“Holzbrücken: Nutzungsdauer von 100 Jahren ist möglich”

Source: Deutsche Nachrichten
Beim Holzbrückenbau-Symposium am 17. Juli 2025 in Rottenburg am Neckar standen dieses Jahr die aktuellen Entwicklungen im Holzbrückenbau im Fokus – insbesondere innovative Materialien und Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Praxis, derzeitige Standards, neue europäische Normen sowie gelungene Leuchtturmprojekte von Fuß- und Radwegbrücken. Als besonderes Highlight stand am Ende der Veranstaltung die gemeinsame Besichtigung der neuen Fuß- und Radwegbrücke in Tübingen mit prominenter Begleitung an.

Die Veranstaltung wurde von proHolzBW im Auftrag der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg organisiert in Zusammenarbeit mit Schaffitzel Holzindustrie und der Qualitätsgemeinschaft Holz-Brückenbau (QHB) sowie der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg (HFR), wo die Veranstaltung ausgerichtet wurde.

Uwe André Kohler (proHolzBW) eröffnete das Symposium mit einem Blick auf die aktuelle Holzbauquote in Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich und zeigte darüber hinaus die Leitthemen der Baubranche auf. Weitere Begrüßungsworte hielten auch Dr.-Ing. Karl Kleinhanß (QHB), Prof. Bastian Kaiser (HFR Rottenburg) sowie Dipl.-Ing. Jürgen Schaffitzel (Schaffitzel Holzindustrie), welcher zugleich die Moderation der Veranstaltung übernahm.

Im Auftaktvortrag referierte Prof. Dr. Bertil Burian von der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg zum Thema „Haben wir genug Holz“. Auf Basis der Bundeswaldinventur wurden dabei die Entwicklungen der einzelnen Baumarten sowie die Veränderung der Baumartenfläche thematisiert. Näher beleuchtet wurden auch der Gesamtholzvorrat nach Baumarten sowie die jeweilige Holzverwendung nach Baubereichen. „Ein jährlicher Holzzuwachs von 101 Mio. Kubikmeter steht eine durchschnittliche Rohholz-Ernte von ca. 65 Mio. Kubikmeter jährlich entgegen“, so Prof. Burian. „In Baden-Württemberg ist demnach eine entsprechende Rohstoffverfügbarkeit gewährleistet, und ja, wir haben genug Holz in unseren Wäldern“, so Prof. Burian weiter.

Wie nachhaltige Infrastrukturbauten in der Schweiz bereits erfolgreich umgesetzt wurden, zeigte die online zugeschaltete Referentin, Dr. Bettina Franke (Timbatec Holzbauingenieure), an Hand von Visionen, Forschungsergebnissen und innovativen Brücken-Lösungen im Schweizer Nationalstraßennetz. Dr. Franke betonte dabei, dass „Holzbrücken mittlerweile keine Nischenprodukte mehr sind“.

Prof. Antje Simon von der FH Erfurt stellte in ihrem Vortrag „Die 2. Generation der Eurocodes – Neues zum Holzbrückenbau nach FprEN1995-2:2025“ die aktuellen Grundlagen für die Bemessungen und Konstruktionen von Holzbauten vor. Schwerpunkte waren dabei die Themen Nutzungsdauer von Holzbrücken, konstruktive Maßnahmen von der Planung bis zum Bau, Korrosionsschutz sowie die kontinuierliche Prüfung nach Fertigstellung des Bauprojekts und das dazugehörige Erhaltungskonzept.

Nach der Kaffeepause informierten Prof. Dr. Thomas Uibel und M.Eng. Jan Meyer von der FH Aachen (Aachener Zentrum für Holzbauforschung) gemeinsam über das Thema „Naturstein im Holzbrückenbau – vom Belag zum Verbundquerschnitt“. Im Anschluss ergänzte Prof. Florian Scharmacher (OTH Regensburg) mit seinen Ausführungen über die „Lebensdauer von Holzbrücken – alles eine Frage von Planung und Instandhaltung“. Als wichtige Einflussfaktoren benannte er im Detail die Dauerhaftigkeit des Materials, die Exposition, die Konstruktion und Ausführung sowie die konkrete Instandhaltung der Brückenbauten, so dass eine „Nutzungsdauer von 100 Jahren möglich wäre“, so Prof. Scharmacher.  

