Tätigkeitsverbote abfedern, Vertretung sichern, Beratung bewahren

Source: Deutsche Nachrichten
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Apotheken-News: Bericht von heute

Seit der Pandemie ist klar: Berufsunfähigkeit entsteht nicht nur durch Krankheit, sondern manchmal durch Verwaltungshandeln. Für Apothekerinnen und Apotheker kann ein behördliches Tätigkeits- oder Betretungsverbot die Arbeit über Wochen unmöglich machen – auch ohne eigene Erkrankung. Genau hier greift die Infektionsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung: Sie „fiktionalisiert“ eine BU-Leistung, wenn eine offizielle Verfügung die Berufsausübung untersagt, und überbrückt so Ertrags- und Liquiditätslücken. In der Praxis entscheidet der Wortlaut, ob ein namentliches Verbot nötig ist, ob Allgemeinverfügungen reichen, wie lange die Leistung gezahlt wird und ob eine Wartezeit entfällt. Ebenso wichtig ist das Zusammenspiel mit Krankentagegeld, Praxisausfall- oder Betriebsschließungsbausteinen, damit keine Schutzlücken bleiben. Wer die Klausel präzise auswählt, Nachweise sauber führt und Vertretungsmodelle im Team geregelt hat, verwandelt Unsicherheit in Handlungsfähigkeit – genau dort setzt der Blick zwischen den Zeilen an, den der Bericht am Ende öffnet.

Berufsunfähigkeit ist im Standardfall medizinisch definiert: Wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit, Unfall oder Kräfteverfall voraussichtlich dauerhaft zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausüben kann, erhält die vertraglich vereinbarte BU-Rente. Dieses Bild greift jedoch zu kurz, wenn nicht der Körper, sondern die Behörde die Tätigkeit stoppt. Apothekerinnen und Apotheker kennen solche Konstellationen aus Quarantäneanordnungen oder Tätigkeitsverboten nach Infektionsschutzrecht, die die persönliche Arbeit vorübergehend unmöglich machen. Die Apotheke mag dabei offenbleiben, doch die verantwortliche Person darf nicht in den Betrieb, beraten oder abgeben. Genau hier setzt die Infektionsklausel an: Sie erweitert die BU-Leistungslogik um einen administrativen Trigger, damit eine existenzielle Lücke nicht „zwischen die Paragrafen“ fällt.

Die Grundidee der Infektionsklausel ist einfach, ihre Umsetzung jedoch sehr unterschiedlich. Manche Versicherer erklären die versicherte Person für den Zeitraum eines behördlich verhängten Tätigkeits- oder Betretungsverbots so, als wäre sie im Sinne der Bedingungen berufsunfähig, und zahlen die vereinbarte Rente. Andere gewähren statt einer Rente eine eigenständige monatliche Leistung oder ein temporäres „Tagegeld“ für eine klar begrenzte Dauer. Wieder andere kombinieren die Leistung mit einer Wartezeit oder einem Maximalzeitraum, etwa bis zu 12 oder 18 Monaten. Für den Apothekenalltag bedeutet das: Erst der genaue Wortlaut entscheidet, ob die Klausel wirklich schützt, wenn die Verfügung kommt, und ob sie zu den betrieblichen Vertretungsregeln passt.

Der häufigste Stolperstein liegt in der Art der Verfügung. Viele Bedingungswerke verlangen ein namentlich auf die versicherte Person bezogenes Tätigkeits- oder Betretungsverbot durch die zuständige Behörde; allgemeine Lockdowns oder flächige Betriebsschließungen genügen dann nicht. Wenn die Klausel ausdrücklich eine namentliche Verfügung verlangt, lösen pauschale Allgemeinverfügungen – zum Beispiel eine landkreisweit geltende Quarantäneanordnung des Gesundheitsamts – regelmäßig keinen Anspruch aus; maßgeblich sind Aktenzeichen, adressierte Person und exakter Geltungszeitraum. Das war in der Pandemie entscheidend, weil Apotheken als systemrelevant in der Regel geöffnet blieben, während einzelne Inhaberinnen und Inhaber oder Mitarbeitende individuell in Quarantäne mussten. Eine Klausel, die ausschließlich auf namentliche Verfügungen abstellt, kann hier funktionieren, wenn die Apothekerin persönlich betroffen ist; sie bleibt aber stumm, wenn nur der Betrieb insgesamt Einschränkungen erfährt. Wer diese Feinheiten nicht kennt, wiegt sich in Sicherheit und steht im Ernstfall ohne Leistung da.

