonzentrationen im Übergangsbereich zwischen Wirkung und Inaktivität fördern die Selektion resistenter Erreger. Dass die WHO Azithromycin in ihrer AWaRe-Klassifikation bereits in die „Watch“-Kategorie eingestuft hat, hätte für sich genommen Anlass genug sein müssen, europaweit gegenzusteuern. Doch während die Theorie seit Jahren bekannt war, fehlten praktische Konsequenzen auf regulatorischer Ebene. Der nun gestartete Prozess setzt damit nicht nur ein medizinisches Signal, sondern korrigiert auch eine jahrelange Untätigkeit.

Die neuen Maßnahmen gehen über reine Risikohinweise hinaus. So sollen gleich mehrere bisherige Indikationen vollständig gestrichen werden, darunter die Anwendung bei mittelschwerer Akne vulgaris – eine Entscheidung, die zeigt, dass selbst in Bereichen mit hoher Leidenslast eine antimikrobielle Rationalität Vorrang bekommt. Auch die bislang zugelassene Azithromycin-Anwendung zur Helicobacter-pylori-Eradikation sowie zur Prävention von Asthma-Exazerbationen fällt künftig weg. Dass diese Eingriffe nicht nur kosmetischer Natur sind, zeigt sich an der breiten Palette weiterer Anwendungsbereiche, bei denen künftig die Dosierungen und Indikationshinweise überarbeitet werden – darunter klassische Atemwegsinfektionen, sexuell übertragbare Erkrankungen, Zahninfektionen sowie die Therapie des Mycobacterium-avium-Komplexes bei HIV-Patienten. Besonders Letzteres verweist auf eine politisch sensible Schnittstelle: Denn dort, wo Hochrisikopatienten auf wenige verbleibende Therapiemöglichkeiten angewiesen sind, treffen Resistenzbedrohung und Versorgungssicherheit unmittelbar aufeinander.

Die Rückmeldung, dass Azithromycin in der EU sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern in großem Umfang verordnet wird, entlarvt die gängige Praxis: Trotz „Watch“-Kategorisierung zirkuliert der Wirkstoff breitflächig in der Primärversorgung. Gerade weil seine einfache Handhabung – eine Tablette täglich, drei Tage Therapie, keine Notwendigkeit zur engmaschigen Kontrolle – ihn besonders für hektische Praxissituationen attraktiv macht, hat sich über Jahre ein unkritischer Umgang eingeschlichen. Die EMA will dem nun durch eine Harmonisierung sämtlicher Produktinformationen begegnen. Dazu gehören einheitliche Angaben zur Dosierung, zu Neben- und Wechselwirkungen, zu Kontraindikationen sowie klare Hinweise zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit. Zukünftig soll jedes Azithromycin-Präparat verpflichtend auf die Resistenzgefahr hinweisen, explizit unter Bezug auf die lange Halbwertszeit und den damit verbundenen „Subtherapiezeitraum“.

Angestoßen wurde die Neubewertung nicht zufällig vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Deutschland, das sich mit der deutschen Antibiotikaresistenzstrategie (DART) seit Jahren profilieren möchte, übernimmt damit eine federführende Rolle im europäischen Arzneimittelmanagement. Zugleich zeigt dieser Vorgang, wie stark die Rolle nationaler Behörden im paneuropäischen Gesundheitsdialog zugenommen hat – insbesondere dort, wo strategische Weichenstellungen auf gemeinsame Datenlagen, aber differenzierte politische Rahmenbedingungen treffen. Denn während die Kommission formal zuständig bleibt, ist der Impuls national motiviert – und der Handlungsdruck real.

Kritisch bleibt dabei, dass sich die Anpassungen in der Praxis nicht automatisch in besserem Verschreibungsverhalten niederschlagen werden. Die regulatorische Neuausrichtung ersetzt keine Schulung, keine interdisziplinäre Beratung, keine Kontrolle des tatsächlichen Einsatzes. Wenn Azithromycin künftig in weniger Indikationen erlaubt ist, aber gleichzeitig als Notfalltherapie bei schwer erreichbaren Patienten weiter kursiert, braucht es klare Leitlinien und begleitende Maßnahmen, um aus regulatorischer Korrektur echte Versorgungspraxis zu machen. Dass dies gelingen kann, zeigt der historische Umgang mit Reserveantibiotika – doch nur, wenn Überwachung, Transparenz und die Einbindung der Ärzteschaft zugleich mitdenken.

