Zwischen Trockeneis und Mondgestein

Source: Deutsche Nachrichten
In wenigen Tagen öffnet die 21. rapid.tech 3D ihre Türen. Vom 13. bis 15. Mai präsentieren 71 Aussteller, 73 Kongress-Speaker sowie 25 Referenten im Ausstellerforum neueste Entwicklungen und Anwendungen des Additive Manufacturing (AM). Neben Deutschland sind Aussteller aus Belgien, China, Frankreich, Italien, der Schweiz und den USA auf der ältesten deutschen AM-Fachveranstaltung vertreten. Auf dem Kongress stellen renommierte AM-Experten aus dem In- und Ausland, darunter aus Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden, aus Polen, der Türkei und der Schweiz, AM-Innovationen für heute und morgen vor.

Unter dem Motto „Innovativ und profitabel – Die Zukunft der additiven Fertigung“ offerieren sie die facettenreiche AM-Welt auf dem Fachkongress, an den Ausstellungsständen, bei der Jubiläumsschau der 3D Pioneers Challenge, bei den Technical Deep Dives Touren, an den Expert Tables und bei der AM Science Poster Session. Die Bedeutung der additiven Fertigung untermauert die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag. Sie betont ihre Rolle als eine Schlüsseltechnologie, die eine dementsprechende Förderung erhalten soll.

Auf der rapid.tech 3D ist die gesamte Bandbreite der additiven Fertigung zu erleben – vom AM-gerechten Design über die passende Material- und Technologieauswahl bis zur professionellen Endbearbeitung. Die innovativen Beispiele reichen von einer sicheren und schnellen Stützstruktur-Entfernung mittels Trockeneisstrahlen im AM-Produktionsalltag bis hin zum 3D-Druck von Mondgestein für Basisstationen auf dem Erdtrabanten.

Fachkongress mit hochkarätigen Keynotes und vielen nachgefragten neuen Themen

Warum es sich außerdem lohnt, nach Erfurt zu kommen, wissen die rapid.tech 3D-Fachbeiratsvorsitzenden Michael Eichmann, Manager bei Stratasys, und Prof. Dr. Christian Seidel, Inhaber des Lehrstuhls für Fertigungstechnologien mit Schwerpunkt additive Fertigung an der Hochschule München. „Wir konnten erneut führende AM-Experten aus vielen Branchen für den Fachkongress gewinnen. Highlights sind sicher die Keynotes von MTU Aero Engines, BWT Alpine Formula One Team, Roland Berger und Turkish Aerospace. Dazu kommen acht starke Anwenderforen sowie das qualitätsgeprüfte AM-Wissenschaftsforum. Ein verstärktes Interesse an AM-Anwendungen verspüren wir für den militärischen Bereich. Deshalb steht dieses Thema explizit auf der Agenda, u. a. mit Experten von Hensoldt, Diehl und Airbus. Nachgefragt sind ebenso 3D-Druck-Lösungen in der Energie- und der Elektrotechnik. Hierzu vermitteln die neuen Foren Energie & Wasserstoff sowie Elektronik & Komponenten Impulse. Neueste AM-Anwendungen und -Entwicklungen gibt es darüber hinaus aus den Branchen Aerospace, Mobility, Medical sowie Software, KI und Design. Außerdem setzen VDMA Additive Manufacturing und DECHEMA ihre Partnerschaften mit der rapid.tech 3D fort und bringen Input zu den Themen AM und Robotik sowie Chemie und Verfahrenstechnik ein“, erklärt Michael Eichmann.

Kongress und Ausstellung wesentlich enger verzahnt

Prof. Seidel verweist darauf, dass die Besucher zudem von einer wesentlich engeren Verzahnung von Kongress und Ausstellung profitieren können. „Was in den Vorträgen erklärt wurde, lässt sich in der Ausstellung ‚anfassen‘. Beispielsweise im deutlich ausgeweiteten Format der Technical Deep Dives Touren. Hier kann man in zehn Minuten direkt an den Ausstellerständen in ein Thema ’eintauchen‘. Anbieter und Besucher kommen direkt in den Austausch. Ebenso reaktivieren wir das Format der Expert Tables. Diese Diskussionsrunden in kleinen Gruppen finden ebenfalls direkt im Ausstellungsbereich statt. Und wir laden zum Abschluss des ersten Tages zum AM Science Poster Slam ein, sodass die Gäste der After-Work-Party in der Halle entspannt mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diskutieren können.“

Zum gezielten Austausch bieten sich darüber hinaus Podiumsdiskussionen und das Ausstellerforum an. In den Diskussionsrunden jeweils zum Abschluss des ersten und des letzten Veranstaltungstages stehen die Themen Internationalisierung des AM-Marktes sowie Wege zu einer wirtschaftlichen additiven Fertigung auf dem Programm. Im Ausstellerforum zeigen Entwickler und Anwender an allen drei Veranstaltungstagen Lösungen entlang der gesamten AM-Wertschöpfungskette auf und liefern Impulse für das eigene Handeln.

Jubiläumsschau der 3D Pioneers Challenge kürt den „Pionier der Dekade“

Fester Bestandteil der rapid.tech 3D ist die 3D Pioneers Challenge (3DPC). Der internationale Wettbewerb kommt in diesem Jahr zum zehnten Mal nach Erfurt. Das Jubiläum eröffnete allen bisherigen Finalisten und Gewinnern die Chance, sich erneut dem Jury-Urteil zu stellen und so zum „Pioneer of the Decade“ zu werden. 33 Bewerber aus der ganzen Welt erreichten das Finale. Aus ihnen küren die Juroren den Gewinner des Jahrzehnts. Zu den Anwärtern gehören das erste mit Stammzellen 3D-gedruckte Herz aus Israel, eine revolutionäre Technologie zur additiven Fertigung ohne Schwerkraft aus der Schweiz sowie die Verwandlung von Musik in 3D-gedruckte Skulpturen aus Österreich.

Lohnender Besuch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten

„Die 21. rapid.tech 3D findet in einem schwierigen Marktumfeld statt. Umso höher ist es zu würdigen, dass die AM-Experten aus dem Fachbeirat gemeinsam mit unseren Partnerverbänden VDMA Additive Manufacturing, DECHEMA und 3-D MID sowie unterstützt vom gesamten Organisationsteam erneut ein exzellentes Programm auf die Beine gestellt haben, das stark auf Anwendungslösungen fokussiert ist – egal, ob für Einsteiger oder Fortgeschrittene im Bereich additiver Fertigung. Deshalb lohnt sich gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten der Weg nach Erfurt“, lädt Michael Kynast, Geschäftsführer der Messe Erfurt, ein.

Quantum Photonics parallel zur rapid.tech 3D

Parallel zur rapid.tech 3D vom 13. bis 15. Mai 2025 lädt am 13./14. Mai 2025 erstmals die Quantum Photonics ein. Sie richtet sich an Forscher, Entwickler und Ingenieure, u. a. aus den Bereichen Computing, Communication, Imaging und Sensorik sowie den zugehörigen Anwendungsbranchen wie Medizin, Biowissenschaften, Chemie, Mobilität und Finanzwesen. Die Technologie- und Anwendungsfelder von Additive Manufacturing und Quantentechnologien bieten zahlreiche Schnittstellen und Verknüpfungen, aus denen beide Seiten Synergien generieren können.

