Apotheken-Nachrichten von heute – Update: E-Rezept schwächt Apotheken, Fixhonorar bleibt ungenügend, Markt wird kriminell unterwandert

Source: Deutsche Nachrichten
Mit der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts hat sich die Risikostruktur im Apothekenbetrieb radikal verändert – und die Folgen zeigen sich mit wachsender Deutlichkeit. Was politisch als Fortschritt gefeiert wird, entpuppt sich für viele Apotheken als technisches und haftungsrechtliches Minenfeld: Serverausfälle, Cyberangriffe, Datenschutzverstöße und Systemabbrüche verursachen nicht nur operative Störungen, sondern führen zu massiven finanziellen Schäden – und rechtlich haften die Apotheken allein. Gleichzeitig kämpfen viele Betriebe mit einem weiteren strukturellen Risiko: einem Vergütungssystem, das zentrale Leistungen nicht kostendeckend abbildet. Die angekündigte Erhöhung des Fixhonorars auf 9,50 Euro ist ein politisches Signal – mehr aber nicht. Denn ohne dauerhaft verhandlungsfeste Grundstrukturen und realistische Zuschläge für ländliche Versorgung wird aus einer Reform kaum mehr als ein Etikettenschwindel. Parallel dazu öffnet sich eine dritte, bislang unterschätzte Gefahrenzone: der Markt wird zunehmend durch gefälschte Medikamente und toxische Markenprodukte unterwandert. Apotheken, die eigentlich Schutzfilter sein sollen, geraten dadurch zusätzlich unter Druck. In dieser Gemengelage zeigt sich ein gefährliches Muster: Digitalisierung, Unterfinanzierung und Kontrollversagen verstärken sich gegenseitig – und die Apotheken stehen erneut allein im Sturm.

E-Rezept offenbart Schwachstellen, Cyberangriffe nehmen zu, Apotheken haften allein

Die Digitalisierung zwingt Apotheken in Deutschland zur Neuausrichtung von Schutzstrategien und Versicherungslogik.

Mit der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts im Januar 2024 hat für Apotheken in Deutschland eine neue Risikodimension begonnen, deren Tragweite vielen erst allmählich bewusst wird. Während politisch von einem digitalen Meilenstein gesprochen wird, sehen sich Apothekenbetreiber mit einem grundlegenden Strukturbruch konfrontiert: Die Arbeitsprozesse wurden digitalisiert, doch die Absicherung blieb analog. Wo früher ein Papierausdruck verlorenging, stehen heute komplexe IT-Systeme, Serverausfälle, Cyberangriffe und DSGVO-Verstöße im Raum – mit unmittelbaren Folgen für den Betriebsablauf, die Haftung und die wirtschaftliche Existenz.

Die Einführung des E-Rezepts verpflichtet Apotheken zur Verarbeitung, Weiterleitung und sicheren Speicherung sensibler Gesundheitsdaten. Jede technische Störung kann nicht nur zu Versorgungsproblemen führen, sondern auch Retaxationen auslösen, bei denen Apotheken für vermeintlich fehlerhafte Abrechnungen die Erstattung verlieren. Besonders tückisch sind dabei Fehler, die sich aus Schnittstellenproblemen zwischen Warenwirtschaft, Apothekensoftware und Abrechnungssystemen ergeben. Bereits kleine Verzögerungen oder fehlerhafte Synchronisationen können zu systemischen Ausfällen führen, die ganze Tagesumsätze gefährden.

Doch der technische Betrieb ist nur die eine Seite. Die massive Erhöhung der Datenschutzanforderungen durch den Zugriff auf Gesundheitsdaten im E-Rezept stellt Apotheker vor zusätzliche juristische Fallstricke. Jede unzureichend dokumentierte Zugriffskontrolle, jeder nicht protokollierte Systemzugriff, jeder unverschlüsselte Datenversand kann empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Die persönliche Haftung der Apothekenleitung bei DSGVO-Verstößen ist nicht delegierbar. In einer Branche, in der die Arbeitsverdichtung bereits ohne digitale Zusatzlast grenzwertig war, stellt diese zusätzliche Verantwortungsverschiebung eine kaum noch tragbare Belastung dar.

Parallel zur technischen und rechtlichen Herausforderung steigt ein Risiko, das lange unterschätzt wurde: die Verwundbarkeit durch Cyberkriminalität. Seit Einführung des E-Rezepts ist die Zahl gezielter Cyberangriffe auf Apotheken spürbar gestiegen. Besonders begehrt sind Gesundheitsdaten – im Darknet erzielen sie Höchstpreise. Ransomware-Attacken, bei denen Daten verschlüsselt und nur gegen Lösegeld wieder freigegeben werden, gehören mittlerweile zum Alltag der Cyberkriminalität. Selbst kleinere Landapotheken melden Systemübernahmen, Datenverluste und Erpressungsversuche – mit teilweise existenzbedrohenden Folgen. Denn ohne funktionierende IT kann weder beliefert noch abgerechnet werden.

Die Versicherungsseite reagiert bislang zögerlich. Klassische Betriebshaftpflichtpolicen schließen IT-Risiken häufig aus oder decken sie nur unzureichend ab. Betriebsunterbrechung infolge eines Cyberangriffs ist in vielen Policen kein Bestandteil oder mit unrealistisch langen Karenzzeiten versehen. Auch Cyberversicherungen sind kein Allheilmittel: Häufig fehlen Soforthilfeelemente, Forensikleistungen oder eine klare Regelung zur Übernahme von Lösegeldforderungen, die aus juristischen Gründen ohnehin problematisch sind. Viele Apotheken wissen zudem gar nicht, ob ihre bestehende Police digitale Schäden überhaupt abdeckt – eine professionelle Risikoanalyse fehlt in der Regel.

Dabei ist gerade im Zusammenspiel physischer und digitaler Risiken eine neue Form der hybriden Gefährdungslage entstanden. Ein Stromausfall kann sowohl die Kühlung von Arzneimitteln als auch die IT lahmlegen. Ein Wasserschaden kann Serverräume beschädigen, ein Einbruch kann mit dem Diebstahl digitaler Zugangsinfrastruktur einhergehen. Apotheken sind längst keine rein stationären Versorger mehr, sondern hochgradig digitalisierte Betriebe, deren Versorgungsauftrag von funktionierender Technologie abhängt – bei gleichzeitig sinkender Personaldecke und wachsendem Dokumentationsaufwand.

Hinzu kommt, dass auch die organisatorische Seite in vielen Betrieben unzureichend aufgestellt ist. Notfallpläne, regelmäßige Backups, strukturierte Rechtevergabe, Zugriffskontrollsysteme und Mitarbeiterschulungen sind in weiten Teilen noch nicht systematisch implementiert. Gründe dafür sind vielfältig: Zeitmangel, fehlendes Know-how, geringe finanzielle Spielräume und das Ausbleiben klarer gesetzlicher Vorgaben. So bleibt die Verantwortung für eine hochkomplexe Sicherheitsarchitektur letztlich bei Betrieben hängen, die darauf weder vorbereitet noch ausreichend ausgestattet sind.

Gleichzeitig bleibt politische Unterstützung aus. Zwar wird Digitalisierung eingefordert, doch eine begleitende Sicherheitsstrategie für die Apothekeninfrastruktur fehlt. Förderprogramme für IT-Sicherheit, verpflichtende Standards für Systemhärtung oder finanzielle Hilfen bei der Umstellung existieren nicht. Das strukturelle Risiko des digitalen Wandels wird vollständig auf die einzelnen Apotheken abgewälzt – während die Politik von einer „Modernisierung des Gesundheitswesens“ spricht, die in der Fläche weder technisch noch betriebswirtschaftlich abgesichert ist.

Damit steht das E-Rezept exemplarisch für ein tiefer liegendes Problem: Digitalisierung wird als Ziel formuliert, aber nicht als Verantwortung begleitet. Die Kluft zwischen technischer Umstellung und betrieblicher Wirklichkeit wächst. Und mit ihr das Risiko, dass nicht der Fortschritt dominiert – sondern der strukturelle Kontrollverlust. Denn was als digitale Innovation verkauft wird, kann sich ohne tragfähige Absicherung schnell in ein Versorgungsvakuum verwandeln. Apotheken tragen diese Last allein. Doch wenn die Absicherung versagt, bleibt die Versorgung nicht nur digital stecken – sondern real auf der Strecke.

Die Einführung des E-Rezepts war politisch lange vorbereitet – doch auf die Risiken dieser Transformation waren die Apotheken nicht vorbereitet, und sie wurden auch nicht vorbereitet. Was als technischer Fortschritt verkauft wurde, ist in Wahrheit ein massiver Eingriff in die Sicherheitsarchitektur der Versorgung – mit dramatischen Konsequenzen für Betriebe, die keine Digitalkonzerne sind, sondern meist inhabergeführte Mittelständler mit begrenzten Ressourcen.