Ein zweiter Stolperstein betrifft die Wartezeit und die Dauer. Klassische BU-Verträge verlangen häufig eine sechsmonatige Prognose der Einschränkung, bevor Leistungen einsetzen; die Infektionsklausel soll genau diese Hürde überbrücken. Manche Versicherer verzichten ausdrücklich auf eine Wartezeit, andere definieren Mindestzeiträume der Verfügung, bevor gezahlt wird. Quarantänen von zwei Wochen sind dann eventuell zu kurz, um den Leistungsfall auszulösen, während wiederholte oder langdauernde Verfügungen kumulativ wirken können. Für Apothekeninhaberinnen und -inhaber ist es daher sinnvoll, eine Klausel zu wählen, die kurze Lücken abdeckt oder mit einem ergänzenden Praxisausfall- oder Krankentagegeldbaustein harmoniert.

Die Vertretungsfrage ist die dritte, oft übersehene Dimension. Die Apothekenbetriebsordnung ermöglicht eine verantwortliche Vertretung, sodass der Betrieb weiterläuft, wenn die Inhaberin ausfällt. Das ist versorgungspolitisch sinnvoll, reduziert aber für die versicherte Person mitunter das wirtschaftliche Schadensbild, wenn Einnahmen weiterfließen. Einige Klauseln knüpfen die Leistung an die tatsächliche Unmöglichkeit der Berufsausübung und lassen es genügen, dass die versicherte Person selbst nicht arbeiten darf; andere berücksichtigen objektive Einkommensausfälle oder stellen auf den Betrieb ab. Je klarer die internen Vertretungsregeln, die Gehaltsfortzahlung und die Entnahmestruktur geregelt sind, desto leichter lässt sich der Leistungsfall nachvollziehbar belegen.

Im Verhältnis zu anderen Policen kommt es auf kluge Koordination an. Das private Krankentagegeld adressiert den krankheitsbedingten Verdienstausfall bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder selbstständigen Mitarbeitenden und greift regelmäßig bei Arbeitsunfähigkeit, die ärztlich bescheinigt ist. Eine Quarantäne ohne Krankheit kann hier leerlaufen, wenn der Tarif diese Konstellation nicht ausdrücklich erfasst. Die Praxisausfallversicherung bzw. der Betriebsausfallbaustein für Heilberufe ersetzt laufende Kosten, wenn die versicherte Person ausfällt oder die Praxis behördlich geschlossen wird; hierbei entscheidet die Deckung, ob individuelle Verfügungen, allgemeine Anordnungen oder nur bestimmte Krankheiten erfasst sind. Eine Betriebsschließungsversicherung wiederum knüpft oft an meldepflichtige Erreger an, deren Katalog je nach Bedingungstext statisch oder dynamisch ist. Apothekerinnen und Apotheker sollten deshalb bewusst wählen, welches Risiko welche Police trägt. Wichtig ist die Koordination von BU-Rente, Krankentagegeld und Praxisausfall, damit weder Schutzlücken noch unerlaubte Überdeckungen (Doppelentschädigung) entstehen – viele Tarife enthalten Anrechnungsklauseln.