Resistenz ist keine Laborkategorie, sondern eine Versorgungsgefahr, deren Ursprung oft im Gewöhnlichen liegt. Azithromycin war ein Mittel des Alltags, ein Helfer für unkomplizierte Fälle. Dass nun die systemische Konsequenz dieser Bequemlichkeit sichtbar wird, ist kein Versagen des Wirkstoffs, sondern der Politik, ihn jahrelang kritiklos passieren zu lassen. Es geht also nicht um ein Antibiotikum, sondern um die Fähigkeit der Gesundheitssysteme, die langfristigen Folgen kurzfristiger Routine zu erkennen – und dann mutig zu handeln.

Sonnenschutz wird vergessen, Risiken werden verdrängt, Kinderhaut wird verbrannt

Warum elterliches Bewusstsein nicht reicht, wenn Routinen fehlen, Prävention scheitert und der Sommer zur Gesundheitsfalle wird

Sonnenschutz beginnt im Kopf, aber dort endet er oft auch. Viele Eltern wissen um die Gefahren ultravioletter Strahlung für die zarte Haut ihrer Kinder, doch zwischen Theorie und Praxis klafft eine Lücke, die sich jedes Jahr auf den Spielplätzen, in Freibädern und an Stränden schmerzhaft bemerkbar macht. Dabei sind die biologischen Voraussetzungen eindeutig: Kinderhaut ist empfindlicher, dünner, durchlässiger – und ihre körpereigenen Schutzmechanismen gegen UV-Strahlen sind noch nicht vollständig ausgebildet. Ein Sonnenbrand ist nicht nur eine kurzfristige Entzündung, sondern ein biologischer Alarm, der Zellkerne beschädigt und langfristig das Risiko für Hautkrebs erhöht. Trotzdem zeigt eine neue Umfrage des IKW: Ein Fünftel der Eltern vergisst häufig, das Kind überhaupt einzucremen, und fast ein Drittel unterlässt es, nach dem Baden oder Toben nachzucremen. Was hier wie Nachlässigkeit klingt, ist in Wahrheit ein gesellschaftliches Muster: Prävention ist unbequem, und solange sie nicht unmittelbar belohnt wird, bleibt sie anfällig für Verdrängung.

Dabei ist das Bewusstsein grundsätzlich vorhanden – rund 80 Prozent der befragten Eltern wissen um die Wichtigkeit des Sonnenschutzes. Aber die Wissensweitergabe von Fachstellen und Gesundheitseinrichtungen allein reicht offensichtlich nicht aus. Denn Wissen, das nicht in Handlung überführt wird, bleibt folgenlos. Dass 42 Prozent der Eltern berichten, ihr Kind habe trotz Sonnenschutz bereits einen Sonnenbrand erlitten, verdeutlicht ein weiteres strukturelles Problem: Die Vorstellung, einmaliges Eincremen reiche aus, ist ebenso weit verbreitet wie falsch. UV-Strahlung ist kein einmaliger Reiz, sondern eine kontinuierliche Belastung – besonders im Wasser, wo die Reflexion die Exposition zusätzlich verstärkt. Und selbst in vermeintlich „sonnenarmen“ Regionen wie Mitteleuropa wird regelmäßig unterschätzt, wie intensiv die Strahlung zwischen Mai und September tatsächlich ist.

Die Empfehlungen der Fachgesellschaften liegen seit Jahren auf dem Tisch. Babys und Kleinkinder sollen in den ersten zwölf Lebensmonaten überhaupt keiner direkten Sonne ausgesetzt werden. Danach gilt es, vor allem in der kritischen Mittagszeit zwischen 11 und 15 Uhr Schatten aufzusuchen und körperbedeckende UV-Kleidung mit einem Schutzfaktor von mindestens UPF 30 zu verwenden. Auch hier zeigt sich jedoch: Kleidung wird zu oft als rein ästhetisches Element verstanden, nicht als medizinisches Schutzinstrument. Die Bereitschaft, in funktionale UV-Kleidung zu investieren, hängt eng mit soziokulturellen Normen und finanziellem Bewusstsein zusammen – ein weißes T-Shirt vom Discounter ersetzt keinen zertifizierten UV-Schutz. Das gleiche gilt für Kopfbedeckungen oder Sonnenbrillen, die aus modischen Gründen verweigert oder vergessen werden. Kinder übernehmen dabei nicht nur Gewohnheiten, sondern auch Prioritäten. Wenn Erwachsene sich achtlos der Sonne aussetzen, wird das Eincremen zur Ausnahmesituation statt zur Routine.

