Apotheken-Nachrichten von heute – Update: Nina Warken übernimmt das Gesundheitsressort, Fixum bleibt offen, ePA verzögert sich

Source: Deutsche Nachrichten
Nina Warken übernimmt das Gesundheitsministerium in einer Zeit, in der sich politische Versäumnisse, ökonomischer Druck und gesellschaftliche Spannungen im Apothekenwesen überlagern. Während die neue CDU-Ministerin Dialogbereitschaft signalisiert, bleibt sie in der entscheidenden Frage der Fixum-Erhöhung vage – ein Schweigen, das in der Branche für Unruhe sorgt. Parallel fordern Apotheker eine 4000-Euro-Gemeinwohlpauschale, die nicht über die Kassen, sondern direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert werden soll. Auch die elektronische Patientenakte enttäuscht: Ihr technischer Start verläuft holprig, die Anwendung bleibt fragmentiert. Hoffnung macht nur der Ausnahmefall Cham, wo eine neue Apotheke in Rekordzeit den Betrieb aufgenommen hat. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Demokratie: Die AfD rückt in mehreren Bundesländern auf Platz eins, während rechtsextreme Parteien weiterhin staatliche Mittel erhalten. In den USA radikalisiert Donald Trump den politischen Diskurs erneut. In diesem Gemenge fordern Apotheken nicht nur Geld oder Technik – sie verlangen verlässliche Politik. Warken muss liefern, nicht lavieren.

Apotheken hoffen auf mehr Rückhalt von Nina Warken

Mit Nina Warken übernimmt erstmals eine CDU-Politikerin das Amt der Bundesgesundheitsministerin in einer Situation, die für Apotheken von struktureller Unsicherheit geprägt ist. Ihre ersten öffentlichen Aussagen bekräftigen die Bedeutung der Apotheken als Grundpfeiler der Arzneimittelversorgung. Warken signalisiert Dialogbereitschaft und den Wunsch, neue Impulse zu setzen. Doch in der entscheidenden Frage nach der Erhöhung des Fixums bleibt sie bislang unkonkret. Für viele Apothekerinnen und Apotheker ist jedoch genau diese finanzielle Stellschraube zentral, wenn es um die Sicherung der wohnortnahen Versorgung geht.

Währenddessen verzeichnet die ABDA mit ihrer neuen Führung einen Generationenwechsel. Der bisherige Kritiker Stefan Hartmann spricht von Aufbruchstimmung und lobt die kommunikative Öffnung. Der Wille zur Veränderung scheint erstmals wieder auf mehreren Ebenen gleichzeitig erkennbar zu sein. Doch aus ökonomischer Sicht fehlt dem viel diskutierten „Zukunftspapier“ der entscheidende Innovationsimpuls. Fachleute bemängeln die vorsichtige Sprache und das Ausweichen vor tiefgreifenden Strukturreformen.

Parallel dazu steht das Projekt der elektronischen Patientenakte erneut auf der politischen Agenda. Der nächste Startschuss für die ePA wirkt wie ein Déjà-vu und ruft Erinnerungen an mehrfach verschobene Fristen wach. Noch immer fehlt es an einer digitalen Gesamtstrategie, die Ärztinnen, Apotheken und Patienten wirklich einbindet und zugleich die föderale Fragmentierung überwindet. Der technische Rahmen ist oft bereit, doch der politische Wille zur konsequenten Umsetzung bleibt vage.

Die neue Ministerin wird sich daran messen lassen müssen, ob sie strukturelle Reformen wagt oder lediglich kommunikative Zeichen setzt. Ohne verbindliche finanzielle Perspektiven für Apotheken und eine stringente Digitalisierungspolitik droht auch diese Amtszeit ein weiterer Abschnitt verwalteter Stagnation zu werden.

Die Berufung von Nina Warken zur Bundesgesundheitsministerin wird in der Apothekenlandschaft mit vorsichtiger Hoffnung aufgenommen. Ihre kommunikative Stärke ist unbestritten und unterscheidet sie bereits in Tonlage und Auftreten von ihrem Vorgänger. Doch Kommunikation allein ersetzt keine politische Entschlossenheit. Die entscheidende Frage lautet, ob Warken bereit ist, auch strukturell Verantwortung zu übernehmen. Denn die Herausforderungen liegen offen auf dem Tisch: Die Unterfinanzierung des Apothekenwesens, die schleppende Digitalisierung und die politisch ungelöste Frage, welche Versorgung der Staat langfristig finanzieren will.

Der Blick auf die ABDA zeigt eine Organisation im Übergang. Der frische Ton aus der Führungsebene ist zu begrüßen, doch der Strukturwandel darf nicht an interner Harmonie enden. Es braucht eine klare Prioritätensetzung, die sich nicht im Moderieren von Zielkonflikten erschöpft. Der Apothekenmarkt steht unter Druck, die betriebswirtschaftliche Realität hat viele Betriebe längst an die Grenzen geführt. Hier genügt kein Dialogversprechen, sondern es braucht regulatorische Klarheit und ökonomische Planungssicherheit.

Ökonomen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das vielzitierte „Zukunftspapier“ die Probleme benennt, ohne sie konsequent zu adressieren. Es fehlt an disruptiven Ideen, an der Bereitschaft, nicht nur zu reformieren, sondern auch loszulassen. Der politische Mut, überregionale Versorgungsmodelle, flexiblere Strukturen und alternative Vergütungssysteme zu denken, ist bislang kaum erkennbar. Dasselbe gilt für die Digitalisierung, deren ewiger Startmodus den Eindruck zementiert, dass politisches Symbolhandeln an die Stelle strategischer Steuerung tritt.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei einer Ministerin, aber ihr Umgang mit dem Fixum, mit der digitalen Umsetzung und mit der Unterstützung der berufsständischen Selbstverwaltung wird zum Gradmesser einer echten Apothekenpolitik. Es ist Zeit, die Verwaltung der Mängel durch die Gestaltung eines funktionierenden Systems abzulösen.

Rechtsextreme Parteien dürfen kein Geld vom Staat erhalten

Der Ruf nach einem Stopp der staatlichen Finanzierung rechtsextremer Parteien wird in Deutschland immer lauter. Angesichts wachsender Wahlerfolge verfassungsfeindlicher Gruppierungen fordern Politiker und zivilgesellschaftliche Organisationen ein Ende der automatischen Mittelzuweisungen aus Steuergeldern. Hintergrund ist die grundgesetzlich garantierte Parteienfinanzierung, die bislang auch extremistischen Organisationen zugutekommt, sofern sie nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten wurden.

In der aktuellen Debatte steht vor allem die AfD im Fokus. Obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz Teile der Partei als gesichert rechtsextrem einstuft, erhält sie weiterhin umfangreiche finanzielle Mittel aus öffentlichen Kassen. Kritik kommt nicht nur aus dem politischen Lager der Mitte, sondern zunehmend auch von Juristen, Wissenschaftlern und Bürgerrechtlern, die den Widerspruch zwischen demokratischem Selbstschutz und verfassungsrechtlicher Gleichbehandlung monieren.

Das Grundgesetz verpflichtet den Staat zur Förderung der politischen Willensbildung. Gleichzeitig schützt es die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor Angriffen. Dieser Zielkonflikt ist nicht neu, gewinnt jedoch angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Polarisierung und der Strategien rechtsextremer Netzwerke neue Brisanz. Die Forderung nach einem Finanzierungsstopp ist dabei keine abstrakte Debatte, sondern eine unmittelbare Konsequenz der Beobachtung, dass öffentliche Gelder zur Stärkung demokratiefeindlicher Strukturen beitragen können.

Rechtlich wäre eine Änderung der bestehenden Regelungen nur über eine Gesetzesreform möglich, die die staatliche Parteienfinanzierung an klare verfassungsrechtliche Loyalitätskriterien bindet. Ein solches Vorhaben würde jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Hürden und politischen Widerstand auslösen. Trotzdem mehren sich die Stimmen, die auf einen konsequenten Umgang mit jenen drängen, die unter dem Schutz der Demokratie gegen eben diese agitieren.

Die Diskussion um eine Neuausrichtung der Parteienfinanzierung steht exemplarisch für die größere Frage, wie eine offene Gesellschaft sich wirksam gegen ihre Zerstörung verteidigen kann. Während das Verbot extremistischer Parteien ein hohes juristisches Niveau erfordert, könnte eine präzisere Bindung staatlicher Mittel an die freiheitliche Grundordnung ein effektiveres Signal senden. Die Demokratie, so der Tenor vieler Debattenbeiträge, darf sich nicht durch ihre eigene Toleranz demontieren lassen.

Die staatliche Finanzierung politischer Parteien ist Ausdruck eines offenen demokratischen Systems. Sie soll Pluralität sichern und die politische Willensbildung unabhängig von vermögenden Interessengruppen ermöglichen. Doch was geschieht, wenn genau jene Parteien öffentliche Mittel erhalten, die die freiheitliche Grundordnung aktiv bekämpfen oder systematisch delegitimieren? Diese Frage ist nicht nur rechtstechnischer, sondern zutiefst politischer Natur.

Das aktuelle Modell der Parteienfinanzierung geht von einem neutralen Wettbewerb der Ideen aus. Es berücksichtigt jedoch zu wenig, dass einige Akteure nicht im Rahmen der demokratischen Spielregeln agieren, sondern diese gezielt unterlaufen. Die Debatte über die AfD zeigt exemplarisch, wie dieser Mechanismus an seine Grenzen stößt. Wenn ein großer Teil der Partei durch den Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, ist es legitim zu fragen, ob staatliche Finanzierung in einem solchen Fall nicht zum Erhalt antidemokratischer Strukturen beiträgt.

Die Politik hat sich lange auf die Logik des Parteienprivilegs verlassen. Doch die Realität hat sich gewandelt. Verfassungsfeinde nutzen gezielt die Freiräume der Demokratie, um diese von innen zu destabilisieren. Dass dies auch mit staatlicher Unterstützung geschieht, ist ein Skandal mit Ansage. Die Verantwortung liegt nun bei den Gesetzgebern, die politischen Spielregeln neu zu justieren, ohne dabei das Prinzip der Gleichbehandlung zu opfern.

Notwendig wäre eine Reform, die staatliche Mittel an eine nachweisbare verfassungsrechtliche Integrität bindet. Diese müsste juristisch klar definiert, politisch durchsetzbar und institutionell überprüfbar sein. Eine solche Schwelle würde die Demokratie nicht schwächen, sondern schützen. Wer die freiheitliche Ordnung mit Füßen tritt, darf nicht länger von ihr profitieren.

Die demokratische Selbstverteidigung verlangt Klarheit im Umgang mit politischen Akteuren, die ihre Feindschaft gegenüber der offenen Gesellschaft zum Programm gemacht haben. Dabei geht es nicht um Meinungsvielfalt, sondern um den Schutz eines Systems, das diese Vielfalt erst möglich macht. Ein entschlossenes Signal der politischen Klasse wäre überfällig.

AfD im Aufwind: Risiken für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Angesichts stetig steigender Umfragewerte der Alternative für Deutschland (AfD) rückt eine mögliche Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Partei in greifbare Nähe. In mehreren ostdeutschen Bundesländern liegt die AfD bereits auf Platz eins oder zwei der politischen Kräfteverhältnisse. Während die Parteispitze den Machtanspruch offen artikuliert, wächst bundesweit die Sorge vor einem politischen Kurswechsel, der zentrale demokratische Prinzipien infrage stellen könnte. Politikwissenschaftler, Verfassungsschützer und zivilgesellschaftliche Organisationen warnen eindringlich vor den Folgen eines solchen Umbruchs.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft Teile der Partei als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Besonders brisant ist die Lage in Thüringen, wo der dortige AfD-Landesverband unter Björn Höcke als gesichert rechtsextrem gilt. Die programmatische Ausrichtung der Partei ist geprägt von einer nationalistischen Rhetorik, pauschaler Ablehnung von Migration, EU-Feindlichkeit und Angriffen auf demokratische Institutionen. Eine Regierungsbeteiligung könnte diesen Positionen nicht nur zusätzliche Sichtbarkeit verschaffen, sondern ihnen auch legislativen Einfluss verleihen – mit unkalkulierbaren Folgen für den Rechtsstaat.

Im politischen Diskurs zeigt sich bereits eine Verschiebung. Begriffe und Narrative, die früher dem rechten Rand vorbehalten waren, finden zunehmend Eingang in Debatten auf Landes- und Bundesebene. Beobachter sprechen von einer schleichenden Normalisierung radikaler Positionen. Die Reaktion anderer Parteien auf diesen Trend ist uneinheitlich: Während einige auf klare Abgrenzung setzen, zeigen sich in manchen Regionen erste Annäherungsversuche – oft mit dem Argument des Wählerwillens oder kommunaler Sachzwänge.

Doch die Erfahrung zeigt, dass demokratische Institutionen nicht immun sind gegen gezielte Unterwanderung. Der politische Gestaltungsanspruch autoritärer Kräfte zielt nicht auf Kompromisse, sondern auf Dominanz. Wo AfD-Funktionäre bereits in kommunalen Gremien wirken, berichten lokale Vertreter von einer Verrohung des Umgangstons und einem gezielten Infragestellen demokratischer Spielregeln. Gleichzeitig wachsen gesellschaftliche Spannungen, befeuert durch Polarisierung, gezielte Desinformation und eine verbreitete Politikverdrossenheit.

Ein strukturelles Problem liegt in der unzureichenden politischen Bildung, besonders in strukturschwachen Regionen. Studien belegen, dass dort häufig grundlegende Kenntnisse über demokratische Prozesse fehlen. Dieses Defizit erleichtert es populistischen Akteuren, mit einfachen Botschaften und emotionalisierter Sprache Zustimmung zu gewinnen. Die Gefahr: Eine wachsende Zahl an Bürgern verliert den Zugang zu faktenbasierten Diskursen und damit das Vertrauen in das bestehende System.

Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft sind nun gefordert, klare Grenzen zu ziehen. Eine Abkehr vom demokratischen Konsens darf nicht durch taktisches Kalkül relativiert werden. Notwendig sind eine Stärkung der politischen Bildung, der Schutz unabhängiger Medien sowie ein konsequentes Einstehen für die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – gerade dann, wenn diese unter Druck geraten. Denn die Geschichte lehrt, dass der demokratische Abstieg meist nicht mit einem Paukenschlag beginnt, sondern mit dem schrittweisen Nachgeben.

Die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung der AfD ist mehr als ein politisches Rechenspiel – sie ist ein Warnsignal. Wer glaubt, extremistische Kräfte ließen sich durch parlamentarische Einbindung zähmen, unterliegt einem gefährlichen Irrtum. Die AfD hat nicht das Ziel, sich in das demokratische System einzufügen, sondern es grundlegend zu verändern – von innen heraus, mit legalen Mitteln, aber autoritärer Agenda.

Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung radikale Positionen an Zustimmung gewinnen. Doch Unsicherheit darf keine Ausrede sein, demokratische Standards preiszugeben. Der Verweis auf Mehrheiten ersetzt nicht das Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Grundlagen des Gemeinwesens. Wer heute Schwellen senkt, wird morgen feststellen, dass es keine Schwellen mehr gibt – weder rechtlich noch moralisch.

Die Verteidigung der Demokratie ist keine Frage parteipolitischer Präferenzen, sondern eine Haltung. Sie verlangt Widerspruch, wo Verächtlichmachung zur Methode wird, und Standhaftigkeit, wo die Angst vor Stimmenverlust zur Versuchung der Anbiederung führt. Eine Gesellschaft, die Freiheit und Recht bewahren will, muss erkennen: Nicht jede Stimme, die laut ist, stärkt das Gemeinwohl. Manchmal ist es gerade das klare Nein, das die Demokratie schützt.

Trump zielt auf Kontrolle statt auf politische Teilhabe

Hundert Tage nach Beginn seiner erneuten politischen Offensive steht Donald Trump im Zentrum einer tiefgreifenden Debatte über die Stabilität der US-amerikanischen Demokratie. Inmitten juristischer Verfahren, parteiinterner Machtverschiebungen und öffentlicher Polarisierung schärft der ehemalige Präsident sein Profil als Gegenmodell zum bestehenden System. Dabei ist nicht allein sein politischer Stil bemerkenswert, sondern die strategische Zielrichtung seiner Kommunikation. Trump spricht nicht mehr zur Mitte, sondern zu einer Bewegung, die in ihm eine Art Gegenregierung sieht. Der Versuch, Legitimität über Mobilisierung statt über Institutionen zu gewinnen, prägt seinen Kurs.

Die Angriffe auf Gerichte, Wahlbehörden und Medien sind nicht punktuelle Ausbrüche, sondern ein kalkulierter Versuch, Vertrauen in zentrale Säulen des demokratischen Systems zu zerstören. Wer Wahlergebnisse systematisch anzweifelt und Richter als Feinde darstellt, legt die Fundamente eines autoritären Klimas. Die ersten hundert Tage dieser Phase zeigen, wie Trump nicht nur den öffentlichen Diskurs verschiebt, sondern auch die republikanische Partei weiter radikalisiert. Innerparteiliche Gegner werden ausgegrenzt, Loyalität wird zur Voraussetzung politischer Karriere. Das Parteiensystem verliert seine Funktion als demokratischer Vermittlungsmechanismus.

Zugleich formt sich eine neue Form des Wahlkampfs, in dem juristische Verfahren nicht als Bedrohung, sondern als politisches Kapital inszeniert werden. Trump nutzt seine Anklagen, um ein Bild der Verfolgung zu zeichnen, das seine Anhänger in ihrer Systemkritik bestärkt. Dieses Narrativ funktioniert nicht trotz der Rechtsbrüche, sondern wegen ihrer politischen Inszenierung. In einer zunehmend fragmentierten Medienlandschaft entfalten solche Bilder eine eigenständige Dynamik, die sich institutioneller Kontrolle entzieht.

In diesem Kontext erscheint Trumps politische Wiederkehr nicht als Rückfall in bekannte Muster, sondern als Weiterentwicklung eines autoritären Projekts. Die Verschiebung demokratischer Normalität erfolgt dabei weniger durch offene Gewalt als durch systemische Erosion. Die Vorstellung, dass Wahlen allein Demokratie garantieren, wird durch Trumps Taktik infrage gestellt. Wenn die Ergebnisse nicht mehr akzeptiert werden, verliert der Prozess seine Verbindlichkeit. Die Vereinigten Staaten erleben derzeit eine demokratische Stressprobe, deren Ausgang auch die Stabilität anderer westlicher Demokratien beeinflussen könnte.

Donald Trumps erneuter Aufstieg in der US-amerikanischen Politik offenbart eine strukturelle Verschiebung, die weit über individuelle Fehltritte hinausgeht. Was sich in den ersten hundert Tagen seiner neuen politischen Phase abzeichnet, ist eine gezielte Strategie der demokratischen Demontage. Dabei steht nicht mehr die Frage im Raum, ob Trump sich im Ton vergreift oder institutionelle Grenzen missachtet. Viel entscheidender ist, dass sein gesamtes politisches Projekt auf der Aushöhlung eben jener Grenzen basiert. Der Konflikt mit Gerichten, Behörden und Medien wird nicht vermieden, sondern systematisch gesucht, um ein Feindbild zu etablieren, das seine Anhängerschaft mobilisiert und den politischen Diskurs verschiebt.

Diese Entwicklung ist nicht allein Trump zuzuschreiben. Sie verweist auf ein tiefer liegendes demokratisches Problem, nämlich die Erosion von Vertrauen und das Versagen politischer Eliten, institutionelle Stabilität aktiv zu verteidigen. Die republikanische Partei spielt dabei eine zentrale Rolle. Statt sich von autoritären Tendenzen zu distanzieren, hat sie sich weitgehend dem Trumpismus unterworfen. Die daraus resultierende Dynamik ist keine innerparteiliche Auseinandersetzung mehr, sondern ein Risiko für die demokratische Ordnung. Wenn der politische Wettbewerb nicht mehr durch Regeln, sondern durch Loyalität zur Person bestimmt wird, verliert das System seine Legitimität.

Auch die Rolle der Medien verdient kritische Reflexion. Die Faszination für Provokation und Skandalisierung hat dazu beigetragen, dass Trumps Strategie der Eskalation Aufmerksamkeit in politisches Kapital verwandeln konnte. Eine funktionierende Demokratie erfordert jedoch mehr als mediale Reichweite. Sie lebt vom Prinzip der Verantwortlichkeit, das durch Trumps gezielte Delegitimierung demokratischer Institutionen massiv untergraben wird. Diese Entwicklung darf nicht mit der Formel der Polarisierung verharmlost werden. Es handelt sich um eine fundamentale Bedrohung für die demokratische Kultur, die keine parteipolitische Neutralität duldet, sondern klare Grenzen braucht.

Der Fall Trump zeigt, dass Demokratie nicht an der Wahlurne endet, sondern dort erst beginnt. Wer sie verteidigen will, muss bereit sein, autoritäre Tendenzen als solche zu benennen und ihnen nicht mit taktischem Schweigen zu begegnen. Die kommenden Monate werden nicht nur über die politische Zukunft der USA entscheiden, sondern auch darüber, ob demokratische Institutionen in der Lage sind, sich gegen gezielte Zersetzung zu behaupten. Es ist die vielleicht größte Bewährungsprobe der westlichen Demokratien seit Jahrzehnten.

Neue Apotheke startet in Cham mit beeindruckender Geschwindigkeit

In der oberpfälzischen Kreisstadt Cham hat im April eine neue Apotheke eröffnet, deren Fertigstellung ungewöhnlich schnell vonstattenging. Die sogenannte Neue Apotheke wurde innerhalb von nur 14 Tagen aus dem Rohbau heraus aufgebaut und konnte bereits vor dem ursprünglich vorgesehenen Termin ihren Betrieb aufnehmen. Möglich wurde dieser rasante Start durch ein funktionierendes Zusammenspiel aus präziser Planung, hoher Einsatzbereitschaft und einem eingespielten Team von acht Mitarbeitenden.

Der logistische Kraftakt umfasste den Aufbau eines kompletten Warenlagers, die technische Ausstattung sowie die Vorbereitung auf den Apothekenbetrieb im Alltag. Trotz der ambitionierten Zeitvorgabe verlief die Umsetzung ohne größere Verzögerungen. Auch der rechtliche Rahmen wurde in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden eingehalten, sodass die neue Betriebsstätte mit Genehmigung und Ausstattung planmäßig und sicher an den Start gehen konnte.

Die Wahl des Standorts in Cham galt im Vorfeld als strategische Entscheidung. Die Apotheke liegt gut sichtbar in einem Bereich mit hoher Kundenfrequenz. Diese Lage wird von den Verantwortlichen als entscheidend für die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projekts angesehen. Gerade in ländlich geprägten Regionen wie der Oberpfalz kann die geografische Positionierung einer Apotheke über ihren langfristigen Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden.

Die Inhaberin oder der Inhaber hat sich bewusst für einen zügigen Aufbau entschieden, um der Bevölkerung frühzeitig pharmazeutische Versorgung bieten zu können. In Zeiten einer angespannten Apothekenlandschaft mit Lieferengpässen, Fachkräftemangel und politischen Unsicherheiten wirkt eine solche Eröffnung wie ein seltenes positives Signal.

Die Neue Apotheke in Cham steht somit nicht nur für einen gelungenen Projektstart, sondern auch für den Versuch, dem Rückzug von Apotheken in der Fläche entschlossen entgegenzutreten. Mit ihrem frühzeitigen Start sendet sie eine Botschaft an die Branche: Mit guter Planung und entschlossener Umsetzung lassen sich auch in schwierigen Zeiten neue Versorgungsangebote schaffen.

Die Eröffnung einer neuen Apotheke in nur zwei Wochen aus dem Rohbau heraus ist mehr als ein logistisches Kunststück. Sie ist ein Signal dafür, dass im deutschen Apothekenwesen trotz aller strukturellen Krisen noch Bewegung möglich ist. Während bundesweit Apotheken schließen oder in ihren Dienstleistungen zurückgefahren werden, setzt Cham auf Aufbruch – und das mit bemerkenswerter Konsequenz. Die vorzeitige Inbetriebnahme spricht für Planungssicherheit, Führungsstärke und ein Team, das an einem Strang zieht. Genau diese Eigenschaften fehlen vielerorts im politisch-regulatorischen Umfeld, in dem Apotheken aktuell agieren müssen.

Die politischen Rahmenbedingungen lassen immer weniger Raum für Expansion oder Gründermut. Dennoch gelingt hier ein Projekt, das Mut zur Verantwortung mit effizienter Umsetzung vereint. Dass ein funktionierendes Team innerhalb von zwei Wochen eine betriebsbereite Apotheke schafft, ist nicht bloß eine organisatorische Leistung, sondern Ausdruck einer Grundhaltung, die dem Rückzug der flächendeckenden Versorgung entgegengesetzt ist.

Besonders bedeutsam ist die Standortwahl. In strukturschwachen Regionen entscheidet oft die Lage über das Überleben einer Apotheke. Die wirtschaftliche Grundlage wird zunehmend durch Verkehrsströme, demografische Entwicklungen und ärztliche Präsenz determiniert. Dass hier mit Weitblick und Standortintelligenz gearbeitet wurde, ist kein Zufall, sondern strategisch zwingend.

Verantwortungsträger in Politik und Standesvertretung wären gut beraten, diese Einzelinitiative nicht nur zu würdigen, sondern als Blaupause für eine neue Versorgungsstrategie zu analysieren. Die Relevanz regionaler Präsenzapotheken lässt sich nicht durch Reallabore oder digitale Parallelstrukturen ersetzen. Wo Mut zur Entscheidung und operative Klarheit zusammentreffen, entstehen reale Versorgungslösungen – und nicht bloß Papierkonzepte.

Die Neue Apotheke in Cham steht beispielhaft für das, was vielerorts fehlt: Initiative, die nicht auf politische Signale wartet, sondern mit professioneller Planung und menschlichem Engagement Realität schafft. Gerade in Zeiten struktureller Verunsicherung sind solche Projekte nicht nur willkommen, sondern dringend notwendig.

Nina Warken bringt frischen Blick in die Gesundheitspolitik

Die CDU-Politikerin Nina Warken soll neue Bundesgesundheitsministerin werden und damit auf Karl Lauterbach folgen. Die Entscheidung kommt überraschend, da Warken bislang weder durch fachpolitische Beiträge im Gesundheitswesen noch durch besondere mediale Präsenz in diesem Bereich aufgefallen war. Dennoch wird ihr Amtsantritt von vielen Beobachtern und Akteuren im Gesundheitswesen mit vorsichtigem Optimismus begleitet. Als Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg war sie zuletzt vor allem in parteiinternen und organisatorischen Fragen aktiv. Fachlich stammt sie aus dem juristischen Bereich und war bereits seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages.

In ihrem Wahlkreis setzte sie sich wiederholt mit der Versorgung im ländlichen Raum auseinander. Dabei kam sie auch mit Apothekenthemen in Berührung. Persönliche Gespräche mit Apothekerinnen und Apothekern, unter anderem in Walldürn im Neckar-Odenwald-Kreis, führten dazu, dass sie sich öffentlich für die Apotheken als tragende Säule in der Versorgung aussprach. Sie thematisierte dabei auch Probleme wie überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel und steigende Kosten. Ihre Nähe zur Basis der Gesundheitsversorgung wird nun von Vertreterinnen und Vertretern der Apotheken als Chance verstanden, einen neuen Dialog zu etablieren.