Über die rapid.tech 3D:

Die rapid.tech 3D hat sich in zwei Jahrzehnten zu einer führenden AM-Fachveranstaltung in Mitteleuropa entwickelt – mit dem Fachkongress als Herzstück.

Mehr unter: www.rapidtech-3d.de

xSuite Group gewinnt Trenex Consulting LLC als globalen Lösungspartner

Source: Deutsche Nachrichten
xSuite Group und Trenex Consulting LLC haben im März 2025 einen Partnerschaftsvertrag geschlossen. Als neuer xSuite Solution Partner wird Trenex künftig die Lösungen der xSuite für automatisierte Rechnungs- und Einkaufsprozesse sowie für Archivierung in den USA, Europa und der APAC-Region vertreiben, implementieren und betreuen. Durch die Partnerschaft mit der xSuite Group positioniert sich Trenex strategisch neu im SAP-Umfeld und baut sein Leistungsportfolio für internationale Kunden weiter aus.

Trenex ist ein international tätiges IT-Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Louisiana, USA. Das Unternehmen verfügt über umfassende Erfahrung in der Implementierung und Betreuung von Lösungen für die Finanzprozessautomatisierung und unterstützt weltweit Unternehmen bei der Optimierung ihrer SAP-basierten Geschäftsprozesse. Vor dem Hintergrund technologischer Veränderungen am Markt und der Migration auf SAP S/4HANA sehen sich viele dieser Unternehmen gezwungen, bestehende Systeme durch moderne Alternativen zu ersetzen.

SAP-zertifizierte, durchgängige Lösungen für alle SAP-Betriebsmodelle
Die Partnerschaft mit xSuite ermöglicht es Trenex, Unternehmen moderne, SAP-zertifizierte Lösungen anzubieten, die sämtliche SAP-Betriebsmodelle – on-premises, cloudbasiert oder hybrid – unterstützen. xSuite bietet durchgängige Lösungen – insbesondere im Bereich Purchase-to-Pay und digitale Archivierung – die sich durch hohe Flexibilität und eine aussagekräftige Produkt-Roadmap auszeichnen. Damit stellt xSuite eine leistungsstarke und zukunftssichere Alternative für Unternehmen dar, die ihre bestehenden Systeme im Zuge der SAP-S/4HANA-Transformation ablösen und modernisieren möchten.

„Mit Trenex haben wir ein hochmotiviertes Unternehmen gewinnen können, das neben seiner Markt-Expertise bereits viel Erfahrung in der Automatisierung von Geschäftsprozessen mitbringt. Um seine internationalen Kunden künftig mit zeitgemäßen, zukunftsfähigen Lösungen im SAP-Umfeld zuverlässig beliefern zu können, setzt Trenex bei den Themen Purchase-to-Pay und Archivierung auf die Software von xSuite“, sagt Andreas Nowottka, Geschäftsführer bei der xSuite Group.

„Unsere Kunden erwarten Anwendungen, die sowohl technologisch als auch funktional auf dem neuesten Stand sind – unabhängig davon, ob sie ihr SAP-System in der Cloud, on-prem oder hybrid betreiben. xSuite erfüllt all diese Anforderungen: Die Lösungen sind durchgängig modular, SAP-zertifiziert und international einsetzbar. Zudem schätzen wir die partnerschaftliche Zusammenarbeit und die bestehende Roadmap, die uns helfen wird, unsere Kunden langfristig zu begleiten,“ ergänzt Frank (Cheng) Fan, General Manager bei Trenex Consulting LLC.

Über Trenex Consulting LLC
Trenex Consulting ist ein globales IT-Lösungsteam mit Fokus auf ERP-, EPM-, Financial Process Automation (FPA) und Robotic Process Automation (RPA). Mit tiefgreifendem SAP-Know-how, einem mehrsprachigen Team und 24/7-Support bietet Trenex weltweit maßgeschneiderte Services für die digitale Transformation und Prozessoptimierung in Unternehmen. https://www.trenexconsulting.com/…

Apotheken-News: Zahlungsprozesse brechen ein, Patienten werden abgeworben, Politik verliert Kurs

Source: Deutsche Nachrichten
Ein Tag, drei Signale, ein System in Schieflage: Als die Apobank am Morgen des 8. Mai ihren digitalen Dienst versagte, waren nicht nur Apotheken lahmgelegt, sondern auch zentrale Versorgungsprozesse gefährdet. Gleichzeitig offenbarte ein Fall aus Rheinland-Pfalz, wie Versandapotheken mit fragwürdigen Vollmachten tief in die Versorgung eingreifen. Parallel dazu nutzte DocMorris emotionale Kampagnen, um pflegende Angehörige von der klassischen Apotheke abzuwerben – während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wortlos das Handtuch warf. Sein Rücktritt markiert das vorläufige Ende einer Amtszeit voller Ankündigungen, aber ohne nachhaltige Strukturreformen. Inmitten dieser Gemengelage wird eine neue politische Führung gesucht, eine neue Versorgungsverantwortung erwartet – und eine Debatte über die Machtverhältnisse im Gesundheitswesen unausweichlich. Der Teufel steckt nicht in den Details, sondern im System.

Ein schwerwiegender Systemausfall hat am Morgen des 8. Mai 2025 das Online-Banking der Deutschen Apotheker- und Ärztebank zum Erliegen gebracht. Weder Webportal noch mobile Anwendungen oder externe Zahlungsdienste konnten genutzt werden. Für zahlreiche Apotheken, die ihre Liquidität digital steuern, bedeutete der Ausfall eine operative Blockade: Kein Zugriff auf Konten, kein automatisierter Zahlungsverkehr, keine Überweisung von Lieferantenrechnungen oder Löhnen. Erst am Nachmittag wurde der Betrieb schrittweise wiederhergestellt. In einer Branche, die auf funktionierende digitale Prozesse angewiesen ist, wurde dadurch erneut die Verletzlichkeit technischer Infrastruktur offengelegt.

Parallel dazu wurden neue Vorwürfe gegen den niederländischen Versandapothekenkonzern DocMorris laut. Eine Apothekerin wirft dem Unternehmen vor, mit einer mutmaßlich gefälschten digitalen Vollmacht versucht zu haben, direkt in eine laufende Versorgung einzugreifen. Ziel war es offenbar, das Rezept einer chronisch kranken Patientin ohne deren vollständiges Wissen und ohne Zutun der Stammapotheke direkt über DocMorris abzuwickeln. Die Ärztin in der Praxis war irritiert, die Apothekerin empört. Der Fall zeigt exemplarisch, wie unzureichend die rechtliche Lage bei digitalen Vollmachten, elektronischen Rezepten und Patientenvertretung bislang geregelt ist.

Gleichzeitig startete DocMorris eine Kooperation mit einer App, die sich an pflegende Angehörige richtet. Unter dem Deckmantel der Entlastung wird in einem emotionalen Spot suggeriert, dass der Apothekenbesuch für Pflegepersonen eine unzumutbare Last sei. Mit hektischen Bildern, dramatischer Musik und einem exklusiven Rabattcode führt die Dramaturgie direkt zur gewünschten Handlung: der Einlösung des E-Rezepts über die Versandapotheke. Die Botschaft ist klar: Der klassische Apothekenweg wird als Überbleibsel einer ineffizienten Vergangenheit inszeniert.

