Source: Deutsche Nachrichten
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Apotheken-News: Bericht von heute
Zwischen Recht, Beratung und Innovation entscheidet sich, wie Versorgung im Alltag wirklich funktioniert: Der BVDAK kontert die Rx-Bonus-Euphorie nach dem BGH-Urteil und erinnert daran, dass die sozialrechtliche Preisbindung für GKV-Rezepte fortgilt. In der Offizin zählt derweil Pragmatismus: kühlen statt quarken, O/W-Pflege mit Ceramiden, niedrig dosiertes Hydrocortison – und klare Stoppsignale bei Blasen oder Kreislaufproblemen. Nach dem Ostseehochwasser ringen Verbände um Rechtsklarheit zu Sturmflut-Klauseln, in Berlin soll Direktvertrieb sanktioniert werden, und Gerichte mahnen Verhältnismäßigkeit bei Wasserschäden sowie Beitragspflicht für bAV-Einmalzahlungen an. Pharmakovigilanz schärft die Packungsbeilage für Diclofenac-Gele, während die Apfelschnecke in der Grundlagenforschung zeigt, wie Regeneration gedacht werden kann – damit Apotheken heute richtig beraten und morgen resilienter handeln
Die aktuelle Debatte um die Rx-Preisbindung ist mehr als ein juristischer Schlagabtausch zwischen Versendern und Standesvertretungen. Entscheidend ist, dass seit dem 15. Dezember 2020 die sozialrechtliche Preisbindung die arzneimittelrechtliche Flanke abgelöst hat und damit für alle GKV-Abgaben gilt. Diese Klammer schließt ausdrücklich auch Anbieter jenseits der Grenze ein, die in Deutschland gesetzlich Versicherte beliefern. Vor diesem Hintergrund ist der Eindruck eines „Systemsturzes“ durch das jüngste BGH-Urteil irreführend und für die Versorgung potenziell schädlich. Denn wo vermeintliche Freiräume gewittert werden, entstehen Kampagnen mit Boni-Versprechen, die rechtlich riskant sind und Patientenerwartungen fehlleiten.
Der Verband der Kooperationsapotheken setzt daher auf zwei Ebenen an, die sich gegenseitig verstärken. Zum einen fordert er, Verstöße nicht rhetorisch zu beklagen, sondern sofort abzumahnen und gerichtsfest zu adressieren. Nur eine schnelle, sichtbare Rechtsdurchsetzung verhindert, dass Grauzonen zur Marktpraxis gerinnen und Nachahmung belohnen. Zum anderen plädiert er für vorausschauende Evidenzarbeit, um die Hürden für EuGH- und BGH-Vorlagen künftig zu nehmen. Denn die Gerichte verlangen nachvollziehbare Nachweise, wann und wie Preisbindung flächendeckende Versorgung tatsächlich stabilisiert, und genau diese Belege fehlten in der Vergangenheit.
Für Apotheken vor Ort bedeutet das, ihre eigene Compliance-Linie klar und dokumentiert zu halten. Preisangaben, Kassenprozesse und Werbemittel müssen der sozialrechtlichen Logik genügen, auch wenn Wettbewerber laut auftreten. Wer regelkonform bleibt und Verstöße konsequent meldet, schützt nicht nur sich, sondern auch die Marktintegrität. In der Kommunikation nach außen gehört dazu eine ruhige, faktenbasierte Aufklärung, warum Rx-Arzneimittel nicht rabattiert werden dürfen. Patientinnen und Patienten akzeptieren Regeln eher, wenn sie als Versorgungslogik statt als Strafmaß erlebt werden.
Der zweite Schwerpunkt betrifft die Apotheke als erste Hilfe für Sonnenbrand und phototoxische Reaktionen. Nach einem Tag auf dem Platz oder am Strand braucht entzündete Haut nicht Trendrezepte, sondern kühle, saubere Maßnahmen. Kalt-feuchte Umschläge mit abgekochtem und abgekühltem Wasser lindern, während Eisbeutel stets mit Textil umhüllt sein sollten, um Kälteschäden zu vermeiden. Quark bleibt ein Mythos mit Risiko, denn Keime und Eiweißbestandteile sind auf geschädigter Haut denkbar schlechte Gäste. Nach der Kühlung helfen leichte O/W-Emulsionen mit Ceramiden, die Barriere zu beruhigen, und Sprays vermeiden schmerzhaften Kontakt.
