Source: Deutsche Nachrichten
Apotheken-News von heute
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur datenschutzrechtlichen Bewertung von Arzneimittelverkäufen über Plattformen wie Amazon hat neue Maßstäbe gesetzt, die auch über den Einzelfall hinaus Gültigkeit beanspruchen, indem sie Apotheken zur Überprüfung ihrer digitalen Prozesse verpflichten, gleichzeitig rücken Impfstrategien in den Vordergrund, die politische, infrastrukturelle und betriebliche Anforderungen erzeugen, wie die Berliner Diskussion zwischen Staatssekretär Georg Kippels und Apotheker Benedikt Bühler verdeutlichte, während eine dänische Studie die Relevanz frühzeitiger HPV-Impfungen anhand signifikanter Rückgänge bei Hochrisikoviren bestätigt, parallel zeigen US-Daten zu Gabapentin mögliche kognitive Nebenwirkungen, weshalb eine genauere Indikationsprüfung empfohlen wird, und auf regulatorischer Ebene erlaubt die EMA die Anwendung des Chikungunya-Impfstoffs Ixchiq erneut bei Menschen über 65, während sich Umwelt- und Pharmaverbände juristisch um die Kostentragung bei Arzneimittelrückständen streiten, die Bundesländer Einfluss auf die EU-Lieferengpassverordnung fordern und apothekenseitig Ausfälle in der Telematik sowie Unsicherheiten zur ePA thematisiert werden.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den digitalen Vertrieb von Arzneimitteln durch öffentliche Apotheken erfahren derzeit eine tiefgreifende Neuausrichtung. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat dabei eine neue juristische Verbindlichkeit geschaffen, die weit über den konkret verhandelten Fall hinausweist. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit Apotheken bei der Nutzung von Plattformen wie Amazon datenschutzrechtlich verantwortlich gemacht werden können, insbesondere wenn sensible Gesundheitsdaten über solche Drittsysteme verarbeitet oder weitergegeben werden. Der BGH hat die Berufung gegen eine Entscheidung des OLG München zurückgewiesen und damit die rechtliche Einschätzung bestätigt, dass Apotheken, die Arzneimittel über Plattformanbieter vertreiben, in vollem Umfang für die Einhaltung der DSGVO-Vorgaben verantwortlich sind. Dazu zählen nicht nur technische Sicherungsmaßnahmen, sondern auch der Nachweis datenschutzrechtlicher Aufklärung und Einwilligung.
Diese Entscheidung ist deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie eine rechtliche Grauzone in der Praxis vieler Apotheken beleuchtet: Während einige Betriebe digitale Vertriebskanäle aktiv erschließen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, war lange unklar, wie die Schnittstelle zwischen Datenschutzrecht und Berufsrecht konkret ausgestaltet sein muss. Der BGH macht nun deutlich, dass die apothekenrechtliche Verantwortung nicht delegierbar ist – weder an Plattformbetreiber noch an externe Dienstleister. Betroffen sind insbesondere Bestell- und Zahlungsprozesse, bei denen Gesundheitsdaten, Medikationsinformationen und personenbezogene Angaben wie Lieferadressen zusammengeführt werden. Die rechtliche Einschätzung betrifft dabei nicht nur die Plattformnutzung im engeren Sinne, sondern auch hybride Systeme wie Vorbestellungs-Apps, digitale Rezeptvorabbildung oder die Abwicklung über externe Botendienste mit digitaler Anbindung. Apotheken müssen daher eine umfassende datenschutzrechtliche Dokumentation und Prozessverantwortung vorhalten, um im Ernstfall gegenüber Aufsichtsbehörden und Kammern bestehen zu können.
Parallel zur juristischen Klärung des digitalen Vertriebs stehen auch klassische Versorgungsfragen erneut im Fokus – etwa die Rolle der Apotheken bei der Impfversorgung. Bei einer Veranstaltung in Berlin mit Staatssekretär Georg Kippels und dem Apotheker Benedikt Bühler wurden zentrale Aspekte der betrieblichen Impfstrategie diskutiert. Es wurde deutlich, dass Apotheken zunehmend als niedrigschwellige Impfstellen wahrgenommen werden, jedoch strukturelle und organisatorische Hürden bestehen. Dazu zählen sowohl Fragen der Vergütung, der Integration in Impfkampagnen auf Landes- und Bundesebene als auch der Schulungsstandards. Die Teilnehmer forderten eine klare Regelung zur Erstattung, eine praktikable Terminlogistik sowie eine Erweiterung der Kompetenzen im Rahmen pharmazeutischer Dienstleistungen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) verweist in diesem Zusammenhang auf die hohe Akzeptanz von Impfungen in Apotheken während der Pandemiephase, insbesondere bei Grippe- und COVID-19-Impfungen. Diese Erfahrungen sollen künftig systematisch genutzt werden.