Während Apotheken mit technischen Problemen und Marktattacken konfrontiert waren, veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium eine kurze Mitteilung: Minister Karl Lauterbach hat sein Amt niedergelegt. Die Begründung blieb dürftig. Drei Jahre nach seinem vielbeachteten Amtsantritt endet damit eine Amtszeit, die von großer Rhetorik, aber wenig Umsetzung geprägt war. Die große Krankenhausreform blieb stecken, die Entlastung der Pflege versandete in Einzelprojekten, die Apotheken wurden im Alltag weitgehend allein gelassen. Der Rücktritt wirkt nicht wie ein politischer Schlussstrich, sondern wie das Eingeständnis einer strukturellen Überforderung.

Die SPD reagierte umgehend und wählte Dagmar Schmidt zur neuen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden mit Zuständigkeit für das Gesundheitsressort. Schmidt ist eine profilierte Sozialpolitikerin, kennt die innerparteilichen Verwerfungen und wird als pragmatisch beschrieben. Ihre Wahl gilt als Versuch, das durch Lauterbachs Polarisierung erschütterte Feld zu stabilisieren und den Dialog mit Akteuren aus Pflege, Apotheken, Kliniken und Krankenkassen wieder aufzunehmen.

Flankiert wird diese Dynamik von einer wirtschaftspolitisch sensiblen Entscheidung: Die Apothekenzuschläge für Humanarzneimittel zur Anwendung bei Tieren wurden leicht gesenkt. Fixbetrag und Zusatzvergütungen schrumpfen im Cent-Bereich, doch im Zusammenspiel mit steigenden Kosten und stagnierenden Honoraren wächst der ökonomische Druck auf Apotheken. Gleichzeitig erweitert die Internationale Diabetes-Föderation mit der Anerkennung des Typ-5-Diabetes den Kreis der chronisch Kranken. Millionen von Menschen weltweit, vor allem in Regionen mit Mangelernährung, erhalten erstmals eine medizinisch verbindliche Diagnose. Auch dies könnte mittel- bis langfristig die Versorgungsstrukturen fordern – vorausgesetzt, die politischen und logistischen Grundlagen werden geschaffen.

Kommentar:

Der gleichzeitige Ausfall einer zentralen digitalen Infrastruktur, der aggressive Vorstoß eines marktmächtigen Akteurs und das abrupte Ende einer politisch überhöhten Ministerkarriere verdichten sich zu einem bitteren Befund: Das deutsche Gesundheitswesen ist in zentralen Bereichen strukturell ungesichert, digital unterentwickelt und politisch desorientiert. Was sich am Beispiel der Apobank-Störung zeigte, war nicht bloß ein technischer Fehler, sondern ein Beleg für die fehlende Resilienz kritischer Versorgungsmechanismen. Dass Apotheken, die tagtäglich mit Notdienst, Lieferengpässen und Bürokratielasten kämpfen, zusätzlich digitale Ausfälle managen müssen, offenbart eine gefährliche Systemlücke. Digitalisierung bleibt ein Versprechen – und ein Risiko.

Noch bedrohlicher ist jedoch der systematische Vertrauensverlust, der durch Vorgänge wie jene rund um DocMorris entsteht. Wenn Patienten durch Callcenter unter Druck gesetzt, wenn Arztpraxen mit digital fragwürdigen Vollmachten kontaktiert werden und wenn digitale Schnittstellen als Einfallstore für aggressive Marktpraktiken dienen, ist das Primat der Versorgung nicht nur in Frage gestellt, sondern bereits verschoben. Es geht längst nicht mehr um Reform, sondern um Grenzverschiebung: Zwischen Zuständigkeiten, zwischen Recht und Grauzone, zwischen Heilberuf und Geschäftsmodell. Die politische Reaktion auf diese Entwicklungen bleibt bislang auffällig aus – nicht zuletzt, weil es an verlässlicher Führung mangelte.

Der Rücktritt Karl Lauterbachs kam spät, aber er war unausweichlich. Drei Jahre lang überlagerte die Medienpräsenz des Ministers jede substanzielle Debatte. Apotheken wurden mit Durchhalteparolen vertröstet, die Pflege mit leeren Ankündigungen hingehalten, die Kliniken mit Finanzierungsvakuum abgespeist. Statt Integration herrschte Fragmentierung. Der Rückzug Lauterbachs hinterlässt nicht nur ein personelles Vakuum, sondern auch ein konzeptionelles. Der Versuch, wissenschaftliche Autorität in politische Steuerung zu überführen, ist gescheitert. Der Preis dafür ist hoch: Frustrierte Leistungserbringer, verunsicherte Patienten, handlungsunfähige Strukturen.

Ob Dagmar Schmidt in der Lage ist, diesen Trend umzukehren, bleibt offen. Ihre Wahl zum neuen gesundheitspolitischen Schwergewicht der SPD signalisiert immerhin Bewegung. Doch ohne klare Prioritäten, ohne verbindliche Kommunikation und ohne strukturelle Entlastung der Apotheken, Pflegekräfte und Versorger wird auch ihre Amtszeit schnell in den Sog des Systems geraten. Gleichzeitig ist die Zeit reif für eine offene Diskussion über die Machtverlagerung im Arzneimittelmarkt: Versandapotheken, Plattformlogistik, KI-gesteuerte Rezeptverarbeitung – all das verändert nicht nur Prozesse, sondern auch Verantwortung. Wer künftig Versorgung gestalten will, muss nicht nur regulieren, sondern führen. Und Führung bedeutet: Haltung zeigen, statt sich hinter Kompromissformeln zu verstecken.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Lake Victoria Gold lässt künftigen Joint-Venture-Partner Nyati unabhängig überprüfen

Source: Deutsche Nachrichten
Zur Vorbereitung eines geplanten Joint-Ventures mit dem lokalen Partner Nyati Resources Limited in Tansania hat Lake Victoria Gold Ltd. (TSXV: LVG; FRA: E1K) eine detaillierte Due Dilligence der Goldverarbeitungsanlage von Nyati beauftragt. Die Überprüfung wird von dem seit 2014 tätigen Ingenieurbüro Nesch Mintech Tanzania Limited durchgeführt, das von der Southern African Development Community Accreditation Services (SADCAS) gemäß ISO/IEC 17025:2005 für Mineralienuntersuchungen akkreditiert ist. Die Prüfung wird parallel zu den Inbetriebnahmearbeiten der Anlage beginnen und voraussichtlich Anfang des dritten Quartals 2025 abgeschlossen sein.

Das geplante Joint Venture zielt darauf ab, die Verarbeitungsinfrastruktur von Nyati zu nutzen, um goldhaltiges Material aus den Tembo-Bergbaulizenzen von LVG zu aufzubereiten. Nyati besitzt eine privat betriebene 120-tpd-CIP-Anlage innerhalb einer der Bergbaulizenzen von Tembo. Die Anlage wurde kürzlich in Betrieb genommen. Eine zweite, größere Anlage befindet sich im Bau. Nach Fertigstellung wird die Gesamtkapazität voraussichtlich 620 tpd erreichen. Die Inbetriebnahme der neuen Verarbeitungsanlage ist bereits für Juni 2025 geplant. Das Joint Venture würde diese Vermögenswerte unter einer neuen Zweckgesellschaft konsolidieren, die gemeinsam von LVG, Nyati und der Regierung von Tansania (16 % kostenlos) gehalten wird, und damit einen zentralisierten, skalierbaren Hub für die oberflächennahe Goldverarbeitung in der Region schaffen.

