Source: Deutsche Nachrichten
Apotheken-News: Bericht von heute
Nach Starkregen sammelten sich bis zu fünf Zentimeter Wasser auf der gefliesten Terrasse einer Hauseigentümerin, drangen ins Wohnhaus ein und verursachten Schäden. Die erweiterte Elementardeckung schien den Fall abzudecken – doch das OLG Dresden entschied, dass es sich nicht um eine Überschwemmung handelte. Zwar ließ das Gericht offen, ob eine Terrasse als „Grund und Boden“ gilt, stellte aber klar, dass für eine Überschwemmung erhebliche Wassermengen nötig sind. Normale Pfützenbildung und gesättigter Boden genügen nicht, wenn das Ausmaß nicht außergewöhnlich ist. Auch der Rückstau scheiterte mangels Nachweis. Das Urteil zeigt, wie entscheidend klare Begriffsdefinitionen, Beweissicherung und realistische Erwartungen an den Versicherungsschutz sind. Prävention beginnt mit Wissen um die eigenen Policen, schneller Dokumentation und gezielter Kommunikation – und manchmal ist es nicht das Offensichtliche, sondern das, was zwischen den Zeilen wirkt, das am Ende über Sicherheit, Vertrauen und Bestand entscheidet.
Wenn nach einem sommerlichen Starkregen die Wassermassen nicht als spektakuläre Sturzflut daherkommen, sondern in einer beharrlichen, aber vergleichsweise flachen Schicht auf einer gefliesten Terrasse stehen bleiben, kann das rechtlich den Unterschied zwischen voller Versicherungsleistung und völliger Leistungsfreiheit ausmachen. Der Fall, den das Oberlandesgericht Dresden im Juni 2025 zu entscheiden hatte, zeigt auf fast schon exemplarische Weise, wie sehr die Beurteilung eines Schadenereignisses in der Elementarschadenversicherung nicht nur von den Fakten, sondern von den präzisen Begrifflichkeiten der Versicherungsbedingungen abhängt – und wie schnell sich für Versicherte eine Lücke auftut, wenn nicht jedes Tatbestandsmerkmal zweifelsfrei nachgewiesen wird. Ausgangspunkt war eine bis zu fünf Zentimeter hohe Wasseransammlung auf der Terrasse einer Hauseigentümerin, die in der Folge Gebäudeschäden geltend machte. In ihrer Sicht war dies ein klassischer Überschwemmungsschaden, gedeckt durch die in der Police enthaltene erweiterte Elementarversicherung. Doch der Versicherer lehnte ab, mit der Begründung, es liege weder eine Überschwemmung im Sinne der Bedingungen vor noch sei die Terrasse als „Grund und Boden“ im Sinne der Klauseln zu werten.
Das Landgericht Leipzig bestätigte in erster Instanz die Sicht des Versicherers und begründete dies vor allem damit, dass eine gepflasterte oder geflieste Terrasse nicht als „Grund und Boden“ im Sinne der einschlägigen Klauseln anzusehen sei. In den Besonderen Bedingungen für die Elementarversicherung – Wohngebäude (BEW) sei klar geregelt, dass eine Überschwemmung nur dann versichert sei, wenn es zu einer Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks komme. Die Terrasse sei aber baulich derart beschaffen, dass sie nicht als solcher Grund und Boden gewertet werden könne, weshalb schon aus diesem Grund kein Versicherungsschutz bestehe, selbst wenn von dort Wasser ins Gebäude gelange.
In der Berufung vor dem OLG Dresden verschob sich die Argumentation. Die Richter ließen offen, ob eine Terrasse als versiegelte Fläche Teil des „Grund und Bodens“ sein kann oder nicht – ein Streitpunkt, der in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt ist. Maßgeblich für die Entscheidung war für das OLG jedoch ein anderes, objektives Kriterium: die Erheblichkeit der Wassermengen. Denn nach gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung ist eine Überschwemmung nur dann gegeben, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche sammeln und nicht geordnet abfließen oder versickern können, sodass das Wasser in ein Gebäude eindringt. Eine Anreicherung des Erdbodens bis zur Sättigungsgrenze oder eine bloße Pfützenbildung genügen nicht.