Es zeigt sich ein Muster, das in der deutschen Gesundheitspolitik immer wieder zu beobachten ist: Reformen werden von oben verordnet, ihre Folgen aber nach unten durchgereicht. Die Digitalisierung der Apotheken ist ein Paradebeispiel dafür. Während Bundesministerien in Sonntagsreden von Fortschritt sprechen, kämpfen Apotheken mit Updatefehlern, Systemabstürzen, Abrechnungsproblemen, Retaxationen und rechtlichen Grauzonen. Hinzu kommt ein Haftungsregime, das Apotheken zur Angriffsfläche für Abmahnanwälte und Datenschutzbehörden macht – ohne dass eine Entlastung erfolgt, weder finanziell noch strukturell.

Noch gravierender ist die Sicherheitslücke, die durch den politischen Zwang zur Digitalisierung ohne technische Rückversicherung entsteht. Es ist grotesk, dass Betriebe der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ sich selbst gegen Cyberangriffe absichern müssen, während andere Wirtschaftsbereiche längst auf staatliche Sicherheitsnetzwerke zugreifen können. Der Vorwurf politischer Fahrlässigkeit ist gerechtfertigt: Denn mit jeder weiteren verpflichtenden digitalen Schnittstelle wächst nicht nur die Abhängigkeit, sondern auch das Risiko, ohne Schutz dazustehen, wenn der Angriff kommt.

Die gesundheitspolitische Logik erscheint dabei widersprüchlich: Einerseits wird argumentiert, dass Apotheken systemrelevant seien – andererseits wird ihnen die Verantwortung für eine IT-Sicherheitslage aufgebürdet, die selbst Großkonzerne an ihre Grenzen bringt. Während Pharmagroßhändler über ganze IT-Abteilungen verfügen und Krankenhäuser auf Notfallpläne mit Bundesunterstützung zurückgreifen können, bleiben Apotheken auf Eigeninitiative angewiesen. Diese Asymmetrie ist nicht nur unfair, sie ist strukturell gefährlich. Denn wenn kleine Betriebe ausfallen, bricht nicht das System der Digitalisierung zusammen – sondern das System der Arzneimittelversorgung.

Es braucht dringend eine neue Realität der Verantwortungsteilung. Digitalisierung darf nicht bedeuten: „Jeder für sich.“ Es braucht gesetzlich verpflichtende Sicherheitsstandards, standardisierte technische Systeme mit Notfallarchitektur, klar geregelte Haftungsabgrenzungen und vor allem gezielte staatliche Förderprogramme für die IT-Härtung in der Fläche. Nur dann kann das E-Rezept seiner Rolle als Zukunftsinstrument gerecht werden. Ansonsten bleibt es ein Symbol für die asymmetrische Realität der Digitalisierung: Fortschritt in der Theorie, Kontrollverlust in der Praxis.

Wer Digitalisierung politisch fordert, muss auch ihre Folgen verantworten. Sonst wird das E-Rezept zur digitalen Sollbruchstelle eines Systems, das keine Redundanzen mehr kennt. Und dann geht es nicht mehr nur um Technik – sondern um Versorgung, Vertrauen und die Existenz ganzer Berufsstände.

Arzneimittel ohne Wirkung, Kleidung ohne Sicherheit, Staat ohne Kontrolle

Gefälschte Medikamente, giftige Markenfälschungen und fehlende Marktaufsicht gefährden zunehmend die Gesundheit und das Vertrauen der Bevölkerung

Deutschland steht vor einem verdeckten Gesundheitsproblem, das weder auf den ersten Blick erkennbar noch leicht zu regulieren ist: gefälschte Medizinprodukte und Markenartikel fluten den Markt. Wie eine neue ARD-Dokumentation aufdeckt, sind illegale Abnehmspritzen, wirkungslose Krebsmedikamente und toxische Markenfälschungen inzwischen keine Einzelfälle mehr, sondern Symptome eines größeren strukturellen Versagens. Weder der Onlinehandel noch die Zollkontrolle, weder Verbraucherbildung noch Markenuüberwachung scheinen dem Ansturm krimineller Produktkopien gewachsen. Besonders alarmierend: Viele dieser Fälschungen gelangen über reguläre Handelsplattformen in Umlauf, wirken äußerlich identisch mit Originalen, enthalten jedoch keine oder sogar gesundheitsgefährdende Wirkstoffe.

Im Zentrum steht dabei eine wachsende Schattenindustrie, die sich sowohl digitaler Kanäle als auch physischer Vertriebspfade bedient. Illegal eingeführte Arzneimittel imitieren rezeptpflichtige Originale, werden aber in der Regel unter hygienisch und rechtlich fragwürdigen Bedingungen in Fernost produziert. Verbraucher, die sich Heilung erhoffen, erhalten stattdessen Placebos oder toxische Substanzen. Besonders betroffen sind Medikamente zur Krebsbehandlung, zur Gewichtsreduktion oder Potenzsteigerung. In diesen sensiblen Feldern wirken Fälschungen doppelt fatal: Sie schädigen nicht nur körperlich, sondern zerstören auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem.

Doch nicht nur Arzneimittel bergen ein Risiko. Auch gefälschte Markenbekleidung stellt ein unterschätztes Gesundheitsproblem dar. Billige Textilien, die unter Verletzung von Urheberrechten hergestellt werden, enthalten häufig verbotene Farbstoffe, allergieauslösende Chemikalien oder Schadstoffe mit hormoneller Wirkung. Gerade bei Kinderkleidung und Unterwäsche kann der Kontakt mit solchen Substanzen langfristige Gesundheitsschäden verursachen. Die staatlichen Prüf- und Kontrollinstanzen sind überfordert, da viele dieser Artikel direkt an Endkunden geliefert werden – außerhalb des Zugriffs durch klassische Marktaufsicht.

Hinzu kommt eine wachsende Komplexität in der digitalen Lieferkette. Auf Plattformen wie Amazon, eBay oder spezialisierten Billigshops wird die Herkunft der Ware zunehmend verschleiert. Drittanbieter aus Nicht-EU-Staaten umgehen europäische Produktsicherheitsnormen, indem sie ihre Waren als Privatpakete deklarieren oder in Dropshipping-Modellen versenden. Selbst Kennzeichnungen, Prüfsiegel und CE-Zeichen sind gefälscht. Endverbraucher können nicht mehr zwischen echt und falsch unterscheiden, da äußerlich kaum Unterschiede bestehen und auch die Verpackungen professionell gestaltet sind.

Besonders gefährdet sind Menschen in existenziellen oder vulnerablen Lebenssituationen. Wer keine Versicherung hat, keine Wohnung oder keine Perspektive, greift im Zweifel zu billigen Alternativen – im Glauben, ein Schnäppchen zu machen oder sich selbst helfen zu können. Der Staat überlässt diese Gruppen ihrem Schicksal. Gleichzeitig wird das Problem auf die individuelle Verantwortung abgeschoben, während strukturelle Schutzmechanismen versagen. Es handelt sich nicht um Konsumverirrungen, sondern um ein systemisches Risiko.

Der Skandal um gefälschte Medizinprodukte und Markenartikel zeigt mit brutaler Klarheit, wie wenig Kontrolle in einem überdigitalisierten, überglobalisierten Markt noch möglich ist. Was hier als “Markenpiraterie” verharmlost wird, ist in Wahrheit ein Angriff auf Gesundheit, Verbraucherschutz und institutionelles Vertrauen. Das Problem ist nicht nur kriminell, sondern auch politisch: Wo Behörden sich in Zuständigkeiten verlieren, Standards ausgehöhlt und Marktaufsichten ausgedünnt werden, floriert die Schattenwirtschaft. Der Staat zieht sich aus dem letzten Glied der Versorgungskette zurück, ausgerechnet dort, wo der Mensch am verletzlichsten ist. Was bleibt, ist ein toxisches Gemisch aus Verunsicherung, chronischer Gefährdung und der Preisgabe fundamentaler Schutzprinzipien.

Die Allgegenwart gefälschter Produkte wird hingenommen wie eine Art modernen Kollateralschaden der freien Marktwirtschaft. Aber wer Produkte duldet, die keine Wirkung oder gar Vergiftung zur Folge haben, verliert jegliche Legitimation als Schutzinstanz. Das Vertrauen in Apotheken, Onlinehandel oder Modeketten wird zersetzt, wenn der Staat nicht mehr garantieren kann, dass verkaufte Ware ungefährlich ist. Gerade in einem Land, das stolz auf seine Produktnormen, seinen Verbraucherschutz und sein Apothekenwesen ist, wirkt diese Entwicklung wie ein stiller Offenbarungseid.

Zudem sind die Folgeschäden nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch: Patienten, die auf gefälschte Medikamente hereinfallen, verlieren nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch das Vertrauen in Therapien und das medizinische System insgesamt. Kinder, die allergisch auf gefälschte Kleidung reagieren, tragen womöglich lebenslange Schäden davon. Es reicht nicht, die Verbraucher aufzuklären. Die Politik muss sich ihrer Verantwortung stellen und sowohl regulatorisch als auch institutionell aufrüsten. Sonst wird der Preis für diese Fahrlässigkeit künftig nicht mehr nur in Euro, sondern in Menschenleben gemessen.