Der designierte Parlamentarische Staatssekretär Tino Sorge soll Warken künftig im Ministerium unterstützen. Sorge gilt als erfahren und war mehrere Jahre gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Mit seinem angekündigten Fokus auf Kommunikation und Dialog mit den Leistungserbringern setzt er ein bewusstes Signal gegen den Konfrontationskurs seines Vorgängers. In der Apothekenlandschaft und bei anderen Akteuren wird das als positives Zeichen gewertet, denn der Austausch zwischen Ministerium und Berufsgruppen war zuletzt auf einem Tiefpunkt angekommen.

Auch aus der ABDA kommt Zustimmung. Präsident Thomas Preis spricht von einer großen Chance, das Gesundheitssystem patientenorientiert weiterzuentwickeln. Die Erwartungen sind klar: Es geht um weniger Bürokratie, bessere Rahmenbedingungen und eine praxisnahe Reformpolitik. Angesichts der Belastung vieler Akteure im Gesundheitswesen und der strukturellen Defizite bei Digitalisierung, Finanzierung und Versorgungsgerechtigkeit stehen schwierige Aufgaben bevor. Die neue Ministerin wird sich daran messen lassen müssen, ob sie mit dem Rückhalt ihrer Partei und der Unterstützung aus dem Haus zukunftsfähige Impulse setzen kann.

Karl Lauterbach erklärte, er stehe seiner Nachfolgerin für eine geordnete Übergabe zur Verfügung und verwies zugleich auf fertige Gesetze, die nun umgesetzt werden müssten. In vielen Teilen des Gesundheitswesens wird jedoch gefordert, diese Gesetze nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Die Kritik an Lauterbachs Amtszeit war zuletzt vor allem im Apothekenbereich laut geworden, wo zahlreiche Maßnahmen als praxisfern und belastend empfunden wurden. Vor diesem Hintergrund ist der personelle Wechsel im Bundesgesundheitsministerium mehr als ein politischer Routinevorgang. Er markiert einen möglichen Wendepunkt in einer festgefahrenen gesundheitspolitischen Debatte.

Mit der Nominierung von Nina Warken zur neuen Bundesgesundheitsministerin beginnt eine Phase der politischen Neujustierung im wohl krisenanfälligsten Ressort der Bundesregierung. Dass eine bisher fachfremde Juristin dieses Amt übernimmt, erscheint auf den ersten Blick riskant. Doch gerade diese biografische Unbelastetheit birgt eine seltene Chance. Sie erlaubt einen unverstellten Blick auf ein System, das sich in den vergangenen Jahren immer weiter von den Realitäten seiner Akteure entfernt hat. Die gesundheitspolitische Bilanz der vergangenen Legislaturperiode war geprägt von Zentralisierungstendenzen, praxisferner Bürokratie und einem zunehmend technokratischen Stil, der elementare Fragen der Versorgung an die Peripherie gedrängt hat.

Der Amtswechsel steht deshalb weniger für ein personelles als vielmehr für ein strukturelles Korrektiv. Warken muss nun beweisen, dass sie den versprochenen Dialog mit den Leistungserbringern nicht nur als rhetorisches Mittel versteht, sondern als politisches Handlungsprinzip. Die Tatsache, dass sie in ihrem Wahlkreis bereits Erfahrungen mit den Herausforderungen ländlicher Gesundheitsversorgung gesammelt hat, kann dafür ein Ansatzpunkt sein. Entscheidend wird jedoch sein, ob es gelingt, diese punktuelle Nähe zu einem systemischen Verständnis auszubauen, das die unterschiedlichen Realitäten in der Fläche, in der Pflege, in den Apotheken und bei den Versicherten tatsächlich zusammenführt.

Der designierte Staatssekretär Tino Sorge kann dabei eine Schlüsselfunktion einnehmen. Seine gesundheitspolitische Erfahrung und sein erklärter Wille zur Kommunikation könnten helfen, die Blockaden zwischen Politik und Berufsgruppen zu überwinden. Ein solcher Dialog ist überfällig. Die Versorgungskrise in den Apotheken, der Reformstau in der Pflege und die strukturelle Unterfinanzierung des Systems lassen sich nur mit den Betroffenen selbst lösen, nicht gegen sie. Dass ausgerechnet ein Rückzug aus der fachpolitischen Engführung neue Lösungsräume eröffnet, ist eine bittere Pointe dieser Entwicklung. Doch sie verweist auf ein Kernproblem deutscher Gesundheitspolitik: die Abkopplung von Entscheidungsprozessen und Lebensrealitäten.

Der Rückblick auf Lauterbachs Amtszeit sollte dabei nicht zur Abrechnung verkommen, sondern als Mahnung verstanden werden. Fachkompetenz ist kein Garant für politische Sensibilität. Und politische Sensibilität beginnt mit Zuhören. Warken hat die Chance, mit einem Stilwechsel zu punkten, den ihr Vorgänger bewusst vermieden hat. Ob daraus echter Fortschritt entsteht, hängt nun weniger von ihrer Herkunft als von ihrer Haltung ab. Das Gesundheitswesen wartet auf Führung, aber es verlangt nach Verständigung. Beides ist jetzt möglich.

Wann das höhere Fixum für Apotheken wirksam werden kann

Die Zustimmung der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag der Ampelkoalition hat einen weiteren formalen Schritt zur Umsetzung politischer Vorhaben abgeschlossen. Darunter befindet sich auch die geplante Erhöhung des Fixums für Apotheken auf 9,50 Euro pro abgegebenem verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Doch trotz der politischen Einigung bleibt unklar, wann und ob diese Vergütungserhöhung tatsächlich gesetzlich verankert wird. Der Koalitionsvertrag enthält die Ankündigung, doch rechtliche Bindung entsteht erst durch ein formales Gesetzgebungsverfahren.

Bislang liegt weder ein konkreter Gesetzentwurf vor noch ist eine parlamentarische Befassung terminiert. In der Praxis bedeutet dies, dass Apotheken weiterhin mit dem bisherigen Fixbetrag kalkulieren müssen, obwohl steigende Kosten und wachsende Anforderungen an die Versorgung längst eine strukturelle Anpassung nahelegen. Die politische Zustimmung bleibt somit eine Absichtserklärung, deren Umsetzung von mehreren Faktoren abhängt. Besonders gravierend wirkt sich der sogenannte Finanzierungsvorbehalt aus, der in sämtlichen haushaltswirksamen Projekten der Bundesregierung festgeschrieben ist.

Dieser Vorbehalt eröffnet dem Finanzministerium die Möglichkeit, einzelne Maßnahmen zurückzustellen, wenn deren Finanzierung nicht als gesichert gilt. In Anbetracht der aktuellen Haushaltslage und des politischen Drucks zur Konsolidierung öffentlicher Ausgaben erscheint es daher keineswegs gesichert, dass die Erhöhung des Apothekenfixums wie vorgesehen realisiert wird. Zudem ist offen, ob die angedachte Anhebung als dauerhafte Lösung oder lediglich als temporäre Maßnahme verstanden werden soll.

Fachverbände und Kammern hatten die geplante Erhöhung begrüßt, fordern jedoch zugleich eine grundsätzliche Reform der Apothekenvergütung. Insbesondere der fehlende Inflationsausgleich und die unzureichende Berücksichtigung zusätzlicher Leistungen wie pharmazeutische Dienstleistungen sorgen für zunehmenden wirtschaftlichen Druck im Apothekenbetrieb. Auch aus Sicht der Versorgungssicherheit stellt sich die Frage, ob politische Absichtserklärungen ohne zeitnahe Umsetzung geeignet sind, die Attraktivität des Berufsstands zu sichern.

Solange kein konkreter Gesetzesbeschluss vorliegt, bleibt die versprochene Anhebung ein unsicherer Posten. Für Apothekenbetreiber bedeutet dies weiterhin Planungsunsicherheit und wirtschaftliches Risiko. Die Tatsache, dass die politische Einigung mit einem Finanzierungsvorbehalt verknüpft ist, relativiert ihre Bedeutung. Ob aus der Ankündigung ein belastbarer Rechtsanspruch wird, bleibt fraglich.

Die Fixum-Erhöhung auf 9,50 Euro ist ein Paradebeispiel für die Diskrepanz zwischen politischer Ankündigung und gesetzlicher Realität. Was als Teil eines Koalitionsvertrags den Eindruck von Verlässlichkeit erweckt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Vorhaben mit eingebautem Vorbehalt. Der Finanzierungsvorbehalt wirkt wie eine Absicherung gegen die eigene Zusage, mit der sich politische Akteure Handlungsspielraum bewahren, ohne die Verantwortung für deren Folgen zu übernehmen.

Gerade in der Arzneimittelversorgung, die zunehmend unter wirtschaftlichem Druck steht, hat diese Unklarheit weitreichende Folgen. Apotheken, die ohnehin mit hohen Fixkosten, Lieferengpässen und wachsendem Beratungsaufwand konfrontiert sind, brauchen keine symbolischen Versprechen, sondern verlässliche gesetzliche Grundlagen. Die Verzögerung der Umsetzung verschärft ein ohnehin angespanntes Klima, in dem sich viele Apothekenleiter bereits mit Fragen der Existenzsicherung beschäftigen müssen.

Die Verantwortung für diese Situation liegt nicht allein bei der Ampelkoalition, sondern ist Ausdruck eines politischen Grundproblems: Gesundheitsversorgung wird häufig unter fiskalischen Vorbehalten diskutiert, nicht als strategisches Element gesellschaftlicher Daseinsvorsorge verstanden. Die strukturelle Unterfinanzierung im Apothekenwesen ist kein neues Phänomen, sie wird jedoch durch jedes zögerliche Reformversprechen neu zementiert.

Besonders kritisch ist, dass die politische Kommunikation den Eindruck erweckt, als sei die Erhöhung bereits beschlossen. In Wahrheit existiert kein Gesetz, kein Datum, keine Planungssicherheit. Diese Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität untergräbt das Vertrauen in politische Prozesse. Wer Versorgung sichern will, muss verbindlich handeln. Die Apotheke als letzte niedrigschwellige Versorgungsinstanz verdient eine klare Antwort auf die Frage, wann die angekündigte Erhöhung mehr sein wird als ein Satz im Koalitionspapier.

Hartmann erkennt neuen Kurs der Abda als Chance für Reformen

Stefan Hartmann, langjähriger Apothekeninhaber und Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Apothekenkooperationen, zählt zu den bekanntesten standespolitischen Stimmen in der Apothekerschaft. Über Jahre hinweg hatte er die ABDA wiederholt öffentlich kritisiert, häufig mit Verweis auf verkrustete Strukturen und ein veraltetes Selbstverständnis der Berufsvertretung. Inzwischen hat sich seine Haltung deutlich verändert. In einem Gespräch äußert Hartmann sich anerkennend über die neue Führung der ABDA und erkennt in deren Kurs einen Aufbruch, der seiner Ansicht nach lange überfällig war.

Besonders die Nachwuchsorganisation Abyou hebt Hartmann als Motor dieses Wandels hervor. Die junge Generation von Apothekerinnen und Apothekern bringe ein anderes Selbstverständnis mit, sei dialogoffener und pragmatischer im Umgang mit Herausforderungen. Während frühere Führungspersonen der ABDA Reformideen eher blockiert hätten, sehe er nun eine Bereitschaft, sich mit neuen Modellen auseinanderzusetzen. Das sogenannte Zukunftspapier der ABDA wertet Hartmann als ersten sichtbaren Beleg dieser Kurskorrektur. Zwar sei das Papier aus seiner Sicht noch nicht ambitioniert genug, doch bereits die Tatsache, dass es existiert, wäre vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen.

Hartmann macht zugleich deutlich, dass er die Modernisierung des Apothekenwesens nicht nur als Option, sondern als Notwendigkeit betrachtet. Er fordert eine Entbürokratisierung der Betriebsabläufe, eine stärkere Spezialisierung von Apotheken sowie eine Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen. Dabei müsse sich die ABDA aus der Rolle einer reaktiven Verwaltungseinheit lösen und eigene Impulse in politische Debatten einbringen. Für Hartmann gehören dazu auch heikle Themen wie die mögliche Etablierung von Apotheken-GmbHs oder die konsequente Begrenzung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch klare Auflagen.

Deutliche Zustimmung findet bei ihm die neue Kommunikationsstrategie der ABDA. Die Nutzung sozialer Medien, eine offenere Sprache und der sichtbare Wille zum Dialog mit der Basis würden die Standesvertretung glaubwürdiger und präsenter machen. Auch mit Blick auf die politische Landschaft bleibt Hartmann realistisch. Er setzt auf konkrete Ansprechpartner in der Regierungskoalition, denen er eine sachkundige Sicht auf die Probleme der Apotheken zutraut. Zugleich betont er, dass die ABDA nur dann wirkungsvoll agieren könne, wenn sie nicht in innerverbandlichen Machtspielen verharre, sondern gemeinsam mit Fachverbänden an politischen Lösungen arbeite.

Für Hartmann ist die Rolle der ABDA zentral, wenn es darum geht, den Berufsstand zukunftsfähig zu machen. Ob der aktuelle Kurs langfristig trägt, bleibt für ihn offen. Klar ist für ihn jedoch, dass sich der Berufsstand in einer Transformationsphase befindet, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Die Apothekerschaft steht an einem Wendepunkt, und es ist bezeichnend, dass ausgerechnet ein langjähriger Kritiker wie Stefan Hartmann diesen Wandel nicht nur erkennt, sondern aktiv unterstützt. Sein Perspektivwechsel ist nicht Ausdruck persönlicher Nachsicht, sondern ein Indikator dafür, dass sich strukturell tatsächlich etwas bewegt. Wenn eine Organisation wie die ABDA, die über Jahre hinweg für beharrliches Schweigen, symbolische Politik und innerverbandliche Trägheit stand, plötzlich für Reformvorschläge, digitale Kommunikation und jüngere Mitgestaltungskräfte offen ist, dann ist das mehr als ein kosmetischer Wandel. Es ist ein Bruch mit jahrzehntelang gepflegten Routinen.

Dabei benennt Hartmann mit bemerkenswerter Klarheit, woran es der alten ABDA gefehlt hat: an Dialogfähigkeit, Mut zur Spezialisierung, strategischer Orientierung und nicht zuletzt an politischer Schlagkraft. Dass er sich nun von der Nachwuchsorganisation Abyou und dem Zukunftspapier angesprochen fühlt, ist ein Signal an die gesamte Standespolitik. Es zeigt, dass dort, wo tatsächlich neue Perspektiven eingebracht und nicht sofort im Funktionärsapparat versenkt werden, auch langjährige Skeptiker zu Verbündeten werden können.

Doch der Aufbruch bleibt fragil. Die Herausforderungen für Apotheken sind struktureller Natur und reichen weit über symbolische Papiere hinaus. Die Branche leidet unter Überregulierung, wirtschaftlicher Unsicherheit und einem Reformstau, der von politischer Seite nur zögerlich angegangen wird. Ohne eine ABDA, die nicht nur nach innen modernisiert, sondern auch politisch konfrontativ auftritt, wird dieser Wandel schnell versanden. Es genügt nicht, neue Kommunikationsformen zu nutzen, wenn dahinter keine klaren Konzepte stehen.

Hartmanns Appell, der Politik konkrete Vorschläge zur Novellierung apothekenrechtlicher Grundlagen zu unterbreiten, ist daher kein Nebenbeitrag, sondern ein Aufruf zur Verantwortung. Wenn die ABDA es ernst meint mit ihrem neuen Kurs, muss sie genau an dieser Stelle ansetzen. Nur eine selbstbewusste Standesvertretung, die Reformen nicht fürchtet, sondern fordert, wird in der Lage sein, den Berufsstand durch diese Übergangsphase zu führen.

Der Wandel ist möglich, doch er muss politisch wirksam werden. Hartmann hat diese Notwendigkeit erkannt. Ob die ABDA diese Einsicht dauerhaft teilt, bleibt die entscheidende Frage.

Noch fehlt der Durchbruch bei der elektronischen Patientenakte

Die elektronische Patientenakte wird derzeit bundesweit eingeführt, doch trotz formellem Start am 29. April bleibt die Anwendung in der Praxis weitgehend fragmentarisch. Der sogenannte Hochlauf soll Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken schrittweise in die Lage versetzen, medizinische Daten digital bereitzustellen und abzurufen. Ab dem 1. Oktober 2025 wird dies für alle Leistungserbringer verpflichtend. Die Nutzung der ePA bleibt für Versicherte hingegen freiwillig. Damit soll eine neue Ära der digitalen Gesundheitsversorgung eingeläutet werden. In der Realität stehen jedoch zentrale Versprechen weiter in Frage.

Technisch sind ausgewählte Module wie die elektronische Medikationsliste bereits verfügbar, doch essenzielle Komponenten wie der digitale Medikationsprozess werden erst 2026 erwartet. Für Apotheken bedeutet das nicht nur organisatorische Umstellungen, sondern auch erhebliche Haftungsfragen im Umgang mit teils unvollständigen digitalen Medikationsdaten. Die elektronische Patientenakte soll theoretisch ermöglichen, dass Versicherte gezielt steuern, wer welche ihrer Gesundheitsdaten einsehen darf. Doch genau daran gibt es massive Kritik.

Patientenvertreter bemängeln, dass eine gezielte Freigabe einzelner Inhalte an bestimmte Ärzte oder Apotheken bislang nicht möglich ist. So könnten Orthopäden Einblick in psychotherapeutische Behandlungen erhalten, obwohl diese nicht relevant für deren Tätigkeit sind. Die versprochene Feinsteuerung des Datenzugriffs ist bislang nicht realisiert. Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf bestehende Zustimmungsverfahren, ohne die operative Einschränkung zu lösen. Die Debatte um die Datensouveränität der Patienten bleibt damit ungelöst.

Zusätzliche Unsicherheit erzeugen Berichte über gravierende Sicherheitslücken. Der Chaos Computer Club demonstrierte erneut, wie über technische Schwachstellen auf reale Patientendaten zugegriffen werden konnte. Die zuständige Gematik beteuert, das Einfallstor sei unmittelbar geschlossen worden, doch der Vorfall verstärkt den Eindruck einer instabilen digitalen Infrastruktur. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sieht in Teilen der ePA weiterhin Defizite beim Schutz sensibler Informationen.

Auch politisch ist die Lage widersprüchlich. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnet die ePA als das bedeutendste Digitalprojekt in der Geschichte des Gesundheitswesens. Zugleich werden Fragen zur praktischen Umsetzbarkeit, zur Akzeptanz bei medizinischem Personal und zur tatsächlichen Patientenorientierung nicht überzeugend beantwortet. Der politische Wille zur Digitalisierung trifft auf eine Systemlandschaft, die weder technisch homogen noch rechtlich durchdacht erscheint. Die elektronische Patientenakte ist formal Realität, in der Versorgungspraxis jedoch noch nicht angekommen.

Die Einführung der elektronischen Patientenakte offenbart ein grundlegendes Missverhältnis zwischen politischem Anspruch und struktureller Realität. Was als historischer Digitalisierungsschritt gefeiert wird, ist in der Umsetzung geprägt von halbfertiger Technik, ungelöster Datenschutzproblematik und einem bedenklichen Mangel an Transparenz für die Betroffenen. Die ePA ist mehr Symbol als System, mehr Versprechen als funktionierendes Werkzeug. Dass Leistungserbringer gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet werden, während Patienten keine effektive Kontrolle über ihre Daten haben, widerspricht dem grundlegenden Prinzip der informationellen Selbstbestimmung.

Die Bundesregierung suggeriert technologische Reife und juristische Klarheit, obwohl zentrale Fragen zur differenzierten Datenfreigabe und zu IT-Sicherheitsstandards offenbleiben. Der Hinweis, dass Patienten nur mit ihrer Zustimmung Daten teilen, bleibt oberflächlich, solange die Steuerung nicht auf Befundebene funktioniert. Der Anspruch, digitale Autonomie zu ermöglichen, wird unterlaufen von einer Praxis, die ungewollte Einblicke nicht konsequent verhindert.

Besonders kritisch ist der Umgang mit Sicherheitslücken. Der wiederholte Zugriff auf sensible Daten durch den Chaos Computer Club zeigt nicht nur technische Schwächen, sondern auch eine unzureichende Kontrollstruktur. Dass Einfallstore erst nach externen Hinweisen geschlossen werden, widerspricht der Verantwortung, die einem zentralen Datensystem mit hochsensiblen Inhalten zukommt. Hier offenbart sich eine gefährliche Asymmetrie zwischen staatlichem Handlungsanspruch und operativer Fähigkeit.

Die ePA könnte ein Baustein für eine moderne Gesundheitsversorgung sein, doch ihr Erfolg hängt nicht von politischer Rhetorik ab, sondern von der Verlässlichkeit des Systems, von der Akzeptanz der Nutzer und von der Glaubwürdigkeit im Umgang mit sensiblen Informationen. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, bleibt die elektronische Patientenakte ein digitales Experiment mit offenem Ausgang. Wer Digitalisierung will, muss mehr liefern als Pflichten und Pilotphasen. Er muss Strukturen schaffen, die Vertrauen verdienen.

Apotheken fordern staatliche Zusatzpauschale für Gemeinwohlpflichten

Die Freie Apothekerschaft hat eine weitreichende Forderung an die Bundesregierung formuliert. Jede öffentliche Apotheke in Deutschland soll demnach monatlich eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 4000 Euro erhalten. Diese Pauschale soll nicht als Teil des bestehenden Apothekenhonorars verstanden werden, sondern als gesonderte Anerkennung für die Erfüllung gesetzlicher Gemeinwohlpflichten, die im Regelbetrieb von Apotheken anfallen. Die Zahlung soll direkt aus dem Bundeshaushalt erfolgen und nicht über die Krankenkassen finanziert werden. Angesichts wachsender bürokratischer Anforderungen und gesetzlicher Dokumentationspflichten sieht der Verband in der Zusatzpauschale eine dringend notwendige Entlastung für die Apothekenbetriebe.

Als Begründung verweist die Freie Apothekerschaft auf zahlreiche gesetzliche Verpflichtungen, denen Apotheken unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg nachkommen müssen. Dazu zählen etwa Prüfpflichten bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die Sicherstellung des Verbraucherschutzes, die Einhaltung von Lagerungsvorschriften für sensible Arzneimittel oder die umfassende Dokumentation bei Betäubungsmitteln und kühlpflichtigen Präparaten. In einem eigens erstellten Dossier hat der Verband diese und weitere Aufgaben systematisch aufgelistet. Das Papier umfasst inzwischen neun Seiten und dokumentiert die steigende Belastung durch administrative Vorgaben, deren Bearbeitung erheblichen Zeit- und Personalaufwand erfordert.

Die vorgeschlagene Pauschale in Höhe von 4000 Euro soll monatlich aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz überwiesen werden. Damit würde eine direkte staatliche Finanzierung der Gemeinwohlleistungen erfolgen, ohne die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich zu belasten. Politisch brisant ist dabei, dass die Forderung auf die künftige Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) zielt, deren Reaktion auf den Vorstoß bislang aussteht. Der Verband verweist jedoch darauf, dass diese Initiative keine Ausnahmevergütung, sondern eine strukturelle Notwendigkeit darstelle.

Die Debatte um die vorgeschlagene Pauschale wirft zugleich grundlegende Fragen über die bestehende Apothekenvergütung auf. Unklar bleibt seit Jahren, welche Leistungen genau durch das geltende Apothekenhonorar abgegolten werden. Dieses setzt sich aus einem Fixbetrag pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel und einem prozentualen Zuschlag zusammen. Eine gesetzliche Definition der durch das Honorar abgedeckten Leistungen existiert jedoch nicht. Gerade diese Leerstelle nutzt die Freie Apothekerschaft, um auf die unzureichende Berücksichtigung nicht vergüteter Pflichtleistungen hinzuweisen und eine systematische Neuregelung anzustoßen.

Die Initiative fällt in eine Zeit wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit im Apothekenmarkt. Steigende Betriebskosten, Fachkräftemangel und sinkende Erträge treffen auf ein starres Honorarsystem, das kaum Spielraum für strukturelle Anpassungen lässt. Vor diesem Hintergrund wird der Vorschlag als Signal verstanden, den politischen Handlungsdruck zu erhöhen und eine Neubewertung der Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem einzufordern. Ob und in welcher Form die Bundesregierung auf diese Forderung reagiert, bleibt abzuwarten.

Die Forderung der Freien Apothekerschaft ist weit mehr als eine finanzielle Kompensationsbitte. Sie ist ein politisches Signal für eine überfällige Debatte darüber, welche Aufgaben Apotheken im öffentlichen Gesundheitswesen erfüllen und wie diese systematisch vergütet werden sollten. Der Vorschlag einer monatlichen Zusatzpauschale von 4000 Euro bringt das strukturelle Defizit des aktuellen Vergütungssystems auf den Punkt. Denn bislang wird weder definiert noch differenziert, wofür das Apothekenhonorar konkret bezahlt wird. Die pauschale Abgeltung über ein Fixum und einen prozentualen Zuschlag verdeckt die Vielzahl an Aufgaben, die Apotheken für das Gemeinwohl leisten müssen.

Es ist ein strukturelles Problem, dass zentrale Gemeinwohlaufgaben wie Arzneimittelprüfung, Betäubungsmittelkontrolle oder verbraucherschutzrechtliche Dokumentation nicht separat erfasst und bewertet werden. Während Politik und Gesellschaft auf die Zuverlässigkeit der Apotheken im Alltag bauen, bleibt die finanzielle Anerkennung dieser Pflichten nebulös. Die Initiative der Freien Apothekerschaft zwingt damit zur Klärung einer fundamentalen Frage: Ist das bestehende Apothekenhonorar ein wirtschaftliches Leistungsentgelt oder ein Sammelbecken für hoheitliche Aufgaben ohne transparente Zuweisung?

Dass der Vorschlag nicht zulasten der Krankenkassen, sondern aus dem Bundeshaushalt finanziert werden soll, ist ein strategisch kluger Zug. Er entzieht der Debatte den üblichen Reflex, sofort von Beitragserhöhungen oder GKV-Belastung zu sprechen. Stattdessen rückt er die Frage in den Mittelpunkt, wie viel der Staat die Infrastruktur unabhängiger Apotheken wertschätzt – und ob er bereit ist, für gesetzlich auferlegte Leistungen auch unmittelbar Verantwortung zu übernehmen.

Die Rolle der künftigen Wirtschaftsministerin wird dabei zum Prüfstein politischer Ernsthaftigkeit. Sollte die Forderung ignoriert oder lapidar abgetan werden, wäre das nicht nur eine Absage an den Vorschlag selbst, sondern ein Indiz für die anhaltende Geringschätzung eines Berufsstandes, der in der Pandemie viel geleistet hat und seit Jahren unter struktureller Belastung steht. Wer über Versorgungsqualität und Gesundheitskompetenz spricht, darf die ökonomische Realität der Akteure nicht ausblenden.

Die Initiative markiert einen Wendepunkt. Sie fordert keine Einmalzahlung, sondern eine strukturelle Anerkennung von Leistung. Damit ist sie nicht nur finanzpolitisch relevant, sondern ein Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der politischen Debatte über die Zukunft der wohnortnahen Arzneimittelversorgung.

Glosse: Mitbestimmung hinter der Sichtwahl

Es war einmal ein Lagerregal, das gut gefüllt war. Schmerzmittel, Antibiotika, Fiebersäfte, Salben – alles ordentlich sortiert, beschriftet und griffbereit. Doch das war vor der Zeit der Märchen. Heute beginnt jeder Tag in der Apotheke mit einem Ritual, das einst nur die Großhändler kannten: der tägliche Lieferstatusbericht. Und der klingt selten wie ein Happy End.