Nesch Mintech soll die Betriebsbereitschaft und Leistung der Anlage unabhängig bewerten. Dazu gehören die Überprüfung der Nennproduktionskapazität und der Goldausbeute, die Überprüfung der Anlagenleistung und Prozessstabilität, die Bewertung der metallurgischen Buchhaltungssysteme und Probenahmeprotokolle, die Identifizierung von Engpässen und Optimierungsmöglichkeiten sowie die Erstellung eines detaillierten Auditberichts mit Ergebnissen und umsetzbaren Empfehlungen. Diese technische Bewertung soll LVG bei der Beurteilung der Betriebsbereitschaft und langfristigen Rentabilität der Anlage unterstützen. Der Auftrag umfasst sowohl Vor-Ort-Inspektionen als auch Datenanalysen außerhalb des Standorts und mündet in einem Abschlussbericht, der in die laufenden Joint-Venture-Gespräche von LVG einfließen wird.

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FORTEC Power stellt vor: Das NCF250 von Advanced Energy

Source: Deutsche Nachrichten
Die NCF250-Familie (im Vertrieb der FORTEC Power) ergänzt die NCF-Produktfamilie von SL Power (einer Marke von Advanced Energy), eine einzigartige Reihe von Standardprodukten mit weniger als 10 Mikroampere Leckstrom und erhöhten Isolationswerten, die für diese kritischen medizinischen Geräte erforderlich sind.

Die medizinisch zugelassenen AC-DC-Netzteile der NCF250-Serie bieten eine nominale Hauptausgangsspannung von 12 V, 15 V, 24 V oder 48 V und liefern bis zu 250 W Ausgangsleistung bei Lüfterkühlung. Sie bieten umfassenden Schutz vor Überspannung, Kurzschluss und Überlastung und sind ideal für den Einsatz in medizinischen Anwendungen geeignet.

CF-zertifizierte Medizinsysteme mussten sich lange Zeit auf kundenspezifisch entwickelte Netzteile und einen langwierigen Zertifizierungsprozess einstellen. Jetzt stehen mit den vorqualifizierten Netzteilen von Advanced Energy Standardprodukte zur Verfügung, die das Systemdesign vereinfachen und beschleunigen und dabei hohen Patientenschutz in kritischen medizinischen Systemen gewährleisten. 

Durch die Implementierung der standardisierten und zertifizierten NCF250-Produkte können Ingenieure von medizinischen Systemen die Markteinführungszeit verkürzen und die einmaligen Entwicklungskosten reduzieren.

Besondere Merkmale des NCF250:

  • Universaleingang: 85 bis 264 V AC
  • Bis zu 250 W mit Luftstrom
  • Bis zu 175 W konvektionsgekühlt
  • Kompakte Größe: 2,3”W x 5,0”L x 1,5”H
  • Weniger als 10 μA Leckstrom
  • CF-klassifiziert
  • 5 kV Defibrillator-Widerstand
  • Erfüllt Klasse B Emissionsstandards
  • Lebensdauer der Elektrolytkondensatoren: 7+ Jahre
  • RoHS- und REACH-konform
  • Sicherheit: IEC/UL/cUL/EN60601-1, Edition 3.2
  • EMV: Erfüllt IEC60601-1-2 4. Edition
  • 3 Jahre Garantie

Apotheken-News: Botanicals erhalten Recht, Apotheken verlieren Halt, Arzneimittelverbrauch steigt

Source: Deutsche Nachrichten
Ein längst überfälliges Urteil des Europäischen Gerichtshofs schafft Klarheit über gesundheitsbezogene Aussagen bei pflanzlichen Arzneimitteln – und entlarvt zugleich die jahrelange Untätigkeit der EU-Kommission. Während Hersteller wie Schwabe und Bionorica das Signal begrüßen, droht im deutschen Apothekenwesen der Systembruch: Die Preisbindung soll fallen, Apotheken kollabieren, wie in Großröhrsdorf sichtbar, Generika wie Luforbec verursachen Nebenwirkungen, der Medikamentenverbrauch steigt rasant, und der politische Wille zur Reform fehlt. Selbst Fortschritte wie die Kombi-Impfung von Moderna könnten ohne funktionierende Versorgungsstrukturen wirkungslos bleiben. Historische Parallelen zur Gleichschaltung der Apotheken im Nationalsozialismus mahnen, wohin systematische Entwertung führen kann. Was hier kippt, ist mehr als ein Markt – es ist die Integrität der Arzneimittelversorgung.

Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zu gesundheitsbezogenen Aussagen bei pflanzlichen Arzneimitteln einen seit 15 Jahren anhaltenden regulatorischen Stillstand beendet. Damit wird erstmals juristisch klargestellt, dass wissenschaftlich begründete Angaben über Wirkungen pflanzlicher Stoffe zulässig sein können, auch wenn die EU-Kommission bisher versäumt hat, verbindliche Kriterien zu definieren. Hersteller wie Dr. Willmar Schwabe und Bionorica begrüßten das Urteil als überfälligen Schritt zu mehr Rechtssicherheit. Zugleich offenbart es die Legitimationskrise einer EU-Behörde, die jahrzehntelang zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln lavierte – zum Schaden klar regulierter Arzneimittelanbieter und zugunsten eines boomenden Markts für unkontrollierte Nahrungsergänzungsmittel mit zweifelhaften Heilversprechen.

Während auf EU-Ebene juristische Klarheit einkehrt, gerät die Arzneimittelversorgung in Deutschland unter wachsendem politischen Druck. Die politisch angestoßene Deregulierung der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel droht ein zentrales Stabilitätsinstrument auszuhebeln. Bisher garantierte die einheitliche Preisbindung flächendeckende Beratung, Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Gleichbehandlung zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandhändlern. Sollte sie fallen – zunächst wohl für ausländische Anbieter – steht ein Dammbruch bevor, der langfristig alle Marktteilnehmer destabilisieren dürfte. In ländlichen Regionen ist dieser Strukturverfall bereits Realität: In Großröhrsdorf in Sachsen musste der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Tom Unger, vor Ort erleben, wie eine überforderte Stadt-Apotheke an ihre Belastungsgrenze gerät. Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen und des Bundesapothekerverbandes, begleitete Unger durch einen Arbeitsalltag, der nicht mehr durch Routine, sondern durch permanente Systemlücken geprägt ist.

Parallel dazu steigt der Druck auf das Versorgungssystem auch medizinisch. Die Techniker Krankenkasse verzeichnete für das Jahr 2024 eine historische Zunahme an kardiovaskulären Arzneimittelverordnungen bei Männern. In Rheinland-Pfalz liegt die durchschnittliche Verordnungsmenge bei 125 Tagesdosen – mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2000. Die Entwicklung signalisiert nicht nur den demografischen Wandel, sondern auch eine Zunahme chronischer Krankheitslast, die ohne stabile Apothekenstrukturen nicht bewältigt werden kann.

Hinzu kommen qualitative Probleme in der Arzneimittelversorgung. Seit dem Generikastart des Asthmasprays Luforbec, das das Originalprodukt Foster ersetzt, häufen sich Patientenbeschwerden über starke Reizungen der Atemwege und Husten. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker dokumentierte 27 Fälle mit teils gravierenden Nebenwirkungen. Der wirtschaftlich motivierte Austausch von Medikamenten bringt also neue Risiken – ein weiterer Beleg dafür, dass Preiswettbewerb allein kein Versorgungsmodell ist.