Fixhonorar, Versorgungskorridor, Verhandlungsstart

Apotheken brauchen ein kostendeckendes System

Die wirtschaftliche Zukunft der Apotheken hängt zunehmend an der Frage eines kostendeckenden Fixhonorars. Laut Koalitionsvertrag soll das Abgabehonorar einmalig auf 9,50 Euro steigen. Für Apotheken in strukturschwachen Regionen kann ein Zuschlag von bis zu 1,50 Euro vorgesehen werden. Zukünftig sollen alle weiteren Anpassungen auf dem Verhandlungsweg mit dem GKV-Spitzenverband erfolgen. Doch das birgt Risiken. Claudia Korf, Geschäftsführsführerin der ABDA, warnte auf dem DAV-Wirtschaftsforum eindringlich vor falschen Weichenstellungen. Die reine Erhöhung sei kein Garant für Stabilität. Notwendig sei ein strukturierter Verhandlungsrahmen, der wirtschaftliche Realitäten anerkennt und Versorgungssicherheit absichert.

Korf definiert klare Kriterien für die Honorarverhandlungen: Neben der allgemeinen Inflation müssten Tariflöhne, das Bruttoinlandsprodukt oder ein spezifischer Index für die Apothekenbranche einbezogen werden. Nur so lasse sich das Fixum an reale Kostenentwicklungen koppeln. Die Einführung einer unabhängigen Schiedsstelle sei unerlässlich, um Verhandlungen auf Augenhöhe zu ermöglichen. Zugleich dürften in den Gesprächen keine weiteren Honorarkomponenten verhandelt werden. Die Trennung zwischen Fixum und anderen Leistungen sei unverzichtbar, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu erhalten.

Besonders kritisch sieht Korf das Risiko einer faktischen Entwertung des Fixums durch Preisentwicklungen. Die gesetzlich festgeschriebenen 3 Prozent auf den Apothekenverkaufspreis seien zwingend zu verteidigen. Ein Verlust dieses Zuschlags würde die Apotheken vollständig von der Marktdynamik abkoppeln. Zudem sei es nicht hinnehmbar, dass Leistungen wie Botendienste oder das Management von Lieferengpässen faktisch querfinanziert werden müssten. Alle Dienstleistungen müssten separat finanziert und voll gegenfinanziert sein. Apotheken seien keine Subventionsbetriebe für Versorgungslücken.

Auch der pDL-Topf darf laut Korf nicht als Lückenbüßer für Systemdefizite herhalten. Rund 40 Prozent der Apotheken beteiligen sich mittlerweile an pharmazeutischen Dienstleistungen, Tendenz steigend. Eine pauschale Umschichtung der Mittel sei systematisch falsch und widerspräche dem politischen Ziel der Ausweitung pharmazeutischer Leistungen. Wer diese Ausgaben streicht, schwächt die Strukturen.

Abschließend fordert Korf eine Gesamtstrategie, die Fixkosten absichert, Serviceleistungen entgeltlich gestaltet und durch leistungskorrelierte Sicherungszuschläge für flächendeckende Versorgung sorgt. Apotheken seien systemrelevant und müssten auch so behandelt werden. „Wer selbst nicht stark ist, kann auch anderen nicht helfen“, schließt Korf.

Die neue Honorarstruktur für Apotheken ist kein Fortschritt, sondern ein Test auf Standfestigkeit. Wenn das Fixum künftig verhandelt werden soll, öffnet das nicht etwa neue Chancen, sondern zwingt eine dezentral organisierte Branche in einen zentralistisch dominierten Verhandlungsrahmen. Die vermeintliche Dynamik droht zur Dauerunsicherheit zu werden. Denn die GKV hat kein Interesse an stabilen Einnahmen für Apotheken, sondern an planbaren Ausgaben. Die vorgeschlagene einmalige Anhebung auf 9,50 Euro wirkt da eher wie eine Eintrittskarte in einen Verteilungskampf, bei dem der Preis nicht von Leistungen, sondern vom Verhandlungsgeschick abhängt.

Was fehlt, ist ein verbindlicher Orientierungswert, der die strukturelle Unterfinanzierung vieler Apotheken anerkennt. Während die Wareneinsatzquote bei 80 Prozent liegt und Personalkosten steigen, bleibt das Fixhonorar ein starrer Betrag ohne Bezug zur Realität. Das lässt sich weder mit Digitalisierung noch mit betriebswirtschaftlicher Optimierung ausgleichen. Wenn zudem Leistungen wie Lieferengpassmanagement, Botendienste oder pharmazeutische Beratung weiter unbezahlt bleiben, führt das zu einer schleichenden Aushöhlung der Versorgungsleistung.

Dass Claudia Korf eine separate Schiedsstelle fordert, ist daher nicht Symbolpolitik, sondern strukturelle Notwendigkeit. Nur so können asymmetrische Machtverhältnisse im Verhandlungsprozess ausgeglichen werden. Der Verweis auf BIP, Inflation und Tarife ist sinnvoll, ersetzt aber nicht die Notwendigkeit eines apothekenspezifischen Index. Denn Apotheken arbeiten nicht im volkswirtschaftlichen Durchschnitt, sondern unter spezifischen regulatorischen Bedingungen.

Die Politik muss sich entscheiden: Will sie flächendeckende Versorgung als Grundwert erhalten, oder überlässt sie das Feld einer marktlogischen Ausdünnungsstrategie? Ohne verhandlungsfeste Sicherungssysteme wird das Fixhonorar zur taktischen Variablen. Dann aber droht das, was eigentlich verhindert werden soll: ein weiterer Strukturbruch im Gesundheitswesen, der weder den Apotheken noch den Patienten dient.

Apothekensterben, Umsatzstagnation, Versandboom

Sinkende Packungszahlen, steigende Abhängigkeit von Rx und strukturelle Marktverdrängung durch das E-Rezept verschärfen die Versorgungslage

Mit der nüchternen Feststellung, dass die aktuelle Wirtschaftskraft der Apotheken nicht für eine tragfähige Zukunft ausreiche, eröffnete Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, ihren Bericht beim DAV-Wirtschaftsforum. Trotz beschwörender Zuversicht und dem ironischen Zusatz „etwas Zauberkraft“ zeichnet der Vortrag ein ernüchternd klares Bild: Das Apothekennetz schrumpft weiter, der Markt verdichtet sich durch zunehmende Filialisierung, der Absatz stagniert, und der Versandhandel gewinnt durch digitale Rezeptstrukturen spürbar an Terrain. Die Zahl der Apotheken wird laut Korf zum Jahresende 2024 auf nur noch 16.500 sinken – das entspräche einem Verlust von über 500 Betriebsstätten innerhalb eines Jahres. Bereits im ersten Quartal haben 133 Apotheken geschlossen, darunter zunehmend auch versorgungsrelevante Standorte, nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in Ballungsräumen.

Die Entwicklung ist seit Jahren sichtbar, wird aber durch das neue E-Rezept und strukturelle Marktverschiebungen zusätzlich beschleunigt. Die demografische Schieflage des Gesundheitssystems spitzt sich zu: Immer mehr chronisch Erkrankte stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber. Der Fachkräftemangel hinter dem HV-Tisch verschärft diese Dynamik, ebenso wie eine überalterte Betriebsstruktur. Die Apothekendichte liegt derzeit bei 20 pro 100.000 Einwohner und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 31. Das Niveau entspricht dem von vor über vier Jahrzehnten. Gleichzeitig steigt die Zahl der Filialen – mehr als die Hälfte aller Apotheken sind mittlerweile Teil eines Verbundes. Was einst als Ausnahme galt, ist zum Regelfall geworden. Der dadurch entstehende Kannibalismus auf dem Markt schwächt gerade die wirtschaftlich vulnerablen Einzelbetriebe.

Im Hinblick auf die ökonomische Gesamtlage der Branche zeigt sich ein paradoxer Stillstand: Die Zahl der abgegebenen Packungen liegt mit 1,389 Milliarden nahezu auf Vorjahresniveau. Der Anteil rezeptfreier Medikamente (OTC) beträgt 42 Prozent, der rezeptpflichtigen (Rx) 58 Prozent. Nur bei den Rx-Packungen ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Der Gesamtumsatz der Apotheken beläuft sich auf rund 70,4 Milliarden Euro. Davon entfallen 85 Prozent auf Rx-Arzneimittel, was die komplette wirtschaftliche Abhängigkeit der Apotheken von den gesetzlichen Kassen dokumentiert. Der Umsatz mit OTC-Produkten ist zwar um 2,4 Prozent gestiegen, doch dieser Anstieg ist allein auf Preisanhebungen zurückzuführen – der tatsächliche Absatz ist um 2,6 Prozent zurückgegangen. Selbst eine starke Erkältungssaison konnte den Trend nicht umkehren.