„Nicht lieferbar“, sagt das System. Und meint: Such dir was anderes. Die Kollegin murmelt etwas von Verfügbarkeitsanfrage, der Kunde sagt, er habe das Medikament aber immer da gekauft, und der Apotheker tippt wie besessen auf seinem Bildschirm, als würde ein geheimer Tastencode das letzte Packungsstück herbeizaubern. Vergeblich. Das Medikament bleibt ein Phantom. Es war einmal – und kommt vielleicht nie wieder.

Lieferengpässe sind das neue Normal. Was früher Ausnahme war, ist heute Standard, und wer das Spiel nicht mitspielt, verliert. Besonders Nerven. PTA verwandeln sich in Recherchekräfte, die mit detektivischem Spürsinn Alternativen ermitteln, packungsgrößenkonvertieren und Rabattverträge entwirren. Einmal Husten, zweimal Lieferstatus, dreimal Kundenverzweiflung.

Manchmal steht da ein Kind mit Fieber am HV-Tisch, die Mutter schaut hilflos, das Thermometer piepst erbarmungslos. Und während draußen der Paketdienst ein weiteres Päckchen mit Retinolserum anliefert, gibt es drinnen kein Penicillin mehr. Prioritäten in Zeiten logistischer Schieflage.

Natürlich wird versprochen, man arbeite mit Hochdruck. Ministerien schreiben Briefe, Kassenverbände geben Empfehlungen, und Großhändler optimieren digital. Was sie nicht liefern können, listen sie jetzt einfach früher aus. Eine Art Präzisionsversagen. Weniger suchen, schneller scheitern.

Die Apotheken stehen mittendrin, ohne Werkzeugkasten. Sie müssen dämpfen, erklären, beruhigen – und nebenbei noch ein alternatives Präparat finden, das nicht 30 Euro Eigenbeteiligung kostet. Das dauert. Und wenn’s dann doch klappt, ist oft das Vertrauen beschädigt. Nicht in die Apotheke, sondern ins System. Denn wie soll man an Versorgung glauben, wenn selbst Paracetamol ein Glücksspiel ist?

Am Ende bleibt ein Kundenbon mit „nicht lieferbar“ und ein Schulterzucken hinter der Plexiglasscheibe. Kein Skandal mehr, sondern Routine. Und vielleicht ist das das eigentliche Problem: dass wir uns an den Mangel gewöhnt haben. An ein Gesundheitswesen mit Ladehemmung.

Es war einmal ein voller Schubkasten. Heute ist da nur noch Luft – und ein Zettel, auf dem steht: „Nachbestellt“.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: E-Rezept, Phishinggefahr und Kostendruck verändern Apotheken nachhaltig

Source: Deutsche Nachrichten
Apotheken in Deutschland geraten durch das E-Rezept in eine strukturelle Schieflage: Die vertraute Bindung zwischen Patient und Apotheke wird durch digitale Rezeptwege zerschlagen, während gleichzeitig Phishingangriffe gezielt auf sensible Betriebsdaten zielen. Der ökonomische Druck wächst durch stagnierende Erträge und steigende Betriebskosten. Kleine Betriebe sehen sich gezwungen, mit begrenzten Mitteln Prozesse zu optimieren und das Sortiment zu erweitern – auch im Notdienst. Während Verbraucherschützer Discounter vor Gericht bringen und das BIP schwach wächst, steigen die GKV-Ausgaben weiter. Hinter dem scheinbaren Rückgang der Gesundheitskosten verbirgt sich das Ende staatlicher Corona-Ausgaben. Zugleich zeigen neue Therapien wie Brensocatib Fortschritte bei Bronchiektasen, und Studien unterstreichen den Stellenwert der Ernährung für das Mikrobiom. Der Alltag vieler Apotheken bleibt davon jedoch unberührt – sie kämpfen um Stabilität in einem System, das sich schneller wandelt als ihre Ressourcen es zulassen.

Approbiert auf Abruf

Es begann, wie viele Umwälzungen unserer Zeit beginnen: mit einem Formular. Genauer gesagt mit dem Antragsformular auf Approbationsverlängerung – zehn Seiten stark, vierfarbig bedruckt, mit QR-Code zur verpflichtenden Uploadplattform. Wer dachte, eine Approbation sei auf Lebenszeit gedacht, kennt den Innovationsdrang deutscher Verwaltungsapparate schlecht. Apotheker sein darf man künftig nur noch auf Probe – wer seine Kompetenzen nicht regelmäßig digital beweist, darf sich bald bei der AfPr melden, der Agentur für Prä- und Requalifizierung. Klingt harmlos. Ist es nicht.

Denn hinter der Bürokratiewand lauert die schleichende Umwertung des Berufs. Aus dem heilkundlichen Vertrauensträger wird ein trackingfähiger Compliance-Erfüller. Das beginnt bei der Fortbildung. Früher ein Fachvortrag im muffigen Saal mit schlechtem Kaffee – heute ein Selfie-Marathon mit Datum, Uhrzeit und W-LAN-Standortfreigabe. Wer keinen Screenshot mit PowerPoint-Folie und aufgerissenen Augen hochlädt, war offenbar nicht dabei. Man will ja sicher sein.

Auch der Alltag in der Offizin unterliegt nun einer ganz neuen Beweispflicht. Der nächtliche Notdienst? Nur echt mit Schrittzähler, Pulsfrequenz und beglaubigter Körpertemperatur. Schlafen ist zwar menschlich, aber künftig karrieregefährdend. Dokumentiert wird im Sechs-Augen-Prinzip, ergänzt durch verpflichtende Smartwatches, die nicht nur den Weg zur Sichtwahl vermessen, sondern auch das neuronale Feuerwerk beim Blister-Sortieren aufzeichnen. Wer zu wenig denkt, wird ausgeloggt.

Die Krönung sind die pharmazeutischen Dienstleistungen, die nun unter Laborbedingungen nachgewiesen werden müssen. Medikationsanalysen werden nicht mehr einfach durchgeführt, sie werden geprüft, gewogen und archiviert. Die Druckseite muss mindestens 80 Gramm wiegen, das Papier neutral riechen und der Ausdruck mit UV-Markierung versehen sein. Zu viel Fantasie? Nein, Realität in einem System, das den Beweis höher wertet als die Handlung selbst.

Versäumt man einen Nachweis, droht der Entzug der Approbation – sofort, ohne Gnade, ohne Rückfrage. Dann geht es zur Nachschulung: Zwei Tage Theorie, ein Tag Escaperoom. Dort müssen die temporären Ex-Apotheker unter Beobachtung nachweisen, dass sie Rabattverträge lesen, Interaktionen erkennen und Placebo von Plazenta unterscheiden können. Alles unter Aufsicht von PTA, versteht sich, die sich nun als Prüfungsaufsicht mit therapeutischem Ernst profilieren.

Die Gebühren trägt natürlich der Prüfling. 1.200 Euro sind ein Sonderangebot für die Rückkehr ins System. Wer in diesem Dschungel überleben will, braucht mehr als pharmazeutisches Wissen – man braucht Nerven, Uploadfähigkeiten und einen ironischen Blick auf den eigenen Berufsstand. Denn während engagierte Kolleginnen Rezepturen für kranke Kinder herstellen, obwohl sie nicht im Dienst sind, geht das System davon aus, dass nur zählt, was nachweisbar ist.

Vielleicht ist das die eigentliche Pointe: Der Beruf ist noch da, aber seine Anerkennung verläuft über andere Kanäle. Vertrauen wird zur Fußnote. Und während vor der Apotheke ein Versand-Plakat prangt, während Mütter um Off-Label-Kosten kämpfen und Versender aus dem Amazon-Regal fliegen, drinnen die große Prüfung. Der weiße Kittel bleibt – aber er sitzt enger als je zuvor.

Patienten profitieren von der Wahl doch Apotheken zahlen den Preis

Mit der Einführung des elektronischen Rezepts verändert sich die Apothekenlandschaft in Deutschland grundlegend. Was über Jahrzehnte durch Papierformulare klar geregelt war, unterliegt nun einer digitalen Logik, in der sich alte Gewissheiten auflösen. Patienten konnten früher ihre verschriebenen Medikamente nahezu automatisch in der nächstgelegenen Apotheke einlösen. Diese Bindung beruhte nicht nur auf regionaler Nähe, sondern auf einem System, das physische Präsenz mit Versorgungssicherheit verknüpfte. Das E Rezept hat diese Struktur aufgebrochen und durch ein neues Marktmodell ersetzt, das von digitaler Vielfalt und ökonomischem Wettbewerb geprägt ist.

Inzwischen haben sich zahlreiche digitale Kanäle etabliert, über die Patienten ihr E Rezept einlösen können. Neben der klassischen Vor-Ort-Apotheke treten nun Apps, Rezeptterminals, Versandapotheken und Plattformen wie gesund.de oder ia.de in direkte Konkurrenz. Dabei eint sie ein Ziel: den Zugriff auf die Verordnung. Was aus Sicht von Patienten als Erweiterung ihrer Wahlfreiheit erscheint, bedeutet für stationäre Apotheken eine tiefgreifende Transformation ihres Geschäftsmodells. Der Rezeptfluss folgt nicht mehr allein der räumlichen Nähe, sondern zunehmend der technischen Infrastruktur und den investierten Marketingbudgets.

Besonders aggressive Strategien sind bei großen Versandapotheken zu beobachten. Einige Anbieter versuchen mit erheblichen finanziellen Mitteln, die digitalen Verordnungen gezielt auf ihre Plattformen umzulenken. Technische Lösungen, begleitet von umfangreichen Werbekampagnen, sollen dafür sorgen, dass möglichst viele E Rezepte in das europäische Ausland abwandern. Noch sind die Marktanteile dieser Anbieter überschaubar, doch der Trend ist unübersehbar. Die strukturellen Voraussetzungen für eine langfristige Verdrängung der wohnortnahen Versorgung wachsen von Tag zu Tag.

Gleichzeitig entstehen in rasantem Tempo neue Anbieterstrukturen, die mit eigenen Hard- und Softwarelösungen den Zugang zum Rezeptmarkt organisieren wollen. Für Apotheken bedeutet das hohe Investitionen in fremdbestimmte Infrastrukturen. Wer im digitalen Wettbewerb bestehen will, muss sich an Plattformen anschließen, Terminals anschaffen oder App-Kompatibilität herstellen. Die Kosten dafür tragen in der Regel nicht die Hersteller oder Entwickler, sondern die Apotheken selbst. Damit droht eine wirtschaftliche Überforderung vor allem kleiner Betriebe, die nicht über die notwendigen Mittel oder personellen Ressourcen verfügen.

Staatliche Gegeninitiativen wie die Gedisa konnten bislang keine wirksame Steuerungsfunktion entfalten. Zwar wurde öffentlich viel in digitale Lösungen investiert, doch der tatsächliche Nutzen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Der Wildwuchs an Insellösungen zeigt deutlich, dass ein strukturierter Ordnungsrahmen fehlt. Die fehlende Koordination zwischen öffentlichen und privaten Anbietern gefährdet nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Apotheken, sondern auch die langfristige Stabilität der Arzneimittelversorgung.

Ohne eine klare politische Rahmensetzung droht sich das E Rezept von einem Instrument zur Versorgungserleichterung in ein Vehikel ökonomischer Entkopplung zu verwandeln. Die digitale Wahlfreiheit für Patienten darf nicht auf dem Rücken der stationären Versorgung erkauft werden. Der Markt darf nicht frei entscheiden, wer künftig Rezepte empfängt, wenn dabei die wohnortnahe Versorgung unter die Räder kommt.

Die Digitalisierung des Rezeptwesens steht beispielhaft für die strukturellen Verwerfungen, die entstehen, wenn technische Innovation politisch gewollt, aber nicht regulatorisch eingebettet wird. Das E Rezept sollte ein Instrument zur Vereinfachung der Versorgung sein, doch in der Realität hat es sich zum Eintrittstor für eine Marktlogik entwickelt, die Apotheken unter massiven Anpassungsdruck setzt. Die Patientinnen und Patienten erhalten mehr Optionen, doch die daraus resultierenden Lasten sind ungleich verteilt.

In der Verantwortung stehen vor allem die politischen Entscheidungsträger, die diese Entwicklung nicht nur zugelassen, sondern strukturell begünstigt haben. Anstatt ein digitales Ökosystem mit klaren Regeln, Standards und Lastenverteilungen zu schaffen, wurde ein Modell gefördert, das private Plattformanbieter bevorteilt und öffentliche Infrastrukturprojekte wie die Gedisa ineffizient ausgestattet zurücklässt. Das Resultat ist ein ökonomisches Ungleichgewicht, das nicht nur einzelne Apotheken gefährdet, sondern perspektivisch die flächendeckende Versorgung infrage stellt.

Besonders kritisch ist, dass die wirtschaftlichen Risiken der Digitalisierung in weiten Teilen auf die Apothekerschaft verlagert wurden. Wer im digitalen Wettbewerb bestehen will, muss investieren, oft ohne Planungssicherheit, Kostenkontrolle oder langfristige Perspektive. Diese strukturelle Asymmetrie hebelt nicht nur das Prinzip der Gleichwertigkeit in der Versorgung aus, sondern öffnet auch Tür und Tor für eine kalte Marktverdrängung.

Dass ausgerechnet die Versender, die jahrzehntelang auf regulatorische Schranken stießen, nun mit Hilfe des E Rezepts systematisch Marktanteile aufbauen, zeigt die strategische Unterschätzung ihrer Ambitionen durch die Politik. Hier wurde ein Einfallstor geschaffen, das – einmal geöffnet – nicht mehr leicht zu schließen ist. Die digitale Rezeptlenkung ist längst Realität. Was fehlt, ist ein politisches Korrektiv, das diese Entwicklung zugunsten der Allgemeinheit einhegt.

Der Verweis auf technische Innovation reicht nicht aus, wenn das Ergebnis sozialer Rückbau ist. Der Staat ist gefordert, nicht nur Infrastruktur zu finanzieren, sondern auch Regeln zu setzen, die eine faire Verteilung von Risiken und Chancen gewährleisten. Andernfalls wird die Digitalisierung zum Motor struktureller Ungleichheit im Gesundheitswesen.

Gefälschte Behördenmails bedrohen Apotheken im täglichen Betrieb

Die Bundesnetzagentur warnt eindringlich vor einer aktuellen Serie von Phishingmails, in denen sich Betrüger als staatliche Stellen ausgeben und gezielt Apotheken sowie andere Einrichtungen angreifen. Die E Mails suggerieren eine Verbindung zum Bundeszentralamt für Steuern und fordern die Empfänger auf, ihre IBAN Daten über einen Link zu aktualisieren. Dabei verwenden die Täter den Absendernamen Bundesnetzagentur Mainz und nutzen die gefälschte Adresse info@bundesnetzagentur.org, die auf den ersten Blick amtlich wirkt. Die Empfänger werden in der Nachricht gedrängt, kurzfristig zu handeln, da angeblich eine neue Plattform zur Abwicklung von Steuererstattungen aktiviert wurde.

Laut Bundesnetzagentur handelt es sich um eine professionelle Täuschung mit dem Ziel, sensible Bankdaten zu erbeuten. Die E Mails stammen nicht von einer staatlichen Stelle, die verlinkten Seiten stehen in keinem Zusammenhang mit offiziellen Behörden. Die Behörde ruft dazu auf, die Nachrichten sofort zu löschen, keine Links zu öffnen und insbesondere keine persönlichen Daten einzugeben. Auch solle das private und berufliche Umfeld sensibilisiert werden, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern. Die Kommunikation mit krimineller Absicht nutzt gezielt das Vertrauen in den Behördenapparat, um Empfänger zur unüberlegten Preisgabe vertraulicher Informationen zu verleiten.

Derzeit mehren sich die Hinweise, dass insbesondere Apotheken durch diese Masche ins Visier geraten. Im hektischen Betriebsalltag werden E Mails häufig unter Zeitdruck bearbeitet, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass gefälschte Nachrichten nicht rechtzeitig erkannt werden. Der Apothekerverband Westfalen Lippe hatte bereits auf einer Fachtagung darauf hingewiesen, dass Cybersicherheit im Apothekenwesen ein drängendes Thema sei. Neben technischen Schutzmaßnahmen wie Firewalls und sicheren E Mail Servern wird verstärkt auf organisatorische Vorkehrungen gesetzt. Dazu zählen Schulungen des Personals, klare Zuständigkeiten für digitale Kommunikation und verbindliche Reaktionsprotokolle im Verdachtsfall.

Auch Versicherungsfragen treten in den Vordergrund. Angesichts wachsender Risiken gewinnen Cyberversicherungen und Vertrauensschadenversicherungen an Bedeutung. Sie bieten finanzielle Absicherung gegen Vermögensschäden durch digitale Angriffe, etwa bei Datenverlust, Betriebsunterbrechung oder manipulierten Überweisungen. Für Apothekenbetriebe kann eine passende Police im Ernstfall über die wirtschaftliche Existenz entscheiden. Die aktuelle Phishingwelle zeigt deutlich, dass digitale Bedrohungen nicht mehr hypothetisch sind. Sie gehören zum betrieblichen Risikoalltag und erfordern eine strukturierte Antwort auf technischer, organisatorischer und finanzieller Ebene.

Der digitale Angriff auf Apotheken im Gewand staatlicher Kommunikation ist mehr als ein Einzelfall. Er ist Symptom einer strukturellen Schwäche im deutschen Gesundheitswesen. Apotheken sind im Alltag hochreguliert, wirtschaftlich unter Druck und digital zunehmend exponiert. Sie verwalten sensible Daten, arbeiten mit komplexen IT Schnittstellen und stehen dennoch ohne flächendeckende Unterstützung beim Schutz vor Cyberbedrohungen da. Die nun bekannt gewordene Betrugsmasche nutzt genau diese Schwachstelle aus. Sie kombiniert den Vertrauensvorschuss für Behörden mit der realen Überforderung vieler Betriebe im Umgang mit digitaler Kommunikation.

Staatliche Stellen wie die Bundesnetzagentur leisten Aufklärungsarbeit, doch diese erreicht den Apothekenalltag oft zu spät. Wichtiger wäre eine präventive Infrastruktur, die Cybersicherheit nicht zur Privatsache einzelner Betriebe erklärt. Die Apothekenkammern und Verbände müssten die IT Resilienz ihrer Mitglieder systematisch fördern, statt sie lediglich auf rechtliche Rahmenbedingungen zu verweisen. Ein branchenspezifisches Frühwarnsystem, klare Notfallroutinen und verpflichtende Sicherheitsstandards wären ein erster Schritt, um die strukturelle Lücke zu schließen.

Zudem muss die Politik erkennen, dass Cybersicherheit im Gesundheitswesen keine Randfrage ist. Angriffe auf Apotheken gefährden nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch die Versorgungssicherheit und das Vertrauen der Bevölkerung. Wer Apotheken in eine digitale Infrastruktur zwingt, ohne zugleich ihre Schutzmechanismen zu stärken, handelt fahrlässig. Förderprogramme und Beratungsangebote gibt es zwar, doch sie sind bürokratisch, unübersichtlich und selten praxisnah. Damit die Schutzlücke nicht weiter wächst, braucht es gezielte Unterstützung statt technischer Appelle.

Nicht zuletzt stehen auch die Apothekenbetreiber selbst in der Verantwortung. Der Schutz vor Phishing ist kein einmaliges Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Wer E Mail Kommunikation ernst nimmt, muss Ressourcen für Fortbildung, Absicherung und Personalzeit einplanen. Auch der Abschluss geeigneter Versicherungen ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern Ausdruck eines realistischen Risikobewusstseins. Die digitale Bedrohung verlangt kein Heldentum, sondern strategische Vorsorge. Die Phishingwelle ist ein Warnruf für das ganze System. Wer ihn überhört, riskiert weit mehr als eine kompromittierte Mailbox.

Automatisierung wird zum Schlüssel für stabile Apothekenstrukturen

Viele Apotheken stehen unter wachsendem ökonomischem Druck. Die Betriebskosten steigen, die Einnahmen stagnieren, und die regulatorischen Anforderungen nehmen zu. Besonders kleinere Offizinbetriebe abseits der Großstädte müssen Wege finden, um ihre Abläufe effizienter zu gestalten. Automatisierung und Prozessoptimierung sind dabei längst keine freiwillige Option mehr, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Doch nicht jede Maßnahme verlangt große Investitionen oder technologische Komplettlösungen. In vielen Fällen reichen organisatorische Anpassungen aus, um spürbare Effekte zu erzielen.

Im Zentrum steht die Reduktion von Standardtätigkeiten, die das pharmazeutische Fachpersonal entlasten und Freiraum für Beratung schaffen. Repetitive Aufgaben wie Lagerpflege, Terminvergabe oder interne Kommunikation lassen sich mit einfachen digitalen Mitteln strukturieren. Digitale Pinnwände und Kommunikationstools lösen Zettelwirtschaft und fehleranfällige Übergaben ab. Gleichzeitig verbessert eine klare Aufgabenverteilung die Transparenz und steigert die Verlässlichkeit betrieblicher Prozesse.

Besonders wirksam ist die Einführung fester Zeitfenster für komplexe Aufgaben. Rezepturherstellung, Botendienstvorbereitung oder BTM-Dokumentation können deutlich effizienter erledigt werden, wenn sie ohne ständige Unterbrechung erfolgen. Gleichzeitig reduzieren sich Fehlerquoten und psychische Belastungen im Team. Der Apothekenalltag wird planbarer und ruhiger. Solche Maßnahmen setzen keine neuen Geräte voraus, sondern verlangen vor allem Disziplin, Kommunikation und eine klare Führungsstruktur.

Ein weiterer wichtiger Hebel ist die Steuerung der telefonischen Erreichbarkeit. Telefonanlagen lassen sich so programmieren, dass Zuständigkeiten automatisch zugewiesen werden. Der Einsatz zusätzlicher Kommunikationskanäle wie Messenger oder E-Mail entlastet das Personal und ermöglicht eine strukturierte Bearbeitung eingehender Anfragen. Bestellungen per Text lassen sich nachvollziehbar dokumentieren und bei Bedarf leichter delegieren.

Auch die Organisation pharmazeutischer Dienstleistungen profitiert von digitalen Planungsinstrumenten. Termine für Pflegehilfsmittelberatung, pDL oder Impfungen lassen sich softwaregestützt koordinieren, was nicht nur Ressourcen schont, sondern auch die Kundenzufriedenheit erhöht. Die Struktur solcher Angebote macht den Unterschied zwischen Zusatzaufwand und wirtschaftlicher Zusatzleistung.

Der größte Effizienzgewinn liegt jedoch in der Warenlogistik. Automatisierte Kommissionierer verbessern die physische Verteilung von Arzneimitteln erheblich. Moderne Warenwirtschaftssysteme unterstützen darüber hinaus bei der Preisgestaltung, Bestandssteuerung und Rabattvertragsprüfung. Damit lassen sich nicht nur Lagerkosten reduzieren, sondern auch die Lieferfähigkeit verbessern und Kapitalbindung minimieren. Die Integration externer Softwarelösungen ermöglicht zudem eine flexiblere und oftmals kostengünstigere Prozesssteuerung, wenngleich technische Schnittstellen hierbei eine Herausforderung darstellen können.

Auch das Apothekenbüro bietet Möglichkeiten zur Automatisierung. Dokumentenmanagement-Systeme entlasten bei der Ablage, der Buchhaltung und der Aufbereitung interner Unterlagen. Insbesondere cloudbasierte Lösungen erhöhen die Ausfallsicherheit und ermöglichen eine transparente Zugriffsteuerung. Texterkennung beschleunigt Arbeitsabläufe, Schnittstellen zu Buchhaltungsprogrammen verkürzen Bearbeitungszeiten. Die Digitalisierung administrativer Prozesse bringt Ordnung in einen Bereich, der oft übersehen wird, obwohl er zentrale Funktionen erfüllt.

Die Summe dieser Maßnahmen schafft keine digitale Apotheke, aber eine belastbare, wirtschaftlich stabile Struktur. Gerade in Phasen der Übernahme oder Neugründung können solche Prozessverbesserungen langfristig über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Wer bereit ist, bestehende Routinen kritisch zu hinterfragen, muss nicht auf den großen technologischen Wurf warten, sondern kann mit pragmatischen Schritten entscheidende Fortschritte erzielen.

Die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit inhabergeführter Apotheken krankt oft daran, dass strukturelle Probleme mit rein politischen Maßnahmen beantwortet werden sollen. Doch unabhängig von Honoraranpassungen und gesetzgeberischen Signalen bleibt eine betriebsinterne Frage ungelöst: Wie effizient sind Apotheken heute tatsächlich aufgestellt. Die Antwort darauf fällt ernüchternd aus. Vielerorts dominieren analoge Routinen, fragmentierte Kommunikation und unstrukturierte Abläufe den Alltag. Gerade bei kleinen und mittleren Betrieben fehlt es häufig an Zeit, nicht an Technik oder Willen. Genau hier setzen pragmatische Prozessoptimierungen an.

Die Verantwortung liegt dabei nicht allein beim Staat, sondern in der Führungsebene jeder Apotheke. Wer trotz Fachkräftemangel, Digitalisierungsschub und wachsender Anforderungen an Beratung und Dokumentation weiterhin auf improvisierte Zettelwirtschaft setzt, riskiert nicht nur Effizienzverluste, sondern unterminiert auch das Vertrauen ins eigene System. Es reicht nicht aus, auf Entlastung durch Reformen zu warten. Die Modernisierung muss von innen kommen. Das schließt technologische Lösungen ein, bedeutet aber vor allem eines: eine präzise Organisation des Betriebs.

Politisch wird die Relevanz der Apotheken immer wieder betont, doch operative Unterstützung bleibt oft symbolisch. Deshalb ist die betriebswirtschaftliche Selbstbehauptung entscheidend. Apotheken, die interne Prozesse automatisieren, gewinnen nicht nur Zeit für das Wesentliche, sondern sichern sich einen strategischen Vorteil gegenüber stagnierenden Wettbewerbern. Prozessoptimierung ist kein Luxusprojekt, sondern ein Instrument zur Sicherung der Versorgungsqualität.

Was dabei oft unterschätzt wird, ist die psychologische Komponente. Klar strukturierte Abläufe reduzieren nicht nur Fehler, sondern auch Stress. Sie stärken die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter und führen zu einer Arbeitskultur, die auf Verantwortung und Vertrauen basiert. Gerade in einer Branche, die unter strukturellem Nachwuchsmangel leidet, ist das ein wesentlicher Faktor für Attraktivität und Bindung.

Statt sich also auf den Status quo zurückzuziehen, braucht es den Mut zur strukturellen Selbstkorrektur. Nicht im Sinne eines technischen Overkills, sondern durch konsequente Klarheit in Aufgaben, Abläufen und Zuständigkeiten. Nur so entsteht aus dem täglichen Apothekenbetrieb wieder ein Ort, an dem Versorgung, Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft ineinandergreifen. Wer das erkennt, kann auch ohne große Investitionen viel verändern.

Prozessoptimierung gelingt auch mit schmalem Budget

Viele Apotheken kämpfen mit steigender Belastung im Betrieb, wachsendem bürokratischem Aufwand und einer angespannten Personalsituation. Vor allem inhabergeführte Offizinen mit begrenzten Mitteln stehen vor der Herausforderung, ihre Abläufe effizienter zu gestalten, ohne größere Investitionen tätigen zu können. Doch gerade im Kleinen lassen sich durchdachte Strukturen schaffen, die spürbare Entlastung bringen. Wer bereit ist, Routinen zu hinterfragen und einfache Lösungen umzusetzen, kann mit wenig Aufwand viel erreichen.

