Risiken früh erkennen, Policen präzise prüfen, Existenzen wirksam sichern

Source: Deutsche Nachrichten
 

Apotheken-News: Bericht von heute

Apotheken leben im Glauben an einen doppelten Schutz – Gebäudeversicherung vorn, Geschäftsversicherung dahinter. Doch in der Realität kann diese Schutzkette reißen, wenn die erste Police aus formalen Gründen nicht greift. Ein Urteil aus Dresden zeigt drastisch: Wenige Zentimeter Regenwasser, die sich auf einer gefliesten Rampe stauen, reichen nicht für die juristische Definition einer „Überschwemmung“. Bleibt die Gebäudeversicherung stumm, verweigert auch die Geschäftsversicherung ihre Leistung – selbst bei hohen Waren- und Geräteschäden. Für Apotheken, deren Betrieb von lückenloser Versorgung abhängt, ist dies ein stilles, aber existenzielles Risiko. Strategische Vorsorge heißt: Verträge lesen wie ein Jurist, bauliche Schwachstellen kennen, Beweise im Ernstfall präzise sichern. Denn manchmal entscheidet nicht die Höhe des Wassers, sondern ein Blatt Papier darüber, ob eine Apotheke überlebt – oder ob wenige Zentimeter die Zukunft hinwegspülen.

Wenn in einem Geschäftsgebäude, sei es eine Apotheke im Zentrum einer Kleinstadt oder ein moderner Filialbetrieb in einem Ärztehaus, Wasser seinen Weg sucht, geschieht dies oft lautlos, unspektakulär und doch folgenschwer. Nicht immer ist es das reißende Hochwasser, das Schlagzeilen macht und den Versicherer unter Zugzwang setzt. Manchmal sind es wenige Zentimeter, ein unscheinbarer Wasserfilm auf einer gepflasterten Rampe oder einer gefliesten Außenterrasse, der sich in den Keller, in die Offizin oder in das Rezepturlabor drängt – und plötzlich eine Versicherungswelt eröffnet, in der der Begriff „Elementarschaden“ eine Frage von Definition, Beweis und Auslegung wird. Genau hier beginnt das Problem für Apothekenbetreiber, denn sie stehen doppelt im Risiko: Zahlt die Gebäudeversicherung nicht, bleibt auch die Geschäftsversicherung untätig. Die Koppelung beider Policen ist im Kleingedruckten oft subtil, in der Praxis aber gnadenlos wirksam. Wer also glaubt, dass die Geschäftsinhaltsversicherung allein schon den Schaden an Einrichtung, Warenlager und Geräten übernimmt, irrt, wenn die Ursache des Schadens nicht unter den gedeckten Gebäudeschaden fällt. Der Schadenhergang ist damit nicht nur eine technische, sondern eine strategische Frage für die Existenzsicherung des gesamten Betriebs.

Ein Urteil wie jenes aus Dresden, bei dem ein Oberlandesgericht entschied, dass wenige Zentimeter stehendes Regenwasser auf einer Terrasse keine „Überschwemmung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellen, mag auf den ersten Blick wie eine Randnotiz wirken. Für Apotheken, deren Geschäftsmodell auf einer lückenlosen Betriebsfähigkeit basiert, ist es jedoch ein Warnsignal von seltener Klarheit. Es zeigt, dass Versicherungsdefinitionen nicht dem gesunden Menschenverstand folgen, sondern juristisch festgezurrten Parametern – und dass diese Parameter gnadenlos angewendet werden, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht verneint. Apotheken, die sich auf ihre Policen verlassen, müssen wissen: Die Elementardeckung der Gebäudeversicherung ist oft das Eingangstor für jede weitere Regulierung. Ist dieses Tor verschlossen, kann die Geschäftsversicherung nicht eintreten. Der Schaden bleibt dann im schlimmsten Fall vollständig beim Betreiber hängen, selbst wenn dieser keine Chance hatte, das Ereignis zu verhindern.

Die Risikokette ist dabei perfide einfach. Ein Starkregenereignis setzt Teile des Außenbereichs unter Wasser, das Wasser dringt ins Gebäude, beschädigt Estrich, Böden, Regale und Technik. Die Gebäudeversicherung prüft und kommt zu dem Schluss: keine Überschwemmung im Sinne der Bedingungen, weil die Wassermenge nicht erheblich genug war oder die betroffene Fläche nicht als „Grund und Boden“ gewertet wird. Ergebnis: Ablehnung. Die Geschäftsversicherung prüft nun ebenfalls und verweist auf ihre Vertragsklausel, die Leistung nur vorsieht, wenn der Schaden durch ein versichertes Gebäudeschadenereignis verursacht wurde. Zweite Ablehnung. Der Apotheker steht vor einem doppelten Nullbescheid, obwohl der Schaden real, hoch und existenzgefährdend ist.