Zunehmend ins Gewicht fällt der Versandhandel, insbesondere im OTC-Bereich. Im ersten Quartal 2024 verzeichnete dieser ein Plus von elf Prozent – ein Zuwachs von 52 Millionen Euro. Aus Sicht Korfs sei dies nicht allein auf das Konsumverhalten zurückzuführen, sondern maßgeblich durch das E-Rezept beeinflusst. Dieses ermögliche strukturelle Umleitungen von Bestellungen, wodurch stationäre Apotheken weitere Marktanteile verlören. Besonders deutlich wird diese Entwicklung bei den GKV-Arzneimittelausgaben: Während der Versandhandel bis 2023 stets nur leicht zulegte, kam es im Übergang zu 2024 mit der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts zu einem sprunghaften Wachstum von fast 60 Prozent. Auch wenn der Versandanteil 2024 insgesamt noch bei 1,35 Prozent lag, warnt Korf davor, diese Zahl zu unterschätzen – so habe auch der OTC-Bereich mit geringen Marktanteilen begonnen, bevor die strukturelle Verdrängung einsetzte. Profiteur dieser Entwicklung ist in erster Linie die Shop Apotheke mit ihrem massiv gestützten Marketingetat.

Die ökonomische Abhängigkeit der Apotheken von den gesetzlichen Kassen zeigt sich auch in der Analyse der GKV-Gesamtausgaben. Diese lagen im vergangenen Jahr bei über 300 Milliarden Euro. Auf das Apothekenhonorar entfielen davon lediglich 1,8 Prozent, also 5,84 Milliarden Euro – ein Rückgang im Vergleich zu den 1,9 Prozent im Jahr 2023. Die Ausgaben für Arzneimittel insgesamt machten 12,9 Prozent aus, also 42,03 Milliarden Euro, was einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr darstellt. Korf unterstreicht die Diskrepanz zwischen Leistung und Vergütung: Für das gesamte Apothekenhonorar geben die Kassen nicht mehr aus als für Vorsorge, Rehabilitation und Zahnersatz zusammen. Gleichzeitig sparen sie durch Rabattverträge mit den Apotheken rund 6,2 Milliarden Euro – mehr, als sie für das Honorar selbst aufwenden. Dieses Missverhältnis bleibt in der öffentlichen Debatte weitgehend unbeachtet.

Damit bleibt die wirtschaftliche Zukunft der Apotheken ungewiss. Die politischen Weichenstellungen, auf die viele warten, lassen auf sich warten oder verlagern sich in Verhandlungsprozesse ohne klare Ergebnisse. Eine nachhaltige Lösung ist nicht in Sicht. Während sich die strukturelle Krise der Apotheken weiter zuspitzt, entstehen neue Marktdynamiken, die bestehende Geschäftsmodelle infrage stellen. Der Verlust an Betriebsstätten ist kein bloßes Rechenexempel – er bedeutet eine reale Erosion der Versorgung, nicht nur in strukturschwachen Regionen, sondern zunehmend auch in urbanen Räumen. In dieser Lage von „Kannibalismus und Kapitulation“ mahnt Korf zu strategischem Umdenken – doch konkrete politische Antworten fehlen.

Was seit Jahren als schleichender Rückgang diagnostiziert wird, ist längst zur Systemerosion geworden. Der Apothekenmarkt steht an einem Kipppunkt, der nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern gesundheitspolitisch relevant ist. Claudia Korf benennt die Misere mit nüchterner Deutlichkeit: Die Apothekenzahl fällt auf ein historisches Tief, während der Versandhandel strukturell durch das E-Rezept gestützt wird. Wer diese Entwicklung immer noch für eine Frage individueller Betriebsführung hält, verkennt die tektonischen Verschiebungen innerhalb des Systems. Es geht nicht um schlechte Unternehmensführung, sondern um politische Stillhalteabkommen auf Kosten der Versorgungssicherheit.

Das Problem liegt tiefer: Die politische Untätigkeit gegenüber dem fortschreitenden Rückbau der Apothekenlandschaft ist längst zu einer stillschweigenden Billigung geworden. In Berlin wird nicht mehr debattiert, sondern delegiert – an Verhandlungstische, an Verbände, an Algorithmen. Das E-Rezept hätte ein Instrument zur Vereinfachung und Digitalisierung sein können, doch es wurde ohne jegliche Schutzmechanismen für die Vor-Ort-Apotheke ausgerollt. Die strukturelle Marktverlagerung ist kein Zufallsprodukt, sondern ein absehbares Resultat regulatorischer Naivität oder politischer Absicht. Apotheken werden nicht durch Wettbewerb verdrängt, sondern durch einseitige digitale Infrastrukturen, die Kapitalmacht begünstigen und Versorgungsnähe untergraben.

Der wirtschaftliche Kern des Problems liegt in der Rx-Abhängigkeit. Wer 85 Prozent seines Umsatzes über Kassenrezepte generiert, ist dem politischen Kalkül ausgeliefert. Dass ausgerechnet Apotheken, die mit Rabattverträgen jährlich Milliarden für das System einsparen, gleichzeitig durch Deckelungen beim Fixhonorar an ihrer Existenzgrenze gehalten werden, ist Ausdruck einer verzerrten Prioritätensetzung. Während Milliarden in digitale Plattformstrategien und Medikationsmanagement-Versuche fließen, fehlt es an Grundsicherung für die Basisinfrastruktur der Versorgung.

Dass immer mehr Apotheken im Filialverbund überleben, ist kein Zeichen betrieblicher Stärke, sondern ein Reflex auf politische Schwäche. Die Individualapotheke stirbt nicht an Inkompetenz, sondern an fehlender Perspektive. Mit jedem Standort, der schließt, schrumpft nicht nur ein Unternehmen, sondern ein Versorgungsraum. Es gibt kein digitales Pendant zur wohnortnahen Beratung. Die Zunahme chronischer Erkrankungen, die Überalterung der Gesellschaft, die steigende Komplexität in der Arzneimitteltherapie – all das ruft eigentlich nach mehr Apotheken, nicht weniger. Doch die Realität folgt einer anderen Logik.

Diese Realität ist gefährlich: Wer das Apothekennetz auf eine betriebswirtschaftlich „optimierte“ Restgröße reduziert, riskiert Systemversagen. Nicht morgen, aber bald. Denn wenn heute Apotheken „kannibalisiert“ werden, bleibt am Ende kein Futter mehr für niemanden. Versorgung beginnt nicht mit einer Plattform, sondern mit einem offenen HV-Tisch. Und der ist zunehmend leer.

Apotheken verkleinern Betriebe, kämpfen mit Personalmangel und trotzen dem Reformversagen

Immer mehr Inhaber geben unrentable Filialen auf, weil der Fachkräftemangel dramatisch zunimmt und die Politik keine tragfähige Lösung liefert.

Die strukturelle Verkleinerung von Apothekenbetrieben entwickelt sich zunehmend zu einer rationalen Reaktion auf einen systemisch kriselnden Gesundheitsmarkt. Besonders im ländlichen Raum setzen viele Inhaber nicht mehr auf Wachstum, sondern auf gezielte Rücknahme: unrentable Filialen werden geschlossen, das Leistungsspektrum reduziert, Ressourcen gebündelt. Diese Entscheidung basiert nicht auf Resignation, sondern auf betriebswirtschaftlicher Klarheit. Denn unter den Bedingungen permanenter Unterbesetzung, steigender Kosten und stagnierender politischer Unterstützung ist der Rückzug oft die einzig tragfähige Antwort auf ein dysfunktionales Versorgungssystem.

Der Fachkräftemangel ist dabei nicht nur ein temporäres Hindernis, sondern hat sich zu einem strukturellen Defizit mit systemischer Wirkung entwickelt. Apotheken ohne ausreichend Personal können keine flächendeckende Versorgung mehr gewährleisten. Der Arbeitsdruck auf verbliebene Mitarbeiter nimmt unaufhörlich zu – mit zunehmender Erschöpfung und wachsender Fluktuation. Die Politik liefert bisher weder kurzfristige Entlastung noch langfristige Strategien, um dem Nachwuchs- und Bindungsproblem in der Pharmazie wirksam zu begegnen. Zwischen realer Notlage und leerem Reformversprechen geraten die Betriebe in eine gefährliche Schieflage.

In dieser Situation verzichten viele Betreiber gezielt auf Expansion, neue Dienstleistungen oder zusätzliche Standorte. Stattdessen liegt der Fokus auf dem Erhalt dessen, was noch wirtschaftlich und personell tragfähig ist. Die Reduktion erscheint unter diesen Vorzeichen nicht als Scheitern, sondern als bewusstes Management von Risiken. Sie schützt Mitarbeitende vor Überlastung und sichert die Existenz des Betriebskerns. Dabei verändert sich oft auch das Selbstverständnis der Apotheke: Von der permanent erreichbaren Anlaufstelle zur fokussierten Gesundheitseinheit mit begrenztem, aber qualitativ hochwertigem Leistungsspektrum.