Ein Beispiel für sofort umsetzbare Verbesserungen ist die Einführung von Rollbrettern für Großhandelskisten. Diese Maßnahme senkt die körperliche Belastung beim Warenhandling, verringert das Risiko von Arbeitsunfällen und beschleunigt die Versorgung der Sicht- und Freiwahl. Für kleine Betriebe mit häufigen Lieferungen stellt dies eine pragmatische Erleichterung des Arbeitsalltags dar, die sich schnell amortisiert.

Ebenfalls unterschätzt wird häufig die technische Ausnutzung der bestehenden Telefonanlage. Viele Apotheken nutzen die vorhandenen Funktionen nicht aus, obwohl sich durch gezielte Einstellungen wie automatische Weiterleitungen, differenzierte Ansagetexte oder zeitlich gesteuerte Erreichbarkeit eine erhebliche Entlastung schaffen lässt. Der Effekt ist messbar, wenn stoßzeitenbedingte Unterbrechungen reduziert und Zuständigkeiten besser kanalisiert werden.

Neben organisatorischen Maßnahmen bieten auch digitale Werkzeuge erhebliche Potenziale. Webbasierte Tools wie ApoCollect, DocBox oder MEP24 sind speziell auf Apotheken zugeschnitten und erlauben eine strukturierte Lagerverwaltung, rechtssichere Dokumentation und planbare Personaleinsatzsteuerung. Die Einstiegshürden sind niedrig, der Nutzen für kleine Apotheken dagegen hoch, wenn die Anwendungen konsequent in bestehende Prozesse eingebunden werden.

Auch der Austausch mit dem Steuerberater kann effizienter gestaltet werden. Die Umstellung auf Datev Unternehmen Online erlaubt eine automatisierte, digitale und revisionssichere Übertragung von Belegen, was nicht nur Arbeitszeit spart, sondern auch die Transparenz in der Betriebsführung erhöht. Insbesondere in Phasen hoher Abrechnungslast wie zum Monats- oder Quartalsende zeigt sich der Nutzen eines klar strukturierten Datenflusses.

Schließlich lassen sich auch im Bereich des Forderungsmanagements pragmatische Vereinfachungen erzielen. Die konsequente Umstellung von Rechnungskunden auf SEPA-Lastschrifteinzug reduziert Zahlungsausfälle, vermeidet Rückfragen und führt zu einem geregelteren Zahlungsverkehr. Die Voraussetzung ist eine klare Kommunikation mit den Kunden und die konsequente Durchsetzung dieser Regelung im Alltag.

Diese Maßnahmen zeigen, dass Prozessoptimierung in Apotheken nicht zwingend mit großen Budgets verknüpft sein muss. Vielmehr liegt der Schlüssel in einer kritischen Analyse der eigenen Abläufe, einer offenen Haltung gegenüber Veränderungen und dem Mut zur konkreten Umsetzung kleiner, aber wirksamer Schritte. Wer diese Elemente systematisch angeht, legt den Grundstein für einen nachhaltig stabileren Apothekenbetrieb.

Die Diskussion über Effizienzsteigerung in Apotheken kreist oft um große Digitalisierungsprojekte oder bauliche Umgestaltungen, während alltägliche Stellschrauben unbeachtet bleiben. Dabei liegt ein erheblicher Teil des betrieblichen Potenzials gerade in den kleinen Maßnahmen, die keine zusätzlichen Investitionen erfordern, sondern lediglich Organisationswille und Führungsstärke. Wer die Prozessoptimierung auf pragmischer Ebene vernachlässigt, gefährdet auf Dauer nicht nur die wirtschaftliche Tragfähigkeit, sondern auch die Teamzufriedenheit.

Der gesundheitspolitische Rahmen zwingt viele Apotheken in eine reaktive Haltung. Die stagnierenden Honorare, die zunehmende Bürokratie und die digitale Regulierungslast machen vorausschauende Betriebsführung schwerer. Doch gerade unter diesen Bedingungen zeigt sich, wie wichtig eine klare interne Struktur ist. Wenn einfache Aufgaben nicht störungsfrei ablaufen, potenziert sich das Problem im ganzen Betrieb. Rollbretter oder Telefonumstellungen mögen banal erscheinen, doch sie wirken direkt auf das Wohlbefinden und die Produktivität des Teams.

Die Verantwortung liegt dabei nicht allein bei den Apothekeninhaberinnen und -inhabern. Auch Standesvertretungen und Berufsverbände haben versäumt, den Fokus auf niedrigschwellige Strukturverbesserungen zu lenken. Stattdessen wurde die Aufmerksamkeit auf externe Förderprogramme oder politische Forderungen konzentriert. Dabei zeigt sich in der Praxis, dass viele Apotheken bereits mit wenigen Maßnahmen ihre Lage stabilisieren könnten, wenn sie dabei besser unterstützt würden.

Nicht zuletzt verdeutlicht der Themenkomplex auch eine systemische Herausforderung. In einem Berufsstand, der zunehmend unter ökonomischem Druck steht, werden einfache betriebswirtschaftliche Prinzipien oft übersehen. Der strukturierte Einsatz von Ressourcen, die Automatisierung wiederkehrender Prozesse und die Vermeidung unnötiger Doppelarbeiten sind keine Luxusfragen, sondern Überlebensstrategien. Wer hier versagt, riskiert nicht nur Effizienz, sondern auch die Zukunftsfähigkeit seiner Apotheke.

Der Ruf nach Reformen im Großen ist legitim, doch er darf den Blick für das Machbare im Kleinen nicht verstellen. Prozessoptimierung beginnt nicht mit der Technik, sondern mit der Haltung. Wer das versteht, wird mit wenig Mitteln viel erreichen können.

Apotheken erweitern das Sortiment für den Notdienst

In vielen Apotheken ist es eine Szene, die sich regelmäßig wiederholt: Ein nächtlicher Anruf, eine verzweifelte Nachfrage, nicht nach Schmerzmitteln oder Antibiotika, sondern nach Windeln. Für viele pharmazeutische Fachkräfte ist das ein Störfaktor im ohnehin fordernden Notdienstbetrieb. Doch während mancherorts Unverständnis herrscht, reagierte eine Apothekerin aus Bayern mit praktischer Konsequenz. Laura Schöpplein, Inhaberin der Rottal Apotheke in Rott, hat das Sortiment ihrer Apotheke gezielt erweitert und bietet nun auch Windeln während des Notdienstes an.

Der Schritt ist eine Reaktion auf eine Entwicklung, die viele Kolleginnen und Kollegen beobachten. Der Notdienst ist längst nicht mehr nur eine pharmazeutische Anlaufstelle. Er wird zunehmend auch als letzte verbliebene Möglichkeit gesehen, dringende Bedarfe außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten zu decken. Insbesondere im ländlichen Raum, wo Supermärkte und Drogerien früh schließen oder am Wochenende nicht erreichbar sind, geraten Apotheken in eine neue Rolle. Sie werden zu Ersatzversorgern für Produkte des täglichen Bedarfs. Windeln stehen dabei exemplarisch für eine Versorgungslücke, die viele Familien konkret betrifft.

Anstatt die wiederkehrenden Anfragen als unzulässig abzutun, hat Schöpplein einen pragmatischen Weg gewählt. Sie erkannte, dass der Bedarf real ist und sich nicht einfach wegregulieren lässt. Mit der Aufnahme von Windeln in verschiedenen Größen in das Notdienstsortiment begegnet sie nicht nur der Nachfrage, sondern auch einem Versorgungsproblem, das strukturelle Ursachen hat. Ihre Apotheke übernimmt damit eine Verantwortung, die über das klassische pharmazeutische Leistungsspektrum hinausgeht.

Derartige Entscheidungen sind nicht ohne organisatorischen Aufwand. Die Lagerhaltung muss angepasst, die Verfügbarkeit sichergestellt und das Personal sensibilisiert werden. Doch der Zugewinn an Versorgungssicherheit wiegt für Schöpplein schwerer als die logistischen Hürden. Ihre Entscheidung zeigt exemplarisch, wie Apotheken auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können, ohne ihre pharmazeutische Kernkompetenz zu unterlaufen.

Das Beispiel aus Rott verdeutlicht zudem, dass Apothekerinnen und Apotheker heute mehr denn je gefragt sind, ihre Rolle im Versorgungssystem neu zu definieren. Die Erwartungen an Apotheken steigen, auch weil andere Versorgungseinrichtungen nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen. In dieser Gemengelage entstehen neue Aufgabenprofile, die nicht zwingend durch Gesetze, sondern durch Lebensrealität definiert werden.

Die Diskussion um Windeln im Apothekennotdienst mag auf den ersten Blick banal wirken. Doch sie berührt einen Kernkonflikt im deutschen Versorgungssystem: Wer trägt Verantwortung, wenn gesellschaftliche Infrastruktur temporär ausfällt oder in bestimmten Regionen schlicht nicht mehr vorhanden ist. Apotheken geraten hier zunehmend in die Rolle des Lückenfüllers – nicht weil es gesetzlich vorgeschrieben wäre, sondern weil die Realität sie dazu zwingt.

Der Schritt von Laura Schöpplein ist deshalb keine Randnotiz, sondern ein Signal. Er zeigt, dass die klassische Trennung zwischen medizinischer und alltäglicher Versorgung längst aufweicht. Wenn Apotheken anfangen, Windeln bereitzuhalten, dann deshalb, weil andere Strukturen nicht verlässlich funktionieren. Das betrifft nicht nur den ländlichen Raum, sondern auch urbane Randlagen, wo Öffnungszeiten, Kaufkraft und Mobilität über Versorgung oder Mangel entscheiden.

Gleichzeitig offenbart die Entwicklung ein systemisches Problem: Die Erwartungshaltung an Apotheken steigt kontinuierlich, ohne dass sich die Rahmenbedingungen entsprechend verbessern. Es sind nicht nur Arzneimittelengpässe oder bürokratische Überlastung, die das System fordern. Es ist auch die informelle Erweiterung des Aufgabenprofils, die schleichend zur Norm wird. Wenn Apotheken Produkte anbieten, die über ihren eigentlichen Auftrag hinausgehen, geschieht das oft aus einem Verantwortungsgefühl heraus – aber ohne institutionelle Anerkennung oder finanzielle Kompensation.

Politisch stellt sich die Frage, ob und wie solche Entwicklungen gesteuert werden sollen. Müssen Apotheken als Alltagsversorger gesetzlich anerkannt und unterstützt werden oder droht dadurch eine Verwässerung ihrer fachlichen Identität. Klar ist: Wer Versorgungslücken stopft, trägt Verantwortung, aber auch Risiko. Das sollte nicht allein auf dem guten Willen einzelner Inhaber ruhen.

Der Fall aus Rott zeigt, wie viel gesellschaftlicher Wandel sich im Mikrokosmos Apotheke spiegelt. Er fordert ein neues Nachdenken über die Rolle von Gesundheitsberufen, die mehr leisten, als es das Gesetz vorschreibt. Und er mahnt dazu, strukturelle Probleme nicht mit individueller Improvisation zu kaschieren. Wer Versorgung ernst meint, muss sie verlässlich gestalten – auch jenseits der Öffnungszeiten.

Streichpreise bei Netto lösen Verfahren vor dem BGH aus

Netto Marken-Discount steht kommende Woche im Fokus des Bundesgerichtshofs. Der Discounter muss sich dort für eine Werbepraxis verantworten, die Verbraucherschützer seit Langem kritisieren: durchgestrichene Preise, die auf frühere oder angebliche Standardpreise hinweisen sollen, ohne dass diese nachvollziehbar belegt sind. Die Klage geht auf eine Auseinandersetzung mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zurück, die Netto irreführende Werbung vorwirft. In mehreren Werbeanzeigen seien Preise mit Streichwerten versehen gewesen, ohne dass deutlich gemacht wurde, ob diese jemals tatsächlich verlangt wurden oder nur den Eindruck eines Rabatts erzeugen sollten.

Das Verfahren hat Signalwirkung über den konkreten Fall hinaus. Denn Preisvergleiche, insbesondere in Form von Streichpreisen, gehören zum festen Instrumentarium vieler Handelsketten. Rechtlich gilt seit einer EU-Verordnung von 2022, dass Preisnachlässe in der Werbung klar auf den niedrigsten Preis der vergangenen 30 Tage bezogen sein müssen. Doch viele Unternehmen interpretieren die Regelung großzügig, in manchen Fällen bewusst am Rande der Legalität. Der Bundesgerichtshof muss nun klären, ob Netto mit seiner Praxis gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoßen hat und ob eine Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher gegeben ist.

Die Entscheidung dürfte auch für andere Anbieter eine Richtlinie setzen, wie sie künftig mit Preiswerbung umgehen können. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sind Schnäppchenversprechen ein zentraler Verkaufshebel. Wenn sich jedoch herausstellt, dass der vermeintliche Rabatt auf einem vorher nicht existenten Preis basiert, steht mehr auf dem Spiel als bloß ein Werbeversprechen. Es geht um das Vertrauen der Konsumenten in faire Marktregeln.

Der Fall Netto ist weit mehr als eine juristische Auseinandersetzung über Streichpreise. Er zeigt exemplarisch, wie weit sich kommerzielle Kommunikationsstrategien von ihrem ursprünglichen Informationsauftrag entfernt haben. Die Inflation und die damit verbundene Kaufzurückhaltung haben den Preisdruck im Einzelhandel verschärft. Gleichzeitig setzen Unternehmen verstärkt auf psychologische Preisgestaltung, um Konsumbereitschaft zu erzeugen. Der durchgestrichene Preis wird zur Illusion des Vorteils, auch wenn er faktisch keiner ist.

Verbraucherschutz wird dadurch zur Frage struktureller Fairness. Wenn selbst Großunternehmen wie Netto nicht mehr klar benennen, worauf sich ein vermeintlicher Rabatt stützt, geraten rechtsstaatliche Grundprinzipien ins Wanken. Denn Werbung ist kein rechtsfreier Raum, sondern Teil des öffentlichen Diskurses. Der BGH muss deshalb nicht nur einen Einzelfall bewerten, sondern Grundsatzfragen klären: Wie viel Wahrheit muss eine Werbeaussage enthalten, damit sie keine Täuschung ist? Wo endet kreative Verkaufsrhetorik und wo beginnt die systematische Irreführung?

Die Verantwortung liegt aber nicht allein beim Discounter. Auch Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber haben versäumt, die Praxis frühzeitig konsequent zu regulieren. Dass die EU-Verordnung von 2022 noch immer breit ausgelegt oder ignoriert wird, ist Ausdruck politischer Bequemlichkeit gegenüber Handelsinteressen. Doch Verbrauchervertrauen ist keine beliebig strapazierbare Ressource. Wer es verspielt, beschädigt langfristig nicht nur sein Markenimage, sondern auch die Integrität des Marktes als Ganzes.

Deutsche Wirtschaft zeigt Stabilität trotz schwachem Umfeld

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2025 in einer Phase langsamer Stabilisierung. Nach vorläufigen Zahlen ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal leicht gestiegen. Das Wachstum bleibt jedoch unter dem langfristigen Potenzial und reflektiert eine fragile wirtschaftliche Gesamtlage. Der konjunkturelle Aufschwung wird derzeit vor allem von der Binnennachfrage getragen. Während der private Konsum angesichts gesunkener Inflationsraten leicht anzieht, bleiben Investitionen weiterhin auf niedrigem Niveau.

Die Inflationsrate lag im März bei 2,3 Prozent und damit deutlich unter den Werten des Vorjahres. Der Rückgang der Energiepreise und eine nachlassende Kerninflation sorgen für erste reale Entlastungen bei den Einkommen. Dennoch bleiben Preisdynamiken im Dienstleistungssektor und bei Nahrungsmitteln spürbar. Die Löhne steigen nominell zwar weiter, doch in vielen Branchen wird die Inflation erst allmählich ausgeglichen.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich nach wie vor stabil. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist weiter leicht gestiegen. Die Arbeitslosenquote verharrt bei 5,7 Prozent. Vor allem im Dienstleistungssektor werden weiterhin Stellen geschaffen, während die Industrieproduktion zwar moderat zulegt, aber mit hohen Energiepreisen und geopolitischen Unsicherheiten konfrontiert bleibt.

Die Exporte entwickeln sich leicht positiv, insbesondere in den europäischen Absatzmärkten. Die Nachfrage aus China bleibt dagegen verhalten. Der Rückgang der globalen Frachtraten und stabilere Lieferketten sorgen für operative Erleichterungen in der Industrie. Gleichzeitig bleiben viele Unternehmen bei Investitionen zurückhaltend, da sie mit unsicherer Zinspolitik und regulatorischer Unklarheit konfrontiert sind.

Im Finanzsektor zeigt sich eine gewisse Entspannung. Die Kreditvergabe an Unternehmen hat sich nach dem Zinsgipfel wieder leicht erhöht. Die Liquiditätslage vieler Betriebe bleibt jedoch angespannt. Die Bauwirtschaft bleibt trotz sinkender Hypothekenzinsen unter Druck. Genehmigungen und Aufträge im Wohnungsbau sind rückläufig, was langfristige Folgen für die konjunkturelle Dynamik nach sich ziehen kann.

Insgesamt lässt sich eine vorsichtige Erholung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen feststellen. Der Aufschwung ist jedoch weder breit getragen noch strukturell gefestigt. Die Herausforderungen im Bereich Energie, Demografie, Digitalisierung und globaler Wettbewerbsfähigkeit bleiben bestehen und erfordern politischen Gestaltungswillen jenseits kurzfristiger Stabilisierung.

Die aktuelle wirtschaftliche Lage Deutschlands vermittelt ein ambivalentes Bild. Auf der einen Seite steht ein konjunktureller Boden, der offenbar erreicht ist. Das Bruttoinlandsprodukt wächst wieder leicht, die Inflation fällt, der Arbeitsmarkt bleibt stabil. Doch auf der anderen Seite fehlt es an einem tragfähigen Zukunftspfad. Die Stabilisierung ist keine Dynamisierung. Sie bleibt brüchig, weil sie sich aus Sondereffekten speist, nicht aus struktureller Stärke.

Insbesondere die Zurückhaltung bei unternehmerischen Investitionen offenbart ein tieferliegendes Problem. Wenn trotz stabilisierter Rahmenbedingungen keine Innovations- und Wachstumssignale von der Wirtschaft ausgehen, ist das ein Alarmsignal. Die Kombination aus regulatorischer Unsicherheit, Fachkräftemangel, hoher Steuerlast und zögerlicher Digitalisierung wirkt wie eine systematische Wachstumsbremse.

Politisch betrachtet wird die Stabilisierung vielfach als Erfolg verkauft. Doch dieser Eindruck trügt. Die Bundesregierung profitiert aktuell von einem konjunkturellen Nebel, der strukturelle Defizite kaschiert. Solange keine klaren industrie- und innovationspolitischen Impulse gesetzt werden, wird sich die deutsche Wirtschaft nicht aus eigener Kraft aus der Wachstumsschwäche befreien können. Es braucht mehr als fiskalische Disziplin und Lohnzurückhaltung. Es braucht Zielklarheit, strategische Investitionen und eine entschlossene Entbürokratisierung.

Auch der soziale Frieden steht auf dem Spiel. Zwar steigt die reale Kaufkraft leicht, doch viele Haushalte spüren die Entlastung nicht spürbar. Die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen bleibt hoch. Gerade in Zeiten struktureller Umbrüche wird deutlich, dass Wirtschaftspolitik nicht nur Zahlen stabilisieren muss, sondern gesellschaftliche Perspektiven.

Die deutsche Wirtschaft hat die Rezession hinter sich gelassen. Doch der Weg nach vorn ist nicht durch Wachstum gepflastert, sondern durch Reformbedarf. Stabilität ist kein Zustand, auf dem sich eine Volkswirtschaft ausruhen kann. Sie ist nur ein Moment – zwischen Krise und Möglichkeit.

Die GKV gerät aus dem Takt der wirtschaftlichen Entwicklung

Die gesetzliche Krankenversicherung befindet sich in einer sich zuspitzenden finanziellen Schieflage. Während das deutsche Bruttoinlandsprodukt zwischen 2014 und 2024 um rund 47 Prozent zugelegt hat, stiegen die Ausgaben der Krankenkassen im gleichen Zeitraum um fast 61 Prozent. Damit entkoppeln sich die Gesundheitsausgaben zunehmend von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes. Besonders deutlich wird diese Entwicklung im laufenden Jahr 2024, in dem die GKV rund 327 Milliarden Euro ausgegeben hat, ein Plus von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die gesamtwirtschaftliche Leistung wuchs im selben Zeitraum nur um 2,9 Prozent.

Die größte Einzelausgabe bleibt mit Abstand der Krankenhaussektor, der mit etwa 102 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Allerdings weist gerade dieser Bereich einen vergleichsweise moderaten Anstieg von rund 50 Prozent im Zehnjahresvergleich auf. Deutlich dynamischer entwickelten sich hingegen die Ausgaben für Heilmittel mit einem Zuwachs von über 135 Prozent sowie für Krankengeld mit plus 92 Prozent. Auch häusliche Krankenpflege und Krankentransporte haben sich mit Anstiegen von 89 beziehungsweise 113 Prozent erheblich verteuert. Die Arzneimittelausgaben wuchsen mit 65 Prozent leicht überdurchschnittlich, nicht zuletzt infolge von Hochpreistherapien.

Gleichzeitig ist das Sparpotenzial auf der Kostenseite begrenzt. Die Netto-Verwaltungsausgaben der Kassen belaufen sich auf 12,7 Milliarden Euro und machen inzwischen nur noch 3,9 Prozent der Gesamtausgaben aus. Selbst eine Halbierung dieser Kosten würde die Finanzlücke nicht entscheidend verkleinern. Symbolische Maßnahmen wie die Kürzung von Vorstandsgehältern oder die Eigenversicherung von Risikosportarten zeigen kaum fiskalische Wirkung. Substantielle Entlastung versprechen nur politisch umstrittene Schritte wie die Ausgliederung ganzer Leistungsbereiche etwa bei Zahnersatz oder Krankengeld oder eine realistische Finanzierung der GKV-Beiträge für Bürgergeldempfänger.

Auch höhere Eigenbeteiligungen stoßen schnell an soziale und systemische Grenzen. Die Wiedereinführung einer Praxisgebühr oder die Anhebung der Apothekenzuzahlung würde allenfalls einige Milliarden Euro erbringen. Prozentuale Selbstbehalte verlieren gerade bei sehr teuren Therapien ihre steuernde Wirkung und bergen erhebliche Risiken für sozial Schwächere. Die Vorstellung, das Problem auf Patientinnen und Patienten abzuwälzen, greift daher strukturell zu kurz.

Die wachsende Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen verschärft die Situation zusätzlich. In Vollzeitstellen gerechnet arbeiten inzwischen 4,5 Millionen Menschen im Gesundheitssektor. Bereits geringfügige Lohnsteigerungen summieren sich zu Milliardenbeträgen. Die Lohnkosten bleiben damit der zentrale Kostentreiber des Systems. Eine Begrenzung dieser Ausgaben wäre politisch riskant und gesellschaftlich schwer vermittelbar.

Die Einnahmeseite der GKV wird dem Ausgabendruck damit immer weniger gerecht. Beitragssteigerungen sind sozial wie wirtschaftlich begrenzt tragbar. Ohne tiefgreifende Strukturreformen droht das System mittelfristig seine finanzielle Tragfähigkeit zu verlieren. Die bisherigen Ansätze greifen zu kurz, um die wachsende Diskrepanz zwischen Finanzierungsbasis und Versorgungsanspruch nachhaltig zu überbrücken.

Die gesetzliche Krankenversicherung steht vor einem Systembruch. Was über Jahrzehnte im Gleichlauf mit der Wirtschaft funktionierte, driftet nun sichtbar auseinander. Die Dynamik der Ausgaben überholt nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern entzieht sich zunehmend auch politischer Kontrolle. Die Verteilungskonflikte spitzen sich zu, weil sich ein grundlegender Zielkonflikt nicht länger überdecken lässt: Zwischen dem Anspruch auf umfassende Gesundheitsversorgung und der begrenzten Finanzkraft eines beitragsbasierten Systems klafft eine Lücke, die mit konventionellen Stellschrauben nicht mehr zu schließen ist.

Es genügt nicht, immer neue Sparideen auf die Bühne zu bringen, deren Wirkung bestenfalls symbolisch ist. Wer ernsthaft glaubt, das System über Verwaltungskosten oder die Kürzung von Spitzengehältern stabilisieren zu können, verkennt die Dimension des Problems. Auch höhere Zuzahlungen mögen fiskalisch reizvoll erscheinen, doch sie stoßen im Ernstfall an die Zumutbarkeitsgrenze und untergraben die Idee eines solidarischen Gesundheitssystems. Gerade die Hochkostenmedizin macht deutlich, dass klassische Steuerungsmechanismen wie prozentuale Selbstbehalte versagen, sobald die Beträge astronomisch werden.

Die politische Untätigkeit bei den Bürgergeldbeiträgen zeigt exemplarisch, wie schnell selbst sachlogische Maßnahmen an Mut und Mehrheitsverhältnissen scheitern. Es fehlt an der Bereitschaft, unbequeme Wahrheiten offen auszusprechen. Dazu gehört, dass ein beitragsfinanziertes System ohne steuerliche Kompensation seine soziale Funktion auf Dauer nicht mehr erfüllen kann. Wer versichert, ohne einzuzahlen, muss künftig realistischer gegenfinanziert werden. Doch auch diese Lösung bleibt unvollständig, solange nicht grundlegend über den Umfang des Leistungskatalogs und den gesellschaftlichen Anspruch an Versorgung nachgedacht wird.

Ein besonderes Tabu bleibt der Einfluss der Lohnkosten. Sechs Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen sind nicht nur Garant für Versorgung, sondern auch für politische Sprengkraft. Jede Maßnahme, die hier ansetzt, greift direkt in einen hochsensiblen Arbeitsmarkt ein. Doch wer über Nachhaltigkeit sprechen will, darf nicht länger um diese Realität herumreden. Es braucht eine ehrliche Debatte darüber, wie viel Personal in welchen Strukturen tatsächlich effizient wirkt – und wo der öffentliche Gesundheitsauftrag endet.

Die Verantwortung für diese Entwicklung tragen alle Akteure: die Politik, die Leistungserbringer, die Kassen und auch die Gesellschaft selbst. Die Weigerung, Zielkonflikte offen auszutragen, hat das System in eine Lage manövriert, in der die nächste Krise vorprogrammiert ist. Was jetzt erforderlich wäre, ist keine neue Runde halbherziger Vorschläge, sondern ein offener, rationaler Strukturprozess. Alles andere wäre nichts als ein Aufschub auf Kosten der nächsten Generation.

Gesundheitsausgaben sinken nur scheinbar auf 500 Milliarden Euro

Die Gesundheitsausgaben in Deutschland sind im Jahr 2023 erstmals seit langer Zeit leicht gesunken. Mit 500,8 Milliarden Euro lagen sie um 0,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das entspricht einer Pro-Kopf-Ausgabe von 6.013 Euro. Maßgeblich für diesen Rückgang war der deutliche Rückgang staatlicher Gesundheitsausgaben im Zuge der auslaufenden Corona-Maßnahmen. Während der öffentliche Sektor 2022 noch 51,4 Milliarden Euro für Gesundheitszwecke aufwendete, belief sich dieser Betrag im Jahr 2023 nur noch auf 28,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang um 45 Prozent.