Technologische Fortschritte wie die mRNA-Kombivakzine von Moderna gegen COVID-19 und Influenza zeigen zwar medizinisches Potenzial: In der Phase-III-Studie mit über 8.000 Probanden wurde eine starke Immunantwort festgestellt. Doch solche Innovationen bleiben nutzlos, wenn es an verlässlicher Infrastruktur fehlt – denn Impfstoffe wirken nur, wenn sie auch verabreicht und erklärt werden können.

Ein Lichtblick kommt aus dem Pflegebereich. Die Gehälter von Fachkräften in Gesundheitsberufen haben sich 2024 deutlich verbessert – ein Zeichen dafür, dass die Systemrelevanz dieser Berufe endlich auch finanziell anerkannt wird. Doch die Lücke zwischen steigenden Anforderungen und personellen Ressourcen bleibt. Umso mehr ist die Politik gefragt, auch die Apotheken als tragende Säule der Versorgung zu stabilisieren.

Doch der politische Wille dafür bleibt unklar. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat mit Thomas Preis zwar einen Präsidenten gewählt, der für eine praxisnahe Reformagenda steht – etwa mit Blick auf pharmazeutische Dienstleistungen, leistungsgerechte Honorare und Nachwuchsgewinnung. Doch diese Forderungen verhallen bislang ungehört. Die Blockadehaltung des Bundesgesundheitsministeriums lähmt nicht nur die Reformdebatte, sondern setzt ein existenzielles Signal: Die politische Führung scheint den Wert wohnortnaher Versorgungseinrichtungen nicht mehr zu begreifen.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, wohin das führen kann. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Apotheker systematisch gleichgeschaltet. Mit der Gründung der Reichsapothekerkammer 1937 verloren sie ihre berufliche Autonomie. Apotheker wurden zu Betriebsführern im Dienst einer Ideologie, nicht der Patientinnen und Patienten. Die aktuelle Entwicklung ist anders – aber die Parallelen in der Entwertung des Heilberufs sind unübersehbar. Wenn politische Steuerung nicht zum Schutz, sondern zur Aushöhlung der Versorgung dient, steht mehr auf dem Spiel als Marktanteile. Dann geht es um das System selbst.

Kommentar:

Es ist ein seltenes Zusammenspiel von Bruchlinien, das sich derzeit im europäischen und deutschen Apothekensystem offenbart – juristische Lücken, politische Rücksichtslosigkeit, wirtschaftlicher Druck und ein wachsender medizinischer Bedarf. Das EuGH-Urteil zu Botanicals ist ein Meilenstein, der endlich eine rechtliche Grundlage für gesundheitsbezogene Aussagen bei pflanzlichen Arzneimitteln schafft. Doch es ist auch ein Zeugnis des Versagens: Dass ein Gericht nach 15 Jahren Klarheit schaffen muss, weil die EU-Kommission ihre regulatorischen Pflichten nicht erfüllt hat, ist ein Armutszeugnis für die europäische Gesundheitspolitik. Während Arzneimittelhersteller wissenschaftlichen Standards unterliegen, bleibt der Nahrungsergänzungsmarkt ein rechtsfreier Raum – mit realen Gefahren für Patientinnen und Patienten.

Diese Asymmetrie ist symptomatisch. Denn auch auf nationaler Ebene setzen politische Entscheidungsträger längst falsche Signale. Die geplante Abschaffung der Preisbindung mag als Liberalisierung verkauft werden – in Wahrheit ist sie ein kalkulierter Angriff auf die flächendeckende Versorgung. Die politischen Entscheidungsträger, die solche Deregulierungen vorantreiben, verkennen die Folgen: Apotheken sind nicht beliebig skalierbare Distributionszentren. Sie sind Vertrauensorte. Ihr Zusammenbruch in Regionen wie Großröhrsdorf ist kein Einzelfall – es ist ein Vorbeben eines systemischen Erdrutsches.

Dass dieser Rückbau ausgerechnet zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem der Medikamentenverbrauch – insbesondere bei kardiovaskulären Erkrankungen – dramatisch ansteigt, ist grotesk. Die Zahlen aus Rheinland-Pfalz zeigen: Die alternde Gesellschaft braucht nicht weniger, sondern mehr Versorgungssicherheit. Gleichzeitig häufen sich Berichte über Nebenwirkungen bei Generika wie Luforbec – ein Resultat des ökonomischen Dogmas, dass billig automatisch gut sei.

Dabei gäbe es konstruktive Wege: Die mRNA-Kombinationsimpfung von Moderna zeigt, dass medizinischer Fortschritt Versorgung vereinfachen kann – wenn er auf funktionierende Strukturen trifft. Auch die positive Lohnentwicklung in den Pflegeberufen beweist, dass politischer Wille Wirkung zeigen kann. Doch im Apothekenwesen bleibt dieser Wille aus. Die Wahl von Thomas Preis an die ABDA-Spitze ist ein Hoffnungssignal – doch Hoffnung reicht nicht, wenn auf Seiten der Ministerien Blockade und Schweigen herrschen.

Die historische Gleichschaltung des Apothekenwesens in der NS-Zeit ist kein Tabubruch, sondern eine notwendige Erinnerung. Nicht, weil die Verhältnisse vergleichbar wären – sondern weil sie zeigen, wie schnell Versorgung zur Verfügungsmasse politischer Interessen werden kann. Heute ist die Bedrohung nicht totalitär, sondern technokratisch. Aber sie ist real. Und sie erfordert eine politische Antwort, die mehr ist als Sonntagsrhetorik.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Gefälschte Rechnungen, fehlende Spender und gesetzlich unbrauchbare Hilfen gefährden die Versorgung

Source: Deutsche Nachrichten
Im deutschen Gesundheitswesen offenbart sich derzeit eine gefährliche Gleichzeitigkeit multipler Störungen: Gefälschte Rechnungen unterlaufen die Sicherheitsstrukturen in Apotheken, während chronische Plasmaknappheit die Therapie schwerkranker Patienten gefährdet. In Notaufnahmen kämpfen Apotheker gegen Medikationsfehler, während gleichzeitig automatisierte Blistersysteme in Kliniken nur ein Teil der Lösung sind. Der politische Wechsel im Gesundheitsministerium weckt zwar Erwartungen, doch gesetzliche Untauglichkeitsklauseln, fehlende Spenderbereitschaft und veraltete Kennzeichnungspflichten bleiben ungelöst. Wenn Apotheken durch Evakuierungen schließen, wenn Patientensicherheit an Informationslücken scheitert und wenn digitale Lösungen neue Abhängigkeiten schaffen, dann reicht kein Reformversprechen. Das System selbst muss neu gedacht werden – bevor es endgültig kollabiert.

In mehreren Regionen Deutschlands geraten Apotheken aktuell durch eine Serie professionell gefälschter Rechnungen unter Druck. Die betrügerischen Schreiben imitieren das Design bekannter IT-Dienstleister und verlangen hohe Summen für angebliche Domainverlängerungen. Viele Betriebe erkennen den Betrug nicht rechtzeitig, weil interne Routinen, Zeitdruck und Personalengpässe die Prüfmechanismen schwächen. Parallel dazu kam es in Rheinland-Pfalz zu einem unerwarteten Zwischenfall: Die Entschärfung eines 500-Kilogramm-Blindgängers führte zur großräumigen Evakuierung – darunter auch zwei Apotheken, die ihren Betrieb abrupt einstellen mussten. Diese Überlagerung realer und administrativer Störungen zeigt die Fragilität eines Systems, das kaum Puffer kennt.