Diese stille, aber tiefgreifende Veränderung hat eine politische Dimension, die bislang kaum beachtet wird. Die Konzentration von Betriebsstrukturen ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines gesamtwirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Versagens. Dort, wo zentrale Versorgungsstützen schrumpfen, ohne dass neue Säulen eingezogen werden, gerät das ganze System ins Wanken. Die Illusion der flächendeckenden Versorgung wird von der betrieblichen Realität längst überholt. Während politische Programme weiterhin mit vagen Förderinstrumenten und strukturfremden Maßnahmen operieren, vollziehen die Apotheken längst eine strategische Selbstbegrenzung.

Die wirtschaftliche Zukunftssicherung durch Reduktion ist dabei kein Allheilmittel, aber ein realistisches Instrument zur Schadensbegrenzung. Denn die Gleichung aus hoher Erwartung, fehlender Unterstützung und permanenter Belastung lässt sich langfristig nur mit klaren betrieblichen Prioritäten lösen. Wenn sich diese Entwicklung weiter fortsetzt, wird sich die Apothekenlandschaft in den kommenden Jahren nicht nur zahlenmäßig, sondern auch funktional verändern. Kleinere, effizient arbeitende Einheiten könnten die neue Norm werden – solange die politische Ignoranz nicht auch diese Strukturen gefährdet.

Gleichzeitig wächst die Verantwortung der Gesundheitspolitik, endlich die realen Bedarfe in der Versorgungspraxis zu erkennen und systemisch zu handeln. Die strukturelle Verkleinerung der Apotheken ist kein Betriebsunfall, sondern eine strategische Konsequenz aus langjährigem politischem Desinteresse. Wer dieses Signal überhört, riskiert das Vertrauen in eine stabile Grundversorgung und öffnet Tür und Tor für irreversible Schäden in der öffentlichen Gesundheitsstruktur.

Die gezielte Verkleinerung von Apothekenbetrieben markiert einen Wendepunkt in der deutschen Versorgungspolitik. Was lange als Zeichen von Schwäche oder Rückzug interpretiert wurde, entpuppt sich mehr und mehr als Ausdruck betriebswirtschaftlicher Klarheit und strategischer Weitsicht. Denn unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist es kein Mangel an unternehmerischem Ehrgeiz, der zu diesem Schritt führt, sondern die schlichte Notwendigkeit, das Überleben des Betriebs zu sichern. Wo Personal fehlt, Politik versagt und wirtschaftliche Planungssicherheit ausbleibt, wird Reduktion zur Form von Widerstand – gegen ein System, das den Alltag seiner Leistungsträger nicht mehr berücksichtigt.

Was in Talkshows und Positionspapieren als „Strukturwandel“ beschönigt wird, ist in Wahrheit eine dramatische Folge unterlassener Reformpolitik. Die massenhafte Schließung von Apotheken oder ihre gezielte Verkleinerung sind kein Zeichen dafür, dass sich Märkte selbst regulieren – sie sind ein stiller Aufschrei aus der Fläche. Gerade weil Apotheken jahrzehntelang bereit waren, mehr zu leisten als notwendig, wirken ihre heutigen Rückzüge umso deutlicher. Die Reduktion auf das wirtschaftlich Machbare ist keine Kapitulation, sondern ein Notruf, der klar signalisiert: So geht es nicht weiter.

Dabei offenbart sich auch ein Wandel im unternehmerischen Selbstbild. Der Mythos vom ewigen Wachstum hat ausgedient. Stattdessen rückt eine Philosophie in den Vordergrund, die Qualität über Quantität, Substanz über Expansion stellt. Wer heute eine Apotheke führt, muss nicht nur Medikamente bereitstellen, sondern auch die Energie seiner Mitarbeitenden schützen, finanzielle Ressourcen bündeln und politische Unwägbarkeiten ausgleichen. Die betriebliche Verkleinerung ist unter diesen Bedingungen keine Flucht, sondern ein verantwortungsbewusster, klug kalkulierter Schritt.

Was jedoch fehlt, ist die politische Konsequenz. Die Regierung scheint unfähig oder unwillig, den Ernst der Lage zu erkennen. Statt gezielter Entlastung erleben Apotheken eine Kakophonie aus Digitalisierungsoffensiven, Serviceverpflichtungen und Dokumentationswahnsinn. Wer glaubt, damit ließen sich Versorgungsstrukturen stabilisieren, ignoriert die Realität vor Ort. Der Rückbau von Apothekenbetrieben ist keine betriebliche Anomalie – er ist ein systemisches Alarmsignal. Und er richtet sich gegen ein politisches Klima, das betriebliche Verantwortung als Selbstverständlichkeit ausbeutet, statt sie zu fördern.

Wenn dieser Trend anhält – und alle Zeichen sprechen dafür –, wird sich nicht nur die Zahl der Apotheken verringern, sondern auch ihr Beitrag zur Versorgung grundlegend verändern. Der Preis dafür ist hoch: weniger Anlaufstellen, mehr Belastung für verbleibende Einheiten, sinkendes Vertrauen in das Versprechen einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Was wir derzeit erleben, ist der Anfang einer stillen Erosion. Wer nicht gegensteuert, wird bald nicht mehr über Apothekenpolitik diskutieren müssen – sondern über ein Gesundheitswesen, das sich seiner tragenden Strukturen selbst beraubt hat.

Fixhonorar, Grundkostenzuschuss, Gemeinwohlpflichten

Apotheken fordern umfassende Gegenfinanzierung ihrer Leistungen durch strukturelle Honoraranpassungen

Die wirtschaftliche Not vieler Apothekenbetriebe verschärft sich weiter, während die Zahl der Betriebsstätten rapide sinkt. Mit 503 Schließungen im Jahr 2024 wurde ein neuer Tiefstand erreicht. Auch 2025 setzt sich der Abwärtstrend mit 133 geschlossenen Apotheken im ersten Quartal ungebrochen fort. Die verbleibenden Betriebe profitieren zwar rechnerisch von Umsatzverlagerung, doch diese vermeintliche Stabilisierung entpuppt sich bei näherer Betrachtung als teuer erkaufter Kannibalisierungseffekt. Die ABDA fordert deshalb nicht nur ein sofortiges Eingreifen durch das Bundesgesundheitsministerium, sondern auch strukturelle Reformen des Honorarsystems – unter anderem durch einen zielgerichteten Grundkostenzuschuss.

Im Zentrum der aktuellen Diskussion steht die einmalige Anhebung des Fixums auf 9,50 Euro pro Rx-Packung, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Doch aus Sicht des Deutschen Apothekerverbands (DAV) reicht diese Anpassung nicht aus. Angesichts gestiegener Personalkosten durch den höheren Mindestlohn und anhaltender Inflation müsse das Fixhonorar sogar auf 11 Euro erhöht werden. Der bestehende Finanzierungsspielraum sei im Finanzplan der AG Gesundheit mit einem Reservevolumen von 350 Millionen Euro kalkuliert – dieser Betrag solle nun gezielt über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) zur Stärkung der Basis eingesetzt werden.

Die Idee: Zusätzlich zum Fixum sollen Apotheken für die ersten 20.000 abgegebenen Rx-Packungen einen Zuschlag von 1,50 Euro erhalten. Diese Maßnahme würde vor allem kleinere Apotheken finanziell stabilisieren, ohne die Mittel größerer Betriebe zu kürzen. Das vorgeschlagene System basiert auf einheitlichem Abgabepreis und Fondsfinanzierung und vermeidet bürokratische Einzelverhandlungen. Gleichzeitig bleibt der bestehende Apothekenabgabepreis erhalten, was politisch wie wirtschaftlich als Vorteil gilt.

Auch die strukturelle Verteilung von Apotheken rückt stärker in den Fokus. Zwar sieht der Koalitionsvertrag einen Versorgungsgradkorridor bis zu 11 Euro Fixum vor, doch die dafür erforderlichen Parameter – etwa Abstände zwischen Apotheken oder deren Dichte – sind in der Praxis schwer operationalisierbar. Denn diese Größen ändern sich fortlaufend mit jeder Schließung oder Neueröffnung. Zudem warnen die Verbände davor, Städte pauschal als „gut versorgt“ zu deklarieren. Die Attraktivität eines Apothekenstandorts hänge heute weniger vom Ärztehaus als vielmehr von Faktoren wie Erreichbarkeit oder Parkplätzen ab – insbesondere in Zeiten des E-Rezepts und des sich verändernden Patientenverhaltens.

Ein weiterer Vorschlag zielt auf Sonderentgelte für Gemeinwohlpflichten, die ausschließlich durch Vor-Ort-Apotheken erbracht werden. Dazu zählen Botendienste, Notdienste, Rezepturen sowie die Abgabe und Dokumentation von Betäubungsmitteln (BtM). Diese Leistungen seien längst defizitär geworden, da die bestehenden Zuschläge nicht mehr kostendeckend seien. Der DAV fordert daher eine Erhöhung des Rezepturzuschlags, der Botendienstpauschale, der BtM-Dokumentationsgebühr sowie des Notdiensthonorars.