Dieser Einmaleffekt dominiert die Gesamtrechnung. Denn andere Träger des Gesundheitswesens verzeichneten gleichzeitig teils erhebliche Ausgabensteigerungen. Allen voran die gesetzliche Krankenversicherung, die mit 279,1 Milliarden Euro rund 55,7 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben trug. Ihre Ausgaben stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent beziehungsweise 13,7 Milliarden Euro. Auch die private Krankenversicherung sowie andere Leistungsträger meldeten deutliche Mehrausgaben.

Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt sank auf 12,0 Prozent. Im Jahr 2022 hatte er noch bei 12,7 Prozent gelegen. Diese Veränderung ist einerseits auf die Konsolidierung der pandemiebedingten Mehrausgaben zurückzuführen, andererseits auf die positive BIP-Entwicklung. Die strukturellen Herausforderungen des Gesundheitssystems bleiben jedoch bestehen.

Für das Jahr 2024 wird bereits mit einem deutlichen Anstieg der Gesundheitsausgaben gerechnet. Auf Basis vorliegender Daten wird ein Volumen von 538,2 Milliarden Euro prognostiziert. Das entspräche einem Zuwachs von 7,5 Prozent oder 37,4 Milliarden Euro. Damit würde der seit Jahren anhaltende Aufwärtstrend der Gesundheitskosten fortgesetzt.

Die Daten verdeutlichen, dass der Rückgang im Jahr 2023 kein Zeichen struktureller Entlastung ist. Vielmehr handelt es sich um einen temporären Effekt, der vor allem aus dem Rückzug staatlicher Sonderausgaben resultiert. Die Grunddynamik des Systems zeigt weiterhin steigende Kosten, getragen vor allem von den beitragsfinanzierten Krankenversicherungen.

Der scheinbare Rückgang der Gesundheitsausgaben im Jahr 2023 markiert keinen politischen oder strukturellen Erfolg, sondern offenbart eine Verschiebung der Finanzierungslasten. Die fast halbierten Staatsausgaben infolge des Auslaufens pandemiebedingter Maßnahmen haben zu einer statistischen Entlastung geführt, die den tatsächlichen Kostendruck im System verschleiert. Während der öffentliche Sektor weniger zahlte, wuchs die finanzielle Verantwortung der Krankenkassen weiter an.

Besonders auffällig ist die Rolle der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Ausgaben um über 13 Milliarden Euro gestiegen sind. Sie fungiert zunehmend als Puffer für Systemlasten, die vormals vom Staat übernommen wurden. In einer Zeit wachsender Versorgungsansprüche und demografischen Wandels wirft diese Entwicklung grundsätzliche Fragen zur langfristigen Tragfähigkeit des solidarisch finanzierten Systems auf.

Die Politik muss sich dem Vorwurf stellen, dass die gegenwärtige Entwicklung auf eine stille Privatisierung öffentlicher Verantwortung hinausläuft. Wenn staatliche Sonderausgaben ohne nachhaltige Kompensation entfallen und gleichzeitig keine strukturellen Reformen greifen, entsteht eine Kostenverlagerung auf Beitragszahler und Versicherte. Das unterhöhlt das Vertrauen in die Stabilität der Krankenversicherung und verkennt die sozialen Spannungen, die sich daraus entwickeln können.

Auch die Rücknahme staatlicher Gesundheitsausgaben ist nicht Ausdruck effizienter Ressourcensteuerung, sondern einer fiskalischen Entlastungslogik, die nicht nachhaltig ist. Der für 2024 erwartete Anstieg der Gesamtausgaben auf über 538 Milliarden Euro macht deutlich, dass die strukturellen Kostentreiber ungebremst weiterwirken. Weder Digitalisierung noch Versorgungssteuerung oder Prävention wurden bisher systematisch genutzt, um die Dynamik zu dämpfen.

Was bleibt, ist ein fragiles Gleichgewicht. Ein Rückgang, der keiner ist. Ein System, das sich teurer stabilisiert. Und eine politische Verantwortung, die zunehmend durch Verschiebung statt durch Gestaltung geprägt ist. Wer über Kosten spricht, muss auch über Struktur reden – und die Bereitschaft aufbringen, ein Gesundheitssystem langfristig tragfähig zu modernisieren.

Brensocatib zeigt erstmals Wirkung bei schwerer Lungenerkrankung

Ein neuer Wirkstoffkandidat könnte die Behandlung chronischer Bronchiektasen grundlegend verändern. In einer groß angelegten internationalen Studie mit über 1700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigte der selektive Enzymhemmer Brensocatib eine signifikante Wirkung bei der Reduktion von Krankheitsschüben und dem Erhalt der Lungenfunktion. Die Ergebnisse markieren einen möglichen Wendepunkt in der Therapie dieser oft schwer verlaufenden Erkrankung, die bisher nicht ursächlich behandelbar war.

Bronchiektasen entstehen meist infolge schwerer Infektionen oder chronischer Lungenerkrankungen wie COPD und führen zu irreversiblen Erweiterungen der Bronchien. In den betroffenen Arealen sammelt sich zäher Schleim, der das Risiko für bakterielle Infektionen und chronische Entzündungsprozesse erhöht. Der Krankheitsverlauf ist durch anhaltenden Husten, Auswurf, Atemnot und zunehmende Belastungseinschränkung gekennzeichnet. Die herkömmlichen Therapien konzentrieren sich bislang auf Sekretmobilisation, Antibiotikagabe und symptomatische Maßnahmen. Ein kausaler medikamentöser Ansatz stand bislang nicht zur Verfügung.

Brensocatib greift erstmals in die krankheitsauslösende Entzündungskaskade ein. Der Wirkstoff hemmt das Enzym Dipeptidylpeptidase 1, das neutrophile Granulozyten zur Freisetzung von Serinproteasen aktiviert. Diese Enzyme sind zentral für die Immunabwehr, verursachen aber bei chronischer Überaktivierung erhebliche Gewebeschäden. Die Blockade von DPP-1 reduziert die entzündliche Last in den Atemwegen und unterbricht den bekannten Teufelskreis aus Infektion, Entzündung und strukturellem Umbau des Lungengewebes.

Die in der sogenannten Aspen-Studie erhobenen Daten zeigen, dass Brensocatib die Häufigkeit von Exazerbationen deutlich senken kann. Besonders in der höheren Dosierung von 25 Milligramm verringerte sich nicht nur die Zahl der akuten Krankheitsschübe, sondern auch die Geschwindigkeit der Lungenfunktionsverschlechterung. Die Patientinnen und Patienten berichteten über eine spürbare Verbesserung ihrer Belastbarkeit und Lebensqualität. Die beobachteten Nebenwirkungen wie trockene Haut blieben vergleichsweise gering.

Der Wirkstoff wurde bereits in einem beschleunigten Prüfverfahren zur Zulassung bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde eingereicht. Eine Entscheidung wird bis August 2025 erwartet. In Europa rechnen Fachkreise mit einer Zulassung Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres. Sollte diese erfolgen, wäre Brensocatib das erste Medikament mit krankheitsmodifizierender Wirkung bei Bronchiektasen.

Die Ergebnisse haben auch für Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose oder schwerer COPD erhebliche Bedeutung. In beiden Krankheitsbildern treten Bronchiektasen häufig als Komplikation auf und verschlechtern die Prognose erheblich. Eine ursächliche Therapie könnte daher nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern in fortgeschrittenen Fällen auch Lungentransplantationen hinauszögern oder vermeiden helfen.

Die klinischen Ergebnisse zu Brensocatib markieren einen seltenen Moment in der medizinischen Forschung, in dem ein bislang unbehandelbares Krankheitsbild in Reichweite einer ursächlichen Therapie rückt. Chronische Bronchiektasen galten über Jahrzehnte hinweg als vernachlässigte Erkrankung zwischen Pneumologie und Infektiologie. Die neue Datenlage zwingt dazu, das therapeutische Denken zu korrigieren und alte Dogmen zu hinterfragen.

Dass ein selektiver Enzymhemmer wie Brensocatib eine pathophysiologisch relevante Wirkung zeigt, verdeutlicht nicht nur den Wert zielgerichteter molekularer Ansätze, sondern offenbart auch, wie lange entzündlich-destruktive Prozesse in der Lunge unterschätzt wurden. Die bisherige Praxis, Bronchiektasen lediglich symptomatisch zu behandeln, hat viele Patientinnen und Patienten in eine medizinische Sackgasse geführt. Ein Wechsel zu präventiven, strukturerhaltenden Therapien könnte nun möglich werden.

Die strukturelle Verantwortung liegt nicht allein bei der pharmazeutischen Entwicklung, sondern auch bei den Gesundheitssystemen. Die Langzeitversorgung chronischer Lungenerkrankter ist fragmentiert, bürokratisiert und unterfinanziert. Noch fehlt eine klare Versorgungsstrategie für Bronchiektasen, etwa im DMP-System oder in der spezialisierten ambulanten Versorgung. Hier sind politische Impulse gefordert, um eine flächendeckende Implementierung innovativer Therapien zu ermöglichen.

Gleichzeitig mahnt der Fall zur Vorsicht. Der klinische Fortschritt darf nicht durch voreilige Marktlogiken entwertet werden. Ein selektiver Wirkmechanismus wie jener von Brensocatib braucht eine sorgfältige Indikationsstellung, therapeutische Kontrolle und verantwortungsvolle Begleitforschung. Der pharmakologische Durchbruch darf nicht zu einem ökonomisch motivierten Therapiefetisch werden, sondern muss in ein langfristiges Versorgungskonzept eingebettet sein.

Dass ein deutscher Wissenschaftler an der internationalen Studienpublikation beteiligt war, verweist auf die weiterhin hohe fachliche Kompetenz in der deutschen Lungenmedizin. Diese muss jedoch stärker in gesundheitspolitische Entscheidungen eingebunden werden. Wenn die Erkenntnisse aus der Forschung in der Versorgung an strukturellen Barrieren scheitern, bleibt der Nutzen für die Betroffenen begrenzt.

Brensocatib ist kein Heilmittel, aber ein potenzieller Paradigmenwechsel. Es liegt nun an Gesundheitsbehörden, Ärzteschaft und Politik, diesen Wandel mit klarem Konzept, rechtzeitiger Finanzierung und praktischer Umsetzbarkeit zu begleiten.

Wenn sich an der Haut kleine Bläschen schmerzhaft entzünden

Plötzlich auftretender Juckreiz an Händen oder Füßen kann auf ein dyshidrotisches Ekzem hinweisen. Die Hauterkrankung betrifft bevorzugt die Handflächen, Fingerseiten und Fußsohlen und zeigt sich mit zahlreichen kleinen Bläschen, die eine klare Flüssigkeit enthalten. Die Bläschen liegen tief in der Haut, sind stark juckend und treten meist schubweise auf. Für die Betroffenen bedeutet das eine erhebliche Einschränkung im Alltag, besonders durch den häufig nächtlich einsetzenden Juckreiz. Die Erkrankung verläuft chronisch mit wiederkehrenden Schüben, zwischen denen symptomfreie Intervalle liegen. Eine klare Ursache lässt sich in vielen Fällen nicht feststellen.

Medizinisch handelt es sich um eine entzündliche, nicht infektiöse Hauterkrankung. Auffällig ist der häufig plötzliche Beginn ohne erkennbare äußere Auslöser. In der dermatologischen Praxis werden jedoch zahlreiche potenzielle Trigger diskutiert. Dazu gehören Kontaktallergene wie Duftstoffe und Konservierungsmittel, mechanische und chemische Reize sowie starkes Schwitzen, psychischer Stress und eine genetische Veranlagung. Auch Medikamente wie bestimmte Antibiotika, Antirheumatika oder Lithiumpräparate stehen im Verdacht, dyshidrotische Ekzeme auslösen zu können. In der Mehrzahl der Fälle bleibt die genaue Ursache jedoch unklar.

Die Beschwerden beginnen meist mit einem Spannungsgefühl in der Haut und intensivieren sich mit dem Auftreten der Bläschen. Nach deren spontaner Öffnung kommt es zu nässenden Stellen, Schuppung und im weiteren Verlauf zu Rissen und schmerzhaften Entzündungen. Der Juckreiz bleibt dabei ein dominierendes Symptom. Die Haut reagiert überempfindlich auf alltägliche Belastungen, wodurch sich die Erkrankung oft weiter verschärft.

In der Selbstbehandlung stehen kühlende Umschläge mit synthetischen Gerbstoffen im Vordergrund, um Entzündung und Juckreiz zu lindern. Leichte, fettfreie Externa wie Hydrogels oder Lotionen helfen dabei, die Hautbarriere zu stabilisieren. In akuten Phasen kann der kurzfristige Einsatz leichter kortisonhaltiger Zubereitungen sinnvoll sein, sofern keine Infektion vorliegt. Die Haut sollte zudem vor mechanischer Belastung geschützt werden, etwa durch elastische Pflaster, die sich dem Bewegungsablauf der betroffenen Stellen anpassen.

Zentral ist das konsequente Meiden potenziell reizender oder allergieauslösender Substanzen. Dazu zählt neben der Reduktion hautbelastender Tätigkeiten auch eine strukturierte Hautpflege mit rückfettenden Produkten, um die Barrierefunktion zu erhalten. Die Erkrankung erfordert ein langfristiges Management, da die Rückfallneigung hoch ist und eine dauerhafte Heilung selten gelingt.

Das dyshidrotische Ekzem ist ein Beispiel für eine stille Volkskrankheit, die in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielt, obwohl sie den Alltag der Betroffenen massiv beeinträchtigt. Der Umstand, dass die Ursachen oft im Dunkeln bleiben, macht die Erkrankung für Patientinnen und Patienten besonders belastend. Die Unsichtbarkeit des Leidens in gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Debatten spiegelt eine systemische Lücke wider: Hauterkrankungen gelten als marginal, solange sie nicht lebensbedrohlich sind. Die Folgen für die Lebensqualität, die psychische Belastung und die Arbeitsfähigkeit werden hingegen häufig unterschätzt.

Verantwortungsträger im Gesundheitswesen stehen hier vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits fehlt es an strukturierter Prävention in risikobelasteten Berufsgruppen, etwa im Gesundheitswesen oder im Reinigungsbereich. Andererseits bleibt die dermatologische Versorgungslage vielerorts unzureichend, insbesondere in ländlichen Regionen. Die Schubhaftigkeit der Erkrankung erfordert jedoch rasches Eingreifen, individuelle Beratung und eine niederschwellige Begleitung. Die Rolle der Apotheken in der Selbstmedikation ist dabei relevant, reicht aber nicht aus, um chronisch-rezidivierende Verläufe nachhaltig zu steuern.

Auch die Forschung trägt eine Verantwortung. Trotz bekannter Trigger ist die Pathogenese noch immer nicht vollständig verstanden. Die Rolle immunologischer Reaktionen, genetischer Dispositionen und psychischer Belastungen müsste stärker in Studien einbezogen werden. Hier zeigt sich erneut, wie sehr chronische Hauterkrankungen von der medizinischen Prioritätensetzung abhängen.

Strukturell stellt sich schließlich die Frage nach einem breiteren Bewusstsein für dermatologische Volkskrankheiten. Während über andere chronische Erkrankungen umfassend aufgeklärt wird, fehlt beim dyshidrotischen Ekzem eine öffentliche Sprache für das Leiden. Es ist nicht sichtbar, nicht erklärbar und oft nicht behandelbar. Diese Unsichtbarkeit ist nicht nur ein medizinisches Problem, sondern ein gesellschaftliches Versäumnis.

Der Aufbau eines gesunden Mikrobioms beginnt mit der richtigen Ernährung

Nach einer Antibiotikabehandlung ist der Wiederaufbau eines gesunden Darmmikrobioms ein zentraler Bestandteil der körperlichen Regeneration. Eine neue Studie an Mäusen zeigt, dass dieser Prozess weit weniger von der Verabreichung externer Mikrobengemeinschaften als von der Ernährungsweise der Betroffenen abhängt. Entscheidend ist dabei nicht die Vielfalt der zugeführten Bakterien, sondern das Nährstoffmilieu, in dem sie sich ansiedeln und entfalten sollen.

Antibiotika stören die mikrobielle Balance im Darm nachhaltig. Das lässt sich bislang nicht vermeiden. Umso wichtiger ist die Frage, wie sich die mikrobiellen Netzwerke nach einer solchen Störung möglichst effizient wiederherstellen lassen. In der Studie konnten Forscher zeigen, dass eine fettarme ballaststoffreiche Ernährung den entscheidenden Unterschied macht. Mäuse mit einer solchen Diät wiesen bereits kurz nach der Antibiotikagabe eine zunehmende mikrobielle Diversität auf. Die Rückkehr wichtiger Stoffwechselprozesse verlief deutlich schneller als bei Tieren mit einer typischen westlichen Diät.

Die sogenannte westliche Ernährung mit viel Fett und wenig Ballaststoffen führte nicht nur zu einer geringeren Anzahl bakterieller Arten, sondern auch zu einer gestörten Produktion zentraler Stoffwechselprodukte. Die Bildung kurzkettiger Fettsäuren blieb ebenso eingeschränkt wie die Synthese sekundärer Gallensäuren. Darüber hinaus zeigten genetische Analysen einen dauerhaften Verlust wichtiger Stoffwechselgene. Die Regeneration scheiterte dabei nicht an fehlenden Mikroben, sondern an einer fehlgeleiteten ökologischen Umgebung.

Besonders deutlich wird dies am Vergleich mit der Stuhltransplantation. Während diese in der öffentlichen Debatte oft als Allheilmittel bei gestörtem Mikrobiom betrachtet wird, konnte sie in der Studie keine nachhaltige Wirkung entfalten, wenn die Ernährung der Mäuse unverändert westlich blieb. Umgekehrt reichte bereits der Wechsel zu einer ballaststoffreichen Kost aus, um die mikrobielle Selbstheilung signifikant zu fördern.

Damit zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Die ökologische Logik des Darms ist komplexer als bislang angenommen. Nicht die bloße Zufuhr von Mikroben entscheidet über Heilung oder Persistenz einer Dysbiose, sondern die Fähigkeit des Systems, stabile trophische Netzwerke auszubilden. Dafür braucht es strukturelle Voraussetzungen, und diese lassen s

Glosse: Wenn das Selfie zur Lizenz wird

Source: Deutsche Nachrichten
Wer dachte, die Approbation sei eine Eintrittskarte fürs Leben, hat die Rechnung ohne die neue Kontrollfreude gemacht. Denn Pharmazeuten sollen künftig nicht nur Medikamente abgeben, sondern auch ihr eigenes Wissen regelmäßig beweisen – mit Selfies, Schrittzählung und Papiernachweisen. Wer seine Hirnaktivität nicht belegen kann, verliert das Recht auf Rezeptbelieferung. Der neue Standard heißt: Nachprüfung statt Nachsicht. Willkommen in einer Arbeitswelt, in der nur noch zählt, was man minutiös dokumentiert – und wer beim Escaperoom durchfällt, darf die eigene Qualifikation für 1.200 Euro nachlernen.

Man sagt, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten. Eine Maxime, die neuerdings offenbar auch auf den Berufsstand der Apothekerinnen und Apotheker angewendet werden soll. Denn wer künftig pharmazeutisch tätig sein will, darf sich nicht mehr auf ein verstaubtes Diplom im Bilderrahmen verlassen, sondern muss lückenlos dokumentieren, dass er auch weiterhin imstande ist, Ibuprofen von Ivermectin zu unterscheiden. Der neueste Coup der Bürokratie: die Nachprüfung.

Natürlich nennt es niemand so. Offiziell spricht man von “Verifikation approbierter Fachkompetenzen im laufenden Praxisbetrieb”. Das klingt nach Qualitätssicherung, riecht aber nach Totalüberwachung. Ab sofort reicht es nicht mehr, in weißem Kittel pflichtbewusst Tabletten zu sortieren. Nein, wer seine Approbation behalten will, muss sie sich im Fünfjahrestakt neu verdienen. Wie? Nun, durch eine lückenlose Beweiskette aller beruflichen Tätigkeiten, Fortbildungs-Selfies inklusive.

Man stelle sich vor: Man sitzt abends beim Kammerabend, rührt lustlos im Tagungscatering und lauscht einem Vortrag über die neue Betäubungsmittelverordnung. Und während man innerlich abschaltet, muss man daran denken, sich schnell noch abzulichten – möglichst mit Referenten im Hintergrund und eindeutig erkennbarer PowerPoint-Folie. Wer sein Fortbildungsnachweisalbum nicht vollbekommt, hat nämlich schlechte Karten. Der neue Approbationsantrag verlangt Nachweise mit Fotobelegen, am besten mit Standortfreigabe.

Aber damit nicht genug. Auch der Apothekenalltag steht unter Beobachtung. Die bloße Behauptung, man habe gearbeitet, gilt nicht mehr. Ein Zeiterfassungssystem mit Sechs-Augen-Prinzip ist vorgesehen, ergänzt durch verpflichtende Smartwatches, die Puls, Schrittzahl und idealerweise auch neuronale Aktivität messen. Wer im Nachtdienst döst, riskiert Punktabzug wegen Unterforderung. Wer zu viele Schritte macht, gilt als hektisch. Die ideale Apothekerin? Ruhig, effizient, aber bitte mit dokumentierter Hirnaktivität.

Die pharmazeutischen Dienstleistungen – kurz pDL – avancieren zur Prüfdisziplin. Medikationsanalysen werden nicht nur per Formular dokumentiert, sondern auch gewogen. Im neuen Prüfverfahren muss das Papiergewicht des Ausdrucks mitgeschickt werden, um Fälschungen zu vermeiden. Wer schummelt, riskiert den sofortigen Approbationsentzug – und wird zum Fall für die Agentur für Prä- und Requalifizierung, kurz AfPr. Die residiert praktischerweise im gleichen Gebäude wie der Prüfungsausschuss, was kurze Wege garantiert.

Dort erwartet die Betroffenen ein Wochenende der Wahrheit. Drogenkunde wird unter dem Mikroskop praktiziert, Gesetzeskunde mit Paragraphen-Origami. Höhepunkt ist der Escaperoom, in dem die Ex-Approbierten unter PTA-Aufsicht Beratungsszenarien bewältigen müssen: Wechselwirkungen erraten, Rabattverträge entschlüsseln, und die Retax-Falle aus zehn Metern Entfernung wittern. Wer scheitert, bleibt draußen – zumindest bis zum nächsten kostenpflichtigen Durchlauf.

Denn billig ist der Spaß nicht. 1.200 Euro Prüfungsgebühr, sofort fällig. Selbstverschulden, heißt es trocken. Wer nicht rechtzeitig Fortbildungsnachweise liefert, dem ist nicht zu helfen. Dass parallel ein Apotheker seinen Versandhandel schließt, weil Amazon ihn auslistet, und eine Kollegin Rezepturen für ein schwer krankes Kind auch ohne Dienstpflicht herstellt, während eine andere gegen ein Versandplakat vor ihrer eigenen Apotheke kämpft – geschenkt. Das System interessiert sich nicht für Engagement, sondern nur für Dokumentation.

Und so sieht die Zukunft der Pharmazie aus wie ein digitales Planspiel mit analogem Kontrollwahn. Der Apotheker wird zur Verwaltungseinheit mit Pulsfrequenz und Speicherchip. Wer nicht nachweisen kann, dass er noch “apothekert”, darf es eben nicht mehr. Die neue Berufsethik heißt: Ich dokumentiere, also bin ich. Und wehe, das Selfie ist verwackelt.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Wenn Strom, Daten und Medikamente gleichzeitig ausfallen

Source: Deutsche Nachrichten
Der landesweite Stromausfall in Portugal wurde zum ernüchternden Praxistest für Apotheken in ganz Europa. Binnen Sekunden waren Rezeptserver, Abrechnungssoftware und Kühlsysteme außer Betrieb. Parallel erschüttert eine vom Chaos Computer Club aufgedeckte Sicherheitslücke in der elektronischen Patientenakte das Vertrauen in die digitale Gesundheitsverwaltung. In Deutschland geraten Apotheken zunehmend auch finanziell unter Druck: Retaxationen führen trotz korrekter Versorgung zu hohen Verlusten, Lieferengpässe wie bei der bewährten Augensalbe Posiformin lassen Therapien ins Wanken geraten. Die Freie Apothekerschaft fordert nun eine monatliche Ausgleichszahlung von 4000 Euro pro Betrieb für die gesetzlich verlangten Gemeinwohlpflichten. Gleichzeitig verweigert die Politik dringend notwendige Reformen – trotz Milliardenlücken in der GKV. Hoffnung keimt ausgerechnet bei der ABDA auf, wo ein Generationenwechsel zu mehr Realitätssinn und Dialogbereitschaft führt. Zwischen technischer Fragilität, politischem Stillstand und therapeutischer Unsicherheit zeigen sich die strukturellen Schwächen eines Systems, das ohne erkennbare Kurskorrektur weiter auf Verschleiß läuft.

Ein landesweiter Stromausfall in Portugal hat gezeigt, wie anfällig moderne Apothekensysteme für technische Störungen sind. Als die Elektrizität ausfiel, kam in den Apotheken der Betrieb abrupt zum Erliegen. Ohne Strom waren weder elektronische Rezeptsysteme noch Abrechnungstools funktionsfähig. Kühlsysteme versagten, Kommunikationswege brachen zusammen, Patienten konnten nicht versorgt werden. Es war ein realistischer Belastungstest für die europäische Apothekeninfrastruktur – mit alarmierendem Ausgang.

Zeitgleich sorgen neue Enthüllungen des Chaos Computer Clubs für Unruhe: Die elektronische Patientenakte (ePA) weist eine kritische Sicherheitslücke auf. Über das Ersatzverfahren zur Authentifizierung konnten digitale Prüfwerte automatisiert missbraucht werden. Der Zugriff auf sensible Daten war technisch möglich. Der Vorfall rückt erneut die Frage in den Fokus, ob zentrale digitale Systeme ausreichend gegen Missbrauch geschützt sind.

Auch unabhängig von digitalen Risiken spitzen sich strukturelle Schwächen weiter zu. Retaxationen verursachen in Apotheken teils existenzgefährdende Verluste. Formale Fehler in der Dokumentation führen zu Rückforderungen durch Krankenkassen – unabhängig davon, ob eine korrekte Versorgung stattfand. Ein umfassender Versicherungsschutz gegen solche Risiken wird zunehmend zur betriebswirtschaftlichen Pflicht, doch viele Apotheken sind unzureichend abgesichert.

Vor diesem Hintergrund fordert die Freie Apothekerschaft eine monatliche Zahlung von 4000 Euro pro Apotheke für gesetzlich vorgeschriebene Gemeinwohlaufgaben. Dieser Betrag soll nicht über die Krankenkassen finanziert werden, sondern eine unabhängige, strukturelle Anerkennung der Leistung darstellen. Die Forderung richtet sich direkt an die neue Bundeswirtschaftsministerin.

Gleichzeitig deutet sich bei der ABDA ein strategischer Kurswechsel an. Stefan Hartmann, lange ein Kritiker des Verbands, signalisiert erstmals Unterstützung. Jüngere Impulse wie die Initiative Abyou haben offenbar zu einem offeneren Umgang mit Kooperationen und Differenzierungen geführt. Der Dialog mit der Politik soll gestärkt, die Realität in den Apotheken stärker berücksichtigt werden.

Dringend wären solche Impulse auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Die GKV steuert auf eine strukturelle Krise zu. Trotz eines Defizits von über sechs Milliarden Euro sieht der Koalitionsvertrag keine kurzfristige Entlastung vor. Eine Expertenkommission soll frühestens 2027 Lösungen vorschlagen. Die Zeit bis dahin dürfte von Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen geprägt sein.