Während technische Innovationen wie die direkte Anbindung von Gesund.de und Aposoft an Apothekenkassensysteme für Effizienz sorgen, wächst die Abhängigkeit von störungsanfälligen Schnittstellen. Auch in den Kliniken zeigt sich diese Ambivalenz: Moderne Unit-Dose-Systeme erhöhen durch automatisierte Verblisterung zwar die Sicherheit, doch sie ersetzen nicht die Verantwortung der Pflegekräfte oder die Kontrollfunktion von Apothekerinnen und Apothekern in Notaufnahmen. Dort erkennen speziell geschulte Pharmazeutinnen durch strukturierte Medikationsanalysen gefährliche Interaktionen, Dosierungsfehler oder veraltete Pläne, die andernfalls zu lebensbedrohlichen Zuständen führen könnten.

Gleichzeitig spitzt sich die Lage bei Blutplasma dramatisch zu. Der Bedarf an Immunglobulinen steigt, die Spendenbereitschaft stagniert. In Deutschland wächst die Lücke zwischen Therapiebedarf und Versorgungssicherheit, während eine europäische Lösung nicht in Sicht ist. Auch bei chronischen Entzündungen wie Retokolitis sind Patienten betroffen. Die Erkrankung trifft häufig junge Erwachsene, verursacht starke Beschwerden und ist schwer zu therapieren – besonders dann, wenn Medikamente fehlen oder Rückrufe die Auswahl einschränken.

Zunehmend kritisch wird auch die Rolle rechtlicher Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt zeigt exemplarisch, wie gesetzliche Vorschriften zur Berufsunfähigkeit führen können, wenn medizinische Hilfsmittel wie Hörgeräte zwar technisch wirksam, aber rechtlich nicht zulässig sind. Was für einen Kapitän gilt, kann auch Apotheker treffen, wenn körperliche Einschränkungen mit berufsrechtlichen Anforderungen kollidieren. Verschärft wird die Lage durch unterschätzte Alltagsrisiken: Brausetabletten mit hohem Natriumgehalt können bei Menschen mit Bluthochdruck ernste Komplikationen auslösen. Doch Verbraucherinformationen bleiben unvollständig – Pflichtangaben zur Natriummenge fehlen oft, obwohl genau diese Information entscheidend sein kann.

Im Hintergrund wächst der politische Reformdruck. Mit Nina Warken übernimmt eine neue Bundesgesundheitsministerin die Verantwortung für ein System, das in zentralen Bereichen strukturell überfordert ist. Die Probleme reichen von Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Keimen über chronische Unterfinanzierung der Apotheken bis hin zur unzureichenden Digitalisierung. Der Erwartungsdruck ist hoch, doch der Spielraum gering. Warken steht vor der Aufgabe, nicht nur Symptome zu moderieren, sondern Ursachen zu bekämpfen – in einem System, das an mehreren Fronten gleichzeitig destabilisiert ist.

Kommentar:

Die Gleichzeitigkeit und Überlagerung der Krisen im deutschen Gesundheitswesen ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines strukturellen Versagens auf mehreren Ebenen. Apotheken sind nicht nur von Lieferengpässen betroffen, sondern zunehmend Zielscheibe organisierter Kriminalität. Der Versand gefälschter Rechnungen funktioniert nur deshalb so effizient, weil das System betriebswirtschaftlich ausgelastet und personell unterbesetzt ist. Sobald ein Täuschungsversuch auf automatisierte Arbeitsabläufe trifft, versagen die Kontrollmechanismen. Dass Apotheken in Krisenregionen durch Evakuierungen plötzlich stillgelegt werden, zeigt zusätzlich, wie wenig Widerstandsfähigkeit im System steckt.

Auch der mediale Fokus auf Digitalisierung greift zu kurz. Die technische Anbindung von Plattformen wie Gesund.de an Kassensysteme ist sinnvoll, aber kein Ersatz für eine umfassende Versorgungssicherheit. Arzneimittelsicherheit hängt nicht nur von Maschinen ab, sondern vom Zugriff auf Personal, das Risiken erkennt. Klinikapotheker und pharmazeutisches Fachpersonal identifizieren täglich gefährliche Medikationsfehler, doch ihr Beitrag wird systemisch unterschätzt. Automatisierte Verblisterung durch Unit Dose spart Zeit, entlastet Pflegekräfte und senkt Fehlerquoten – aber nur dann, wenn sie eingebettet ist in eine funktionierende Logistik- und Dokumentationskette.

Die Knappheit von Blutplasmaprodukten ist das deutlichste Warnsignal für ein System, das auf Verbrauch, nicht auf Vorsorge ausgerichtet ist. Wenn der Bedarf um 120 Prozent steigt, aber die Spendemenge fast stagniert, liegt kein Einzelfall vor, sondern eine strukturelle Fehlsteuerung. Gleiches gilt für chronische Krankheiten wie Retokolitis. Wer auf stabile Therapiepläne angewiesen ist, kann sich keine Ausfälle leisten. Und dennoch fehlen Präparate oder sie sind nicht verfügbar – mit direkten Folgen für Patienten, die ohnehin durch eine hohe Krankheitslast belastet sind.

Das Urteil zur Berufsunfähigkeit eines hörgeschädigten Kapitäns verdeutlicht eine weitere Blindstelle: Die Unvereinbarkeit von medizinischem Fortschritt mit veralteten gesetzlichen Regelwerken. In einem Gesundheitssystem, das sich selbst als Hightech-Branche versteht, darf ein wirksames Hörgerät keine Untauglichkeit begründen. Dass der Fall nicht in einem medizinischen, sondern juristischen Kontext entschieden wurde, macht das Dilemma noch deutlicher.

Politisch steht Nina Warken vor einem Scherbenhaufen. Sie muss nicht nur Vertrauen herstellen, sondern konkrete Defizite beheben: bei Plasmaspenden, bei digitaler Infrastruktur, bei gesetzlichen Berufsbeschränkungen, bei nosokomialen Infektionen, bei Apothekenhonoraren. Der Gesundheitssektor ist zu groß, um weiter in Silos zu denken. Er braucht ein koordiniertes System aus Prävention, technischer Innovation und rechtlicher Modernisierung. Andernfalls droht der strukturelle Kollaps, den man aktuell schon täglich beobachten kann – in Evakuierungszonen, auf Krankenhausfluren und in überlasteten Apotheken.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Apotheken-News: Der BGH rüttelt an der Rx-Preisbindung, Warken übernimmt ein geschwächtes Gesundheitsressort

Source: Deutsche Nachrichten
Die staatlich garantierte Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel droht zu kippen, während die neue Gesundheitsministerin ein zerrüttetes Ressort übernimmt und zugleich eine aggressive digitale Abwerbung durch Versandhändler öffentlich wird, bei der langjährige Apothekenkundinnen systematisch bedrängt werden, um ihre Versorgung zu verlagern – ein Eingriff, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und rechtliche Fragen aufwirft. Inmitten dieser Entwicklung bleibt eine medizinisch erkannte, jedoch strukturell ignorierte neue Form der Stoffwechselerkrankung unbeachtet, obwohl sie Millionen betreffen könnte. So geraten Versorgungsgleichheit, politische Steuerungsfähigkeit, patientennahe Beratung und medizinische Prävention gleichzeitig unter Druck – nicht isoliert, sondern in einem zusammenhängenden Systembruch, dessen Folgen das Gesundheitswesen tiefgreifend verändern.