Hier setzte die juristische Feinarbeit ein: Die Klägerin hatte selbst vorgetragen, dass das Wasser auf der Terrasse und der angrenzenden Rasenfläche stand, die Rasenfläche das Wasser nicht mehr aufnehmen konnte und der Sättigungsgrad erreicht war. Gleichwohl blieb die Wiese sichtbar, und es handelte sich um Pfützenbildung, nicht um ein großflächiges Übertreten der Wassermassen über die Geländeoberfläche hinaus. Das OLG griff dabei auf Formulierungen aus anderen Urteilen zurück, wonach Überschwemmungen gekennzeichnet seien durch ein „Hinaustreten des Wassers über die Erdoberfläche“ und „nicht mehr erdgebundenes“ Wasser. Fünf Zentimeter stehendes Wasser, so die Richter, reiche gemessen an diesen Maßstäben nicht aus. Die Überschwemmung im Sinne der Bedingungen setze „erhebliche Wassermassen“ voraus, die hier nicht vorlagen.
Erschwerend kam hinzu, dass auch der zweite mögliche Versicherungsfall, ein Rückstau im Sinne der Ziffer 3.2 BEW, nicht bewiesen werden konnte. Nach dieser Klausel liegt ein Rückstau vor, wenn Wasser aus oberirdischen Gewässern oder infolge von Witterungsniederschlägen bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren in das Gebäude eindringt. Die Klägerin hatte jedoch lediglich erklärt, sie könne nicht ausschließen, dass dies geschehen sei, konkrete Beweise oder Anzeichen dafür legte sie nicht vor. Damit war auch dieser Weg zur Leistungspflicht des Versicherers versperrt.
Das Urteil des OLG Dresden zeigt, wie eng die Tatbestandsvoraussetzungen für die Regulierung von Elementarschäden gefasst sind. Für Versicherte bedeutet dies in der Praxis zweierlei: Zum einen müssen sie im Schadenfall möglichst detailliert dokumentieren, wie viel Wasser sich wo angesammelt hat, wie lange es dort stand und auf welche Weise es ins Gebäude gelangte. Zum anderen zeigt der Fall, dass schon die Frage, ob eine versiegelte Fläche wie eine Terrasse zum „Grund und Boden“ zählt, entscheidend sein kann – und dass diese Frage je nach Gericht und Auslegung unterschiedlich beantwortet werden kann.
Gerade die vom OLG offengelassene Frage zur Einordnung von versiegelten Flächen wird in künftigen Verfahren erneut an Bedeutung gewinnen, zumal die zunehmende Bebauung und Versiegelung in Wohngebieten dazu führt, dass Starkregenereignisse häufiger zu punktuellen Wasseransammlungen führen, die nicht den klassischen Überschwemmungsbildern entsprechen. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen wird damit zu einem zentralen Streitfeld. Hier lohnt sich für Versicherte schon im Vorfeld die kritische Durchsicht der eigenen Police und im Zweifel die vertragliche Klarstellung, dass auch versiegelte Flächen erfasst sein sollen.
Ebenso lehrreich ist die strikte Anforderung an den Nachweis des Rückstaus. Der bloße Hinweis „es könnte gewesen sein“ genügt nicht – gefordert sind belastbare Indizien, die den Eintritt von Wasser aus den Ableitungsrohren plausibel und nachvollziehbar belegen. Wer in einem Schadenfall diese Beweise nicht sichern kann, steht schnell ohne Deckungsschutz da, auch wenn der Schaden an sich offenkundig ist.
Der Fall aus Dresden ist damit nicht nur ein juristischer Einzelfall, sondern ein Lehrstück über die Kluft zwischen dem Erleben eines Schadens und seiner Anerkennung durch den Versicherer. Er macht deutlich, dass Versicherte nicht allein auf die Plausibilität ihres Erlebens vertrauen dürfen, sondern die Sprache und die Maßstäbe der Versicherungsbedingungen beherrschen müssen, um im Leistungsfall nicht an formalen Hürden zu scheitern.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht. Manchmal entscheidet ein Handgriff – oder hier fünf Zentimeter – über tausende Euro und über das juristische Gleichgewicht zwischen Anspruch und Ablehnung. Das Urteil aus Dresden zeigt, dass Wasser nicht nur nass ist, sondern im Versicherungsrecht präzise bemessen wird – und dass Maß und Mitte auch in Zentimetern zählen können.