Pharmazeutisch sinnvoll ist in der frühen entzündlichen Phase eine niedrig dosierte Hydrocortison-Anwendung, im Gesicht bevorzugt 0,25 Prozent, sonst 0,5 Prozent. Polidocanol-Lotio kann Juckreiz und Brennen dämpfen, während topische Antihistaminika beim klassischen Erythem oft zu spät kommen. Wichtig ist, fettreiche, okklusive Texturen und parfümierte Après-Sun-Kosmetika zu meiden, um Wärmestau und Irritationen nicht zu fördern. Bei Blasen, starken Schmerzen, Fieber oder Kreislaufproblemen gilt der Grundsatz „Pharmazie first aid – ärztliche Abklärung schnell“, unterstützt durch perorale NSAR für maximal 48 Stunden.
Beratung endet nicht an der Ladentür; Prävention beginnt früher, als der Himmel blau wird. UV-Index ab 3 heißt: Sonnenbrille mit 400-Filter, Kopfbedeckung, Textilschutz und geeigneter Lichtschutzfaktor. Für polymorphe Lichtdermatosen und „Mallorca-Akne“ lohnt der Blick auf Inhaltsstoffe und auf orale Antihistaminika zur Juckreizlinderung. Apotheken können mit klaren Handzetteln, Reisechecklisten und einem kleinen Sortiment differenzierter After-Sun-Medizinprodukte echten Mehrwert schaffen. Entscheidend ist, zwischen Kosmetik-Marketing und evidenzbasierter Hautrettung zu unterscheiden.
Das Ostseehochwasser 2023 legt eine andere Art von „Sonnenbrand“ offen: wenn das Wasser kommt und der Versicherungsschutz Lücken zeigt. Viele Geschädigte traf die Ablehnung ihrer Elementarschadenversicherung hart, weil Sturmfluten als Risiko ausgeschlossen sind. An der Binnenküste kollidiert der Alltagsbegriff „Hochwasser“ mit versicherungsvertraglichen Definitionen, die häufig aus der Seeschifffahrtslogik stammen. Verbraucherschützer wollen nun gerichtlich klären lassen, ob der unbestimmte Rechtsbegriff „Sturmflut“ in Klauseln so verwendet werden darf. Und ob Wasserstände an der Ostsee rechtlich anders zu werten sind als Flusshochwasser, das regelmäßig vom Schutz umfasst ist.
Für Versicherte ist die Zeitachse doppelt relevant: Verjährungsfristen laufen, während parallel politische Weichen zur Pflicht-Elementarschadenversicherung diskutiert werden. Länder im Norden drängen darauf, Sturmfluten in den Pflichtschutz aufzunehmen, wissend, dass Prämien dann steigen dürften. Zwischen Solidarität und Risikogerechtigkeit liegt die Kunst, kollektive Tragfähigkeit und bezahlbaren Schutz zu verbinden. Eine Musterfeststellungsklage braucht mindestens 50 Fälle und eine gesicherte Finanzierung; beides lässt sich nur durch Bündelung erreichen. Für Apotheken in Küstenregionen ist es klug, Kundschaft über die Unterschiede von Elementarbausteinen aufzuklären und selbst Policen zu prüfen.
Ein Lieferketten-Thema mit Sprengkraft verlagert die Welle von der Küste in den Großhandel. Wenn Hersteller statt über den vollversorgenden Großhandel via Direktvertrieb oder Plattformen beliefern, bricht an der Basis die Planbarkeit. Apotheken erleben das als Lücke in der vertraglich und gesetzlich gedachten Versorgungskette, die eigentlich einen Belieferungsanspruch kennt. Die Apothekerkammer Berlin bringt deshalb zum Deutschen Apothekertag einen Antrag ein, der Sanktionen gegen Hersteller fordert. Ziel ist, Fehlanreize zu reduzieren und die Verlässlichkeit der Kette wieder herzustellen.