Dem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa der FH Rottenburg folgte der Vortrag von Wolfgang Müll (Holzbau Amann, Weilheim) über die weitgespannte Fuß- und Radwegbrücke aus Furnierschichtholz in Tervuren (Belgien). Bei dem innovativen Bauwerk mit einem Gesamtgewicht von über 270 t hat der Werkstoff Holz wieder einmal mehr seine Eignung für lange Spannweiten ohne Zwischenstützen unter Beweis gestellt. Dies macht es zu einem vielversprechenden Leuchtturmprojekt für zukünftige Fußgängerbrückenprojekte. Der Holzhohlkastenträger besteht bei dem im Jahre 2024 fertiggestellten Projekt aus schlanken LVL-Platten, die mit Querrippen aus dem gleichen Material in einem festen 3-m-Rhythmus verstärkt wurden. Die Wände und das Dach werden dabei mit einer Reihe von Veranden aus ausgeschnittenen LVL-Platten entsprechend in Form gehalten.

Josef Schmees (Schmees & Lühn, Niederlangen) referierte im Anschluss mit dem „Passerelle Zwolle (NL)“ gleich über das nächste Vorzeige-Brückenprojekt. Mit 130 m Länge, 10 m Breite und bis zu 7,5 m Höhe entsteht derzeit in der niederländischen Stadt Zwolle eine der größten Holzbrücken Europas. Die Fertigstellung ist für September 2025 geplant.

Ein weiteres Brückenbau-Highlight wurde mit der Rad- und Fußwegbrücke für die Olympischen Spiele in Paris 2024 von Frank Miebach vom Ingenieurbüro Miebach präsentiert. Mit einer Länge von 100 m und Breite von 4,50 m besteht die dreifeldrige und durchgehende Blockträgerbrücke aus einem Haupttragwerk mit blockverleimtem Brettschichtholz. Die Brücke über die Autobahn A1 schafft eine Verbindung zwischen dem Mediendorf und dem Sportkomplex in Le Bourget und basiert auf einer einfachen und wirtschaftlichen Konstruktion, die dauerhaft und aufgrund des durchdachten konstruktiven Holzschutzes zudem wartungsarm ist. Spezielle Anforderungen bestanden hinsichtlich des Brandschutzes – der Brückenbau muss hier zwei Stunden Feuerwiderstand leisten können.

Julia Schuler (sbp Berlin) skizzierte im Anschlus die Planung und Herstellung der filigranen Holz-Beton-Verbundkonstruktion am Beispiel des Rathausstegs Tuttlingen. Das Projekt beschränkte sich auf funktionale Qualitäten, eine innovative semiintegrale Tragwerkslösung, materialgerechte Detailgestaltungen sowie eine robuste, wartungsarme und konstruktive Lösung mit einem blockverleimten Brettschichtholzkörper.

Die beiden Referenten Jörg Schaffitzel (Schaffitzel Holzindustrie GmbH & Co. KG) und Florian von der Heyde (Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG) nahmen die Teilnehmer/*innen des Holzbrückenbau-Symposiums mit auf die spannende Reise von der Planung über die Brettschichtholzproduktion bis hin zur Fertigung und Montage des Bankmannstegs in Tübingen. Von der Theorie in die Praxis: Zum Abschluss des Symposiums stand die Besichtigung des Bankmannstegs in Tübingen auf dem Programm, der mit prominenter Unterstützung durch Oberbürgermeister Boris Palmer mit einer exklusiven Begehung noch vor der offiziellen Einweihung vorgestellt wurde.