Die strukturelle Herausforderung liegt also weniger in der Wissensvermittlung, sondern in der Handlungsverankerung. Präventionsmaßnahmen müssen in Alltagsroutinen eingebettet werden – wie das tägliche Zähneputzen oder das Anschnallen im Auto. Schulen, Kitas und Betreuungseinrichtungen könnten hier eine Vorbildrolle übernehmen, ebenso wie Kampagnen, die nicht nur warnen, sondern konkret demonstrieren, wie moderner Sonnenschutz funktioniert. Die medizinische Relevanz ist dabei unbestritten: Studien zeigen, dass bis zu 80 Prozent der kumulierten UV-Strahlung im Laufe eines Lebens in der Kindheit aufgenommen werden. Wer also früh schützt, verringert späteres Hautkrebsrisiko messbar.

Dass dennoch fast jede dritte Familie über wiederkehrende Sonnenbrände bei ihren Kindern berichtet, ist ein gesellschaftlicher Befund – und kein individueller Fauxpas. Er verweist auf einen kollektiven Mangel an Priorisierung, auf eine Lücke in der praktischen Gesundheitsbildung, aber auch auf die Unterschätzung von Klimawandel und Strahlungsintensität. Denn Sommer sind heute länger, intensiver und unberechenbarer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wer Kinder auf die Welt bringt, trägt nicht nur für ihre Ernährung, Entwicklung und Bildung Verantwortung, sondern auch für die äußeren Bedingungen, denen ihre Körper täglich ausgesetzt sind. Sonnenschutz ist keine kosmetische Frage – er ist gelebte Fürsorge und Ausdruck vorausschauender Elternschaft. Wenn diese Haltung im Alltag zur Ausnahme wird, dann brennt nicht nur die Haut, sondern auch das Vertrauen in gesundheitliche Selbstverantwortung aus.

Psychostabilität, Essverhalten, Lebensqualität

Was GLP-1-Agonisten über den Körper hinaus verändern können

Es war ein stiller Verdacht, der lange im Raum stand: Können blutzucker- und gewichtsregulierende Medikamente auch auf die Psyche wirken – und wenn ja, in welcher Richtung? Die neuen Daten aus Großbritannien bringen nun mehr Klarheit. Forscherteams vom King’s College London, dem Imperial College, der Universität Edinburgh sowie mehreren NHS Foundation Trusts haben im Fachjournal JAMA Psychiatry eine Metaanalyse publiziert, die den Einfluss von GLP-1-Rezeptoragonisten auf psychiatrische Symptome, kognitive Leistungsfähigkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität systematisch ausgewertet hat. Der Befund ist bemerkenswert – nicht wegen eines spektakulären Effekts, sondern wegen einer bemerkenswerten Absenz: Keine Anzeichen für psychische Gefährdung, keine erhöhte Suizidrate, keine kognitiven Einbußen. Im Gegenteil: Die Lebensqualität steigt signifikant, sowohl körperlich als auch mental.

Diese Erkenntnis basiert auf einem methodisch aufwendigen Review von 80 randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien mit insgesamt 107.860 Patientinnen und Patienten. Das Durchschnittsalter lag bei 60 Jahren, rund 40 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Eingeschlossen wurden nur Studien, die explizit Aussagen zu psychiatrischen Endpunkten, kognitiven Funktionen oder Lebensqualitätsmerkmalen machten. Diese strenge Auswahl verleiht der Analyse besonderes Gewicht – denn der Zusammenhang zwischen Adipositas, Diabetes und psychischer Gesundheit ist vielschichtig, kausal unklar, aber epidemiologisch belegt. Menschen mit Typ-2-Diabetes erkranken fast doppelt so häufig an Depressionen wie die Durchschnittsbevölkerung. Gleichzeitig können depressive Episoden unkontrolliertes Essverhalten fördern, wodurch Übergewicht und Diabetes wiederum verstärkt werden. Dass diese Spirale durchbrochen werden kann, wäre also therapeutisch hochrelevant.