Gleichzeitig verweisen die Verbände auf strukturelle Hindernisse: Pauschale Zuschüsse seien politisch schwer vermittelbar, da sie nicht an konkrete Leistungen gekoppelt seien. Eine kurzfristige Ausweitung des pDL-Topfes scheide aus, da dieser zweckgebunden sei und derzeit dem Aufbau pharmazeutischer Dienstleistungen diene. Eine Zweckentfremdung in Richtung Grundkostenzuschuss würde diesen Reformpfad untergraben. Hinzu kommt, dass auch rechtliche Hürden wie das Skonti-Verbot die wirtschaftliche Basis vieler Apotheken angreifen. Der DAV plädiert deshalb erneut für die Rücknahme dieser Regelung, um Spielräume für eigenverantwortliches Wirtschaften zurückzugewinnen.

In Summe fordert die Apothekerschaft ein sofort umsetzbares Bündel kurzfristiger Maßnahmen – Fixumerhöhung, gezielte Zuschläge für kleine Betriebe, höhere Entgelte für gemeinwohlrelevante Leistungen – sowie mittel- bis langfristig eine Neujustierung des gesamten Honorarsystems. Nur durch eine Kombination aus direkter Liquiditätshilfe und struktureller Stärkung lassen sich weitere Betriebsschließungen verhindern und die Versorgungssicherheit nachhaltig gewährleisten.

Der Apothekenmarkt gleicht einem schleichenden Aderlass, dessen Symptome längst nicht mehr übersehen werden können. Mit jeder geschlossenen Betriebsstätte verliert das Gesundheitssystem nicht nur einen Standort, sondern ein Stück Infrastruktur, das durch keine Plattform und keinen Botendienst ersetzt werden kann. Dass diese Dynamik von den Akteuren selbst inzwischen nicht mehr als bloßer Marktaustritt, sondern als systemische Kannibalisierung beschrieben wird, ist Ausdruck wachsender Verzweiflung – aber auch der realistischen Einschätzung der Lage.

Der DAV reagiert auf diese Entwicklung mit pragmatischen Vorschlägen, die deutlich über symbolische Fixumanhebungen hinausgehen. Der Grundkostenzuschuss für kleinere Apotheken ist kein Almosen, sondern ein systemischer Ausgleich für Standortnachteile in einer zunehmend polarisierten Versorgungslandschaft. Auch der Ansatz, Gemeinwohlpflichten wie BtM-Abgaben, Rezepturen und Notdienste stärker zu honorieren, ist nicht nur betriebswirtschaftlich richtig, sondern gesundheitspolitisch notwendig. Es ist ein Gebot der Fairness, dass jene Leistungen, die nur vor Ort erbracht werden können, nicht länger auf Selbstausbeutung beruhen dürfen.

Zugleich zeigt sich die Verknüpfung mit realpolitischen Hürden: Pauschale Zuschüsse ohne Leistungsnachweis, Zweckbindung des pDL-Topfes, die politische Sperrigkeit von Strukturreformen – all das erfordert einen gestaffelten Weg. Gerade deshalb überzeugt der Vorschlag, den Nacht- und Notdienstfonds als Auszahlungskanal zu nutzen. Er verbindet Strukturförderung mit Verwaltungsökonomie und wahrt dabei die Preislogik des Arzneimittelabgabesystems. Dass dabei keine neuen Rechtsgrundlagen geschaffen werden müssen, macht das Modell zusätzlich attraktiv.

Was jedoch nicht länger aufgeschoben werden darf, ist die Aufhebung des Skonti-Verbots. Diese Regelung hat den Apotheken jede ökonomische Bewegungsfreiheit genommen und muss aus Gründen der Marktfunktionalität fallen. Wer wirtschaftlich selbstständige Betriebe will, darf ihnen keine zahnlosen Margenregime auferlegen, die jede kaufmännische Initiative ersticken.

Die Politik muss sich entscheiden: Will sie Apotheken als resiliente Versorgungssäulen erhalten, braucht es ein ökonomisch tragfähiges Fundament. Ansonsten droht eine Spirale aus weiterer Erosion, Notlösungen und letztlich politischem Vertrauensverlust. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug.

Fixum blockiert, Skonti verboten, E-Rezept ungelöst: Apotheken am Limit

Hubmann fordert sofortige Korrekturen der AMPreisV und warnt vor weiteren Schließungen ohne politische Stabilisierung

Die neue Bundesregierung steht unter erheblichem Erwartungsdruck seitens der Apothekerschaft. Für Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), ist klar: Die wirtschaftliche Lage der Apotheken duldet keinen Aufschub. Beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin machte Hubmann unmissverständlich deutlich, dass die Politik jetzt handeln müsse. Die Anhebung des Fixhonorars und die Rücknahme des Skonti-Verbots könnten per einfacher Änderung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Dass beides bislang blockiert wurde, bezeichnete er als politisches Versagen zulasten einer ohnehin überlasteten Branche. Die neue Regierung müsse zeigen, dass sie entschlossen ist, das Vertrauen der Apotheken zurückzugewinnen.

Mit dem Zerbrechen der Ampelkoalition und dem damit verbundenen Abgang von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gehe für viele Apothekerinnen und Apotheker eine Phase der Frustration zu Ende. Drei Jahre lang sei das Verhältnis zwischen Apotheken und Gesundheitsministerium angespannt gewesen. Statt Stärkung habe es Kürzungen gegeben, statt Entlastung mehr Bürokratie. Der Kassenabschlag wurde erhöht, das Fixum trotz dramatischer Kostenentwicklung eingefroren. Von der geplanten Apothekenreform blieb nur der politische Scherbenhaufen – nicht zuletzt, weil die Branche selbst lautstark Widerstand leistete.

Die Folgen dieser verfehlten Politik zeigen sich in alarmierenden Zahlen: 530 Apotheken mussten im vergangenen Jahr schließen, ein struktureller Rückgang, der weit über normale Marktbereinigung hinausgeht. Laut Hubmann liegt es nicht am Kundenzuspruch, sondern an politischen Versäumnissen. Die Betriebe seien ausgelastet bis an die Grenze, viele Teams überarbeitet, erschöpft und perspektivlos. Mit jeder Apotheke, die ihre Türen schließt, verlagert sich die Arbeitslast auf die verbliebenen – ein Kreislauf, der sich selbst beschleunigt und die Grundversorgung zunehmend gefährdet.

Der DAV-Vorsitzende setzt nun auf die neue Koalition, die im Gesundheitskapitel ihres Vertrags ausdrücklich zur inhabergeführten Apotheke steht. Acht Sätze seien es, so Hubmann, die klar die Richtung weisen: Das Fixum soll erhöht, das Skonto-Verbot aufgehoben, die wirtschaftliche Grundlage der Apotheken gesichert werden. Dass dieser Passus aus den Verhandlungen unverändert übernommen wurde, wertet Hubmann als starkes Signal. Doch Worten müssten nun auch schnell Taten folgen – idealerweise noch vor der parlamentarischen Sommerpause. Die Arzneimittelpreisverordnung sei das geeignete Instrument, um die dringend notwendigen Anpassungen ohne Verzögerung auf den Weg zu bringen.

Neben der wirtschaftlichen Entlastung forderte Hubmann auch einen ehrlichen Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Die Einführung des E-Rezepts habe nicht nur Prozesse verändert, sondern Apotheken auch viel zusätzliche Arbeit und technischen Aufwand beschert – oft ohne entsprechende Gegenleistung. Auch die elektronische Patientenakte (ePA) bedeute für viele Apotheken zusätzliche Aufgaben, vor allem im Umgang mit Patientinnen und Patienten, die mit der neuen Technologie überfordert seien. Apotheken seien in dieser Rolle unverzichtbar – aber auch dieser Beitrag müsse politisch gesehen und honoriert werden.

Besonders heftig fiel Hubmanns Kritik an der Retaxpraxis der Krankenkassen aus. Sie sei in vielen Fällen willkürlich, unverhältnismäßig und demotivierend. Statt Vertrauen und Zusammenarbeit erlebten viele Apothekenteams Kontrolle, Sanktionen und eine immer weiter ausufernde Dokumentationspflicht. Dies sei nicht nur eine Zumutung für die Betriebe, sondern auch ein systemischer Risikofaktor für die Versorgungssicherheit. Denn je mehr Zeit und Energie für bürokratische Kämpfe aufgewendet werden müsse, desto weniger bleibe für die eigentliche Patientenbetreuung.

Auch wenn sich die Lage bei bestimmten Lieferengpässen, etwa bei Kinderantibiotika, kurzfristig gebessert habe, sei von Entwarnung keine Rede. Der strukturelle Mangel an Wirkstoffen, Verpackungsmaterialien und Planungssicherheit bestehe fort. Eine nachhaltige Lösung sei nur mit strategischer Industriepolitik, Versorgungsvorräten und einer engen Einbindung der Apotheken möglich.