Im Zentrum der aktuellen Umwälzungen im Gesundheitswesen steht die schleichende Erosion der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das bisherige Schutzprinzip, das flächendeckende Versorgung durch gleiche Preise garantieren sollte, verliert zunehmend seine normative Kraft. Statt Klarheit über seine Zukunft zu schaffen, wird die Verantwortung zwischen Rechtsdeutung und politischer Zurückhaltung verschoben. Stationäre Apotheken, lange als Garant regionaler Gesundheitsfürsorge betrachtet, werden damit einem Markt ausgesetzt, der nicht Rücksicht, sondern Rendite organisiert.

Gleichzeitig übernimmt eine neue politische Leitung das Gesundheitsministerium. Das Amt wird nicht übergeben, sondern abgeladen: Die neue Ministerin findet ein System vor, das in den Grundfragen seiner Funktion zerrüttet ist. Reformstau, Versorgungsangst, Finanzierungsdruck – dazu eine Öffentlichkeit, die gesundheitspolitische Entscheidungen als taktische Manöver und nicht als gestaltende Verantwortung wahrnimmt. In diesem Klima müssen politische Konzepte entstehen, wo Vertrauen bereits beschädigt ist.

Während die juristischen und politischen Strukturen ins Rutschen geraten, greift der Versandhandel in die konkrete Patientenversorgung ein. In einem dokumentierten Fall wurde eine langjährige Apothekenkundin telefonisch bedrängt, ihre Rezepte über eine Plattform einzulösen. Die persönliche Bindung, die für viele Apotheken das Rückgrat der Versorgung bildet, wird gezielt aufgebrochen. Digitale Vollmachten und strukturierte Werbeanrufe setzen wirtschaftliche Interessen an die Stelle medizinischer Beziehungspflege.

Doch nicht nur im Recht und in der Praxis, auch in der klinischen Wahrnehmung zeigen sich Versorgungslücken. Eine neu identifizierte Form der Stoffwechselerkrankung, die weder klassischem Typ-1 noch Typ-2-Diabetes entspricht, wird bisher nicht systematisch behandelt. Die Betroffenen – meist in schwierigen sozialen oder ernährungsbedingten Kontexten lebend – haben keine strukturellen Anlaufstellen. Während Algorithmen Patienten in digitale Vertriebsstrukturen lenken, bleibt eine wachsende Patientengruppe medizinisch unsichtbar.

Vier Ebenen, ein Problem: Die Gewissheiten des Gesundheitssystems lösen sich auf, ohne ersetzt zu werden. Preisgleichheit wird zu Wettbewerb, Verantwortung zu Zuständigkeitsverschiebung, Beziehung zu Werbung – und Diagnose zu Leerstelle. In dieser Gleichzeitigkeit liegt keine Dynamik, sondern ein struktureller Zerfall, dessen Folgen nicht mehr theoretisch, sondern praktisch spürbar sind.

Kommentar:

Die Fragilität der öffentlichen Gesundheitsstruktur zeigt sich längst nicht mehr in hypothetischen Szenarien, sondern in realen Machtverschiebungen. Die Preisbindung, einst als Garant für Versorgungssolidarität eingeführt, wird stillschweigend relativiert. Der Markt, dem man einst Schranken setzte, fordert sie nun zurück – mit dem Hinweis auf Wettbewerb, der Versorgung ersetzen soll. Das ist nicht ökonomische Effizienz, sondern politischer Rückzug in seiner reinsten Form.

Dass dieser Rückzug von einem politischen Wechsel begleitet wird, ist mehr als nur symbolisch. Eine neue Ministerin betritt die Bühne in dem Moment, in dem sich staatliche Zurückhaltung mit juristischer Entgrenzung verbindet. Sie übernimmt keine Agenda, sondern ein Vakuum. Der Zustand des Gesundheitsministeriums ist nicht nur verwaltet, sondern entpolitisiert. Die großen Linien – GKV-Finanzierung, Versorgungsgleichheit, Digitalisierung – sind entkoppelt von realer Steuerung. Das Ministerium wirkt, als ob es seiner zentralen Fragen beraubt wurde.

Gleichzeitig treiben Akteure jenseits der öffentlichen Kontrolle ihr Spiel. Wenn ein Patient telefonisch dazu gebracht wird, sein Rezept an eine Plattform weiterzuleiten, endet nicht nur eine Beratungssituation, sondern eine Schutzbeziehung. Die Ersetzung von persönlicher Verantwortung durch digitale Abwicklung ist kein Fortschritt, sondern eine Kapitulation. Wer Marktprozesse mit Fürsorge verwechselt, hat die Grundlagen des Gesundheitswesens aufgegeben.

Noch drastischer zeigt sich die Systemlücke bei der medizinischen Vernachlässigung. Eine neue Form des Diabetes wird klinisch beschrieben, aber nicht versorgt. Es ist nicht der Wissensstand, der fehlt – es ist die institutionelle Reaktion. Versorgungslücken entstehen nicht durch Unkenntnis, sondern durch strukturelles Desinteresse an jenen, die keinen unmittelbaren Marktwert generieren.

All diese Ebenen führen zu einer zentralen Erkenntnis: Das Gesundheitswesen hat seinen inneren Kompass verloren. Wo Recht als Marktregulierung missverstanden wird, wo politische Verantwortung zur Verwaltung gerinnt, wo persönliche Versorgung durch Werbeanrufe ersetzt wird, wo Krankheit ohne Versorgung bleibt – dort ist der Systemkern nicht beschädigt, sondern bereits ausgehöhlt. Die Frage ist nicht, ob etwas reformiert werden kann, sondern ob es überhaupt noch als kohärentes System existiert.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Wenn das Immunsystem den Darm angreift

Source: Deutsche Nachrichten
Retokolitis beginnt oft unauffällig – mit Bauchschmerzen, Müdigkeit oder Blut im Stuhl. Viele schweigen aus Scham, dabei kann die Entzündung rasch chronisch werden und den Dickdarm schwer schädigen. Schmerzen, Durchfälle und häufige Arztbesuche belasten Alltag und Psyche. Trotzdem bleibt die Erkrankung öffentlich weitgehend unsichtbar. Junge Menschen leiden still, medizinische Versorgung ist lückenhaft, Ursachen sind noch unklar. Dieser Text beleuchtet Retokolitis umfassend – medizinisch fundiert, gesellschaftlich eingeordnet, politisch dringlich.

Retokolitis ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die den Dickdarm betrifft und sich unbehandelt immer weiter ausbreiten kann. Die Entzündung beginnt meist im Rektum und dehnt sich in vielen Fällen kontinuierlich nach oben aus. Typische Symptome sind blutiger Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber und ein starker Stuhldrang. In schweren Fällen kann es zu erheblichen Gewichtsverlusten, Eisenmangel oder einer Beeinträchtigung des Allgemeinzustands kommen.