Gerade für Apotheken, deren Wertschöpfung aus einer Kombination von fest verbauter Infrastruktur und hochpreisigem Warenbestand besteht, kann diese Lücke fatal sein. Kühlpflichtige Arzneimittel, deren Temperaturführung auch bei kurzer Unterbrechung dokumentiert werden muss, verlieren binnen Stunden ihren Verkaufswert. Komplexe Labor- und Rezepturgeräte, die in einer feuchten Umgebung Schaden nehmen, lassen sich nicht kurzfristig ersetzen. Die Unterbrechung des Betriebs zieht nicht nur direkte Umsatzverluste nach sich, sondern kann auch das Kundenvertrauen dauerhaft schädigen, wenn notwendige Medikamente nicht verfügbar sind oder Wiederholungsrezepte nicht beliefert werden können.

Apothekenbetreiber müssen sich deshalb intensiv mit den Begrifflichkeiten in ihren Versicherungsverträgen auseinandersetzen. Was bedeutet „Überschwemmung“ in der Gebäudeversicherung? Welche Flächen sind als „Grund und Boden“ definiert, und wie verhält es sich mit versiegelten Flächen wie Rampen, Hofzufahrten oder Terrassen? Ist die Gefahr „Rückstau“ mitversichert, und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Diese Fragen sollten nicht erst im Schadenfall gestellt werden, wenn die Uhr bereits gegen den Betriebsablauf läuft, sondern im Vorfeld, gemeinsam mit einem versicherungskundigen Berater oder Rechtsanwalt.

Genauso wichtig ist die Organisation einer lückenlosen Beweissicherung. In einer Welt, in der wenige Zentimeter Wasser den Unterschied zwischen voller Leistung und vollständiger Ablehnung bedeuten, muss jede Apotheke darauf vorbereitet sein, im Schadenfall schnell und präzise zu dokumentieren. Fotos mit Maßband, Videos vom Wasserstand, Protokolle über den Zeitpunkt des Eindringens und die Dauer des Wasserstillstands sind keine Nebensächlichkeiten, sondern harte Währung im Dialog mit dem Versicherer. Auch der Zustand der betroffenen Flächen – ob durchlässig, versiegelt oder gefliest – sollte festgehalten werden, um spätere Streitpunkte zu entschärfen.

Prävention beginnt zudem nicht erst mit der Versicherungspolice, sondern bei der baulichen Gestaltung. Entwässerungsrinnen, Rückstauklappen, Überläufe und eine durchdachte Oberflächenneigung können im Ernstfall entscheidende Zentimeter bringen, die den Unterschied zwischen einem versicherten und einem nicht versicherten Ereignis ausmachen. Wer sein Betriebsgebäude plant oder renoviert, sollte daher nicht nur an Kundenfreundlichkeit und Optik denken, sondern auch an die hydraulische Realität eines Starkregens.

Für Apotheken in Hochwasser- oder Starkregengebieten gilt zusätzlich, dass Elementarschäden nicht automatisch in jeder Gebäudeversicherung enthalten sind. Die erweiterte Elementardeckung muss oft separat abgeschlossen werden, und auch hier sind die Definitionen und Ausschlüsse von Fall zu Fall unterschiedlich. Manche Policen schließen Schäden aus, wenn sie durch aufsteigendes Grundwasser verursacht werden, andere verlangen, dass das Wasser aus einem offenen Gewässer stammt. Wieder andere setzen Mindesthöhen für Wasserstände fest, bevor ein Ereignis als Überschwemmung gilt. Wer diese Feinheiten nicht kennt, spielt mit seiner unternehmerischen Existenz.

Im Betriebsalltag bedeutet dies: Die Versicherungsstrategie einer Apotheke ist kein statisches Dokument, das einmal unterschrieben und dann vergessen wird. Sie ist ein lebendiger Bestandteil des Risikomanagements, der regelmäßig überprüft, angepasst und mit den realen Gefahren abgeglichen werden muss. Dazu gehört auch, dass die Versicherungssummen realistisch angesetzt werden und keine Unterversicherung entsteht, die im Schadenfall zu einer weiteren Kürzung der Leistung führt.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Schnittstellen zwischen Gebäude- und Geschäftsversicherung. Manche Versicherer bieten kombinierte Produkte an, die beide Bereiche abdecken, andere arbeiten strikt getrennt. In jedem Fall muss der Apotheker wissen, welche Bedingungen in welcher Police den Ausschlag geben und wie die Abhängigkeiten geregelt sind. Die schlimmste aller Varianten ist jene, in der beide Versicherungen aufeinander verweisen und am Ende keine zahlt.

Das OLG-Dresden-Urteil steht in diesem Kontext wie ein Lehrbuchfall für das Zusammenspiel aus juristischer Definition und praktischer Auswirkung. Es verdeutlicht, dass nicht die Größe des Schadens oder dessen subjektive Wahrnehmung entscheidend ist, sondern die Fähigkeit, den Schaden exakt in den Versicherungswortlaut einzuordnen und die geforderten Nachweise zu erbringen. Wer als Apothekenbetreiber diese Sprache nicht spricht, muss sie lernen – oder sich kompetente Übersetzer an Bord holen, bevor der Schaden eintritt.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht. Manchmal sind es nicht die reißenden Fluten, die Existenzen kosten, sondern fünf Zentimeter, die den falschen Ort erreichen – und ein Blatt Papier, das sie nicht als Gefahr anerkennt. Wer als Apotheker seine Zukunft sichern will, muss wissen, wie hoch das Wasser stehen darf, bevor es zu spät ist – und wer darüber entscheidet.