Im Kontrast zur Strukturkrise steht ein medizinischer Fortschritt: Ein Progesteronblocker, ursprünglich als Notfallverhütung bekannt, zeigt Potenzial in der Brustkrebstherapie. Die neue Sicht auf hormonelle Signalwege eröffnet therapeutische Perspektiven – doch gleichzeitig fehlen in der Grundversorgung Medikamente wie Posiformin, die seit Jahrzehnten Standard bei der Behandlung von Gerstenkörnern waren. Lieferengpässe zwingen Apotheken zu Improvisationen ohne Sicherheit für Patienten.

Selbst die Ausbildung ist betroffen: Neue Erkenntnisse über effektive Lerntechniken zeigen, wie wichtig methodisches Vorgehen für den Studienerfolg ist. Doch Lernstress, Praxisferne und unzuverlässige Strukturen erschweren es gerade jungen Apothekenteams, ihren Platz zu finden.

Kommentar:

Was auf den ersten Blick wie ein Sammelsurium apothekenspezifischer Einzelprobleme wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als strukturelle Systemkrise. Die Kombination aus technischer Abhängigkeit, regulatorischer Überlastung und politischer Reformverweigerung zeigt: Das Fundament der Arzneimittelversorgung ist brüchiger, als es das Bild einer stabilen Infrastruktur vermuten lässt.

Die öffentliche Apotheke erfüllt unverändert zentrale Aufgaben für die Daseinsvorsorge – gerade in ländlichen Regionen. Doch anstatt diese Leistungen endlich dauerhaft abzusichern, wird die Verantwortung weiter verschoben: auf Digitalisierungskampagnen, auf Abwehrmechanismen gegen Retaxationen, auf Eigenverantwortung beim Versicherungsschutz. Die politische Führung verweigert die strukturelle Anerkennung dieser Arbeit – und blendet die Realität im Apothekenalltag aus.

Dass ausgerechnet bei der ABDA ein mentaler Umbruch spürbar wird, ist ein Zeichen der Hoffnung. Die Öffnung für Kooperationen, die Rückkehr zum politischen Dialog und das wachsende Gewicht jüngerer Stimmen könnten der Schlüssel zu einer realistischeren Apothekenpolitik sein – wenn sie nicht wieder von parteitaktischem Kleinmut überdeckt werden.

Gleichzeitig braucht es eine sofortige Reform der GKV-Finanzierung. Eine Expertenkommission im Jahr 2027 ist keine Lösung, sondern ein Aufschub. Apotheken, Kassen und Versicherte tragen bereits jetzt die Konsequenzen politischen Stillstands. Der Strukturbruch ist längst Realität – und lässt sich nicht mehr mit Symbolpolitik verdecken.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Apotheken verzichten auf Amazon-Versand, werben nicht vor Kollegen und sind digital ungeschützt

Source: Deutsche Nachrichten
Cyberangriffe treffen Apotheken unvorbereitet, während rechtliche Urteile digitale Vertriebswege blockieren. Immer mehr Inhaber ziehen sich aus Plattformen wie Amazon zurück, aus Angst vor Abmahnungen und Datenschutzrisiken. Parallel dazu verschärft sich der Wettbewerb durch aggressive Werbemaßnahmen von Versandkonzernen wie Shop Apotheke, die direkt vor Präsenzapotheken werben. In Spanien wurden drei Kinder aus einem Haus befreit, in dem sie jahrelang inmitten von Müll und Medikamentenresten lebten. Ein medizinischer Selbstversuch führt in den USA zur Entwicklung neuer Antikörper gegen Schlangengifte. Die Bundesregierung setzt mit neuen Staatssekretären auf politische Stabilisierung. Eine Apothekerin übernimmt im Notfall Verantwortung, während eine PTA-Auszubildende nachträglich durch die Prüfung fällt. Die EU verbietet derweil gesundheitsbezogene Werbung für pflanzliche Stoffe. Das Spannungsfeld zwischen Versorgung, Politik und gesellschaftlichen Abgründen wird sichtbarer denn je.

Die Bedrohung durch Cyberangriffe nimmt im Apothekenwesen rasant zu. Immer mehr Prozesse wie Warenwirtschaft, E-Rezept-Abwicklung oder digitale Patientenkommunikation laufen über vernetzte Systeme. Dennoch bleibt die digitale Absicherung vieler Apotheken unzureichend. IT-Schutzmaßnahmen fehlen oder sind veraltet, und spezialisierte Versicherungen gegen Cybervorfälle sind kaum verbreitet. Dabei sind es längst nicht mehr hypothetische Risiken: Die zunehmende Anzahl gezielter Angriffe auf medizinische Einrichtungen zeigt, dass auch Apotheken ein lohnendes Ziel für Cyberkriminelle darstellen. Patientendaten, Versorgungsstrukturen und rechtliche Integrität stehen auf dem Spiel.

Parallel dazu sorgen juristische Entwicklungen für Verunsicherung: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs zur datenschutzrechtlichen Einwilligungspflicht bei Plattformverkäufen haben zahlreiche Apotheken ihren OTC-Versand über Amazon eingestellt. Die Sorge vor Abmahnungen und rechtlichen Auseinandersetzungen ist groß. Der Rückzug aus digitalen Handelsplattformen wie Amazon markiert einen herben Rückschritt in der digitalen Sichtbarkeit vieler Apotheken, zeigt aber auch die Wucht regulatorischer Unsicherheit.

Ein weiterer Konfliktherd ist der Wettbewerb mit Versandapotheken. In Oberhausen platzierte die Shop Apotheke ein großformatiges Werbeplakat direkt vor einer Präsenzapotheke. Der Schritt wird von Kollegen als gezielte Provokation gewertet. Während stationäre Apotheken mit begrenzten Mitteln um Sichtbarkeit und Kundennähe kämpfen, agieren Konzerne mit aggressiven Marketingstrategien und wirtschaftlichem Druck.

Neben diesen strukturellen Themen erschüttert ein Fall aus Oviedo in Spanien: Drei Kinder wurden aus einem Haus befreit, in dem sie jahrelang unter menschenunwürdigen Bedingungen lebten. Umgeben von Müll, Medikamenten und Fäkalien, unterernährt und sozial isoliert, hatten sie keinerlei Zugang zur Außenwelt. Die Eltern, darunter ein deutscher Staatsbürger, wurden festgenommen. Der Fall offenbart nicht nur dramatische individuelle Tragödien, sondern zeigt auch, wie institutionelle Kontrollmechanismen versagen können.

Im Gegensatz dazu steht ein medizinischer Selbstversuch, der in den USA Aufmerksamkeit erzeugt: Ein Mann injizierte sich über Jahre hinweg kontrolliert Schlangengifte, um eine Immunantwort zu provozieren. Die dabei gewonnenen Antikörper wurden in Tests an Mäusen eingesetzt und zeigten Schutz gegen 19 verschiedene Schlangengifte. Die Entdeckung gilt als potenzieller Wegbereiter für eine humane Breittherapie gegen Schlangenbisse.

Auch in der Gesundheitspolitik gibt es personelle Neuordnungen: Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat mit Tino Sorge und Dr. Georg Kippels zwei erfahrene Gesundheitspolitiker als parlamentarische Staatssekretäre berufen. Beide sind in gesundheitspolitischen Fachgremien etabliert und sollen die inhaltliche und kommunikative Schlagkraft des Ministeriums erhöhen.

Die tägliche Apothekenpraxis liefert derweil Beispiele für herausragendes Engagement, aber auch für institutionelle Schwächen: Eine Apothekerin sprang spontan für eine dringliche Rezepturherstellung ein, obwohl sie offiziell keinen Dienst hatte. Ihr Einsatz wurde als beispielhaft beschrieben. Gleichzeitig wurde einer PTA-Auszubildenden nachträglich die bereits bestandene schriftliche Abschlussprüfung aberkannt – ein Vorgang, der in Berufsverbänden auf scharfe Kritik stieß und die mangelnde Rechtssicherheit in Ausbildung und Prüfungsverfahren offenlegt.

Nicht zuletzt sorgt ein regulatorischer Eingriff der EU-Kommission für Debatten: Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen für pflanzliche Stoffe wie Safran- oder Ginkgoextrakte ist vorerst verboten. Der Grund: Die vorliegenden Studien reichen nicht aus, um einen medizinischen Nutzen evidenzbasiert zu belegen. Für Apotheken, die entsprechende Präparate vertreiben, bedeutet das nicht nur rechtliche Einschränkungen, sondern auch wirtschaftliche Einbußen.

Kommentar:

Die Gleichzeitigkeit multipler Belastungen offenbart eine strukturelle Überforderung des Apothekensystems in einem gesundheitspolitisch und gesellschaftlich fragilen Umfeld. Cyberrisiken, rechtliche Unsicherheit, aggressive Marktstrategien, soziale Ausnahmefälle und bildungspolitisches Versagen verdichten sich zu einem symptomatischen Gesamtbild: Die Resilienz der Versorgung ist brüchig.

Dass viele Apotheken trotz vernetzter Betriebsstrukturen keine funktionale Cyberabsicherung aufweisen, ist nicht nur betriebswirtschaftlich riskant, sondern gefährdet konkret Patientenrechte und Versorgungsfähigkeit. Es fehlt an verpflichtenden Standards, finanzieller Förderung und gezielter Aufklärung. Die Ignoranz gegenüber diesen Risiken ist nicht länger tragbar.

Der Rückzug vom Amazon-Versand belegt, wie regulatorische Unsicherheit konkrete Entwicklungen im Keim erstickt. Statt Apotheken rechtlich klare und praktikable Wege in die digitale Zukunft zu eröffnen, entsteht durch Urteile und Abmahnrisiken ein Klima der Angst. Wer Digitalisierung fordert, muss Rechtssicherheit garantieren – sonst entsteht Stillstand durch Selbstschutz.

Noch prekärer ist die strategische Offensive der Versandkonzerne, die mit gezielter Plakatwerbung vor stationären Apotheken auftreten. Dies ist mehr als ein Werbegag: Es ist ein symbolischer Angriff auf die wohnortnahe Versorgung. Dass die Politik hier keine klaren Schranken zieht, stärkt die Marktverzerrung zulasten kleiner Betriebe.

Der Fall aus Oviedo offenbart ein institutionelles Totalversagen. Solche Lebensumstände sind keine Randnotiz, sondern eine Anklage gegen alle Kontrollinstanzen – auch jene des Gesundheitswesens. Es braucht mehr als Empörung: Es braucht Systemkorrektur und strukturelle Prävention.

Der medizinische Selbstversuch, so unorthodox er auch ist, verweist auf das Potenzial individueller Forschungsansätze. Er zeigt, wie medizinischer Fortschritt abseits institutioneller Forschung entstehen kann – und wie wichtig offene wissenschaftliche Kultur bleibt.

Positiv bleibt der Einsatz einer Apothekerin, die Verantwortung übernimmt, obwohl sie nicht musste. Er steht im Kontrast zur bitteren Erfahrung einer PTA-Auszubildenden, die trotz bestandener Leistung durch ein institutionelles Versagen beschädigt wurde. Zwischen persönlichem Ethos und strukturellem Fehlverhalten liegt das gesamte Spannungsfeld des Berufs.

Die Einschränkung der Werbemöglichkeiten für pflanzliche Produkte durch die EU hat eine sachliche Basis, trifft aber wirtschaftlich ausgerechnet jene Betriebe, die sich auf seriöse Gesundheitsaufklärung stützen. Ohne differenzierte Bewertung der Nachweislast droht eine pauschale Schwächung evidenznaher Beratung im Apothekenalltag.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-Nachrichten von heute: Kein Schutz bei Retax, keine Hilfe bei Ausfällen, kein Plan für die GKV

Source: Deutsche Nachrichten
Retaxationen gelten als eines der teuersten und zugleich willkürlichsten Risiken im Apothekenbetrieb – und das, obwohl die Versorgung medizinisch einwandfrei erfolgt. Oft reichen formale Abweichungen, um zu hohen Rückforderungen durch Krankenkassen zu führen. Gleichzeitig geraten zentrale Versorgungsstrukturen immer stärker ins Wanken. Der großflächige Stromausfall in Portugal hat auf dramatische Weise offengelegt, wie abhängig Apotheken von stabilen digitalen Infrastrukturen sind. Wenn Rezeptsysteme versagen, Kühlsysteme ausfallen und Kommunikationswege blockiert sind, bricht die Versorgung lückenhaft zusammen. Währenddessen rücken massive Sicherheitslücken in der elektronischen Patientenakte ins öffentliche Bewusstsein, ohne dass politisch Konsequenzen folgen. Die Forderung nach pauschaler Vergütung für Gemeinwohlpflichten bleibt ebenso unbeantwortet wie der Ruf nach Stabilisierung der GKV. Parallel fehlen Medikamente wie Posiformin, während innovative Therapien wie Progesteronblocker und Schlangengift-Antikörper entstehen. Die Apothekerschaft steht im Zentrum eines Systems, das auf ihren Schultern ruht, aber kaum Rückhalt bietet.

Retaxationen verursachen hohe Schäden in Apotheken – Ein Versicherungsschutz wird zunehmend unverzichtbar

Retaxationen zählen zu den kostspieligsten und zugleich am wenigsten kalkulierbaren Risiken im Apothekenbetrieb. Die Prüf- und Rückforderungsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenkassen nehmen seit Jahren zu und betreffen Apotheken unabhängig von Größe, Standort oder Spezialisierung. Besonders brisant ist dabei die Tatsache, dass viele Retaxationen nicht aus inhaltlichen Fehlern resultieren, sondern aus formalen Unstimmigkeiten, die trotz korrekter Versorgung zu erheblichen finanziellen Verlusten führen können. In vielen Fällen übernehmen die Apotheken diese Schäden selbst, da ein strukturierter Rechtsweg mit erheblichem Aufwand und ungewissem Ausgang verbunden ist.

Die Einführung des E-Rezepts hat entgegen früherer Erwartungen bislang keine Entspannung gebracht. Vielmehr zeigen sich neue Fehlerquellen, etwa durch technische Schnittstellenprobleme oder Interpretationsspielräume bei den Angaben auf dem Rezept. Apotheken sehen sich zunehmend einer Praxis gegenüber, in der Kassen gezielt auf formale Mängel achten, um Kleinstbeträge systematisch zu retaxieren. Diese Entwicklung belastet nicht nur die wirtschaftliche Stabilität vieler Betriebe, sondern führt auch zu einem wachsenden Vertrauensverlust in die Integrität des Abrechnungssystems.

In diesem Umfeld gewinnt die Retax-Versicherung als gezielter Vermögensschutz an Bedeutung. Sie übernimmt im Schadensfall die Rückzahlung beanstandeter Beträge, sofern die Retaxation nicht auf grobem Fehlverhalten basiert. Entscheidend für den Nutzen einer solchen Versicherung ist die vertragliche Definition der versicherten Risiken. Abgedeckt sein sollten neben offensichtlichen Fehlern auch solche Beanstandungen, die aus systembedingten Widersprüchen zwischen Apothekenpraxis und Krankenkassenvorgaben resultieren. Ebenso relevant ist die Frage, ob auch Bearbeitungskosten und Prozessaufwand im Streitfall übernommen werden.

Apothekenbetreiberinnen und -betreiber müssen daher sorgfältig prüfen, ob ihr Versicherungsschutz auf die spezifischen Anforderungen der Retaxpraxis zugeschnitten ist. Dazu gehören die Einschätzung der Retaxhäufigkeit, die Bewertung des betrieblichen Risikoprofils sowie die Prüfung bestehender Haftungsbegrenzungen innerhalb der eigenen Betriebsorganisation. Auch die Integration in ein digitales Dokumentationssystem kann zur Minimierung von Fehlerquellen beitragen, ersetzt aber keinen finanziellen Schutzschirm gegen Rückforderungen, die trotz aller Vorsicht entstehen können.

Der Stellenwert einer solchen Versicherung steigt nicht zuletzt deshalb, weil die aktuelle Systemarchitektur der Arzneimittelversorgung eine klare Trennlinie zwischen Leistungserbringung und Abrechnungsverantwortung vermissen lässt. Solange formale Retaxationen in großem Stil möglich sind, tragen Apotheken das wirtschaftliche Risiko weitgehend allein. In einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem erscheint diese Asymmetrie zunehmend problematisch.

Die anhaltende Praxis der Retaxation offenbart ein strukturelles Ungleichgewicht im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Apotheken. Während Kassen aus einer Position institutioneller Stärke agieren können, sind Apotheken auf einen rechtlich und wirtschaftlich unsicheren Boden verwiesen. Die Tatsache, dass selbst korrekte Leistungen durch formale Fehler mit Rückforderungen belegt werden können, widerspricht jedem Gedanken an partnerschaftliche Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. Die Verantwortung für eine lückenlose und widerspruchsfreie Dokumentation wird vollständig auf die Apotheken verlagert, ohne dass sie dabei rechtlich abgesichert wären.

Diese Schieflage ist nicht allein eine Frage fehlender Digitalisierung oder unzureichender Softwarelösungen. Sie ist Ausdruck eines Systemversagens, das wirtschaftliche Risiken privatisiert und dabei kollektive Gesundheitsversorgung gefährdet. Eine Apotheke, die regelmäßig mit hohen Retaxsummen konfrontiert ist, gerät schnell an ihre Belastungsgrenze – nicht nur finanziell, sondern auch personell und organisatorisch. Der bürokratische Aufwand und die damit verbundenen Opportunitätskosten stehen in keinem Verhältnis zum Ziel einer qualitativ hochwertigen Versorgung.

Der Vorschlag, mit einem digitalen Retax-Portal Erleichterung zu schaffen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Er adressiert jedoch nur die Symptome eines tieferliegenden Problems. Solange Kassen über die Deutungshoheit bei Retaxationen verfügen und rechtliche Auseinandersetzungen für Apotheken mit hohen Hürden verbunden sind, bleibt der wirtschaftliche Schaden einseitig verteilt. Die Einführung einer verpflichtenden Validator-Software wäre ein logischer nächster Schritt, doch politisch fehlt bislang der Wille, eine solche Lösung gegen die Widerstände der Krankenkassen durchzusetzen.

Umso wichtiger wird der individuelle Schutz durch eine gezielte Retax-Versicherung. Sie ersetzt keine Reform, kann aber unter den gegebenen Umständen betriebliche Existenzen sichern. Die Verantwortungsträger in Politik und Selbstverwaltung sind gefordert, diese Schutzbedarfe nicht als Einzelfallprobleme abzutun, sondern als Ausdruck eines systemischen Ungleichgewichts ernst zu nehmen. Apotheken leisten täglich unverzichtbare Arbeit für die Gesundheitsversorgung. Ein System, das sie dabei finanziell im Stich lässt, handelt verantwortungslos – und riskiert letztlich die Versorgungssicherheit für alle.

Der Stromausfall in Portugal wird zum Test für Apotheken

Als am vergangenen Montag gegen 11.30 Uhr Ortszeit der Strom in ganz Portugal ausfiel, waren schlagartig zentrale Infrastrukturen betroffen. Haushalte, Verkehr, Kommunikationsnetze und insbesondere Apotheken standen still. Die plötzliche Unterbrechung der Stromversorgung legte nicht nur Licht und Kühlung lahm, sondern kappte auch den Zugang zu elektronischen Rezeptsystemen, Arzneimittel-Datenbanken und Abrechnungsprogrammen. Über Stunden funktionierte weder das Internet zuverlässig noch waren Telefonnetze stabil erreichbar. Erst am späten Abend normalisierte sich die Lage.

Besonders in Apotheken führte der Stromausfall zu tiefgreifenden Herausforderungen. Der Ausfall der digitalen Systeme bedeutete, dass weder elektronische Rezepte eingesehen noch Medikamentenverfügbarkeiten überprüft werden konnten. In größeren Städten versuchten Apothekenteams zunächst, mit mobilen Hotspots oder Restbatterien auf Notlösungen zurückzugreifen. Doch angesichts der weitreichenden Netzstörungen versagte auch diese Strategie in vielen Fällen. Apotheken in ländlichen Regionen reagierten mit pragmatischer Improvisation. Dort griff man auf vorbereitete Papierlisten zurück, notierte Rezeptanforderungen handschriftlich und rekonstruierte Medikationspläne im Gespräch mit Patientinnen und Patienten.

Zentral war in dieser Ausnahmesituation die Gewährleistung der Versorgung mit Notfallmedikamenten. Präparate zur Behandlung chronischer Krankheiten, Insulin, Herzmittel oder Antibiotika wurden teilweise ohne vollständige Dokumentation ausgegeben, jedoch unter sorgfältiger Einzelfallprüfung durch das pharmazeutische Personal. Die Aufzeichnungen erfolgten per Hand und sollten nach Wiederherstellung der Systeme digital ergänzt werden. Besonders heikel war der Umgang mit kühlpflichtigen Arzneimitteln. Apotheken ohne Notstromaggregate mussten auf improvisierte Kühlboxen zurückgreifen und hoffen, dass die Temperaturgrenzen eingehalten wurden.

Bemerkenswert war das kollektive Handeln vieler Apotheken untereinander. In Ballungsräumen stimmten sich Betriebe telefonisch oder persönlich ab, tauschten Bestände aus oder leiteten Patientinnen weiter. In strukturschwachen Regionen intensivierte sich die Zusammenarbeit mit lokalen Hausarztpraxen, um Medikationssicherheit zu gewährleisten. Während große Gesundheitszentren auf digitale Prozesse angewiesen blieben, zeigte sich in kleinen Apotheken die Bedeutung robuster analoger Strukturen. Die Bereitschaft der Beschäftigten, länger zu arbeiten, individuell zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen, war entscheidend dafür, dass trotz technischer Lähmung keine systematische Versorgungslücke entstand.

Der Stromausfall legte offen, wie abhängig moderne Apotheken von IT-Systemen geworden sind. Gleichzeitig zeigte er die Widerstandsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit pharmazeutischer Teams, wenn etablierte Abläufe plötzlich ausfallen. Portugal bestand diesen unvorhergesehenen Stresstest mit menschlicher Improvisation, fachlicher Kompetenz und pragmatischer Solidarität.

Der nationale Stromausfall in Portugal war ein Ereignis, das weit über technische Störungen hinausreicht. Er war ein Echtzeitexperiment für die Funktionsfähigkeit moderner Versorgungssysteme ohne digitale Infrastruktur. Besonders Apotheken als unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung wurden ins Zentrum dieses Tests katapultiert. Die Art und Weise, wie viele von ihnen auf den Ausfall reagierten, verdient Anerkennung. Doch sie wirft zugleich grundlegende Fragen auf, die weit über Portugal hinausreichen.

Die komplette Abhängigkeit von Strom, Netz und Servern hat in den vergangenen Jahren nicht nur Prozesse beschleunigt, sondern auch Verwundbarkeiten geschaffen. Wenn digitale Rezepte nicht mehr zugänglich sind, Medikamentenlager nicht abgefragt werden können und selbst Kassenfunktionen ausfallen, zeigt sich die Kehrseite der technologischen Effizienz. Das betrifft nicht nur Portugal. Auch in Deutschland oder anderen hochdigitalisierten Gesundheitssystemen wäre ein flächendeckender Stromausfall eine unmittelbare Bedrohung für die Arzneimittelversorgung.

Die Verantwortung dafür liegt nicht bei den Apotheken selbst. Sie haben in Portugal bewiesen, dass sie auch ohne Technik funktionieren können. Vielmehr trifft die Verantwortung politische Entscheidungsträger und Systemgestalter, die bislang zu wenig für resiliente Notfallstrukturen tun. Der Stromausfall war ein Warnsignal, das nicht ignoriert werden darf. Es braucht systematisch vorbereitete analoge Reserveprozesse, dezentrale Kühlkettenlösungen und verbindliche Notfallprotokolle. Apotheken müssen nicht nur digital, sondern auch ausfallsicher organisiert sein.

Auch rechtlich wirft das Ereignis Fragen auf. Wenn Apotheken Medikamente ohne Zugriff auf Verordnungen herausgeben, agieren sie im Grenzbereich. Hier braucht es rechtliche Klarstellungen und Rückendeckung für das fachliche Ermessen, das in Krisensituationen unvermeidlich ist. Denn letztlich steht nicht das Formular, sondern der Mensch im Zentrum der Versorgung.

Die strukturelle Lehre aus dem portugiesischen Blackout lautet: Ein Versorgungssystem, das ausschließlich auf digitale Prozesse baut, verliert im Krisenfall seine Robustheit. Die Stärke liegt in der klugen Verbindung aus technologischem Fortschritt und analoger Ausfallsicherheit. Was in Portugal mit Improvisation und Erfahrung gelang, muss anderswo zur strukturellen Pflicht werden.

CCC weist erneut gravierende Sicherheitslücke in der ePA nach

Die elektronische Patientenakte steht erneut im Zentrum massiver Sicherheitsbedenken. Der Chaos Computer Club hat demonstriert, wie sich mit relativ einfachen Mitteln ein technischer Zugriff auf die ePA realisieren lässt. Grundlage des Angriffs war ein strukturelles Defizit im sogenannten Ersatzbescheinigungsverfahren, das eigentlich dazu dienen soll, Versicherten auch ohne elektronische Gesundheitskarte einen Zugang zu medizinischen Leistungen zu ermöglichen. Genau dieses Verfahren war bei bestimmten Krankenkassen jedoch so gestaltet, dass der darin enthaltene Prüfwert – eine digitale Kennziffer für die Authentifizierung – automatisiert abgefragt und missbraucht werden konnte. Die Hacker verzichteten nach eigenen Angaben bewusst auf den Zugriff auf reale Patientendaten, machten jedoch deutlich, dass dieser Zugriff technisch möglich gewesen wäre.

Die Gematik als verantwortliche Betreiberin der Telematikinfrastruktur bestätigte am 30. April die Existenz dieser Schwachstelle und erklärte, das Einfallstor unmittelbar nach Bekanntwerden geschlossen zu haben. Dennoch bleibt der Vorfall schwerwiegend. Denn er trifft die ePA just zu dem Zeitpunkt, an dem sie bundesweit eingeführt wurde. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte nach einem ersten Angriff des CCC im Dezember 2024 angekündigt, die Einführung der ePA werde erst dann erfolgen, wenn alle Schwachstellen ausgeschlossen seien. Die aktuelle Entwicklung stellt diese Zusage infrage. Auch die Einschätzung von Sicherheitsexperten fällt deutlich aus. Die eingesetzten Schutzmechanismen hätten sich in der konkreten Angriffssituation als unwirksam erwiesen. Ein zentrales Sicherheitselement sei nicht nur umgangen worden, es sei konzeptionell unzureichend gewesen.

Das Vertrauen in die digitale Gesundheitsinfrastruktur könnte durch diesen Vorfall dauerhaft beschädigt sein. Die Aussage, es handele sich um eine begrenzte Lücke, die nur wenige Versicherte betreffe, relativiert die grundsätzliche Tragweite nicht. Denn die Frage, wie sicher die Verarbeitung hochsensibler Gesundheitsdaten im Rahmen der ePA tatsächlich ist, bleibt unbeantwortet. Die Kritik, dass hier ein technisch komplexes, aber in der Tiefe fragiles System aufgebaut wurde, gewinnt angesichts der wiederholten Angriffe neue Relevanz. Zwar betonen Gematik und Ministerium, man reagiere umgehend auf alle Hinweise und arbeite eng mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammen. Doch der Eindruck bleibt bestehen, dass die Sicherheitsarchitektur hinter der Geschwindigkeit politischer Digitalisierungsprojekte zurückbleibt.