Unterstützt werden solche Forderungen durch Daten aus dem europäischen Ausland. Eine dänische Studie zur HPV-Impfung belegt eindrucksvoll den präventiven Nutzen frühzeitiger Immunisierung. Bei geimpften Frauen sank der Anteil an Infektionen mit Hochrisikotypen des Humanen Papillomavirus (HPV) auf unter 1 %, während bei nicht geimpften Kontrollgruppen signifikant höhere Raten festgestellt wurden. Die Ergebnisse der Kohortenstudie mit landesweiten Registerdaten flossen in die gesundheitspolitische Argumentation Dänemarks ein, Impfprogramme flächendeckend über öffentliche und privatärztliche Strukturen hinweg zugänglich zu machen. Die Ergebnisse der dänischen Behörden gelten als methodisch robust, da sie auf jahrzehntelanger Registerverknüpfung beruhen – ein Modell, das auch in Deutschland diskutiert wird, etwa im Zusammenhang mit dem Aufbau der elektronischen Patientenakte (ePA).
Einen weiteren Aspekt klinischer Relevanz stellt die Sicherheit bestehender Arzneimittel im Langzeitgebrauch dar. Eine retrospektive Kohortenanalyse aus den Vereinigten Staaten legt nahe, dass bei älteren Patienten, die Gabapentin zur Schmerztherapie bei chronischen Rückenleiden einnehmen, das Risiko kognitiver Defizite im Sinne einer Demenz signifikant erhöht sein könnte. Die Autoren der Studie fordern keine unmittelbare Neubewertung des Wirkstoffs, raten jedoch zu erhöhter Wachsamkeit bei Langzeitanwendung, insbesondere in geriatrischen Gruppen. Fachgesellschaften in Europa und den USA prüfen derzeit, inwieweit diese Ergebnisse reproduzierbar sind und welche pharmakovigilanten Konsequenzen sich daraus ergeben könnten.
Ebenfalls im Bereich der Pharmakovigilanz zu verorten ist die jüngste Entscheidung des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zum Chikungunya-Impfstoff Ixchiq. Nachdem das Mittel wegen unzureichender Datenlage bei älteren Menschen nur eingeschränkt zugelassen war, liegt nun eine neue Bewertung vor: Nach aktueller Studienlage kann der Lebendimpfstoff wieder regulär bei über 65-Jährigen eingesetzt werden – vorausgesetzt, eine ärztliche Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgt. Diese Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt erhöhter Wachsamkeit im Hinblick auf Tropenkrankheiten und Impftourismus und soll nach EMA-Angaben den präventiven Schutz älterer Menschen verbessern, die in Endemiegebiete reisen.
Auch auf umweltrechtlicher Ebene verschärft sich der Handlungsdruck. Der Streit um die deutsche Gesetzesinitiative KARL – Kommunale Arzneimittelrückstände-Lösung – spitzt sich weiter zu. Mehrere Pharmaunternehmen haben beim Europäischen Gericht Klage gegen die geplante Kostenbeteiligung an kommunalen Kläranlagen eingereicht. Die Initiatoren der Klage argumentieren, dass das Verursacherprinzip zu einseitig interpretiert werde. Im Gegenzug haben der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sowie der Verband kommunaler Unternehmen angekündigt, als Beigeladene in das Verfahren einzutreten. Hintergrund ist die zunehmende Belastung von Gewässern durch hormonell wirksame Rückstände von Arzneimitteln, deren Beseitigung mit hohen technischen und finanziellen Aufwänden verbunden ist.