Und genau hier setzen die Ergebnisse an. Die Autoren fanden keinen Hinweis darauf, dass die Behandlung mit einem GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (Ozempic®, Wegovy®) oder Liraglutid (Victoza®, Saxenda®) die Wahrscheinlichkeit psychiatrischer Nebenwirkungen erhöht. Das relative Risiko für neuropsychiatrische Auffälligkeiten war unter GLP-1-RAs im Vergleich zu Placebo sogar leicht reduziert – wenn auch nicht statistisch signifikant. Auch depressive Symptome, soweit sie zu Studienbeginn bestanden, zeigten keine systematische Verbesserung oder Verschlechterung. Entscheidender ist jedoch ein anderer Befund: Die berichtete Lebensqualität verbesserte sich bei GLP-1-Nutzern in Bezug auf die mentale Gesundheit, körperliche Belastbarkeit, krankheitsbezogene Einschränkungen sowie die Selbstwahrnehmung beim Essverhalten deutlich. Und diese Effekte waren statistisch signifikant.

Dass sich eine pharmakologische Intervention zur Stoffwechselregulation so konsistent auf subjektives Wohlbefinden auswirkt, ist klinisch und gesundheitspolitisch nicht trivial. Es verweist auf die zentrale Rolle von Selbstwirksamkeitserleben, Körperbild und sozialer Teilhabe in der Bewertung therapeutischer Effekte – ein Aspekt, der in klassischen AMNOG-Nutzenbewertungen oft unterrepräsentiert bleibt. Emotionale Essmuster, also beispielsweise das sogenannte „restrained eating“ (kontrolliertes Essverhalten mit starker gedanklicher Einengung) oder „emotional eating“ (essen bei Stress, Langeweile oder Traurigkeit), besserten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant. Die Betroffenen gewannen also nicht nur metabolisch, sondern auch psychologisch an Spielraum und Lebensfreude.

Diese positiven Resultate erhalten zusätzliches Gewicht vor dem Hintergrund regulatorischer Debatten der vergangenen Jahre. 2023 hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) angekündigt, Hinweise auf mögliche suizidale Gedanken oder selbstverletzendes Verhalten im Zusammenhang mit GLP-1-Analoga wie Semaglutid oder Liraglutid zu prüfen. Der Auslöser war eine Reihe von Fallberichten aus Skandinavien und den USA, bei denen Patienten nach Beginn einer GLP-1-Therapie psychische Krisen erlitten hatten. Auch in der digitalen Patientenberichterstattung via Apps und Health-Portale tauchten derartige Hinweise wiederholt auf. Die EMA reagierte mit einem umfassenden Review, der im April 2024 abgeschlossen wurde – mit dem klaren Ergebnis, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen GLP-1-Therapie und suizidalen Gedanken festgestellt werden konnte. Diese Einschätzung wird durch die neue britische Metaanalyse gestützt.

Der psychopharmakologische Befund bleibt damit stabil: GLP-1-Rezeptoragonisten sind metabolisch wirksam, psychiatrisch unauffällig und verbessern Lebensqualität in einem Maß, das über die reine Gewichts- oder Blutzuckerregulation hinausgeht. Aus gesundheitspolitischer Sicht könnte dies die Diskussion über die erweiterte Indikationsstellung weiter befeuern. Schon jetzt wird diskutiert, ob GLP-1-RAs in bestimmten Fällen auch bei Essstörungen, etwa Binge-Eating-Disorder oder Adipositas mit psychischer Komorbidität, gezielt eingesetzt werden könnten. Die Forschung ist hier vorsichtig – aber auch zunehmend interessiert. Denn die Grenze zwischen „Stoffwechselstörung“ und „seelischem Ungleichgewicht“ ist klinisch durchlässiger, als viele Leitlinien nahelegen.