Sanktionierung alleine löst den Zielkonflikt zwischen herstellerspezifischen Steuerungsinteressen und Versorgungspflichten nicht. Transparente Quoten, klare Meldewege bei Allokation und ein Mindestmaß an Vorlauf für Umstellungen sind ebenso nötig. Apotheken brauchen verlässlich abrufbare Kontingente und eine faire Verteilung seltener Ware, die nicht von Plattform-Zugängen abhängt. Die Politik ist gefordert, Ordnungsrahmen und Anreize so zu justieren, dass Versorgung vor Vertriebsoptimierung geht. Denn am HV-Tisch zählt nicht, wer die schönste Plattform hat, sondern wer das richtige Arzneimittel rechtzeitig liefert.
Aus der Rechtsprechung stammen zwei Entscheidungen, die auf den ersten Blick nichts mit Arzneimitteln zu tun haben. Tatsächlich sind sie Lehrstücke darüber, wie Sorgfalt, Definitionen und Verhältnismäßigkeit ineinandergreifen. Im ersten Fall ging es um einen Wasserschaden in einem seit längerem unbewohnten Wohnhaus. Der Betreuer hatte den Haupthahn nicht abgestellt, und eine gebrochene Mischbatterie setzte das Gebäude über Zeit in Mitleidenschaft. Der Versicherer kürzte die Leistung um 80 Prozent wegen grober Fahrlässigkeit; das OLG Celle hielt diese Kürzung für überzogen und verpflichtete ihn, zwei Drittel des Schadens zu tragen.
Die Richter stellten klar, dass „ungenutzt“ im Sinne der Bedingungen bedeutet, dass niemand dort wohnt und der Lebensmittelpunkt verlagert ist. Zur Obliegenheit gehört dann, die Wasserversorgung zu sperren und Anlagen zu entleeren, um typische Leitungswasserrisiken zu minimieren. Gleichzeitig ist grobe Fahrlässigkeit nicht automatisch ein Freifahrtschein zur quasi vollständigen Leistungsfreiheit. Verhältnismäßigkeit verlangt, die Schwere des Fehlers, die Dauer und die Kausalität zum Schaden abzuwägen. Die Botschaft: Sorgfaltspflichten gelten, aber Sanktionen müssen der Sache angemessen bleiben.
Das zweite sozialrechtliche Urteil betrifft viele Rentnerinnen und Rentner mit Direktversicherungen aus betrieblicher Altersversorgung. Einmalzahlungen sind seit 2004 beitragspflichtig in der GKV und Pflegeversicherung, umgerechnet nach dem 1/120-Mechanismus. Dass Teile der Beiträge bereits aus verbeitragtem Arbeitsentgelt stammten, ändert daran nichts, so die ständige Rechtsprechung. Der Vertrauensschutz greift nicht, weil die Beitragspflicht für bAV-Leistungen seit den 1980er-Jahren angelegt war. Für die Beratungspraxis heißt das, frühzeitig Aufklärung über Nettorenten zu leisten und böse Überraschungen zu vermeiden.
Die Pharmakovigilanz liefert derweil eine präzise Erinnerung, dass „topisch“ nicht gleichbedeutend mit „harmlos“ ist. Diclofenac-haltige Gele müssen künftig deutlicher vor fixen Arzneimittelexanthemen warnen. Diese allergischen Hautreaktionen können bei Wiederexposition an derselben Stelle wiederkehren und zu persistierenden Hyperpigmentierungen führen. Gebrauchsinformationen werden entsprechend ergänzt, und bei ersten Anzeichen ist die Anwendung zu stoppen. Wer bereits eine Reaktion erlebt hat, sollte vor Wiederanwendung ärztlich beraten werden.