Typische Streitpunkte im Leistungsfall lassen sich aus Erfahrungen der letzten Jahre ableiten. Ein kompaktes Nachweis-Paket beschleunigt die Leistung: Kopie der Verfügung (mit Aktenzeichen), Kontaktprotokoll mit dem Gesundheitsamt, Schicht-/Vertretungspläne, betriebswirtschaftliche Monatsübersicht/Entnahmen, ggf. AU bei Parallel-Erkrankung. Versicherer prüfen, ob die Verfügung wirklich von der zuständigen Behörde kam, ob sie sich auf die versicherte Person bezog, ab wann sie galt und wie lange. Sie prüfen auch, ob die Tätigkeit in der Apotheke tatsächlich nicht möglich war oder ob wesentliche Teile delegierbar gewesen wären. Wer die Verfügung, die Kommunikation mit dem Gesundheitsamt, die Schichtpläne, die Vertretungsregel und die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen zeitnah dokumentiert, spart Wochen an Rückfragen. In komplexeren Fällen hilft es, schon bei Anordnung die Versicherungsvertretung zu informieren und die Nachweisanforderungen abzufragen, statt später im Nebel zu suchen.

Auch steuerliche und rechtliche Flanken verdienen Beachtung. Eine BU-Rente aus privatem Vertrag unterliegt in der Regel dem Ertragsanteil, dessen Höhe vom Alter bei Rentenbeginn abhängt; sie ist damit nicht steuerfrei, aber oft steuerlich moderat. Leistungen aus Praxisausfall- oder Betriebsschließungsversicherungen können als Betriebseinnahmen zu erfassen sein und lösen ihrerseits steuerliche Effekte aus. Für lohnabhängig Beschäftigte sind Lohnfortzahlung und Krankengeld eigene Schienen, die mit privaten Policen abgestimmt werden wollen. Wer hier vorab mit Steuerberatung und Versicherungsfachleuten eine saubere Landkarte zeichnet, verhindert unangenehme Überraschungen in einem Moment, der ohnehin belastet.

Der Auswahlprozess einer Infektionsklausel sollte nicht bei der Überschrift enden, sondern beim Kleingedruckten beginnen. Entscheidende Fragen lauten: Reicht eine Allgemeinverfügung oder braucht es eine namentliche Anordnung; genügt ein Betretungsverbot oder muss ausdrücklich ein Tätigkeitsverbot vorliegen; wird die Leistung als BU-Rente in Vertragslogik gewährt oder als separater monatlicher Betrag; gibt es Wartezeiten, Höchstdauern oder Ausschlüsse; wie verhalten sich die Regelungen zu parallel bestehenden Policen. Ebenso wichtig ist der Umgang mit bestehenden Vorerkrankungen: Die Infektionsklausel adressiert ein administratives Risiko und ist oft unabhängig von der gesundheitlichen Vorgeschichte, aber der Gesamtvertrag bleibt natürlich ein Gesundheitsvertrag. Transparenz bei Gesundheitsfragen vermeidet spätere Anfechtungsrisiken.

Für angestellte Apothekerinnen und Apotheker ist die Lage anders gelagert als für Inhaberinnen und Inhaber. Ein behördliches Tätigkeitsverbot kann dazu führen, dass der Arbeitgeber die Beschäftigung vorübergehend nicht zulässt; Lohnfortzahlung und arbeitsrechtliche Regelungen greifen, und die private Absicherung muss sauber dazu passen. Eine Infektionsklausel, die den individuellen Verdienstausfall ohne Doppelungen abdeckt, ist hier sinnvoll, wenn Quarantänen nicht als Krankheit gelten oder wenn über die Lohnfortzahlung hinausgehende Lücken entstehen. Für Inhaberinnen und Inhaber geht es stärker um Fixkosten, Entnahmen und die Finanzierung einer Vertretung; eine BU mit Infektionsklausel fängt den persönlichen Ausfall, eine Praxisausfall-Police die betrieblichen Wirkungen. Beide Schienen zusammen schaffen Stabilität.