Der zweite erfolgreiche Angriff des Chaos Computer Clubs auf die elektronische Patientenakte ist mehr als ein technischer Zwischenfall. Er ist ein Beleg für eine strukturelle Unterschätzung digitaler Risiken im Gesundheitswesen. Inmitten eines politisch forcierten Rollouts wurde eine Lösung implementiert, deren Sicherheit nicht den realen Anforderungen standhält. Dass die ePA trotz offener Schwachstellen bundesweit aktiviert wurde, offenbart ein digitales Vorpreschen ohne ausreichende Absicherung.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Gematik, sondern auch bei jenen politischen Entscheidungsträgern, die digitale Vorhaben aus strategischem Kalkül beschleunigen. Gesundheitsminister Lauterbach hatte die Einführung der ePA an die Bedingung geknüpft, dass kein Szenario eines erfolgreichen Angriffs mehr möglich sein dürfe. Diese Bedingung ist mit dem jetzigen Vorfall klar verletzt. Dass ethische Hacker auf den tatsächlichen Zugriff verzichteten, darf nicht als Beweis für Systemsicherheit gewertet werden. Im Gegenteil: Es zeigt, wie abhängig das Sicherheitsversprechen von der Integrität externer Akteure geworden ist.

Gleichzeitig offenbart der Angriff einen konzeptionellen Mangel im Umgang mit digitaler Identität. Die Umgehung eines Kernmechanismus durch automatisierte Anfragen an eine elektronische Ersatzbescheinigung legt eine fundamentale Schwäche offen. Die Kritik, man betreibe lediglich eine technisch aufwändige Form von Sicherheitstheater, ist deshalb nicht leichtfertig, sondern analytisch treffend.

Das Vertrauen in die digitale Patientenakte ist keine kommunikative Aufgabe, sondern ein sicherheitstechnisches Erfordernis. Eine Infrastruktur, die auf verpflichtende Nutzung ausgerichtet ist, darf keine freiwillige Sicherheitsmoral voraussetzen. Sie muss nachweisbar robust sein. Dass dies bislang nicht gelungen ist, stellt den politischen Umgang mit Datenschutz und Patientensouveränität grundsätzlich in Frage. Der Vorfall markiert damit nicht nur ein technisches Versagen, sondern ein institutionelles. Wer digitale Gesundheitsversorgung ernst nimmt, muss Sicherheit nicht nur versprechen, sondern beweisen.

Apotheken sollen viertausend Euro für Pflichtaufgaben erhalten

Die Freie Apothekerschaft hat kurz vor dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung eine konkrete finanzielle Forderung vorgelegt. Jede Apotheke in Deutschland soll monatlich viertausend Euro als Ausgleich für die Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Gemeinwohlaufgaben erhalten. Diese Forderung richtet sich an die künftige Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche von der CDU und soll bewusst nicht über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden. Ziel ist eine strukturelle Anerkennung der gesamtgesellschaftlichen Rolle öffentlicher Apotheken ohne zusätzliche Belastung der Versicherten.

Die Apotheken übernehmen eine Vielzahl gesetzlicher Aufgaben, die über die reine Arzneimittelabgabe hinausgehen. Dazu zählen unter anderem die Prüfung von Fertigarzneimitteln, der Verbraucherschutz bei Abgabeentscheidungen und aufwendige Dokumentationspflichten. Nach Angaben der Freien Apothekerschaft verursacht allein die gesetzliche Prüfungspflicht einen jährlichen Aufwand von 18 Millionen Euro. Diese Leistungen seien integraler Bestandteil der Gesundheitsinfrastruktur, würden aber bislang weder politisch noch finanziell ausreichend gewürdigt.

Bereits die ABDA hatte mit Blick auf die designierte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken eine Soforthilfe gefordert. Nun positioniert sich auch die Freie Apothekerschaft offensiv und knüpft ihre Erwartungshaltung an den Beginn der neuen Legislaturperiode. Der Verband verweist auf eine aktualisierte Liste von Pflichten und Auflagen, die inzwischen neun Seiten umfasst. Der gesetzlich definierte Gemeinwohlauftrag werde seit Jahren mit steigender Belastung erfüllt, ohne dass eine wirtschaftliche Kompensation erfolgt sei.

Die geforderte Pauschale solle eine strukturelle Unterfinanzierung beheben, die viele Apothekenstandorte gefährde. Besonders in ländlichen Regionen drohten Versorgungslücken, wenn die wirtschaftliche Grundlage für öffentliche Apotheken weiter geschwächt werde. Die Freie Apothekerschaft sieht den Bund in der Verantwortung, den politischen Rahmen für eine nachhaltige und flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern.

Ob die neue Bundesregierung auf diese Forderung eingeht, bleibt offen. Die Freie Apothekerschaft signalisiert ausdrücklich ihre Bereitschaft zum Dialog. In ihrer Mitteilung spricht sie von einem notwendigen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik und einem Ende der strukturellen Geringschätzung. Die Debatte über eine faire Finanzierung gesetzlicher Apothekenpflichten dürfte damit neu eröffnet sein.

Die Forderung der Freien Apothekerschaft ist mehr als ein Ruf nach Geld. Sie ist eine systemische Replik auf ein Versorgungsmodell, das seit Jahren auf Selbstausbeutung basiert. Apotheken in Deutschland sichern unter gesetzlichen Auflagen die Arzneimittelversorgung, garantieren Qualität, dokumentieren Leistungen und übernehmen Verantwortung im Verbraucherschutz. Diese Gemeinwohlaufgaben sind gesetzlich normiert, doch ihre Finanzierung bleibt politisch ungelöst. Wer Pflichtaufgaben verteilt, muss auch die Mittel dafür bereitstellen. Alles andere ist ein strukturelles Missverhältnis.

In der neuen Legislaturperiode steht viel auf dem Spiel. Der Ruf nach einem monatlichen Gemeinwohl-Ausgleich ist kein symbolischer Akt, sondern die betriebswirtschaftlich logische Antwort auf staatliche Pflichten ohne staatliche Gegenleistung. Dass die Forderung außerhalb der GKV-Budgets angesiedelt wird, zeugt von politischer Klugheit. Sie entzieht sich bewusst der chronischen Unterfinanzierung der Krankenkassen und verweist auf die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Apothekenarbeit. Der Bund kann sich dieser Verantwortung nicht dauerhaft entziehen, ohne das System zu destabilisieren.

Die zentrale Herausforderung liegt im politischen Selbstverständnis. Apotheken gelten zu oft als Teil des Marktes, nicht als Teil der kritischen Infrastruktur. Das hat Folgen für die Wahrnehmung und die Finanzierung. Doch Apotheken sind keine Gewerbebetriebe mit beliebiger Dienstleistungsbreite. Sie sind Pflichtversorger. Die Versorgungssicherheit, gerade in strukturschwachen Regionen, hängt an ihrer Leistungsfähigkeit. Wenn diese durch jahrelange Unterfinanzierung erodiert, ist das nicht betriebswirtschaftliches Pech, sondern politisches Versäumnis.

Es ist Zeit, das Gemeinwohl nicht nur zu proklamieren, sondern institutionell abzusichern. Viertausend Euro im Monat pro Apotheke sind eine konkrete Zahl, keine utopische Größe. Sie können die Grundlage für eine überfällige politische Diskussion sein, die bisher zu oft hinter formelhaften Danksagungen an die Apotheken verblasst ist. Wer Versorgung will, muss Verantwortung übernehmen. Die neue Bundesregierung steht vor der Wahl, ob sie Versorgungssicherheit tatsächlich gestaltet oder nur verwaltet.

Die neue ABDA setzt auf Dialog mit Politik und Berufsrealität

Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen, bekennt sich neuerdings als Unterstützer der ABDA. Dieser Richtungswechsel basiert auf dem Eindruck, dass die Standesvertretung unter dem Einfluss jüngerer Kräfte wie der Nachwuchsinitiative Abyou einen neuen Kurs eingeschlagen hat. Während Hartmann früher insbesondere die Abwehrhaltung gegenüber Kooperationen und Spezialisierungen kritisierte, erkennt er nun ein wachsendes Verständnis für Differenzierung und Modernisierung im Apothekenwesen.

Die veränderte Tonlage zeigt sich aus Sicht Hartmanns besonders im aktuellen Zukunftspapier der ABDA. Er sieht darin eine Abkehr von tradierten Denkweisen hin zu einer aktiveren Rolle im gesundheitspolitischen Dialog. Vorschläge zur Spezialisierung, zur Neuausrichtung der pharmazeutischen Dienstleistungen und zur flexibleren Gestaltung der Apothekenbetriebsordnung seien Ausdruck einer neuen Haltung, die Verantwortung nicht mehr abwehrt, sondern gestaltet.

Ein zentraler Punkt ist für Hartmann die Frage nach der rechtlichen Organisationsform. Die Debatte über eine Apothekengmbh müsse ohne Denkverbote geführt werden, um realistische Nachfolgelösungen zu ermöglichen und die persönliche Haftung neu zu bewerten. Es gehe dabei nicht um Investorenmodelle, sondern um eine zusätzliche Option für selbstständige Apotheker. Das Berufsverständnis ändere sich nicht durch die Wahl der Gesellschaftsform.

Auch in Bezug auf pharmazeutische Dienstleistungen fordert Hartmann eine zukunftsorientierte Entwicklung. Leistungen wie Impfen, Medikationsmanagement oder Heimversorgung müssten verbindlich verankert und sicher vergütet werden. Die dafür geeigneten Instrumente sieht er unter anderem im Nacht- und Notdienstfonds. Zugleich spricht er sich für eine stärkere Einbindung spezialisierter Apotheken aus, etwa bei Rezeptur oder Blisterversorgung.

Hinsichtlich des Versandhandels verfolgt Hartmann eine Strategie der regulativen Begrenzung. Ein Verbot sei kaum mehr durchsetzbar, doch könne eine Reihe von Auflagen wie Temperaturkontrollen die Attraktivität und Machbarkeit des Versandhandels faktisch einschränken. Entscheidend sei, dass politische Forderungen aus dem Berufsstand heraus entwickelt und klar artikuliert werden.

Die Erwartungen an die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken sind aus Sicht Hartmanns eindeutig. Sie solle den Apothekenberuf als tragende Säule der Versorgung anerkennen und bereit sein, Impulse aus dem Berufsstand aufzugreifen. Gleichzeitig ruft Hartmann die ABDA dazu auf, eine koordinierende Rolle zwischen spezialisierten Verbänden und der Politik einzunehmen. Nur mit einer gemeinsamen Position könne die Apothekenschaft ihre Themen nachhaltig durchsetzen.

Die Neuausrichtung der ABDA markiert eine Zäsur, die lange überfällig war. Jahrzehntelang dominierte ein Selbstverständnis, das auf Bewahrung statt Gestaltung setzte. Der Aufstieg jüngerer Akteure und Netzwerke wie Abyou hat diesem Stillstand ein Ende gesetzt. Entscheidend ist nicht nur die Altersstruktur, sondern der Wandel in der politischen Kultur: Kommunikation verläuft heute horizontal, abgestimmt, schneller und strategischer. Dieser Strukturwandel eröffnet der Apothekerschaft neue Chancen, wenn sie bereit ist, sich konsequent von altem Denken zu lösen.

Stefan Hartmann benennt zentrale Konfliktlinien, die in der Standespolitik zu lange tabuisiert wurden. Die Ausgrenzung von Spezialisierung und Kooperation hat nicht nur Innovation gehemmt, sondern auch Vertrauen zerstört. Dass dieselben Stimmen heute eine differenzierte Versorgung fordern, zeugt von einem späten, aber notwendigen Lernprozess. Die Diskussion über eine Apothekengmbh berührt fundamentale Fragen von Verantwortung, Nachfolge und wirtschaftlicher Realität. Sie verdient eine offene Debatte, nicht reflexhafte Abwehr.

Auch die Forderung nach eigener Gesetzesinitiative zur Apothekenbetriebsordnung ist ein Zeichen gewachsener Selbstverantwortung. Die Berufspolitik darf nicht länger in Erwartung externer Vorgaben verharren. Wer schreibt, bestimmt den Diskurs. In diesem Sinne ist die neue ABDA mehr als ein organisatorischer Neuanfang. Sie steht für einen Paradigmenwechsel, der die Apotheke als gestaltenden Teil des Gesundheitssystems versteht.

Dabei bleibt die Gefahr der Fragmentierung real. Die Vielzahl spezialisierter Verbände birgt das Risiko zerstreuter Interessen. Eine koordinierende ABDA ist daher unerlässlich. Ihre Stärke wird sich daran messen lassen, ob sie Interessen bündeln und zugleich Modernisierung vorantreiben kann. Nur so entsteht eine gemeinsame Stimme, die politisch gehört wird. Der Wandel hat begonnen, sein Erfolg hängt von Mut, Professionalität und Geschlossenheit ab.

Gesundheitskassen am Limit die Politik vertagt echte Reformen

Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland befindet sich in einer akuten Finanzkrise, doch der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung bleibt hinter den Erwartungen zurück. Trotz eines Defizits von 6,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr und massiver Beitragserhöhungen bei zahlreichen Kassen enthält das Regierungsprogramm lediglich vage Absichtserklärungen. Die geplante Expertenkommission soll erst 2027 konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung der GKV vorlegen. Bis dahin drohen weitere Belastungen für Versicherte und Arbeitgeber, ohne dass politisch kurzfristige Entlastungen in Sicht wären.

CDU-Parteichef Friedrich Merz hat die Defizite des Koalitionsvertrags offen eingeräumt. Auf dem Parteitag der Union erklärte der designierte Bundeskanzler, dass die vereinbarten Regelungen nicht ausreichen und dringend zusätzliche Reformen erforderlich seien. Die Spirale steigender Sozialversicherungsbeiträge müsse durchbrochen werden, um den Sozialstaat langfristig tragfähig zu halten. Er kündigte an, auch unbequeme Vorschläge zur Diskussion zu stellen, wenn die Stabilität der Kassen dies erfordere. Gleichzeitig forderte Merz mehr Eigenverantwortung und Effizienz im System und widersprach damit der Position seines Koalitionspartners SPD, der bislang vor allem auf zusätzliche Finanzierung durch höhere Einnahmen setzt.

Von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen kommt deutliche Kritik. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, machte bereits Mitte April auf die dramatische Lage aufmerksam. Die Rücklagen seien fast aufgebraucht, Beitragssätze auf Rekordniveau und die Dynamik der Ausgaben ungebrochen. Dass die einzige politische Reaktion eine Kommission sei, deren Ergebnisse erst in zwei Jahren erwartet werden, sei angesichts der Dringlichkeit nicht hinnehmbar. Auch der AOK-Bundesverband mahnte die künftige Gesundheitsministerin Nina Warken zur Eile. Ohne sofortige Schritte zur Beitragssatzstabilisierung gerate das gesamte System unter zusätzlichen Druck.

Der GKV-Spitzenverband fordert ein Vorschaltgesetz noch vor der Sommerpause, das ein Ausgabenmoratorium und eine gerechtere Finanzierung der Versorgung von Bürgergeldempfängern über Steuermittel vorsieht. Darüber hinaus seien strukturelle Reformen unausweichlich, um das medizinische und pflegerische Angebot stärker am tatsächlichen Bedarf auszurichten. Nur so könne eine nachhaltige Entlastung erreicht werden, ohne die Qualität der Versorgung zu gefährden.

Trotz punktueller Entlastungen wie der Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds aus dem Sondervermögen Infrastruktur bleibt der Gesamteindruck eines zu zögerlichen Regierungskurses. Die wirtschaftliche Lage lässt keine schnellen Mehreinnahmen erwarten, gleichzeitig steigen die Kosten durch demografischen Wandel und medizinischen Fortschritt weiter an. Die politischen Antworten darauf erscheinen fragmentiert, unentschlossen und vor allem zu spät.

Das deutsche Gesundheitssystem steht an einem Scheideweg. Die Schieflage der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht das Resultat plötzlicher Ereignisse, sondern Folge jahrelanger struktureller Versäumnisse und politischer Unentschlossenheit. Dass sich die neue Bundesregierung auf eine Expertenkommission als zentralen Lösungsweg beruft, offenbart ein Systemverhalten, das den Handlungsdruck zwar benennt, aber Verantwortung vertagt. Angesichts der sich weiter auftürmenden Defizite wirkt diese Strategie wie eine politische Beruhigungspille, die die Wucht der Realität nicht mehr dämpfen kann.

Friedrich Merz erkennt immerhin die Brisanz der Lage und benennt die Notwendigkeit weitergehender Reformen. Doch seine Worte bleiben bislang folgenlos, solange keine konkreten Maßnahmen benannt werden. Der Koalitionsvertrag ist in seiner Ausrichtung zu defensiv, zu technisch, zu vertagt. Was fehlt, ist ein entschlossener Reformplan, der kurzfristige Stabilisierung mit langfristiger Systemerneuerung verbindet. Die politische Führung steht in der Pflicht, Vertrauen zurückzugewinnen, bevor sich Beitragszahler und Leistungserbringer vollständig vom Versprechen eines gerechten und leistungsfähigen Sozialstaats abwenden.

Die Verantwortung lastet dabei nicht nur auf einer Partei. Auch die SPD hat sich über Jahre hinweg hinter der Hoffnung auf höhere Einnahmen und wirtschaftliches Wachstum verschanzt. Doch die Realität eines stagnierenden Wachstums und steigender Sozialausgaben lässt diese Strategie hohl erscheinen. Es braucht den Mut, auch unbequeme Reformbausteine zuzulassen. Effizienzreserven müssen gehoben, Fehlanreize korrigiert, Verantwortlichkeiten neu verteilt werden. Vor allem aber braucht es ein Gesundheitswesen, das nicht auf wachsenden Beitragslasten basiert, sondern auf tragfähigen Strukturen.

Der GKV-Spitzenverband und große Krankenkassen haben mit ihren Forderungen recht. Sie formulieren, was die Politik bislang umgeht: Eine Reform ist kein Denkprozess, sondern ein politischer Kraftakt. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, verliert das System nicht nur Geld, sondern Glaubwürdigkeit. Und diese ist in einem solidarisch finanzierten Gesundheitswesen die wichtigste Ressource überhaupt.

Kinder lebten jahrelang isoliert in Müll und Medikamenten

In einem abgelegenen Haus in Oviedo im Norden Spaniens haben Ermittler drei Jungen aus erschütternden Umständen befreit. Die Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren sollen jahrelang von ihren deutschen Eltern unter menschenunwürdigen Bedingungen in Isolation gehalten worden sein. Polizei und Sozialbehörden berichten von einem Haushalt, der von Müll, Exkrementen und Medikamenten geprägt war. Die Kinder waren unterernährt, trugen Windeln und lebten ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Das Paar, ein 53-jähriger Deutscher und eine 48-jährige Frau mit deutsch-amerikanischer Herkunft, wurde festgenommen und sitzt nun in Untersuchungshaft.

Die Befreiung erfolgte nach Hinweisen einer Nachbarin, die Kinderstimmen aus dem Haus wahrgenommen hatte, obwohl nie ein Kind zu sehen war. Ermittler beobachteten daraufhin das Haus über zwei Wochen. Während dieser Zeit wurde deutlich, dass ausschließlich der Vater die Tür öffnete, um Lieferungen entgegenzunehmen. Geliefert wurden Lebensmittel, Hygieneartikel und auffällig viele Medikamente, insbesondere gegen ADHS. Der Vater soll seinen Söhnen auch THC-haltige Substanzen verabreicht haben, was auf eine unkontrollierte Selbstmedikation hindeutet.

Die Polizei spricht von einem der schlimmsten Fälle psychischer und physischer Kindesvernachlässigung der letzten Jahre. Die Kinder wurden offenbar seit Oktober 2021 von der Außenwelt abgeschirmt. Sie waren nie bei einem Arzt, besuchten keine Schule und durften nicht einmal den Garten betreten. Als sie aus dem Haus geführt wurden, zeigten sie kindliche Überraschung über das Berühren von Gras und atmeten tief durch, als hätten sie nie frische Luft erlebt. Die Behörden betonten, man habe den Kindern im wahrsten Sinne des Wortes das Leben zurückgegeben.

Ein staatliches Kinderheim hat vorläufig die Obhut übernommen. Die Eltern wurden einer Ermittlungsrichterin vorgeführt, die Untersuchungshaft ohne Kautionsmöglichkeit anordnete und das Sorgerecht sofort entzog. Die Vorwürfe umfassen Kindeswohlgefährdung, häusliche Gewalt, psychische Misshandlung und möglicherweise Freiheitsberaubung. Die spanische Justiz hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das auch die psychische Verfassung der Eltern zum Gegenstand haben wird. Es gibt Hinweise, dass eine übersteigerte Angst vor einer Corona-Infektion die Isolation ausgelöst haben könnte. Zudem vermuten die Behörden psychische Störungen bei beiden Erwachsenen.

Die Ermittlungen dauern an. Unklar ist derzeit, aus welcher Region Deutschlands die Familie stammt und wie lange sie bereits in Spanien lebte. Der Fall sorgt in Spanien und Deutschland für große Betroffenheit. Die Bilder der vernachlässigten Kinder, das Ausmaß der Isolation und der Medikamenteneinsatz werfen grundsätzliche Fragen auf über elterliche Verantwortung, gesellschaftliche Kontrolle und den Schutz von Kindern in abgeschotteten Lebensverhältnissen.

Dieser Fall steht exemplarisch für das erschreckende Versagen familiärer Fürsorge und gesellschaftlicher Kontrolle in einem Europa, das sich selbst als sozialstaatlich und kinderfreundlich versteht. Die jahrelange Isolation dreier Kinder in einem vollvermüllten Haus in Oviedo ist nicht nur eine private Tragödie, sondern ein strukturelles Warnsignal. Es zeigt, wie gefährlich sich ideologische Verirrungen, psychische Störungen und gesellschaftlicher Rückzug verbinden können, wenn keine schützenden Netzwerke greifen.

Die Behörden haben spät, aber konsequent gehandelt. Dass eine aufmerksame Nachbarin den Stein ins Rollen brachte, verdeutlicht, wie wichtig zivile Wachsamkeit in einem zunehmend individualisierten Alltag ist. Dennoch wirft der Fall Fragen auf: Wie konnte eine Familie über Jahre hinweg medizinisch untertauchen, ohne dass Schule, Gesundheitsamt oder Nachbarschaft energischer reagierten? Warum wurden so massive Online-Bestellungen an Medikamenten nicht früher hinterfragt?

Besonders beunruhigend ist der offenbar unkontrollierte Medikamentengebrauch durch die Eltern, die ihren Kindern möglicherweise THC-haltige Mittel verabreichten. Hier kollabieren elterliche Verantwortung und medizinische Selbstermächtigung in einem gefährlichen Grenzbereich. Der Verdacht, dass Angst vor Infektionen der Auslöser für die Isolation war, verweist auf ein Corona-bedingtes Misstrauen gegenüber gesellschaftlichen Institutionen, das in Extremfällen zur Entfremdung von Realität führt.

Diese familiäre Katastrophe darf nicht als Einzelfall abgetan werden. Sie zeigt, dass psychische Instabilität, ideologischer Rückzug und eine überforderte Umgebung eine toxische Mischung ergeben können, die nur durch entschlossenes staatliches Handeln und soziale Kontrolle unterbrochen werden kann. Der Schutz von Kindern braucht mehr als Gesetze. Er braucht ein wachsames Umfeld, das nicht schweigt, wenn etwas nicht stimmt.

Progesteronblocker eröffnet neue Perspektiven bei Brustkrebs

Die gezielte Beeinflussung hormoneller Signalwege gewinnt in der Krebsforschung zunehmend an Relevanz. Insbesondere das Hormon Progesteron rückt dabei verstärkt in den Verdacht, nicht nur eine unterstützende Rolle bei der Brustentwicklung zu spielen, sondern aktiv an der Entstehung und Förderung von Tumoren beteiligt zu sein. Diese neue Sichtweise hat dazu geführt, dass selektive Modulatoren des Progesteronrezeptors wie Ulipristalacetat in einem völlig neuen Licht betrachtet werden.

Ulipristalacetat ist bislang vor allem in der Gynäkologie bekannt, wo es zur Behandlung von Uterusmyomen und als Notfallverhütung eingesetzt wird. Die Substanz wirkt über eine differenzierte Blockade des Progesteronrezeptors und entfaltet je nach Gewebe antagonistische oder agonistische Effekte. In präklinischen Modellen wurde nun vermehrt beobachtet, dass eine gezielte Hemmung dieses Rezeptors auch in Brustgewebe wachstumshemmende Effekte hervorrufen kann.

Ein neuer wissenschaftlicher Überblick stellt die bislang gesammelten Erkenntnisse systematisch zusammen. Dabei zeigt sich, dass Progesteron nicht nur indirekt über Zellteilung und Apoptose Einfluss auf das Brustgewebe nimmt, sondern auch direkt in Tumorentstehungsprozesse involviert ist. Die Aktivierung des Rezeptors fördert in bestimmten Zelltypen die Proliferation und hemmt die natürliche Abgrenzung von entartetem Gewebe. Der therapeutische Ansatz, diesen Rezeptor gezielt zu modulieren, könnte daher ein neues Werkzeug im Kampf gegen hormonabhängigen Brustkrebs darstellen.

Die klinische Anwendung eines solchen Konzepts ist jedoch nicht ohne Einschränkungen denkbar. Bekannte Risiken wie hepatotoxische Nebenwirkungen von Ulipristalacetat müssen bei einer möglichen Ausweitung der Indikation genau evaluiert werden. Zudem bleibt offen, für welche Patientengruppen die Rezeptormodulation tatsächlich von Vorteil ist und ob sich daraus eine wirksame Prävention oder Therapie ableiten lässt. Die derzeitigen Daten lassen zumindest erkennen, dass das biologische Potenzial dieses Mechanismus erheblich sein könnte.

In der medizinischen Onkologie besteht ein zunehmendes Interesse an differenzierten Behandlungsformen, die gezielt in hormonelle Steuerungssysteme eingreifen. Die Idee, ein bekanntes Medikament mit klarem Wirkmechanismus auch außerhalb seines ursprünglichen Anwendungsbereichs zu nutzen, könnte nicht nur den Therapieansatz erweitern, sondern auch neue Forschungsimpulse setzen. Ulipristalacetat steht exemplarisch für diese Entwicklung und zeigt, wie pharmazeutisches Umdenken neue Wege eröffnen kann.

Die Tatsache, dass Progesteron nun als potenzieller Treiber der Brustkrebsentwicklung diskutiert wird, markiert einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel in der Onkologie. Lange galt der Fokus der hormonellen Tumorforschung nahezu exklusiv dem Östrogen. Nun aber rückt ein zweiter Rezeptor in das Zentrum der Debatte, der in der gynäkologischen Praxis zwar bekannt, in der Krebsmedizin bislang aber kaum beachtet war.

Die Diskussion um Ulipristalacetat als möglichen Kandidaten für Prävention und Therapie von Brustkrebs zeigt, wie dringend die Onkologie nach neuen molekularen Zielstrukturen sucht. Gerade bei hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom stößt die bisherige Therapie mit Östrogenblockern an ihre Grenzen, nicht zuletzt wegen Resistenzen und Nebenwirkungen. Dass nun ein Progesteronantagonist in die engere Wahl kommt, wirft ein Schlaglicht auf die Versäumnisse in der bisherigen Forschungspolitik. Jahrzehntelang wurde der Einfluss des Progesterons unterschätzt, obwohl erste Hinweise auf seine Beteiligung an der Tumorbiologie schon länger existierten.