Apotheken haben hier eine doppelte Aufgabe, die über das Abgeben hinausgeht. Zum einen gilt es, die neuen Hinweise aktiv in die Beratung einzubauen und Alternativen anzubieten, wo das Risiko erhöht ist. Zum anderen sollten Teams Fotos und Beschreibungen typischer Exantheme kennen, um rasch zu differenzieren. Das erhöht die Qualität der Selbstmedikation und reduziert Folgeschäden durch unnötige Fortführung. Ein kurzer Hinweis auf Sonnenschutz bei photosensibilisierenden Begleitmedikamenten rundet die Beratung ab.
Und dann ist da noch die Apfelschnecke, die ein ganzes Auge regenerieren kann und die Fantasie der Forschung beflügelt. Was wie Science-Fiction klingt, ist harte Entwicklungsbiologie: Nach Amputation treten Wundheilung, Zellmigration, Proliferation und Differenzierung in eine orchestrierte Abfolge. Innerhalb eines Monats sind Linse, Retina und Sehnerv neu angelegt, und tausende Gene schalten dynamisch um. Die Rolle des Transkriptionsfaktors Pax6 als Initiator des Augenprogramms tritt dabei als Schlüsselfigur hervor. Inaktiviert man beide Kopien, bleibt der Aufbau aus – was die Bedeutung dieses Schalters eindrucksvoll belegt.
Für die Medizin ist dieses Modell kein Wunderversprechen, sondern ein Labor für Prinzipien. Regeneration komplexer Organe scheitert beim Menschen nicht an Fantasie, sondern an embryologischen Programmen, die nach der Entwicklung stumm geschaltet sind. Wenn ein Tier diese Programme im Erwachsenenalter reaktiviert, lässt sich daraus Hypothesen-Futter für therapeutische Strategien gewinnen. Glaukom-Patientinnen und -Patienten oder Menschen mit Netzhautschäden wären die ersten, die von translationalen Ideen profitieren könnten. Bis dahin bleibt die Botschaft: Grundlagenforschung ist die langsamste, aber nachhaltigste Form von Versorgungsvorbereitung.
Zwischen Politik, Praxis, Recht und Forschung ergeben sich Linien, die Apotheken konkret nutzen können. Bei der Rx-Preisbindung heißt es: eigene Prozesse sauber halten und Verstöße konsequent adressieren. In der Hautberatung dominieren Kühlen, Barrierepflege, niedrig dosiertes Steroid – und das Weglassen falscher Hausmittel. Elementarschäden fordern Policen-Checks, klare Sprache mit Kundschaft und einen Blick auf kommende Pflichtmodelle. Lieferketten stärken sich durch klare Sanktionen, transparente Quoten und verlässliche Großhandelswege.
Rechtlich lohnt es, Sorgfaltspflichten realistisch zu leben und die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten. Sozialrechtlich hilft nur frühe Netto-Aufklärung, wenn betriebliche Altersversorgung ausgezahlt wird. Pharmakovigilanz braucht aktive Übersetzung in die HV-Beratung, gerade bei frei verkäuflichen, aber nicht risikofreien Präparaten. Und die Forschung? Sie erinnert uns daran, dass morgen nur dann besser wird, wenn wir heute geduldig die Grundlagen verstehen.
Im Alltag der Offizin entscheidet am Ende, ob Regeln verstanden, Prozesse geübt und Entscheidungen dokumentiert sind. Denn die beste Rechtsposition hilft wenig, wenn Belege fehlen, und die beste Absicht tröstet nicht, wenn Beratung an Mythen scheitert. Wer die kleinen Hebel bewegt – von korrekter Preisangabe bis kühler Kompresse –, baut die großen Brücken. Zwischen den Fällen liegt ein gemeinsamer Nenner: Verantwortung übersetzt Ungewissheit in Führung. Genau das macht die Apotheke zum verlässlichen Ort – auch dann, wenn draußen die See rau wird.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht. Und genau dort liegt die Deutung: Der Text endet, aber die Aufgabe beginnt – in jeder regelkonformen Rx-Abgabe, in jeder kühlen Kompresse, in jeder sauberen Police, in jeder fairen Lieferkette, in jedem verhältnismäßigen Urteil, in jeder ehrlichen Netto-Beratung, in jeder aktualisierten Packungsbeilage und in jeder geduldigen Forschung, die Versorgung von morgen möglich macht.