Dass Patientinnen und Patienten von der Therapie nicht nur durch niedrigere HbA1c-Werte, sondern auch durch eine gesteigerte Zufriedenheit mit ihrem Alltag profitieren, zeigt das Potenzial einer psychosomatischen Perspektive auf Pharmakotherapie. Die britische Metaanalyse könnte der Auftakt sein zu einer erweiterten Nutzenbewertung, bei der psychische Stabilität, emotionale Lebensführung und soziale Teilhabe endlich denselben Stellenwert erhalten wie Nüchternblutzucker und Körpergewicht.

Digitale Reize überfordern das Nervensystem, Klimastress befeuert die Beschwerden, Therapie wird zur Zusatzlast

Wie Kopfschmerz und Migräne immer öfter Ausdruck gesellschaftlicher Überlastung sind

Wenn digitale Dauerschleifen das vegetative Nervensystem zermürben, wenn Klimafaktoren den inneren Druck steigern und selbst die Behandlungsempfehlung zur Belastung wird, steht fest: Der Kopfschmerz der Gegenwart ist kein singuläres Symptom mehr, sondern Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Erschöpfungskomplexes. Was die neuen Zahlen des Kopfschmerz- und Migräne-Reports 2025 belegen, formuliert Schmerzmediziner Dr. Jan-Peter Jansen mit klinischer Klarheit: Die digitale Lebensweise ist zum nozizeptiven Stressor avanciert. Nicht die Informationsflut allein macht krank, sondern das permanente Bedrohungsszenario, das sich in einer toxischen Melange aus Bildschirmzeit, globaler Verunsicherung, Klimaangst und individueller Erschöpfung verdichtet.

Die repräsentative Befragung des Unternehmens Opella unter 3.300 Betroffenen zeigt, dass klassische Auslöser wie Schlafmangel oder emotionale Anspannung weiterhin dominieren, jedoch zunehmend durch neue Stressoren überlagert werden: 64 Prozent der jungen Erwachsenen vermuten einen direkten Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Migräne. Besonders Smartphone- und Tablet-Nutzung gelten inzwischen als Hochrisikofaktoren. Diese digitale Überstimulation, kombiniert mit sitzenden Bildschirmtätigkeiten und sozialen Daueralarmen, erzeugt laut Jansen okuläre und myofasziale Überlastungen, die sich als Spannungskopfschmerz manifestieren.

Dabei wirkt nicht nur das Display, sondern auch der Inhalt als Verstärker des Schmerzerlebens: Kriegsbilder, Klimakollaps, Ökonomiedruck – ständig abrufbare Krisen brennen sich ins emotionale System ein, führen zur vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen und machen aus Alltagsreizen pathogene Impulsgeber. Die gesundheitliche Rechnung folgt prompt: Reizverstärkung, Schlafstörung, Reizbarkeit, Isolation. In dieser Gemengelage wird selbst die lindernde Therapie zur Herausforderung. Denn die mahnende Vorgabe, maximal zehn Tage Kombinationsanalgetika pro Monat einzunehmen, kann ihrerseits Druck erzeugen und das Schmerzerleben psychologisch aufladen.

Hinzu kommen zunehmend klimatische Trigger: 29 Prozent der Befragten berichten über Kopfschmerzverschlechterung bei Hitzewellen, 25 Prozent bei erhöhter Feinstaubbelastung. Luftdruckschwankungen, Wetterwechsel, Temperaturanomalien greifen in das neurovaskuläre Gleichgewicht ein und aktivieren das Stresssystem. Jansen verweist auf eine neue Sensibilität für Umweltreize, die mit diffusen, aber realen Angstnarrativen gekoppelt sei – ein Verstärkungsmechanismus, der sich in der klinischen Praxis immer häufiger zeigt.

Kopfschmerz ist damit nicht mehr nur ein isolierter Schmerz, sondern Ausdruck einer biopsychosozialen Überforderung. Die Betroffenen beschreiben neben kognitiven Einbußen auch eine Einschränkung der sozialen Partizipation. Selbst Alltagskommunikation fällt schwer, Schlaf wird zur Stresszone, Bewegung zur Zumutung. In solchen Kontexten sei nicht nur medikamentös, sondern auch psychologisch umzustellen, rät Jansen. Es brauche keine weitere Fokussierung auf das Leid, sondern eine Verschiebung der Perspektive. Der Experte fordert, das klassische Kopfschmerztagebuch in ein Zufriedenheitstagebuch umzuwandeln. Statt täglich den Schmerz zu protokollieren, sollen die guten Tage in den Vordergrund rücken – als Erinnerung an Ressourcen, Resilienz und Handlungsfähigkeit.

