Glosse: Homöopathische Aktionärskur – AktioPharm verdünnt Kapitalanteile

Source: Deutsche Nachrichten
AktioPharm revolutioniert das Geschäft einer Apotheke auf unerwartete Weise: Statt mühsam Medikamente zu verkaufen, konzentriert sich das Unternehmen auf regelmäßige Kapitalerhöhungen. Aktionäre erhalten zwar keine Gewinne, dafür aber kontinuierlich frische Aktien, wodurch sich ihre ursprüngliche Beteiligung langsam, aber sicher homöopathisch verdünnt. Dieses System hat etwas fast Therapeutisches, denn jede neue Finanzierungsrunde wirkt zumindest kurzfristig beruhigend auf nervöse Anleger. Allerdings zeigt sich schnell, dass die heilende Wirkung rascher verpufft als bei jedem Placebo. Dennoch bleibt das Unternehmen seiner Strategie treu – mit einer faszinierenden Beharrlichkeit, die Anlegern neben Kopfschmerzen immerhin spannenden Gesprächsstoff bietet.

Die Apotheke, nennen wir sie „AktioPharm“, ist auf dem besten Wege, als Hersteller neuer Aktien statt pharmazeutischer Produkte berühmt zu werden. Medizin verkaufen kann schließlich jeder, aber ständig frisches Kapital am Markt zu platzieren, das verlangt echtes Talent. Und wie ein begabter Alchemist verwandelt das Unternehmen immer neue Finanzlöcher in funkelnde Aktienpakete – bis der geneigte Anleger irgendwann nur noch staunend auf seinen Restanteil blickt.

Natürlich ist der Aktionär zunächst wenig begeistert, wenn er realisiert, dass sein ursprünglich stattliches Aktienpaket inzwischen nur noch in einer schwachen homöopathischen Potenz vorhanden ist. Doch immerhin ist das Unternehmen ehrlich: Man druckt neue Papiere so transparent wie andere Arzneimittelpackungen. Und Anleger wissen: die Dosis macht das Gift – auch bei der Verwässerung ihres Kapitals.

Die Methode hat eine gewisse Eleganz: Investoren, die auf Gewinne hoffen, erhalten stattdessen regelmäßig frisch gepresste Aktien. Das Ganze hat fast etwas Therapeutisches. Jeder neue Druckvorgang beruhigt die nervösen Finanzmärkte – zumindest kurzzeitig. Leider verblasst die Wirkung schneller als bei einem Placebo, und so steht nach der letzten Kapitalrunde stets schon die nächste am Horizont.

Es ist eine faszinierende Inszenierung der Kapitalbeschaffung, bei der jedes neue Kapitel zuverlässig mit „Wir brauchen Geld“ beginnt und mit einem „Wir brauchen mehr Geld“ endet. Zwischendurch verspricht man vage Profitabilität, während die Anleger gespannt darauf warten, wann genau aus der Rezeptur „Aktien gegen Verluste“ endlich ein echtes Erfolgsrezept wird.

Bis dahin bleibt „AktioPharm“ vor allem eines: ein spannender Investment-Krimi, der vermutlich erst endet, wenn die Druckmaschinen kaputt gehen. Doch keine Sorge, für diesen Fall wird man sicher vorsorglich neue Aktien herausgeben – zur Finanzierung neuer Druckmaschinen. Eine nahezu unfehlbare Logik.

Von Engin Günder, Fachjournalist