Die Erkrankung tritt bevorzugt bei jungen Erwachsenen auf, wobei der Altersgipfel zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr liegt. Auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein, was insbesondere in der Pubertät zu erheblichen psychischen Belastungen führt. Die Ursache der Retokolitis bleibt unklar. Diskutiert werden genetische Veranlagungen, Umweltfaktoren sowie eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Das körpereigene Abwehrsystem greift irrtümlich die eigene Darmschleimhaut an, was zur chronischen Entzündungsreaktion führt.

Diagnostiziert wird Retokolitis durch eine Kombination aus Anamnese, Stuhluntersuchungen, bildgebenden Verfahren und Koloskopie mit Gewebeproben. Eine eindeutige Diagnose erfordert das Zusammenspiel aus klinischem Bild, histologischen Befunden und dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Die Therapie erfolgt meist stufenweise – beginnend mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Aminosalicylaten oder Kortikosteroiden. In schweren Fällen kommen Immunsuppressiva oder Biologika zum Einsatz. Schlagen diese Therapien langfristig fehl oder treten Komplikationen wie Darmperforationen auf, kann eine chirurgische Entfernung des Dickdarms notwendig werden.

Die Lebensqualität der Betroffenen hängt maßgeblich von der Krankheitsaktivität, der medizinischen Versorgung und der psychosozialen Unterstützung ab. Viele Patienten entwickeln trotz intensiver Behandlung regelmäßige Schübe, die sie im Alltag erheblich einschränken. Arbeit, Familie und soziale Kontakte geraten ins Wanken. Neben der medizinischen Versorgung gewinnen daher Ernährungsberatung, psychologische Begleitung und Selbsthilfegruppen an Bedeutung.

Retokolitis bleibt eine Herausforderung für Patienten, Angehörige und das Gesundheitssystem. Fortschritte in der Forschung eröffnen neue Therapieoptionen, doch die Erkrankung ist bislang nicht heilbar. Umso wichtiger ist ein interdisziplinärer Behandlungsansatz, der nicht nur Symptome lindert, sondern auch die Lebensrealität der Patienten berücksichtigt.

Kommentar:

Retokolitis ist weit mehr als eine entzündliche Erkrankung des Darms. Sie steht beispielhaft für das Versagen einer Gesellschaft, chronisch Kranken rechtzeitig Aufmerksamkeit, Ressourcen und Verständnis entgegenzubringen. Wer jung ist und von dieser Krankheit getroffen wird, erlebt nicht nur körperlichen Schmerz, sondern häufig auch soziale Isolation, berufliche Nachteile und ein ständiges Gefühl der Unsicherheit. Dabei zeigt gerade Retokolitis, wie stark psychische Belastung und körperlicher Zustand miteinander verflochten sind.

Während medizinisch immer neue Therapien entwickelt werden, bleiben grundlegende Probleme bestehen. Die Bürokratie der Krankenkassen erschwert häufig den Zugang zu innovativen Behandlungen. Gleichzeitig fehlt es in vielen Regionen an spezialisierten Fachärzten, wodurch die Diagnosestellung verzögert wird. Prävention ist nahezu nicht existent, da die Ursachen bis heute kaum verstanden sind. Forschung wird zwar betrieben, doch öffentliche Aufmerksamkeit bleibt aus. Medien berichten lieber über schnell konsumierbare Gesundheitstipps statt über das langsame Leiden junger Menschen mit entzündetem Darm.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Medizin. Auch Schulen, Arbeitgeber und Politik sind gefordert, chronisch Kranken ein gerechteres Umfeld zu bieten. Wer ständig mit Durchfällen lebt, kann keine vollen Arbeitstage leisten und braucht flexible Strukturen. Wer unter Dauerentzündungen leidet, sollte nicht auf Sozialleistungen angewiesen sein, um teure Medikamente zu erhalten. Retokolitis verlangt nach einem Systemwechsel: weg von der Reaktion, hin zur proaktiven und ganzheitlichen Begleitung.

Der Umgang mit Retokolitis ist ein Prüfstein dafür, wie ernst eine Gesellschaft ihre Verpflichtung gegenüber chronisch Erkrankten nimmt. Und er zeigt, wie sehr Gesundheit nicht nur medizinisch, sondern vor allem sozial und politisch gedacht werden muss.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Glosse: Digital und dennoch ohnmächtig

Source: Deutsche Nachrichten
Als die Apobank am Morgen kollektiv in die Knie ging, zeigte sich, wie wenig es braucht, um den hochgelobten Digitalbetrieb der Apotheken zu entgleisen. Kein Zugriff auf Konten, keine Schnittstellen, keine Klarheit: Der Ausfall lähmte Apotheken landesweit. Eine stille Lektion in Sachen Realitätssinn: Wer sich auf digitale Zahlungsprozesse verlässt, sollte stets ein Backup im Rücken haben – oder einen Zettel für Barzahlung. Die Störung war schnell behoben, der Eindruck bleibt. Vertrauen in digitale Zuverlässigkeit braucht mehr als ein Update.

Es war ein ganz normaler Morgen im digitalen Gesundheitswesen. Die Kaffeemaschine röchelte, das Kassensystem blinkte, und irgendwo in Deutschland stand ein Apotheker ratlos vor einem Bildschirm, der ihm sagte: “Online-Banking derzeit nicht verfügbar.” Die Apobank, jener digitale Fels in der Brandung der Heilberufler, hatte beschlossen, kollektiv in die analoge Vergangenheit zu stürzen. Kein Zugriff per App, kein Webportal, keine Schnittstelle – nur digitale Dunkelheit, wohin das Auge klickte.

Wer heute noch glaubte, Digitalisierung bedeute Effizienz, bekam eine Lektion in angewandter Ironie. Apotheken, die mit chirurgischer Präzision ihre Liquidität managen wollten, sahen sich plötzlich beim Improvisationstheater wieder. “Könnten Sie vielleicht bar zahlen? Oder eine Ziehung auf gut Glück?” Während Kundinnen auf ihre Kartenzahlung warteten, starrten Softwareoberflächen zurück wie ein Windows 95 im Jahr 2025. Der einzige Trost: Auch in der Apobank selbst ging nichts. Digitale Gleichheit für alle.

Die Störung kam nicht etwa nachts, wenn nur noch Katzen Hustensaft kaufen, sondern zur Hauptbetriebszeit. Eine Zeit, in der sich Apotheken auf ihre Finanzdienstleister verlassen müssen wie auf sterile Handschuhe – und ungefähr genauso dünn schien der Schutz gegen digitale Pannen. Der Apobank fiel weder Geld aus dem Automaten noch eine originelle Entschuldigung ein. Stattdessen: Schweigen, dann irgendwann ein “Entwarnung”. Das klingt, als hätte ein digitaler Katastrophenschutz kurz gezuckt und beschlossen, dass die Apotheken jetzt wieder atmen dürfen.

Was bleibt, ist eine Erkenntnis: Wer in der digitalen Gesundheitsfinanzwelt lebt, sollte immer ein zweites System in der Schublade haben – oder zumindest einen Zettel mit der Aufschrift: “Heute nur Barzahlung.” Denn wenn die Apobank hustet, bekommt das halbe Gesundheitswesen Schnupfen. Und wie jeder gute Patient weiß: Bei akuter Systemschwäche hilft nur Ruhe, Tee – und ein Fax ans Rechnungswesen.

Von Engin Günder, Fachjournalist