Source: Deutsche Nachrichten
Apotheken-News: Bericht von heute
Viele Apothekeninhaber:innen investieren unermüdlich Zeit, Energie und Aufmerksamkeit in ihren Betrieb – und dennoch bleibt am Ende oft das Gefühl, nicht wirklich zu steuern. Was sich als Verantwortungsbewusstsein zeigt, ist in Wahrheit nicht selten eine Form operativer Gefangenheit: Der Betrieb lebt vom Fleiß der Führung, aber nicht von der Struktur. Der Unterschied zwischen Aktivität und Wirksamkeit wird gerade in inhabergeführten Apotheken dramatisch unterschätzt. Dabei entscheidet nicht der Einsatz über den langfristigen Erfolg, sondern die Fähigkeit, Prozesse zu gestalten, Aufgaben zu delegieren und unternehmerische Verantwortung jenseits der Tagesorganisation zu übernehmen. Wer glaubt, durch schiere Präsenz das System stabil zu halten, verschiebt Risiken in die Zukunft – personell, organisatorisch, strategisch. Der Bericht analysiert, warum Dauerstress nicht mit Führungskraft verwechselt werden darf und wie Apothekenleitung lernen kann, nicht mehr alles selbst zu schultern, sondern systemisch zu steuern.
„Ich arbeite doch rund um die Uhr“ – kaum ein Satz ist in Apotheken so häufig zu hören, so ehrlich gemeint und zugleich so trügerisch. Denn Fleiß allein ist kein Maßstab für Wirksamkeit, schon gar nicht für unternehmerische Führung. Gerade in inhabergeführten Apotheken zeigt sich ein gefährliches Missverständnis: Wer ständig präsent ist, glaubt oft, das sei schon Führung. Doch viele stecken fest – im Mikromanagement, im Tagesgeschäft, in Routinen, die mehr Energie kosten als Wirkung erzeugen.
Echte Führung beginnt nicht mit Einsatz, sondern mit Entscheidung: Was soll die Apotheke leisten – heute, in drei Jahren, mit welchem Ziel? Der Unterschied zwischen Tun und Wirken wird dabei oft unterschätzt. Denn wer alles selbst erledigt, regelt oft wenig – jedenfalls wenig auf Dauer. Die Struktur fehlt, das System stützt nicht, das Team bleibt anhängig. Und so erschöpft sich Führung in Aktivität, statt Wirkung zu erzeugen.
Apotheken, in denen der Inhaber jede Rezeptur prüft, die Dienstpläne manuell verteilt und jede Vertretung selbst regelt, sind keine starken Organisationen – sie sind fragile Konstrukte, abhängig vom Durchhaltevermögen einer Einzelperson. Was sie scheinbar stabilisiert, entzieht ihnen zugleich die Resilienz: Prozesse laufen nur, wenn die Chefin da ist. Entscheidungen warten, bis der Chef Luft hat. Wirkungsfreiheit gibt es nicht – nur Funktion.
Dabei ist gerade in einem überregulierten und digital getriebenen Markt das Gegenteil nötig: Strukturen, die tragen. Teams, die steuern können. Systeme, die sichern. Und Führung, die sich nicht über Präsenz definiert, sondern über Richtung. Wer immer da ist, verhindert oft, dass andere wachsen. Wer immer regelt, erlebt nicht, wie Verantwortung geteilt wird. Und wer nie loslässt, wird zur Grenze des eigenen Betriebs.
Die unternehmerische Wirksamkeit eines Apothekenleiters zeigt sich nicht in der Zahl der Arbeitsstunden, sondern in der Qualität der Entscheidungen. Welche Aufgaben gehören wirklich auf den eigenen Tisch? Welche Prozesse lassen sich standardisieren oder digitalisieren? Welche Rollen im Team sind klar verteilt – und welche überlagern sich durch stille Parallelführung?
Viele Inhaber glauben, dass Kontrolle Sicherheit bringt. Doch in Wahrheit bringt sie oft nur Rückstau. Entscheidungen bleiben liegen, Entwicklung wird gehemmt, das Team wird unsicher. Was fehlt, ist Vertrauen in funktionierende Systeme – nicht als Delegationswunsch, sondern als Führungsentscheidung. Denn Prozesse, die sich nicht selbst tragen, tragen auch keine Zukunft.
Das bedeutet: Weniger Präsenz, mehr Perspektive. Weniger Reaktion, mehr Gestaltung. Weniger Dauerstress, mehr Verantwortungsteilung. Wer nicht aufhört, alles selbst zu machen, verhindert jede Art von strategischem Wachstum. Die Apotheke bleibt im Heute stecken – und das Morgen wird zur ständigen Überforderung.
Dabei braucht die Versorgung heute mehr denn je genau das: strukturierte Apotheken mit klarem Profil. Mit Entscheidungsfähigkeit. Mit Richtung. Mit Mut zur Lücke, wo die Lücke Vertrauen schafft. Denn wer alles kontrollieren will, traut nichts – und verliert genau das, was moderne Führung auszeichnet: Wirkung ohne Erschöpfung.
Führung heißt nicht, alles zu wissen oder alles zu tun. Führung heißt, zu erkennen, was andere besser können. Und Strukturen zu schaffen, in denen diese Potenziale wirken. Wer nur auf Präsenz setzt, wird zum Flaschenhals. Wer auf Struktur setzt, wird zur Quelle.
Apothekenleitung heißt nicht mehr, das Rad am Laufen zu halten. Sie heißt, zu wissen, wohin es rollen soll – und wer es dabei bewegen darf. Das ist keine Absage an Verantwortung, sondern ihre tiefste Form: zu gestalten, statt zu erschöpfen. Wer das versteht, kann nicht nur führen. Sondern freisetzen.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht.
Führung ist nicht das Echo der eigenen Mühe, sondern die Sprache der Klarheit, wenn alles laut wird. Wer nur gegen das Chaos anarbeitet, wird Teil davon. Wer aber beginnt, Ordnung zu setzen, wo andere nur erschöpft sind, macht aus Verantwortung Richtung. In einer Apotheke, die funktioniert, weil sie geführt wird – nicht, weil jemand immer da ist –, entsteht nicht nur Struktur, sondern Raum: für Vertrauen, für Wirksamkeit, für Zukunft. Vielleicht ist echte Stärke nicht, alles zu tun – sondern zu wissen, wann man nicht mehr muss, damit etwas Größeres wirkt.