Therapeutisch hat sich die Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein als besonders wirksam erwiesen. Studien belegen eine um 20 Minuten schnellere Wirkung gegenüber Mono-Ibuprofen, und auch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft erkennen die Überlegenheit dieser Kombinationspräparate an. Allerdings sei deren Nebenwirkungsprofil zu berücksichtigen. Sie sollten laut Leitlinie erst dann eingesetzt werden, wenn Monopraparate nicht ausreichen. Jansen betont: Der schnell empfundene Wirkungseintritt sei für viele Patienten entscheidend. Gerade in einer Zeit, in der das Leben als unkontrollierbar erlebt werde, vermittle eine rasche Symptomkontroll

Schrottabholung.org – Wir kaufen Kupfer, Messing, Aluminium zu fairen Preisen für Altmetall & Schrott in Bonn

Source: Deutsche Nachrichten
Schrottankauf in Bonn bei einem fahrenden Schrotthändler

Im Ruhrgebiet werden fahrende Schrotthändler auch als Klüngelskerle bezeichnet. Lange Zeit sind sie mit einer unverkennbaren Melodie durch die Straßen gefahren. Das bot die Möglichkeit, spontan Schrott, den man im Keller, auf dem Hof oder dem Dachboden gelagert hatte, einfach abzugeben. Das Spielen der  Musik ist in Bonn nicht mehr gestattet, aber fahrende Schrotthändler gibt es weiterhin. Sie kommen zum Kunden nach einer Terminabsprache. Zum Schrotthandel gehört neben der kostenlosen Abholung auch der Schrottankauf in Bonn.

In vielen Dingen wie Elektrogeräten, Maschinen, Autoteilen oder Kabeln sind wertvolle Metalle enthalten, die sich gut weiter verwerten lassen. Übliche Metalle sind Kupfer, Aluminium, Messing, Zink oder Zinn. In vielen Kleinteilen wie Handys oder Computer-Bauteilen sind sogar Edelmetalle enthalten. Teile, die aus Metall bestehen oder Metall enthalten zählen als Schrott und sind grundsätzlich geeignet für den Schrottankauf.

Mit einem professionellen Anbieter für Schrottankauf wird das Altmetall fachgerecht und umweltschonend entsorgt. Zusätzlich erhält der Kunde Geld für seinen Schrott, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Schrottpreise beim Schrottabholung.org

Schrotthändler zahlen gute Preise für Altmetalle. Der Schrottpreis hängt maßgeblich von der angebotenen Schrottsorte (Kupfer-, Elektro-, Stahl- oder Mischschrott etc.) und der vorliegenden Menge ab. Schrottpreise sind aber auch regelmäßigen Schwankungen unterworfen und lassen sich daher nicht über einen längeren Zeitraum festlegen. Angebot und Nachfrage bestimmen tagesaktuell die Preise.

Neben der Sorte und der Menge ist es für den Anbieter noch relevant, ob er den Schrott lediglich abholt oder ob noch eine Demontage erfolgen soll. Für Hilfe beim Ab- oder Ausbau sind Mitarbeiter und Werkzeuge erforderlich – dieser Aufwand wird mit dem Schrottpreis verrechnet. In der Regel lohnt es sich für den Kunden, denn er spart selbst diese Arbeit. Mit einer Anfrage beim Anbieter Schrottabholung.org erfahren Kunden, welche Schrottpreise sie erzielen können.

Mit dem Schrottankauf in Bonn bei Schrottabholung.org ist eine fachgerechte Entsorgung des Altmetalls gewährleistet. Das Team verfügt über alle notwendigen Genehmigungen und Sachkundenachweise. Der  Schrott wird Entsorgungsbetrieben oder Verwertern zugeführt, die die Aufbereitung übernehmen und so die enthaltenen Metalle als Rohstoffe wieder verfügbar machen.
Gerade mit Metall ist dies sehr gut möglich, da mit dem Einschmelzen keine Qualitätsverluste einher gehen wie bei anderem Material.

https://schrottabholung.org/schrottankauf-bonn/