Die Botschaft des DAV ist eindeutig: Apotheken sind keine Störgröße im Gesundheitssystem, sondern ein unersetzlicher Teil der Lösung. Sie brauchen politische Rahmenbedingungen, die ihre Funktionsfähigkeit sichern und ihren Beitrag zur Daseinsvorsorge ernst nehmen. Wer auf eine moderne, verlässliche und flächendeckende Gesundheitsversorgung setze, könne auf starke Apotheken nicht verzichten. Die neue Bundesregierung habe nun die Chance, nicht nur zu reparieren, was die alte Koalition beschädigt habe, sondern das System tragfähig für die Zukunft zu machen. Doch das Zeitfenster für entschlossenes Handeln werde nicht ewig offenstehen.

Die neue Bundesregierung steht am Beginn ihrer Legislatur – und damit auch am Scheideweg, was die Zukunft der Apotheken betrifft. Die vergangenen Jahre unter Gesundheitsminister Lauterbach haben die Schwachstellen des Systems nicht nur offengelegt, sondern verschärft: wirtschaftlicher Substanzverlust, strukturelle Überforderung, digitale Mehrarbeit ohne Gegenleistung und eine Retaxpraxis, die mehr mit Strafbürokratie als mit fairer Leistungskontrolle zu tun hat. Wenn der politische Wille zur Veränderung ernst gemeint ist, müssen die Weichen jetzt gestellt werden. Und zwar nicht in Legislaturzyklen gedacht, sondern im Interesse der täglichen Versorgung.

Dr. Hans-Peter Hubmann hat mit seiner Forderung nach einer sofortigen Änderung der Arzneimittelpreisverordnung ein praktikables, rechtlich wie politisch gangbares Szenario aufgezeigt. Das Fixum lässt sich anheben, das Skonto-Verbot beseitigen – schnell, rechtssicher und mit spürbarer Wirkung für jede Apotheke. Dass dies bislang unterblieben ist, war ein politischer Fehler mit realen Konsequenzen: geschlossene Betriebe, erschöpfte Mitarbeiter, verzweifelte Inhaber.

Die Argumente liegen auf dem Tisch, ebenso wie die Zahlen: Mehr als 500 Apothekenschließungen binnen eines Jahres, bei zugleich wachsender Versorgungsaufgabe. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Versagen. Wenn ein Land seine wohnortnahe Arzneimittelversorgung derart vernachlässigt, untergräbt es das eigene Gesundheitswesen an seiner empfindlichsten Stelle.

Was die Digitalisierung betrifft, so ist der Fortschritt in den Apotheken kein Selbstläufer, sondern das Ergebnis engagierter Teams, die technische Umstellungen meistern, Schwachstellen abfedern und gleichzeitig weiter unter wirtschaftlichem Druck stehen. Das E-Rezept war ein Kraftakt, die ePA wird ein weiterer. Dass dieser Mehraufwand nicht angemessen vergütet wird, ist ein Affront gegenüber einer Berufsgruppe, die sich in den Dienst der öffentlichen Versorgung stellt.

Wer eine stabile, resiliente Arzneimittelversorgung will, muss endlich aufhören, Apotheken als Kostenfaktor zu betrachten. Sie sind keine Filialisten, keine Plattformökonomie, kein Erfüllungsgehilfe des digitalen Wandels. Sie sind Heilberuf und Versorgungssäule – und genau so müssen sie behandelt werden.

Die Politik hat nun die Wahl: entweder den Fehlern der Vergangenheit weitere folgen zu lassen oder die Chance zu nutzen, eine Korrektur herbeizuführen. Die Mittel dafür sind da. Der Koalitionsvertrag gibt den Rahmen. Die AMPreisV gibt die Möglichkeit. Und die Realität gibt den Takt vor. Wer jetzt noch zögert, lässt nicht nur Apotheken im Stich – er gefährdet die Gesundheitsversorgung eines ganzen Landes.

Lilly baut Mounjaro-Werk in Alzey, schafft 1000 Jobs und investiert Milliarden

In Rheinland-Pfalz entsteht ein Hightech-Standort für injizierbare Medikamente – das Tirzepatid-Wachstum erreicht industrielle Dimensionen.

In Alzey formt sich ein neues Kapitel der europäischen Arzneimittelproduktion. Der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly treibt mit einem Milliardenprojekt die industrielle Zukunft für moderne Injektabilia entscheidend voran. Ein Jahr nach dem ersten Spatenstich hat das Unternehmen offiziell mit dem Bau einer groß dimensionierten Produktionsstätte begonnen. Auf einem Gelände im rheinland-pfälzischen Alzey entsteht ein mehr als 260 Meter langer Hightech-Komplex, in dem künftig injizierbare Arzneimittel wie das Diabetes- und Adipositasmittel Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid gefertigt werden sollen. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2027 vorgesehen. Lilly plant nach eigenen Angaben, in diesem Werk Arzneimittel für den Weltmarkt zu produzieren. Die Investitionssumme beläuft sich auf rund 2,3 Milliarden Euro. Rund 1000 neue Arbeitsplätze sollen am Standort entstehen. Für Rheinland-Pfalz und darüber hinaus markiert das Projekt einen industriepolitisch bedeutsamen Meilenstein.

Die neue Anlage in Alzey ist Teil einer umfassenden globalen Expansion von Lilly, die nach eigenen Aussagen seit dem Jahr 2020 die umfangreichste Investitionsoffensive in der Unternehmensgeschichte darstellt. Weltweit fließen mehr als 50 Milliarden US-Dollar in neue Kapazitäten. Mit der geplanten Fabrik in Deutschland soll die Versorgungssicherheit für moderne Therapien verbessert und die Abhängigkeit von außereuropäischen Lieferketten reduziert werden. Besonders im Fokus steht dabei der Wirkstoff Tirzepatid, der in den vergangenen Jahren massiv an therapeutischer Relevanz gewonnen hat. Ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, hat sich das Präparat in klinischen Studien als überaus wirksam bei der Gewichtsreduktion erwiesen. Die US-Zulassungsbehörde FDA und die europäische Arzneimittelagentur EMA haben den Wirkstoff unter verschiedenen Handelsnamen bereits zugelassen. In Deutschland ist Tirzepatid unter dem Namen Mounjaro erhältlich.

Das geplante Werk wird nicht nur Produktionslinien für Fertigspritzen und Injektionssysteme beherbergen, sondern auch Laborbereiche für Analytik, Qualitätssicherung und Entwicklung. Ziel ist eine integrierte Produktionseinheit, in der alle für die Herstellung und Verpackung notwendigen Prozesse vor Ort abgebildet werden. Die logistische Anbindung an den Rhein-Main-Raum, das verfügbare Fachkräftepotenzial sowie die politische Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz waren nach Angaben aus Branchenkreisen zentrale Standortvorteile, die letztlich den Ausschlag für Alzey gaben. Neben der industriellen Seite ist das Projekt auch ein strategisches Bekenntnis zum Pharmastandort Deutschland, der in den vergangenen Jahren durch Lieferengpässe, politische Regulierungsdebatten und Produktionsverlagerungen massiv unter Druck geraten war.

Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) wertete die Ansiedlung als bedeutendes Signal für den Industriestandort Rheinland-Pfalz. Die Investition zeige, dass internationale Konzerne weiterhin bereit seien, in die deutsche Biotechnologie zu investieren, wenn verlässliche Rahmenbedingungen herrschen. Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) hob ergänzend die Bedeutung für die regionale Innovationskraft und die Wertschöpfungskette hervor. In der Tat ist der geplante Bau nicht nur aus industriepolitischer Sicht bemerkenswert. Auch für die Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen dürfte die neue Anlage langfristig Bedeutung entfalten. Die Versorgung mit Tirzepatid gilt in Fachkreisen als versorgungsrelevant, insbesondere im Kontext der global steigenden Zahlen an Adipositas- und Diabetespatienten. Ein europäischer Produktionsstandort für diese Wirkstoffklasse könnte Versorgungslücken minimieren und regulatorische Abhängigkeiten entschärfen.

Der Komplex, dessen Fertigstellung in rund zwei Jahren vorgesehen ist, soll sich architektonisch nahtlos in die bestehende Struktur der Region einfügen, gleichzeitig aber als technologischer Leuchtturm fungieren. Nach Unternehmensangaben werden bei der Errichtung höchste Standards in puncto Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Digitalisierung umgesetzt. Im Betrieb soll die Anlage hochautomatisiert laufen und mit intelligenten Produktionsprozessen die Herstellung großer Volumina bei gleichzeitiger Flexibilität ermöglichen. Die Produktionsfläche wird durch Laborbereiche für Prozesskontrolle, Materialcharakterisierung und Dokumentation ergänzt. Ein zentrales Element ist die Möglichkeit zur schnellen Umrüstung bei veränderten regulatorischen Anforderungen oder geänderten Nachfrageprofilen. Damit positioniert sich Lilly bewusst als Anbieter moderner, adaptiver Pharmaproduktion – ein Modell, das in der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat und nun in langfristige Unternehmensstrategien überführt wird.

