Scareware: Angst als Geschäftsmodell

Source: Deutsche Nachrichten
Es ist ein gewöhnlicher Dienstagabend, kurz vor Mitternacht. Anna K., 46, sitzt noch schnell am Laptop, um die Zugtickets für den nächsten Tag zu buchen.

Die Website des Bahnunternehmens lädt langsam, sie klickt ungeduldig auf „Aktualisieren“. Plötzlich: ein lauter Signalton, der Bildschirm färbt sich rot, und in großen Lettern blinkt es:

„Achtung! Ihr Computer ist mit 42 gefährlichen Viren infiziert! Datenverlust in 180 Sekunden!“

Anna erstarrt. Der Herzschlag geht schneller. Unten rechts erscheint ein Button: „Jetzt scannen und reparieren“. Ohne lange nachzudenken, klickt sie – und landet auf einer Seite, die von ihr 49,90 Euro für eine „Sicherheitssoftware“ verlangt. Alles sieht täuschend echt aus. Das Logo erinnert an Windows, das Layout an ihr Antivirenprogramm.

Sie zögert kurz, will schon die Kreditkarte holen – und stoppt erst, als ihr zufällig vorbeikommender Sohn ruft: „Mama, nicht klicken! Das ist Betrug!“

Von Shareware zu Scareware

Was Anna erlebt hat, hat einen Namen: Scareware. Der Begriff ist eine Mischung aus scare („erschrecken“) und software. Er ist das böse Gegenstück zur gutartigen Shareware, bei der Programme kostenlos getestet werden können. Bei Scareware dagegen lautet das Prinzip: Erst Angst machen, dann kassieren.

Die Täter setzen auf Panikmache – grelle Warnungen, bedrohliche Texte, tickende Countdowns. Ziel ist es, den Nutzer in einen Zustand zu versetzen, in dem er reflexartig handelt, statt nachzudenken.

So läuft die Masche ab

Ob gefälschter Virenscanner, angeblicher Microsoft-Anruf oder „Systemoptimierer“ – das Drehbuch ist fast immer gleich:

  1. Alarm aus dem Nichts
    Während des Surfens oder Arbeitens erscheint plötzlich eine Meldung: angebliche Virenfunde, defekte Akkus oder korrupte Systemdateien.
  2. Zeitdruck und Dramatik
    Ein Countdown läuft, laute Warntöne ertönen, manchmal sogar eine Computerstimme.
  3. Die „Rettung“
    Sofort wird ein Button präsentiert, um das Problem zu lösen – meist gegen Bezahlung oder mit einem Download, der in Wahrheit Schadsoftware ist.

Die häufigsten Varianten

  • Gefälschte Virenscanner: Sie zeigen „gefährliche Funde“ an, obwohl gar nichts geprüft wurde.
  • Support-Hotline-Tricks: Pop-ups fordern auf, eine Nummer anzurufen – am Telefon übernehmen Betrüger den PC per Fernwartung.
  • „Systemoptimierer“: Sie melden Tausende angeblicher Registry-Fehler und wollen für die Reparatur Geld.
  • Mobile Panikmache: Auf Smartphones erscheinen Meldungen über „defekte Akkus“ oder „Infektionen“ – und locken in Abos oder App-Downloads.

Warum wir darauf hereinfallen

Scareware ist ein Meisterwerk der Manipulation. Sie nutzt zwei uralte Reflexe: Angst und Handlungsdrang bei Gefahr. Die gefälschten Warnungen sehen so echt aus, dass selbst erfahrene Nutzer stutzen. Logos bekannter Firmen, vertraute Farbschemata und überzeugend wirkende Sprache verstärken den Effekt.

So schützt man sich

  • Nur offizielle Quellen nutzen – Software immer von Herstellerseiten oder App-Stores laden.
  • Pop-ups ignorieren – verdächtige Fenster schließen, nicht auf Buttons klicken.
  • Updates installieren – ein aktuelles System ist weniger anfällig.
  • Warnungen kennen – wer weiß, wie echte Systemmeldungen aussehen, erkennt Fälschungen schneller.

Scareware ist kein technisches Problem allein – es ist ein psychologischer Angriff. Sie zielt nicht auf den Computer, sondern auf den Menschen davor. Wer die Masche kennt, lässt sich nicht in Panik versetzen, sondern tut das einzig Richtige: tief durchatmen, das Fenster schließen – und den Betrügern die kalte Schulter zeigen.

Hans-Peter Oswald

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