Auch der Bundesrat bezieht zunehmend Stellung zu regulatorischen Themen auf europäischer Ebene. In seiner Sitzung vom 11. Juli 2025 verabschiedete die Länderkammer eine Stellungnahme zur geplanten EU-Verordnung über kritische Arzneimittel. Die Bundesländer fordern darin eine stärkere Einbindung nationaler und föderaler Gremien sowie eine Flexibilisierung der Verteilungsmatrix für Notfallmedikamente. Im Fokus stehen dabei unter anderem die Erfahrungen mit vergangenen Lieferengpässen, bei denen zentrale Lagerhaltung ohne regionale Absprachen zu Verzögerungen geführt hatte. Die Bundesregierung ist aufgerufen, diese Hinweise in den Verhandlungsprozess auf EU-Ebene einzubringen.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Versorgung verweist die ABDA auf wiederholte Systemausfälle in der Telematikinfrastruktur. Zuletzt konnten Apotheken am 10. Juli 2025 infolge eines VPN-Ausfalls beim Dienstleister Arvato keine E-Rezepte einlösen. In einem Schreiben an die Gematik fordert die Standesvertretung ein dauerhaft stabiles System, insbesondere im Hinblick auf die künftige Einbindung der Apotheken in die ePA-Nutzung. Zwar ist die elektronische Patientenakte seit April 2025 flächendeckend technisch verfügbar, doch bislang sind Apotheken organisatorisch kaum eingebunden – ein Umstand, den Fachverbände als strategische Lücke bewerten.
Schließlich zeigen neue pharmakologische Untersuchungen, dass die zeitliche Steuerung der Arzneimitteleinnahme therapeutische Wirkungen beeinflussen kann. Eine aktuelle Studie aus China mit über 1.800 Patienten untersuchte die Wirkung abendlicher versus morgendlicher Einnahme von Antihypertensiva. Ergebnis: Die abendliche Gabe führte zu einer stabileren nächtlichen Blutdruckkontrolle und einem besseren Erhalt des zirkadianen Blutdruckmusters. Die Autoren sprechen sich für eine differenzierte Betrachtung der Einnahmezeit im Rahmen individueller Therapiepläne aus.
Diese Analyse zur rechtlichen Verantwortlichkeit im Onlinevertrieb, zu betriebsrelevanten Implikationen von Impfstrategien und zur Arzneimittelsicherheit auf Studien- und Regulierungsebene steht exemplarisch für die redaktionelle Klarheit, systemische Tiefenschärfe und sachliche Neutralität, mit der ApoRisk seine Berichte erstellt – faktenbasiert, richtungsweisend und risikobewusst.
Von Engin Günder, Fachjournalist
Recherchiert und ausgearbeitet im redaktionellen Auftrag von ApoRisk®, dem Fachmakler für versicherbare Apothekenrisiken mit Sitz in Karlsruhe. Der journalistische Bericht entstand unabhängig, faktenbasiert und nach den geltenden Standards publizistischer Sorgfaltspflicht.
Quellenangaben
Die im Bericht verwendeten Informationen stützen sich auf die veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (VI ZR 110/24, Juni 2025), auf Datenauswertungen des dänischen HPV-Registers (Stand: 2024) sowie auf eine in JAMA Neurology erschienene US-amerikanische Kohortenstudie zum Zusammenhang zwischen Gabapentin und kognitivem Abbau (März 2025). Ergänzend wurde die EMA-Empfehlung zur Wiederzulassung des Chikungunya-Impfstoffs Ixchiq bei über 65-Jährigen (PRAC-Mitteilung, Juni 2025) berücksichtigt. Für die Einschätzungen zu Arzneimittelrückständen und Umweltrecht wurde auf Prozessunterlagen im Verfahren vor dem Europäischen Gericht (Juli 2025) sowie Stellungnahmen des BDEW und VKU zurückgegriffen. Die Aussagen zur Bundesratsstellungnahme zur EU-Verordnung über kritische Arzneimittel basieren auf dem offiziellen Plenarprotokoll vom 11. Juli 2025. Zur Bewertung der Telematikausfälle und der ePA-Einführung dienten das Schreiben der ABDA an die Gematik vom 9. Juli 2025 sowie das ePA-Webinar der DAZ (April–Juli 2025) als Quelle. Die Studie zur Einnahmezeit von Blutdrucksenkern stammt aus Hypertension Research, veröffentlicht im April 2025.