Vertretungsfähigkeit ist nicht nur organisatorisch, sondern auch versicherungslogisch hilfreich. Eine gelebte SOP zur Inhabervertretung, eine Liste vertretungsbereiter Approbierter, klare Zugriffsrechte auf Systeme und eine Regelung zu Honorierung und Haftung reduzieren den Primärschaden. Zugleich erhöhen sie die Glaubwürdigkeit gegenüber dem Versicherer, weil er sieht, dass der Betrieb nicht leichtfertig stillgelegt wurde. In manchen Konstellationen ist die Klausel erst bei Nichtvertretbarkeit gewillt zu leisten; in anderen genügt die persönliche Untersagung. Je klarer die Praxis, desto robuster der Anspruch.

Ein Blick nach vorn zeigt, dass die Relevanz der Infektionsklausel bleiben wird. Zoonosen, lokale Ausbrüche und variierende Behördensprachen gehören zur epidemiologischen Realität; gleichzeitig wird die digitale Spur der Prozesse länger und genauer. Das spricht für Verträge, die pragmatische Nachweise akzeptieren, für Kommunikationswege, die im Ereignisfall kurz sind, und für Teamtrainings, die neben Brandschutz und Erster Hilfe auch „Verwaltungslagen“ simulieren. Wer an einem ruhigen Mittwoch die Frage stellt, wer morgen unterschreibt, wenn die Inhaberin in Quarantäne ist, hat am Freitag weniger Stress.

Ökonomisch lohnt sich die Klausel dann, wenn sie realistische Lücken schließt. Eine sehr teure BU-Rente, die nur bei mehrmonatigen Verbotslagen zahlt, verfehlt den Nutzen, wenn die meisten Verfügungen kurz sind; umgekehrt ist ein kleines Monatskissen wertlos, wenn die Behörde monatelang untersagt. Ein abgestimmtes Paket aus BU mit Infektionsklausel, einem ausreichend hohen privaten Krankentagegeld und einem Praxisausfall- bzw. Betriebsschließungsbaustein bildet die Wirklichkeit ab. Die Prämie ist kein Selbstzweck; sie kauft Zeit, in der die Versorgung weiterläuft, die Beratung nicht abreißt und die Apotheke als Anker bestehen bleibt.

Die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten bleibt selbst in solchen Lagen zentral. Eine gut sichtbare, ruhige Information an der Tür oder im Shop, ein kurzer Hinweis auf Erreichbarkeit, Lieferfähigkeit und Vertretungsstruktur schafft Vertrauen. Mitarbeitende, die wissen, warum eine Inhaberin nicht da ist und wie sie begründet vertreten, kommunizieren souverän. Der Versicherungsfall bleibt im Hintergrund, doch seine Wirkung – die finanzielle Ruhe – wird vorn spürbar. Genau darin liegt der eigentliche Nutzen der Infektionsklausel: Sie ist kein Spekulationsprodukt, sondern eine Brücke, die Versorgung über eine administrative Lücke trägt.

Am Ende ist die Infektionsklausel ein Baustein, nicht das ganze Haus. Sie ersetzt weder Hygiene noch Personalplanung, weder Digitalisierung noch Rechtssicherheit. Sie ergänzt eine Haltung, die Risiken benennt, bevor sie sich materialisieren, und die in geordnete Prozesse investiert, damit der Betrieb nicht am Zufall hängt. Apothekerinnen und Apotheker, die diese Haltung pflegen, machen aus einer Klausel eine Strategie: Sie kaufen Zeit, sichern Qualität, bewahren Beratung – und bleiben verlässlich, wenn Umstände kippen.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht. Und genau dort liegt die Deutung: Der Text endet, aber die Aufgabe beginnt – in jeder sauber formulierten Klausel, in jedem dokumentierten Bescheid, in jeder geübten Vertretung und in jeder ruhigen Erklärung, die aus Unsicherheit Vertrauen macht.

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