Zugleich zeigt der Fall exemplarisch, wie schwierig die Translation präklinischer Erkenntnisse in die klinische Praxis bleibt. Die potenzielle Lebertoxizität von Ulipristalacetat ist ein ernstzunehmendes Problem, das nicht durch wissenschaftlichen Enthusiasmus überdeckt werden darf. Wenn die Krebsmedizin aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, dann darin, dass neue Therapieansätze nie ohne eine fundierte Risikoabwägung eingeführt werden dürfen.

Verantwortlich sind hier nicht nur forschende Institute, sondern auch Zulassungsbehörden und Gesundheitspolitik. Sie müssen Rahmenbedingungen schaffen, die innovative Therapien ermöglichen, ohne patientenseitige Sicherheit zu vernachlässigen. Gleichzeitig sollten sie aktiv fördern, dass auch Substanzen mit ursprünglicher Nischenverwendung in größeren therapeutischen Zusammenhängen gedacht werden dürfen. Die Trennung von Indikationsbereichen darf nicht zur Innovationsbremse werden.

Die aktuelle Debatte um Ulipristalacetat verdeutlicht, wie eng die Grenzen zwischen Gynäkologie und Onkologie inzwischen verlaufen. Sie zeigt aber auch, wie notwendig ein interdisziplinärer Blick auf bekannte Wirkstoffe ist. Der Schlüssel zu neuen Therapien liegt möglicherweise nicht in gänzlich neuen Molekülen, sondern in der klugen Repositionierung bereits vorhandener Substanzen. Damit dies gelingt, braucht es nicht nur Forschung, sondern auch einen politischen und regulatorischen Willen zur Öffnung therapeutischer Horizonte.

Therapien geraten ins Wanken wenn Standards nicht lieferbar sind

Die Behandlung eines akuten Gerstenkorns wird für viele Apotheken zu einer Herausforderung. Die bewährte Augensalbe Posiformin ist weiterhin nicht lieferbar. Der darin enthaltene Wirkstoff Bibrocathol gilt seit Jahrzehnten als effektives Mittel gegen bakterielle Lidrandentzündungen. Doch die wiederholten Produktions- und Lieferprobleme lassen Patientinnen und Patienten zunehmend ohne verlässliche Therapieoption zurück. Die Suche nach Alternativen verläuft unter Zeitdruck und Unsicherheit.

Das Hordeolum, wie das Gerstenkorn medizinisch bezeichnet wird, ist eine bakterielle Infektion der Liddrüsen. In der Regel verursacht durch Staphylokokken, zeigt sich die Entzündung durch Schwellung, Rötung und Schmerz. Der Therapieansatz ist lokal und soll die Abheilung fördern sowie die bakterielle Ausbreitung verhindern. Die antiseptische Wirkung von Bibrocathol hatte sich in der Praxis dabei als Mittel der ersten Wahl etabliert. Doch seit Monaten fehlt das Präparat im Großhandel.

Die Konsequenz für Apotheken ist eine angespannte Beratungssituation. Ohne das bewährte Mittel müssen Alternativen empfohlen werden, obwohl deren Anwendung mit Einschränkungen verbunden ist. In Betracht kommen antiseptische Tropfen mit Polyhexanid oder Povidon Iod. Auch antibiotische Augensalben können verordnet werden, sind jedoch verschreibungspflichtig und nicht frei von Risiken. Die Unsicherheit bei der Anwendung und die rechtlichen Grenzen im Beratungsgespräch erschweren ein abgestimmtes Vorgehen.

Gleichzeitig offenbart die Knappheit strukturelle Probleme der Arzneimittelversorgung. Die Produktion wichtiger Präparate liegt oft bei wenigen Herstellern. Ökonomische Interessen führen dazu, dass klassische Wirkstoffe mit geringem Preisniveau kaum noch wirtschaftlich produziert werden. Wird eine Charge zurückgerufen oder ein Rohstoff knapp, bricht die Versorgung schnell zusammen. Betroffen sind dabei nicht nur seltene Medikamente, sondern zunehmend auch solche mit hoher therapeutischer Relevanz.

Eine nachhaltige Lösung ist nicht in Sicht. Zwar werden sporadisch Lieferungen angekündigt, doch eine verlässliche Versorgung ist nicht gewährleistet. Das zwingt Apothekenteams zu einer ständigen Anpassung der Beratung und erhöht den Druck im Berufsalltag. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das eine wachsende Verunsicherung und teils verzögerte Behandlung. Was früher als Routine galt, wird zum Spagat zwischen medizinischer Verantwortung und systemischer Lücke.

Die erneute Lieferunfähigkeit der Augensalbe Posiformin ist mehr als ein Einzelfall. Sie ist Ausdruck eines grundlegenden Versorgungsversagens im Arzneimittelmarkt. Ein Präparat, das medizinisch etabliert und über Jahrzehnte bewährt ist, verschwindet aus dem System, ohne dass eine adäquate Nachfolgelösung in Sicht ist. Für Apotheken bedeutet das einen kontinuierlichen Ausnahmezustand. Für Betroffene steht eine wirksame und sichere Therapie infrage. Und für die Gesundheitspolitik wirft der Fall unangenehme Fragen nach Zuständigkeiten und Steuerungsversagen auf.

Zwar sind Lieferengpässe kein neues Phänomen, doch ihre Häufung bei altbekannten und kostengünstigen Arzneimitteln offenbart ein tiefgreifendes Strukturproblem. Die industrielle Konzentration auf wenige Anbieter, der Rückzug aus unprofitablen Segmenten und die mangelnde Verpflichtung zu Lagerhaltung haben ein System geschaffen, das in der Fläche nicht mehr stabil ist. Der wirtschaftliche Druck trifft genau jene Wirkstoffe, auf die Patientinnen und Patienten im Alltag angewiesen sind. Und er trifft jene Berufsgruppen, die zwischen Marktversagen und Versorgungspflicht vermitteln sollen.

Die Verantwortungsträger in Politik und Industrie verweisen oft auf globale Lieferketten oder regulatorische Hürden. Doch die eigentliche Ursache liegt im fehlenden politischen Willen, Grundversorgung strategisch abzusichern. Es fehlt an verpflichtenden Bevorratungsvorgaben, an gezielter Produktionsförderung für essentielle Präparate und an einem Preisgefüge, das Qualität und Versorgungssicherheit belohnt. Stattdessen bleibt es dem Apothekenteam überlassen, zwischen Notlösungen zu navigieren.

Dabei ist nicht nur das einzelne Gerstenkorn betroffen. Die Situation steht exemplarisch für den Zustand eines Gesundheitswesens, das seine Basisfunktionen zunehmend verliert. Wenn sogar einfache Entzündungen nicht mehr routiniert behandelt werden können, ist das nicht nur ein logistisches Problem. Es ist ein Warnsignal dafür, wie fragil und unbalanciert die medizinische Grundversorgung geworden ist. Und es ist ein Weckruf an jene, die Gesundheitspolitik nicht länger als reaktive Krisenbewältigung, sondern als gestaltbare Kernaufgabe verstehen müssen.

Menschliche Antikörper stoppen tödliche Schlangengifte bei Mäusen

Ein außergewöhnlicher medizinischer Selbstversuch hat zur Entdeckung zweier hochwirksamer Antikörper gegen Schlangengift geführt. Ein Mann aus den USA stellte sich fast 900 Mal bewusst Schlangengiften aus und ermöglichte dadurch eine wissenschaftliche Pionierleistung. Die aus seinem Blut gewonnenen Antikörper schützten Mäuse in vorklinischen Tests vor den Giften von insgesamt neunzehn Schlangenarten. Die Ergebnisse lassen erstmals die Möglichkeit einer breit einsetzbaren humanen Therapie gegen Schlangenbisse erkennen.

Bislang werden Opfer von Schlangenbissen mit artspezifischen Antiseren behandelt, die aus dem Blut immunisierter Tiere gewonnen werden. Diese Behandlungsmethode ist mit hohen Kosten und potenziellen Nebenwirkungen verbunden. Vor allem allergische Reaktionen auf tierisches Eiweiß stellen ein erhebliches Risiko dar. Die jetzt vorgestellten Antikörper sind hingegen menschlichen Ursprungs und könnten eine sicherere Alternative darstellen. In der Fachzeitschrift wurden zwei Antikörper beschrieben, die langkettige und kurzkettige Neurotoxine neutralisieren und damit gegen zentrale Bestandteile vieler Giftschlangentoxine wirksam sind.

Die Immunisierung des Spenders erfolgte über mehr als 18 Jahre durch gezielte Bisse und Injektionen stark verdünnter Gifte. Daraus entwickelte sein Immunsystem eine außergewöhnliche Resistenz gegen verschiedene Toxine. Die Wissenschaftler isolierten die beiden Antikörper und kombinierten sie mit einem Enzymhemmer, der ein weiteres häufiges Giftprotein blockiert. Die Kombination wurde Mäusen nach der Injektion tödlicher Giftdosen verabreicht und erwies sich in der Mehrzahl der Fälle als vollständig schützend.

Besonders relevant ist die humane Herkunft der Antikörper. Anders als bei herkömmlichen Antivenomen auf Tierbasis ist das Risiko für schwerwiegende immunologische Nebenwirkungen deutlich reduziert. Zugleich zeigt sich aber auch eine Grenze der neuen Methode. Die getesteten Antikörper waren ausschließlich gegen Neurotoxine aus der Familie der Giftnattern wirksam. Gegen Gifte der Viperngattung, die für einen Großteil tödlicher Schlangenbisse weltweit verantwortlich sind, blieb ein Schutz bislang aus. Auch die in Europa heimische Kreuzotter gehört zu dieser Gruppe.

Die Forschung steht daher am Anfang einer möglichen therapeutischen Revolution, ist aber noch weit von der Anwendung am Menschen entfernt. Eine industrielle Herstellung der Antikörper ist prinzipiell möglich, erfordert jedoch umfangreiche Prüfungen zur Sicherheit und Wirksamkeit. Gleichwohl zeigt dieser Fall, wie gezielte Immunexposition und moderne Antikörpertechnologie neue Wege im Kampf gegen vernachlässigte Krankheiten eröffnen können.

Die Entdeckung breit wirksamer humaner Antikörper gegen Schlangengift markiert nicht nur einen biomedizinischen Fortschritt, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen über Forschungsethik, globale Gesundheitsgerechtigkeit und den Umgang mit vernachlässigten Krankheiten auf. Dass der entscheidende Impuls aus einem individuellen Selbstversuch stammt, der medizinisch nicht autorisiert war, verdeutlicht die Lücke zwischen wissenschaftlichem Bedarf und struktureller Unterstützung für lebensrettende Innovationen.

Weltweit sterben jährlich Tausende Menschen an den Folgen von Schlangenbissen, vor allem in ländlichen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Dort fehlen oft nicht nur geeignete Antiseren, sondern auch die Infrastruktur für Diagnostik, Lagerung und schnelle Versorgung. Die bisherige Praxis, für jede Schlangenart ein eigenes Antiserum herzustellen, ist weder ökonomisch tragfähig noch medizinisch effizient. Der neue Ansatz mit humanen Antikörpern, die gegen zahlreiche Toxine gleichzeitig wirken, könnte diese Praxis auf lange Sicht ablösen. Doch bis dahin bleibt der Zugang zu lebensrettender Behandlung für Millionen Menschen prekär.

Verantwortlich für diese Versorgungslücke sind auch die politischen Prioritäten im globalen Gesundheitswesen. Schlangenbisse gelten als sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheit, was bedeutet, dass sie trotz hoher Todeszahlen kaum öffentliche Aufmerksamkeit und finanzielle Förderung erhalten. Die Forschung ist weitgehend von akademischen Initiativen und Einzelengagement abhängig. Dass ein Laie aus persönlichem Antrieb zur Quelle eines medizinischen Durchbruchs wird, ist Ausdruck dieser Schieflage.

Hinzu kommt die Frage nach der Repräsentativität der entwickelten Antikörper. Die aktuelle Studie zeigt Wirkung gegen Neurotoxine bestimmter Giftnattern, nicht aber gegen die Gifte von Vipern, die weitaus mehr Todesopfer fordern. Das mindert keineswegs den Wert der Forschung, relativiert aber den Eindruck eines universellen Durchbruchs. Die Verantwortung liegt nun bei Wissenschaft, Industrie und Politik, diesen Ansatz weiterzuentwickeln, klinisch zu validieren und für die betroffenen Regionen verfügbar zu machen.

Die strukturelle Herausforderung besteht darin, wissenschaftliche Erkenntnisse in systemische Lösungen zu überführen. Humane Antikörper allein retten noch keine Leben, wenn Produktion, Preisgestaltung und Verteilung nicht geregelt sind. Die globale Gesundheitsarchitektur steht vor der Aufgabe, biotechnologische Innovationen wie diese nicht nur zu bewundern, sondern sie auch gerecht zugänglich zu machen. Nur dann kann aus einem außergewöhnlichen Einzelfall ein globaler Fortschritt werden.

Triglyceride schädigen unbemerkt das Herz und das Gefäßsystem

Die Bedeutung erhöhter Triglyceridwerte für das Herz-Kreislauf-System wird in der Medizin neu bewertet. Jahrzehntelang galten sie als zweitrangig im Vergleich zum sogenannten schlechten Cholesterin. Doch aktuelle Studien und neue molekulare Erkenntnisse zeigen, dass Triglyceride eigenständig zur Gefäßverkalkung beitragen. Damit verändern sie nicht nur das Verständnis von Atherosklerose, sondern stellen auch bestehende Therapiealgorithmen infrage.

Triglyceride sind fettähnliche Substanzen im Blut, die aus der Nahrung stammen oder in der Leber gebildet werden. Sie dienen als Energieträger, können jedoch bei erhöhtem Spiegel zu Entzündungen der Gefäßwände führen. Besonders gefährlich sind sie, wenn sie in lipoproteingebundener Form zirkulieren. Diese Partikel können in die Gefäßwand eindringen, oxidieren und dort atherosklerotische Plaques auslösen.

Betroffen sind vor allem Patienten mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes oder metabolischem Syndrom. Ihr Triglyceridspiegel ist häufig dauerhaft erhöht, ohne dass dies diagnostisch oder therapeutisch hinreichend beachtet wird. Standardmedikamente wie Statine wirken zwar vor allem auf das LDL-Cholesterin, senken aber Triglyceride nur begrenzt. Fibrate bieten eine stärkere Wirkung, werden jedoch selten verordnet.

Neue Wirkstoffklassen sollen das ändern. Mit Volanesorsen steht ein Antisense-Oligonukleotid zur Verfügung, das bei einer seltenen genetischen Fettstoffwechselstörung eingesetzt wird. Weitere Nukleinsäure-basierte Arzneien befinden sich in klinischer Entwicklung. Sie sollen gezielt die Synthese bestimmter Lipoproteinbestandteile unterbinden und damit das Triglyceridniveau senken.

Die aktuelle Forschung stellt damit nicht nur eine biochemische Variable in den Fokus, sondern fordert ein Umdenken in der Prävention. Wenn Triglyceride als unabhängiger Risikofaktor gelten, müssen sie auch entsprechend behandelt werden. Die Diagnostik könnte um spezifische Zielwerte erweitert werden, therapeutische Leitlinien müssten angepasst werden.

Noch fehlt es an klaren Empfehlungen für den klinischen Alltag. Doch der Weg zu einer individualisierten Fettstoffwechseltherapie ist eingeschlagen. Triglyceride sind längst nicht mehr nur ein Beifahrer im Blutbild, sondern ein aktiver Mitgestalter des kardiovaskulären Risikoprofils.

Die Neugewichtung der Triglyceride im kardiovaskulären Risikomanagement ist mehr als eine medizinische Detailfrage. Sie spiegelt einen strukturellen Paradigmenwechsel in der Präventionsmedizin wider, der bisher von vielen Verantwortlichen kaum beachtet wurde. Während der Fokus der öffentlichen Kommunikation weiterhin auf Cholesterin liegt, bleiben erhöhte Triglyceridwerte ein unterschätztes Risiko – mit Folgen für Millionen Betroffene.

Das medizinische Wissen um die Atherogenität triglyceridreicher Lipoproteine ist heute gut belegt. Trotzdem fehlt es an klaren Handlungsanweisungen, verbindlichen Zielwerten und einer breiten Anwendung innovativer Therapieoptionen. Die Verzögerung bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis ist ein bekanntes strukturelles Problem, doch im Fall der Triglyceride besonders folgenreich.

Ein Großteil der Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Triglyceridspiegel bleibt unbehandelt, nicht weil keine Mittel verfügbar wären, sondern weil das Thema im Versorgungsalltag untergeht. Hier zeigt sich ein Defizit im Zusammenspiel von Forschung, Versorgung und Gesundheitspolitik. Es ist Aufgabe der Fachgesellschaften, klare diagnostische Schwellen zu definieren, der Politik, den Zugang zu modernen Therapien zu erleichtern, und der Ärzte, ihre Patienten differenzierter aufzuklären.

Gleichzeitig ist es ein gesellschaftliches Versäumnis, dass Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel, die die Triglyceridwerte beeinflussen, in der öffentlichen Gesundheitsbildung weiterhin verharmlost werden. Die Diskussion um das metabolische Syndrom bleibt oft akademisch, während Prävention in Schulen, Betrieben oder Sozialräumen kaum eine Rolle spielt.

Die Rehabilitierung der Triglyceride als klinisch relevantes Ziel ist damit auch ein Lackmustest für die Lernfähigkeit des Gesundheitssystems. Wer Risiken ernst nimmt, muss nicht nur Medikamente entwickeln, sondern auch Strukturen schaffen, die Prävention ermöglichen, Früherkennung fördern und Behandlungen zielgerichtet einsetzen. Erst dann wird aus dem einstigen Beifahrer ein kontrollierter Mitfahrer in der Gefäßmedizin.

Lerntechniken entscheiden über den Studienerfolg

Neue wissenschaftlich fundierte Hinweise zeigen, dass gezielte Lerntechniken den Lernerfolg entscheidend verbessern können. Psychologen empfehlen eine Kombination aus reduzierter Textmarkierung, aktiver Umformulierung, kreativer Verarbeitung, zeitlicher Strukturierung und verbindlicher Planung, um das Gedächtnis nachhaltig zu stärken. Die Empfehlungen beruhen auf grundlegenden Erkenntnissen zur Informationsverarbeitung und orientieren sich an praxistauglichen Gewohnheiten im Studienalltag.

Ein zentraler Ansatz ist die bewusste Zurückhaltung bei der Textmarkierung. Statt ganze Seiten farblich zu überladen, sollen Leser den Inhalt zunächst vollständig aufnehmen und anschließend gezielt drei bis vier Schlüsselbegriffe hervorheben. Diese Technik fördert aktives Verstehen, weil sie eine inhaltliche Bewertung voraussetzt. Die Markierung wird damit Teil eines kognitiven Selektionsprozesses, der das Erinnern fördert.

Ergänzend raten die Fachleute dazu, zentrale Aussagen in eigenen Worten festzuhalten. Das Umformulieren zwingt dazu, Inhalte nicht nur aufzunehmen, sondern semantisch zu durchdringen. Auf diese Weise wird das Gelernte nicht nur wiedererkannt, sondern in die eigene Wissensstruktur eingebaut. Studien belegen, dass diese sogenannte Verarbeitungstiefe eng mit langfristiger Erinnerungsleistung verknüpft ist.

Die Gestaltung des Lernstoffs als kreative Einheit kann den Zugang zusätzlich erleichtern. Reime, Lieder oder Geschichten binden Emotionen und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, dass Inhalte im Gedächtnis verankert bleiben. Auch spielerische Elemente wie selbst entwickelte Lernspiele mit Kommilitonen können das Wiederholen fördern und die Motivation stabilisieren.

Ein weiteres zentrales Prinzip betrifft die Aufteilung des Lernens in kürzere Abschnitte. Wer viele kleine Lerneinheiten mit regelmäßigen Pausen einplant, nutzt gezielt den psychologischen Effekt, dass Informationen am Anfang und Ende besser behalten werden. Jede Lernsitzung sollte daher strukturiert beginnen und mit einer klaren Zusammenfassung schließen, um die Inhalte systematisch zu verankern.

Abschließend spielt die Planung eine tragende Rolle. Wer konkrete und erreichbare Ziele formuliert und diese in einem Lernplan festhält, erhöht nicht nur die Disziplin, sondern auch das Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit. Wird der Plan zusätzlich mit anderen besprochen, steigt die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung. Die soziale Verbindlichkeit fungiert hier als psychologischer Verstärker für Selbstverpflichtung und Zielklarheit.

Diese fünf Prinzipien zeigen, dass effizientes Lernen kein Zufallsprodukt ist. Vielmehr lassen sich Gedächtnisleistung und Lernerfolg durch gezielte kognitive Strategien, zeitliche Strukturierung und emotionale Beteiligung deutlich verbessern.

Die Diskussion über nachhaltiges Lernen hat in Bildungspolitik und Hochschuldidaktik lange einen blinden Fleck: die Frage, wie Lernen kognitiv wirklich funktioniert. Statt sich an technischen Lösungen oder immer neuen Apps abzuarbeiten, verweist die aktuelle psychologische Perspektive zurück auf den Lernenden selbst – und auf dessen Fähigkeit zur Selbststeuerung, Reflexion und Kreativität. Das ist keine triviale Einsicht, sondern eine fundamentale Korrektur bildungspolitischer Fehleinschätzungen.

Denn über Jahre wurde suggeriert, dass Lernerfolg vor allem eine Frage der Ausstattung oder des Formats sei. Tablets, digitale Whiteboards oder modulare Curricula versprachen Effizienz, ohne das Kernproblem zu lösen: dass Lernen ein aktiver, anspruchsvoller und individuell zu gestaltender Prozess bleibt. Die nun beschriebenen Strategien rücken diesen Aspekt wieder ins Zentrum. Sie zeigen, dass Lernen mit Sinnstiftung, mit bewussten Entscheidungen und mit kognitiver Anstrengung verbunden sein muss, um langfristig Wirkung zu entfalten.

Dabei wird auch deutlich, welche Verantwortung Bildungseinrichtungen tragen. Wer Studierende allein lässt mit der Annahme, Lernen geschehe von selbst, verkennt nicht nur die psychologischen Grundlagen, sondern riskiert auch soziale Ungleichheit. Denn selbstgesteuertes Lernen setzt Fähigkeiten voraus, die nicht allen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Die Förderung metakognitiver Kompetenzen müsste daher integraler Bestandteil jeder Lehre sein, gerade an Hochschulen. Es genügt nicht, Inhalte zu vermitteln – die Methoden ihrer Aneignung sind ebenso zentral.

Gleichzeitig fordert dieser Befund auch die Lernenden selbst heraus. Es genügt nicht, Zeit am Schreibtisch abzusitzen oder sich durch Skripte zu markieren. Entscheidend ist die Fähigkeit, Stoff zu strukturieren, zu bewerten, kreativ zu transformieren und in sozialen Kontexten zu reflektieren. Lernen wird damit zum Spiegel kognitiver Eigenverantwortung – und zur Übung in geistiger Autonomie.

Der gesellschaftliche Ertrag dieses Ansatzes liegt auf der Hand. Eine demokratische Öffentlichkeit ist auf Bürger angewiesen, die Informationen nicht nur aufnehmen, sondern auch einordnen, verarbeiten und kritisch hinterfragen können. In einer Zeit digitaler Reizüberflutung und wachsender Wissensunsicherheit wird Lernen damit zum politischen Akt – und zur Voraussetzung für Urteilskraft.

Von Engin Günder, Fachjournalist

L’application de la directive CSRD est reportée

Source: Republic of France in French
La République française a publié la déclaration suivante:

Image 1Crédits: Naiyana – stock.adobe.com

Pour rappel, la directive européenne Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fixe de nouvelles normes et obligations de reporting extra-financier pour les grandes entreprises et les PME cotées en bourse.

La loi du 30 avril 2025 portant diverses dispositions d’adaptation au droit de l’Union européenne en matière économique, financière, environnementale, énergétique, de transport, de santé et de circulation des personnes (DDADUE5) modifie le calendrier d’application de la CSRD.

À noter

Le Portail RSE met à votre disposition un simulateur vous permettant de vérifier si votre entreprise est concernée par la directive CSRD.

Quel est le nouveau calendrier d’application ?

La loi DDADUE5 reporte de 2 ans l’application de la directive européenne CSRD pour les grandes entreprises et les PME cotées en bourse.

Voté par le Parlement européen puis validé par le Conseil de l’UE, ce report s’explique par la volonté de l’Union européenne de simplifier les règles relatives à la publication d’informations en matière de durabilité.

Ces entreprises disposent donc d’un délai supplémentaire pour respecter l’obligation d’intégration d’informations de durabilité dans leur rapport de gestion.

Le nouveau calendrier est le suivant :

Tableau – Application de la directive CSRD

Premier reporting

Entreprises concernées

2028 (pour l’année 2027)

Entreprises remplissant deux des critères suivants :

  • comptent plus de 250 salariés ;
  • ont réalisé un chiffre d’affaires supérieur à 50 millions € ;
  • ont un bilan: titleContent total supérieur à 25 millions €.

2029 (pour l’année 2028)

PME cotées en bourse (sauf micro-entreprises) remplissant deux des critères suivants :

  • comptent entre 10 et 250 salariés ;
  • ont réalisé un chiffre d’affaires supérieur à 900 000 €  et inférieur à 50 millions € ;
  • ont un bilan: titleContent total supérieur à 450 000 €  et inférieur à 25 millions €.

À noter

La loi DDADUE5 modifie également le nombre de consultations du Comité social et économique (CSE) de l’entreprise sur les informations en matière de durabilité.

Le CSE, qui était consulté sur ce sujet lors de chaque consultation récurrente, ne le sera désormais qu’une seule fois au minimum.

AMENDMENTS 272-276 – REPORT on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on the screening of foreign investments in the Union and repealing Regulation (EU) 2019/452 of the European Parliament and of the Council – A10-0061/2025(272-276)

Source: European Parliament

AMENDMENTS 272-276
REPORT
on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on the screening of foreign investments in the Union and repealing Regulation (EU) 2019/452 of the European Parliament and of the Council
(COM(2024)0023 – C9-0011/2024 – 2024/0017(COD))
Committee on International Trade
Rapporteur: Raphaël Glucksmann

Source : © European Union, 2025 – EP

AMENDMENTS 262-271 – REPORT on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on the screening of foreign investments in the Union and repealing Regulation (EU) 2019/452 of the European Parliament and of the Council – A10-0061/2025(262-271)

Source: European Parliament

AMENDMENTS 262-271
REPORT
on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on the screening of foreign investments in the Union and repealing Regulation (EU) 2019/452 of the European Parliament and of the Council
(COM(2024)0023 – C9-0011/2024 – 2024/0017(COD))
Committee on International Trade
Rapporteur: Raphaël Glucksmann

Source : © European Union, 2025 – EP

AMENDMENTS 001-001 – REPORT on discharge in respect of the implementation of the general budget of the European Union for the financial year 2023, Section VIII – European Ombudsman – A10-0055/2025(001-001)

Source: European Parliament

AMENDMENTS 001-001
REPORT
on discharge in respect of the implementation of the general budget of the European Union for the financial year 2023, Section VIII – European Ombudsman
(2024/2027(DEC))
Committee on Budgetary Control
Rapporteur: Joachim Stanisław Brudziński

Source : © European Union, 2025 – EP