Branchenbeobachter sehen im Alzeyer Projekt nicht nur eine wirtschaftlich sinnvolle Erweiterung der Produktionskapazitäten, sondern auch einen strategischen Schritt in einem zunehmend politisierten Gesundheitsmarkt. Vor allem die starke Nachfrage nach GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Tirzepatid hat den Markt für Stoffwechseltherapien in den vergangenen Jahren dynamisiert. Mounjaro gilt dabei als klinisch überlegen und könnte sich langfristig gegenüber Wettbewerbern wie Ozempic oder Wegovy durchsetzen. Die neue Produktionsstätte dürfte wesentlich dazu beitragen, die Lieferfähigkeit zu erhöhen und so Versorgungsengpässe zu vermeiden, die zuletzt mehrfach Thema öffentlicher Debatten waren. Zudem werden durch die lokale Fertigung Zulassungsverfahren und Sicherheitsstandards unmittelbar vor Ort erfüllt, was regulatorische Prozesse vereinfachen kann.

Die Entscheidung für Alzey fällt nicht zufällig in eine Phase, in der der europäische Pharmastandort neu bewertet wird. Während politische Akteure auf EU-Ebene und in Berlin über Standortförderung, Lieferengpässe und industrielle Souveränität diskutieren, schafft Lilly mit seinem Milliardenprojekt Fakten. Die neue Anlage könnte zu einem Modell für die Re-Industrialisierung pharmazeutischer Schlüsselbereiche werden – mit langfristiger Relevanz für Gesundheitsversorgung, wirtschaftliche Resilienz und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Bauarbeiten laufen, die strategische Stoßrichtung ist klar: Alzey soll nicht nur Produktionsstandort sein, sondern ein industrieller Knotenpunkt für die Therapien der Zukunft.

Was in Alzey entsteht, ist mehr als ein bloßes Bauprojekt eines Pharmakonzerns. Es ist ein industrielles Bekenntnis zur Idee, dass Gesundheitsversorgung nicht nur von Forschung, Zulassung und ärztlicher Kompetenz abhängt, sondern ebenso von politisch und wirtschaftlich tragfähigen Produktionsstrukturen. Der Bau der neuen Mounjaro-Produktionsstätte durch Eli Lilly ist ein seltener Glücksfall in einer Zeit, in der Europa droht, die eigene pharmazeutische Souveränität aus der Hand zu geben. Während in Brüssel und Berlin immer noch über Abwehrmechanismen gegen Lieferengpässe debattiert wird, agiert Lilly mit strategischer Klarheit und wirtschaftlicher Konsequenz. Die Milliardeninvestition in Alzey ist nicht allein als Standortwahl zu interpretieren, sondern als industriepolitisches Signal, das weit über die Landesgrenzen hinauswirkt.

Dass ein US-Konzern sich in Rheinland-Pfalz für ein derart weitreichendes Engagement entscheidet, ist nicht selbstverständlich. In vielen Fällen wandern Produktionslinien heute in Richtung Asien oder in steuerlich attraktivere Regionen ab. Dass Lilly diesen Weg umkehrt, sollte in Deutschland nicht bloß als Einzelfall bejubelt, sondern als strukturelle Chance begriffen werden. Denn das Projekt in Alzey beweist, dass Investitionsentscheidungen sehr wohl zugunsten europäischer Standorte ausfallen – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen stimmen, die Genehmigungsverfahren funktionieren und die regionale Infrastruktur belastbar ist. Genau darin liegt der politische Auftrag: Den Ausnahmefall zur Regel zu machen.

In der Rückschau auf die vergangenen Jahre zeigt sich, wie tief die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten das europäische Gesundheitssystem destabilisiert hat. Ob Schutzmasken, Antibiotika oder Krebsmedikamente – zu viele Produkte wurden zu oft zur Mangelware. Die globale Lieferlogik, über Jahrzehnte als Effizienzparadigma verkauft, erwies sich in der Krise als fragiles Konstrukt. Die nun entstehende Produktionsstätte in Alzey hingegen zielt genau in die andere Richtung: regionale Fertigung, technologische Souveränität, strategische Reservebildung. Was hier realisiert wird, ist der architektonische Ausdruck eines industriepolitischen Kurses, der lange gefordert, aber selten eingelöst wurde.

Besonders bemerkenswert ist dabei, dass Lilly nicht irgendein Generikaproduzent ist, sondern mit Tirzepatid einen Wirkstoff im Portfolio hat, der als Gamechanger in der Adipositas- und Diabetesbehandlung gilt. Die Entscheidung, genau diese Produktlinie in Deutschland zu fertigen, ist mehr als symbolisch. Sie zeigt, dass auch innovative Biotechprodukte nicht zwingend aus Übersee kommen müssen, sondern dort hergestellt werden können, wo die Versorgungsnotwendigkeit wächst und die regulatorische Kompetenz vorhanden ist. Gerade vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft, steigender Prävalenz von Stoffwechselkrankheiten und zunehmender Therapielast ist die lokale Herstellung dieser Arzneimittel ein entscheidender Beitrag zur Versorgungssicherheit.

Zugleich markiert das Projekt eine Zäsur für die deutsche Industriepolitik. Es zeigt, dass internationale Akteure bereit sind, substanzielle Investitionen zu tätigen – wenn sie sich auf verlässliche Strukturen verlassen können. Die oft beschworene Transformation hin zu einem „Health Tech“-Standort braucht nicht nur Start-ups und Innovationsplattformen, sondern ebenso industrielle Tiefe und regulatorische Verlässlichkeit. Genau das verspricht die Lilly-Ansiedlung: kein Leuchtturm ohne Anschluss, sondern ein integrierter Standort mit Wirkungskraft in Lieferketten, Fachkräfteentwicklung und regionaler Wertschöpfung.

Dass nun 1000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen, ist nur ein Teil des Effekts. Viel entscheidender ist die systemische Wirkung. Die Produktion hochwertiger Injektabilia mit globaler Relevanz ist ein zukunftsträchtiger Industriesektor, der weit mehr absichern kann als nur die Versorgung eines Medikaments. Er sichert Steuerkraft, Berufsperspektiven, Innovationstempo und letztlich Vertrauen in das Versprechen eines funktionierenden Gesundheitssystems. Wenn Alzey erfolgreich in Betrieb geht, könnte es als Blaupause dienen – nicht nur für weitere Werke, sondern für eine neue Haltung gegenüber pharmazeutischer Infrastruktur.

Denn was bislang als Problem analysiert wurde – die Abhängigkeit von China, Indien oder den USA –, braucht endlich praktische Antworten. Nicht in Form politischer Appelle oder branchenspezifischer Gipfel, sondern durch investive Realitäten. Lilly liefert diese Realität. Nun ist es an der Politik, daraus ein Muster zu entwickeln. Ein Muster, das nicht nur auf Leuchttürme wie Alzey setzt, sondern regionale Cluster stärkt, Zulassungsverfahren beschleunigt, Energiepreise planbar hält und pharmazeutische Kernkompetenzen fördert. Wer das Projekt nur als PR-Erfolg für Rheinland-Pfalz begreift, unterschätzt seine strategische Tragweite. Alzey ist ein wirtschaftliches Ereignis – aber es kann, wenn man es richtig einbettet, zum gesundheitspolitischen Wendepunkt werden.

Union sortiert sich neu, Gesundheitsposten mit Signalwirkung

CDU/CSU-Fraktion stellt ihren Vorstand neu auf, Simone Borchardt übernimmt das gesundheitspolitische Ruder

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ihr Führungsteam neu aufgestellt und dabei zentrale gesundheitspolitische Weichen gestellt. Nach der Wahl des Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn sowie des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Hoffmann wurden nun auch die weiteren Posten des Geschäftsführenden Vorstands sowie die Leitung der thematischen Arbeitsgruppen bestimmt. Die Personalentscheidungen markieren nicht nur einen organisatorischen, sondern auch einen strategischen Neuanfang, der insbesondere für die Gesundheitsbranche von Bedeutung ist.

Mit der Berufung von Simone Borchardt zur neuen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Gesundheit übernimmt eine erfahrene Gesundheitsexpertin die Rolle der gesundheitspolitischen Sprecherin. Sie folgt auf Tino Sorge, der künftig als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium tätig sein wird. Borchardt, Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern, bringt langjährige Praxiskenntnis aus der gesetzlichen Krankenversicherung mit. Sie war zuvor in leitenden Funktionen bei der Barmer tätig, unter anderem als Regionalgeschäftsführerin und gesundheitspolitische Referentin. Ihre Ernennung unterstreicht den Anspruch der Union, gesundheits- und versorgungspolitische Kompetenz stärker zu bündeln und an die Versorgungsrealität der GKV anzuknüpfen.

Ebenfalls von gesundheitspolitischer Relevanz ist die Nominierung von Albert Stegemann zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Der Agrarpolitiker aus Niedersachsen übernimmt neben seinen bisherigen Zuständigkeiten für Ernährung und Landwirtschaft künftig